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durch erklärt, dass die ersten tribuni plebis aus den tribuni militum hervorgegangen seien, und wahrscheinlich mit Recht. Denn während sich nicht erweisen lässt, dass die Tribune der Plebs, namentlich in der frühesten Zeit, irgend eine besondere Beziehung zu den Tribus der Gemeinde gehabt haben, auch ihre Zahl der der Tribus nicht entspricht, ergiebt sich aus dem oben Gesagten, dass bereits vor der politischen Constituirung der Plebs im Mi-litärwesen plebejische tribuni sowohl die Führung gehabt wie die Soldzahlung bewirkt haben. Es war also natürlich, insbesondere wenn die Revolution, wie überliefert wird, durch einen militä-* risch geordneten Auszug der gesammten Plebejerschaft aus der Stadt ins Werk gesetzt ward, dass der Name von den Leitern dieses Zuges auf die regulären Vorstände der Plebs überging.

Hinsichtlich der Zahl der Volkstribune stimmt die Ueberlieferung darin überein, dass sie anfänglich auf zwei gestanden habe, später auf fünf und schliesslich auf zehn vermehrt worden sei. Dagegen gehen hinsichtlich der Jahrzahlen dieser Vermehrungen die Berichte auseinander. Nach der wahrscheinlich ältesten Version, die wir bei Piso ), Cicero 2) und Diodor 3) finden, hat es zwei Tribune 4) bis zum J. 283 gegeben und sind in diesem

Bedentung als Vorsteher einer militärischen oder politischen Volksabtheilung erlangt habe'. Aber diese allgemeine Bedeutung hat er vielmehr nie erlangt; tribunus bezeichnet sonst durchaus den Vorsteher der tribus, den Theilführer.

1) Liv. 2, 58: tum primum comitiis tributis creati tribuni sunt. numero etiam additos tres, perinde ac duo antea fuerint, Pisor auctor est, nominat etiam tribunos. Darauf geht ebenfalls Liv. 2, 33: sunt qui duos tantum in Sacro monte creatos tribunos esse dicant ibique sacratam legem latam. So wird auch Atticus (bei Asconius p. 76) erzählt haben, wenn er überhaupt die Vermehrung von zwei auf fünf Tribune angenommen hat.

2) Cicero in Cornel. p. 75 Orell. tanta igitur in illis virtus fuit ut anno XVI post reges exactos propter nimiam dominationem potentium secederent, leges sacratas ipsi sibi restituerent, duos tribunos crearent, montem illum trans Anienem, qui hodie mons sacer nominatur, in quo armati consederant, aeternae memoriae causa consecrarent. Itaque auspicato postero anno tribuni plebis comitiis curiatis creati sunt. Die Zahl hinter postero anno fehlt in der am wenigsten interpolirten Handschrift und ist damit unvereinbar, dass nach Asconius Ciceros Bericht über die erste Secession auf die Wahl von bloss zwei Tribunen hinausläuft. - Derselbe de re p. 2, 34, 59: duobus tribunis plebis per seditionem creatis. Lydus de mag. 1, 38. 44.

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3) Seiner Angabe zufolge (11, 68) sind zwar im J. 283 nicht fünf, sondern vier Tribune ernannt worden, aber die vier Namen, die er nennt, stimmen mit den von Livius aus Piso angeführten und der fünfte ist wohl nur durch Versehen Diodors ausgefallen.

4) Zu den directen Belegen für die ursprüngliche Zweizahl tritt noch der livianische Bericht aus dem J. 305 (S. 262 A. 2), der auch auf die Wahl von zwei Führern hinausläuft.

Zah'.

Jahr durch das publilische Gesetz drei weitere Stellen eingerichtet worden. Tuditanus dagegen (vermuthlich der Consul des J. 625), ebenso Livius und die jüngern Annalisten überhaupt lassen schon im J. 260 selbst zu den zwei Tribunen noch drei durch Cooptation hinzutreten 1). Die Vermehrung von fünf auf zehn setzen Livius und Dionysios in das J. 2972), Dio, wie es scheint, in das J. 283 3). Darin stimmen alle Versionen überein, dass bei der Wiederherstellung des Tribunats im J. 305 die Zehnzahl bereits bestand). Diese Steigerungsangaben stehen in deutlicher Verbindung mit der Angabe, dass die fünf und zehn Tribune einzeln oder je zwei aus den fünf Klassen der servianischen Ordnung gewählt worden sind 5). Indess alle diese Angaben sind in hohem Grade bedenklich. In historischer Zeit findet sich keine Spur davon, dass für den einzelnen Tribun oder das einzelne Tribunenpaar der Census einer bestimmten Klasse gefordert worden ist; es würde dieses Verhältniss auch kaum mit der allgemeinen Stellung der römischen Magistratur in Einklang zu bringen sein, die durchaus die Beziehung des einzelnen Magistrats zu einem einzelnen Volkstheil vermeidet und die Beamten ohne Ausnahme aus den Wahlen der Gesammtheit hervorgehen und die Gesammtheit vertreten lässt. Wahrscheinlich ist diese Verknüpfung

