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Wo der Künstler die feierlichfte Pracht entfalten will, wie auf dem herrlichen Eingangsblatt, wo der Stifter von seinem Schutzpatron St. Stephanus empfohlen und von mufizirenden Engeln begleitet vor der Madonna kniet, da ist durch cannelirte korinthische Pilaster, prächtige Wandtäfelungen, reiche antike Gefimfe mit feftonhaltenden Genien die Renaissance zum vollen Ausdruck gekommen. Aber bezeichnend genug thront die Madonna in einer gothischen Nische, so dafs hier doch wohl für die Himmelskönigin eine Form von mystischer Feierlichkeit gewählt wurde. Bei der Begegnung zwischen Maria und Elifabeth fieht man feitwärts einen Altarbau unter einem von Compositasäulen getragenen Baldachin, dessen Gebälk und Gefims der ionischen Ordnung folgt. Bei der anmuthigen Scene, wo die Apostel zum Antritt ihrer Wanderschaft eingefegnet werden (Fig. 2) schliefst wiederum eine Wand mit Marmorgetäfel, gegliedert durch cannelirte korinthische Pilafter, und abgefchloffen durch ein prachtvolles antikes Gebälk und Gefims mit Stierschädeln und Fruchtschnüren den Hintergrund ab. Auf dem Gefims fieht man drollige nackte Flügelknäbchen paarweise Wappen haltend und Lorbeerzweige fchwingend. Der Brunnen aber, der die Mitte einnimmt und mit seinen Wasserstrahlen die Knieenden besprengt, zeigt gothische Formen.

Nochmals kommt dann die Antike ausfchliefslich und in höchfter Pracht bei der Darstellung der Vermählung Maria's und Jofeph's zur Geltung, denn ein dreithoriger Triumphbogen, der bis auf die reichen Reliefs, die plastisch gefchmückten Schlusssteine, die schwebenden Victorien in den Zwickeln und die Caffetirungen der gewölbten Thorwege den römischen Vorbildern nachgeahmt ift, bildet den Abschlufs. Merkwürdigerweise aber ist dieses Prachtftück der Architektur, das die Auffchrift templum Salomonis trägt, mit zwei Compositafäulen dekorirt, deren Schäfte gefchweift und in horizontalen Streifen abwechselnd mit gewundenen Cannelirungen und allerlei Reliefscenen bedeckt find. Woher der Künstler diese Anschauungen entlehnte, die hier zum erften Mal auftreten, dann bei Rafael in den Cartons für die Teppiche wiederkehren, um endlich bei dem colossalen Tabernackel in St. Peter in das gröfste monumentale Mass übertragen zu werden, wiffen wir nicht. Was aber die gefammten Renaissanceformen Foucquets auszeichnet, ist der Umstand, dass fie nicht aus den dekorativ überschwänglichen Schulen Oberitaliens, woher die deutschen Meifter von Nürnberg und Augsburg ihre Anschauungen fchöpften, fondern aus der ftrengeren florentinischen Auffaffung fich herschreiben. Brunellesco, Mafaccio, Fra Angelico find die Vorbilder unferes Meifters; namentlich des letzteren Wandgemälde in S. Marco find mit Hintergründen ähnlicher Art ausgeftattet, bei denen der cannelirte korinthische Pilafter eine grofse Rolle spielt. Dafs Foucquet mit feiner Hinneigung zu den antiken Formen in feiner Nation über ein halbes Jahrhundert vereinzelt blieb, werden wir später sehen.

§ 5.

S

die monumentale

DIE BÜCHERILLUSTRATION.