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1) Asconius a. a. O. führt dafür Tuditanus und Livius (2, 33) an. Ausserdem stimmt damit Dionysios 6, 89, obwohl er die drei später hinzugetretenen nur durch ἔτι πρὸς τούτοις absondert. Hiemit im Einklang setzt derselbe für 274 (9, 2) und 282 (9, 41) fünf Tribune an. Auch Dio (bei Zon. 7, 15) folgt wahrscheinlich derselben Erzählung: καὶ προστάτας αὐτίκα ἐξ ἑαυτῶν δύο προε χειρίσαντο, εἶτα καὶ πλείους, ἵν ̓ εἶεν αὐτοῖς κατὰ συμμορίαν βοηθοί τε καὶ τιμωροί. Wenn Lydus de mag. 1, 38. 44 nur von zwei Tribunen weiss, so hat er bloss den Livius nachlässig ausgeschrieben, dem er sonst hier folgt, so weit er nicht faselt. Dass gleich von Haus aus nicht zwei, sondern fünf gewählt seien, giebt Asconius als die gewöhnliche Annahme der Annalisten; unsere Berichte kennen sie nicht, wenn man nicht den des Dionysios so verstehen will.

2) Liv. 3, 30. Dionys. 10, 30. Indess nimmt Livius 2, 44, 6 nach den besseren Handschriften schon für das J. 274 zehn Tribune an. Anderswo (2, 43, 4. c. 54, 9. c. 56, 4) spricht er nur unbestimmt von mehr als zweien.

3) In der Auseinandersetzung über den Tribunat (Zon. 7, 15) erwähnt Dio die Steigerung von 2 auf 5 und von 5 auf 10, ohne die Zeit zu bestimmen; nachher (Zon. 7, 17) ist zwischen 283 und 296 von der Vermehrung der Zahl der Tribune und von neun verbrannten Tribunen die Rede, so dass er die Vermehrung von fünf auf zehn in das J. 283 gesetzt zu haben scheint.

4) Diese setzt auch Cicero (S. 265 A. 1) voraus, der sonst über die Vermehrung der Stellenzahl sich nicht äussert.

5) Asconius a. a. O.: quidam non duo tribunos plebis, ut Cicero dicit, sed quinque tradunt creatos tum esse, singulos ex singulis classibus. Zonaras a. a. O. (A. 1). Liv. 3, 30, 6: decem creati sunt, bini ex singulis classibus.

der Tribune mit den Klassen nichts als ein Versuch den Wechsel der Zahl von zwei auf fünf oder zehn zu erklären; ja es könnte sein, dass die Zwischenzahl von fünf lediglich erfunden ist, um die Beziehung der Zehnzahl auf die Klassen zu bestärken. Wenn demnach sowohl die Fünfzahl wie die Beziehung auf die Klassen und nicht minder sämmtliche in die Ueberlieferung verflochtene Jahrzahlen nicht als beglaubigt gelten dürfen, so bleibt als sicher geschichtlich nur die ursprüngliche Zweizahl, die auch durch die Analogie sowohl der zwei aediles plebis wie der beiden Consuln unterstützt wird, und die spätere Zehnzahl 1). Die Nachricht von einem elften Tribun 2) ist ohne Zweifel apokryphisch; wer sie aufstellte, mochte von der Ansicht ausgehen, dass die Zehnzahl des Collegiums nicht als absolute sondern als minimale gedacht sei.

Quali

fication.

Die Vorschriften über die Qualification zum Volkstribunat sind entweder von den für die patricischen Aemter bestehenden Regeln übertragen oder doch diesen correlat und insofern schon bei diesen mit zur Erörterung gekommen. Wie bei jenen ursprünglich der Patriciat erforderlich war, so ist für den Volkstribunat die Plebität sowohl ursprünglich nothwendig gewesen wie die ganze Kaiserzeit hindurch geblieben3). Indess scheint Plebitat. dieses Erforderniss nicht eigentlich für den Volkstribunat als solchen, sondern vielmehr für die Bewerbung um den Volkstribunat aufgestellt gewesen zu sein; was zur Folge gehabt hat, dass bei der Bestellung der Volkstribune durch Cooptation auch Patricier als qualificirt angesehen werden). Indess ist dies in

1) Dass bei der Wiederherstellung des Tribunats 305 zehn Tribune creirt wurden, berichten Cicero bei Asconius in Cornel. p. 77 und Livius 3, 54, 11, wo sie namentlich aufgeführt werden. Andere Belege für die Zehnzahl Cicero de leg. 3, 3, 9. c. 10, 24. in Vatin. 7, 16. Gellius 6[7], 19. Liv. 3, 64 und sonst häuflg.

2) Liv. 4, 16: hunc Minucium apud quosdam auctores transisse a patribus ad plebem undecimumque tribunum plebis cooptatum seditionem motam ex Maeliana caede sedasse invenio. Plinius h. n. 18, 3, 15. Livius verwirft selbst den Bericht.

3) 1, 457. 536 fg. Clodius dachte daran den Volkstribunat beiden Ständen zugänglich zu machen (Dio 37, 51: τινὰς τῶν δημαρχούντων προκαθῆκεν ἐσηγή σασθαι τὸ καὶ τοῖς εὐπατρίδαις τῆς ἀρχῆς μεταδίδοσθαι), und erst als dies fehischlug, bewarb er sich für seine Person um den Plebejat.

4) Liv. 3, 65: novi tribuni plebis in cooptandis collegis patrum voluntatem foverunt, duos etiam patricios consularesque Sp. Tarpeium et A. Aternium cooptavere. Derselbe 5, 10: labefactandae legis Treboniae causa effectum est, ut cooptarentur tribuni plebi C. Lacerius et M. Acutius haud dubie patriciorum opibus... eo revolvi rem, ut aut patricii aut patriciorum asseclae habendi tribuni

Wahlform.
Wahlver-

sofern von untergeordneter geschichtlicher Bedeutung, als auch bei den Volkstribunen die Cooptation früh verschwand (S. 267). -Die Bestimmungen in Betreff der Ingenuität (1, 459) und der Erfüllung der Dienstpflicht (1, 487 fg.) sind der patricischen und der plebejischen Magistratur gemeinschaftlich. Ueber die Cumulirung (1, 498), die Continuirung und Iterirung (1, 504) und die Intervallirung (1, 513 fg.) der plebejischen Aemter so wie über deren Folge theils unter einander, theils in Beziehung zu den patricischen (1, 531 fg.) wurde bereits bei diesen mit gehandelt. Dass je einer, später je zwei der Tribune je einer der fünf Klassen angehören mussten, kann nur für die älteste Zeit vorgeschrieben gewesen sein, wenn nicht die ganze Nachricht irrig ist (S. 264).

Die Beschaffenheit der für die Wahl der Volkstribune comsammlung. petenten Versammlung kann erst im Abschnitt von der Plebs selbst erörtert werden. Hier ist nur zu constatiren, dass der Ueberlieferung zufolge die Tribune bis auf das publilische Gesetz vom J. 283 durch die patricisch-plebejischen Curien, von da an durch die nach Tribus geordnete Gesammtheit der Plebejer allein gewählt worden sind; dass aber gegen die erstere Wahlform insofern ernstliche Bedenken bestehen, als die Wahl der Volkstribune nicht wohl erst später von der Gesammtgemeinde auf die Plebs übergegangen sein kann, vielmehr dieser von Haus aus zugestanden haben muss. Vielleicht ist in diesem Bericht den patricisch-plebejischen Curien irrig beigelegt worden, was der Wahl- nach Curien geordneten Plebs zukam. Ueber die Wahlleitung fehlt es für die Epoche, in welcher die Tribune durch die Curien gewählt wurden, auffallender Weise an jeder Angabe; man scheint sich ebenso davor gescheut zu haben den Volkstribunen die Verhandlung mit der Gesammtgemeinde wie den Consuln die Leitung der tribunicischen Wahlen beizulegen, wie denn auch beides in der That widersinnig ist. Wenn dagegen die Volks

leitung.