PÄTER als die merkwürdigen Schöpfungen Foucquets, aber doch früher als die monumentale Erscheinung der Renaissance in Frankreich, find die Leistungen des Bücherdrucks, fofern fie fich auf die künftlerische Ausftattung der Bücher beziehen. Wir haben hier nicht jene überströmende Phantafiefülle, jene geistreiche Kraft und Mannigfaltigkeit der Erfindungsgabe zu verzeichnen, wie sie Deutschland in diefer Epoche darbietet. Bei uns war es der Sieg der Reformation, der eine volksthümliche Literatur von unglaublichem Reichthum hervorrief und damit zugleich eine Freude an künftlerischer Ausstattung, welche durch die Thätigkeit von Meistern wie Dürer, Burgkmaier, Holbein, Kranach u. A. die mächtigste Förderung erfuhr. In Frankreich, wo die Reformation bald unterdrückt wurde, blieb die Literatur weit mehr ein Befitzthum der vornehmeren Kreise, und es war in erster Linie der Hof, namentlich Franz I, der Vater der Wissenschaften, (père des lettres), welcher diefe Richtung förderte. Nur sehr langfam brach fie fich Bahn und fast noch länger als in Deutschland blieb beim Bücherdruck die gothische Type in Kraft, da befonders in den bürgerlichen Kreisen man mit grofser Zähigkeit an dem nationalen Stil der Gothik fefthielt. Als dann doch, durch die Verbindungen mit Italien, durch die Kriegszüge Karls VIII und Ludwigs XII, die Einflüffe der Kunft des Südens fich geltend machten, endlich aber Franz I fich der neuen Kunst der Renaissance mit Begeisterung zuwandte, musste auch die Typographie die alten ausgetretenen Geleife verlaffen und in neue Bahnen einlenken.')

Dies geschah nun zunächst in der Weise, dafs die Buchdrucker für die Ausstattung ihrer Erzeugniffe die Ornamente, Randleisten, Vignetten, Zierbuchstaben u. dgl. aus italienischen Büchern einfach copiren liefsen, fo dafs bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts gröfstentheils folch entlehntes Schmuckwerk in den franzöfifchen Büchern angetroffen wird. Daraus ergab fich auch für die folgende Zeit ein ziemlich enger Anschluss an italienische Formgebung und an die mehr zeichnerisch plastische, als malerifche Behandlung der italienischen Illustration. Franz I in feiner Begeisterung für die Wiffenfchaften und Künfte war es, der durch fein Eingreifen der franzöfifchen Typographie einen Auffchwung verlieh. Er beftätigte die von feinem Vorgänger den Buchdruckern und Buchhändlern verliehene Steuerfreiheit, fchuf die Hofbuchdruckerstellen und ertheilte Pri

1) Vergl. A. F. Butfch, die Bücherornamentik der Renaiffance. München 1880. Fol. II. Bd. Das Folgende beruht auf Studien in den Bibliotheken zu Stuttgart und München, von denen namentlich letztere reich an den feltenften Werken der damaligen französischen Literatur ift.

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viligien gegen den Nachdruck, forgte für die Verbefferung der Typographie, indem er die Bestrebungen eines Geofroy Tory, Simon de Colines, Robert Etienne, Conrad Neobar und Anderer förderte. Allerdings liefs er fich durch die Furcht vor dem Ueberhandnehmen der Reformation 1534 zu einem Verbot des Bücherdrucks hinreifsen, und der gelehrte R. Etienne musste 1550, weil er der neuen Lehre anhing, nach Genf flüchten; aber dies konnte kaum vorübergehend die Entwicklung der Typographie hemmen, die bis gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts immer noch Beachtenswerthes leiftete.

Bezeichnend für den Charakter der franzöfifchen Illuftration ift und bleibt es, dafs fie wie die gesammte Kunst Frankreichs überwiegend unter dem Einfluss des Hofes fteht. Sie gewinnt dadurch die Richtung auf das Feine und Elegante und erinnert in dieser Hinficht an die Miniaturmalerei des Mittelalters, die aus denselben Gründen in Frankreich vorzugsweife nach formalem Reiz ftrebte. Weiterhin ist es beachtenswerth, dafs nur die Officinen von Paris und Lyon in ihren typographischen Leistungen eine selbständige Bedeutung gewinnen; aber fo Glänzendes fie auch hervorbringen, fo unleugbar in diesen Arbeiten fich der den Franzofen eigenthümliche feine Gefchmack offenbart, fo bietet doch Frankreich nicht das Bild jener unerschöpflich reichen, wenngleich im ganzen Charakter viel derberen Mannigfaltigkeit wie Deutschland, wo in zahlreichen gröfseren und kleineren Städten ein erstaunlich rühriger Wetteifer in der typographischen Arbeit herrscht. Auch hier also treffen wir diefelben Züge, welche in der gefammten übrigen Kunft und Kultur beide Länder unterscheiden.