plebis sint. Ich habe geirrt, als ich in meiner Ausgabe des Veroneser Palimpsestes p. 191 die erstere Stelle auf Grund der abweichenden Lesung desselben für eine späte Interpolation erklärte; die Unterscheidung rogirter und cooptirter Volkstribune hebt das Bedenken. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass es wirklich jemals patricische Volkstribune gegeben hat; es kann sein, dass ein alter Jurist, der die Plebität nur im carmen rogationis erwähnt fand, daraus die Compatibilität des Patriciats mit dem durch Cooptation verliehenen Tribunat folgerte und dieser Erwägung in einer solchen Erzählung Ausdruck gab.

tribune ursprünglich von der nach Curien geordneten Plebs gewählt worden sind, so ergiebt sich damit zugleich die auch durch die Analogie des Consulats so wie überhaupt durch die Sachlage nothwendig geforderte Aufstellung, dass die Wahl der Volkstribune stets unter deren eigener Leitung stattgefunden hat. Nach der Uebertragung der Tribunenwahl auf die plebejischen Tribus ist die Wahlleitung der Volkstribune ausser Zweifel1), und es ist, selbstverständlich abgesehen von der revolutionären Reconstituirung des Tribunats im J. 305, davon keine Ausnahme vorgekommen 2), so lange überhaupt Tribune durch Volkswahl bestellt worden sind 3). Unter den zur Vornahme der Wahl be- Cooptation. rufenen Tribunen entscheidet, wie bei den Consuln, Verständigung 4) oder Loosung 5). - Für den Fall, dass die Wahl nicht für sämmtliche Stellen Majorität ergab, stand ursprünglich dem oder den gewählten Tribunen, wie dem einzeln gewählten Consul, das Recht der Cooptation zu, welche aber bereits im J. 306 durch das trebonische Plebiscit abgeschafft wurde (1, 211). Seitdem waren die Tribune verpflichtet nicht bloss überhaupt Nachfolger, sondern zehn Nachfolger zu creiren 6), wahrscheinlich in der Weise, dass die

1) Liv. 3, 64, 4: ut comitiis praeesset potissimum M. Duilio sorte evenit. Appian b. c. 1, 14: Ρουβρίου δημάρχου του προεστάναι τῆς ἐκκλησίας ἐκείνης (in der die Tribune für 633 zu wählen waren) diciλnyóτoc. Dasselbe zeigt sich darin, dass der die Wahl leitende Tribun in älterer Zeit häufig sich selbst wählen liess (1, 473 A. 2).

2) Die erste Einsetzung wie die Reconstituirung des Volkstribunats sind revolutionäre Acte, ebenso wie die Einsetzung des Consulats; nothwendiger Weise lässt sich für keinen derselben eine innerhalb der Schranken der Verfassung zulässige Formel finden. Wenn die Wahl der Volkstribune 305 in der That unter Leitung des patricischen Oberpontifex stattgefunden hat, so kann dies nur auf ein Specialgesetz zurückgeführt werden, das den revolutionären Act legalisirte (S. 34 A. 1). Ueber die consularische Oberaufsicht auch über diese Wahlen, die öfter hervortritt, vgl. 1, 136 A. 2. Auch dass Caesar als Dictator tribunicische Comitien,hielt (Sueton Caes. 76), besagt nur, dass er sie veranlasste und so, wie sonst die Consuln, beaufsichtigte (vgl. Dio 42, 20).

3) In der Kaiserzeit wurden die Tribune vom Senat nominirt wie die patricischen Magistrate; die Renuntiation erfolgte aber auch damals noch vermuthlich vor dem concilium plebis.

4) 1, 41 A. 3. Allerdings fehlen für die tribunicische comparatio bestimmte Zeugnisse, und sie wird selten vorgekommen sein, da hier ja zehn Collegen sich zu einigen hatten; aber nichts schliesst sie aus (denn dass der Tribun, dem das Loos die Wahlleitung giebt, diese nicht willkürlich einem beliebigen Collegen abtreten kann, ist etwas ganz anderes), und die Analogie der patricischen Oberbeamten fordert sie. Die Zulässigkeit der Comparation ist das charakteristische Zeichen der höchsten Magistratur (1, 40 fg. 2, 199).

5) A. 1 und 1, 40 fg. Es muss auch dafür Vorsorge getroffen gewesen sein, dass nicht ein einzelner Tribun durch die Weigerung an der Loosung über den Vorsitz sich zu betheiligen den Wahlact verhindern konnte.

6) Liv. 3, 65: L. Trebonius tr. pl. . . . rogationem tulit, ut qui plebem

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