Unter den franzöfifchen Drucken vom Ausgang des 15. Jahrhunderts find die zahlreichften, immer wieder aufs Neue reproduzirten, die unter dem Namen der >>Heures< bekannten Gebetbücher, deren Maffenhaftigkeit allein von der Devotion und dem Festhalten an den kirchlichen Ueberlieferungen den deutlichsten Beweis giebt. Die ersten Drucke diefer Art, die von Simon Voftre aus dem Jahre 1486 und die von Philippe Pigouchet und Antoine Verard aus den beiden folgenden Jahren tragen in ihren Typen, fowie in der Ornamentik noch durchaus den gothischen Charakter. Noch kein Hauch der neuen Kunstweise läfst fich fpüren, und die in fpätmittelalterlichen Formen behandelte Ornamentik ift durch Handmalerei ausgeführt, fo dass diese kleinen Bücher auf den erften Blick den Eindruck von Manufcripten mit Miniaturen machen. Im Wefentlichen herrscht diefer Charakter felbft noch in den Heures, welche Jehan de Brie 1510 herausgab. Auch hier ift fast durchgängig das Gepräge des Mittelalters, die Schrift gothisch, Initialen und Bilder gemalt, letztere zeigen fich grobkörnig im Stil der Spätzeit des 15 Jahrhunderts. Aber fchon beginnt die Renaissance, wenngleich noch schüchtern, einzudringen, denn auf der Ausgiefsung des

LÜBKE, Gefch. d. Renaiffance in Frankreich. II. Aufl.

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heiligen Geiftes zeigt der Thron der Madonna gleich der umgebenden Halle die allerdings noch ziemlich derben, wenig verftandenen Formen des neuen Stils. In den ungefähr gleichzeitigen Heures von Germain Hardouyn herrscht im Wefentlichen noch dasfelbe Verhältnifs: gothische Schrift und reich ausgemalte fpätmittelalterliche Ornamentik. Aber fämmtliche grössere Bilder find mit, freilich übelverftandenen, Renaiffancerahmen eingefafst, wobei neben den Pilaftern vom Gebälk Blumengewinde herabhängen, dies Alles merkwürdig nüchtern und trocken gezeichnet. Aber auch fonst schlägt das Architektonische in Renaiffanceformen um, fo beim Tode der Maria, und bei der Ausgiefsung des heiligen Geiftes der Thron der Madonna; dagegen find die einzelnen Seiten überall mit mittelalterlichem Laubornament eingefasst. In einer andern Ausgabe der Heures, die den Namen desfelben Verlegers trägt, tritt nun plötzlich die Antiquafchrift auf und verändert mit einem Schlage die gefammte Phyfiognomie des Buches. Das Format ift viel kleiner als bei dem vorher befprochenen und auch die herzlich unbe

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Fig. 4. Zierbuchstaben von G. Tory. (Aus Butích, Bücherornamentik der Renaiffance.)

deutenden Bilder zeigen geringeren Maafsftab. Ihre Umrahmung aber ist genau diefelbe mit trocknen dorifirenden Pilaftern, Gebälken und Blumengehängen. Man erkennt alfo auch hier den Kampf der neuen mit der alten Zeit, die merkwürdige Gährung der beiden Weltanschauungen, welche damals aufeinander ftiessen.

Ueberaus bemerkenswerth find die »Menus propos, compofez par Pierre Gringoire. Paris, Philippe le Noir 1528.« Das kleine Buch trägt trotz der vorgeschrittenen Zeit überwiegend noch mittelalterlichen Charakter, ift namentlich mit gothifchen Lettern gedruckt. Die Initialen dagegen find antik, der Grund indefs mit gothischem Laubwerk gefüllt. Die Bilder find derb mit einfacher aber kräftiger Schattirung, manche gut gezeichnet und lebendig bewegt, im Ganzen jedoch von fehr verfchiedenem Werth. Von irgend einer ornamentalen Einrahmung ift hier nirgends die Rede. Im folgenden Jahr (1529) erfchien » Champfleury auquel eft contenu lart et science de la deue et vraye Proportion des Lettres attiques, quon autrement lettres Antiques et vulgairement Lettres Romaines proportionnees felon le Corps

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