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Kreis der
Hülfs-

und

desselben.

Bestellung der Gehülfen bei der Civiljurisdiction und des daraus entwickelten Quästionenprozesses zu bezeichnen.

Das prätorische Rechtsgebiet umfasst ursprünglich, wie wir thätigkeit sahen, nur den Privatprozess, das heisst den von zwei streitenErweiterung den Parteien vor den Magistrat gebrachten Rechtshandel, und schliesst den Rechtsstreit zwischen der Gemeinde und dem Privaten, den vermögens- wie den strafrechtlichen, streng genommen aus. Indess ist, wie auch schon angedeutet wurde, indem in weitem und immer weiterem Umfang die Vertretung der Gemeinde durch einen einzelnen Bürger zugelassen wurde, theils in der Form der Popularklage, theils in der des Quästionenprozesses späterhin ein grosser Theil der vermögensrechtlichen Prozesse zwischen der Gemeinde und dem Bürger und fast das gesammte Strafrecht in die Form des Privatprozesses gekleidet und dadurch grossentheils in das prätorische Amtsgebiet hineingezogen worden. - Der Privatprozess ruht auf dem Geschworneninstitut, das dagegen dem Criminalverfahren an sich fremd ist. Diese Institution zieht nothwendig nach sich die Trennung des Verfahrens in das rein magistratische (ius), welches schliesst mit der Feststellung der Parteien, der Geschwornen und des Streitobjects, und das der Urtheilsfindung, welche der oder die Geschwornen entweder allein oder unter Leitung des Magistrats vollziehen (iudicium). In beiden Stadien treten Gehülfen hinzu.

Praefecti iure dicundo.

Geschwor

nen

Bei dem Verfahren in iure kommen Gehülfen nur insofern vor, als die Ausdehnung des römischen Gebiets seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts zu der Einrichtung einer Anzahl von Succursalen für die Civilrechtspflege an verschiedenen Orten Italiens geführt hat, deren Vorsteher, die praefecti, anfangs vom Stadtprätor ernannt, später zum Theil von den Comitien creirt wurden. Gegen das Ende der Republik machte in Folge der Entwickelung des Municipalwesens innerhalb der Bürgergemeinde die allgemeine Einrichtung der Municipalgerichte jene Succursalen überflüssig; sie sind desshalb von Augustus aufgehoben worden, wie dies in dem Abschnitt über die praefecti Capuam Cumas unten dargelegt ist.

Das Verfahren in iudicio ist seinem Wesen nach angewiesen bestellung auf die Hülfsthätigkeit der Geschwornen. Die Bestellung der Geschwornen, deren Einführung auf den Anfang der Republik zurück geführt wird (1, 220), ist von Haus aus Recht und Pflicht

des Prätors, wie er denn auch befugt ist dem Geschwornen das Mandat wieder zu entziehen 1). Indess ist er bei der Bestellung selbstverständlich gebunden an die für die einzelnen Prozesse gesetzlich vorgeschriebene Qualification 2). Diese ist theils nach dem Gerichtshof, theils nach dem Klagobject vielfach verschieden. Je nachdem der städtische, der Peregrinen-, der Repetundenoder der Provinzialprätor den Prozess instruirt, greifen andere Vorschriften Platz. Auch bei den von demselben Prätor instruirten Prozessen gelten nicht durchaus die gleichen Regeln: die Bestellung des unus iudex und die der Recuperatoren erfolgt nach abweichenden Normen und selbst wo die Richtergattung dieselbe ist, hängt die Qualification noch häufig ab von dem Betrag und der Beschaffenheit des Streitobjects. Die Darlegung dieser Regeln gehört in die des Gerichtswesens überhaupt; indess wird die Bevorzugung theils der Senatoren, theils der Vermögenderen, das heisst der Männer vom Rittercensus oder auch vom Census der ersten Klasse 3) seiner Zeit bei dem Senat und der Ritterschaft zur Erörterung kommen. Hier, wo das magistratische Recht zu entwickeln ist, kann nur erörtert werden, in wie weit das prätorische Recht der Geschwornenbestellung theils durch die Aufstellung eines allgemeinen Geschwornenverzeichnisses, theils durch das Eingreifen der Volkswahlen beschränkt worden ist.

So alt die Bindung des Prätors durch gesetzliche Feststellung der Geschwornenqualification ist, so spät tritt die. Aufstellung eigener für eine Kategorie von Prozessen bestimmter Geschwornenverzeichnisse bei den Römern auf. In den Provinzen scheint sie wenigstens in republikanischer Zeit niemals stattgefunden zu haben 4); auch in Rom begegnet sie erst im siebenten Jahrhundert und auch da zunächst beschränkt auf einzelne besonders wichtige

1) Dig. 5, 1, 58: iudicium solvitur vetante eo qui iudicare iusserat vel etiam eo qui maius imperium in eadem iurisdictione habet.

2) Dass die Qualificationsnorm selbst wieder entweder absolut bindend ist oder nur der Partei ein Recht giebt einen Geschwornen der bezeichneten Art zu fordern, also den Verzicht zulässt, mag hier nur angedeutet werden.

3) Ackergesetz Z. 37: [recuperatores ex civibus L, quei classis primae sient, XI dato, inde ulternos du[mtaxat quaternos is quei petet et is unde petetur quos volent reiciant facito].

4) Die Verrinen zeigen auf das Bestimmteste, dass der Statthalter bei dem , Proponiren der Geschworenen (l. 2, 13, 32) an kein zu Anfang des Amtes aufgestelltes Verzeichniss gebunden war, sondern von Fall zu Fall vorschlug (l. 3, 11, 28. c. 60, 139). Nach Plinius (ad Trai. 58) beginnt der conventus mit dem Aufruf der Geschwornen,

der

Centumviri. Prozessgaltungen. Das wahrscheinlich älteste Verzeichniss der Art betrifft die Erbschaftsprozesse; bereits in der Mitte des 7. Jahrhunderts und vermuthlich schon früher1) bestand dafür eine besondere Geschwornenordnung, die auf der vermuthlich dem Stadtprätor obliegenden Aufstellung eines Verzeichnisses der für Erbschaftsprozesse competenten Geschwornen von je drei Bürgern aus Geschworne jeder Tribus, der sogenannten Hundertmänner basirte 2). Weiter Quästionen. wurde in Folge der Geschwornenordnung des jüngeren Gracchus der Prätor für die Repetundenprozesse in der freien Auswahl der Geschwornen nicht bloss durch Aufstellung von Qualificationsmomenten beschränkt, sondern auch angewiesen binnen zehn Tagen nach Antritt seines Amtes eine bestimmte Anzahl befähigter Geschworner zu bestellen, an die er sodann für die Dauer seines Amtes gebunden war 3). Das Gleiche ist wahrscheinlich für die übrigen stehenden Quästionen vorgeschrieben worden, so dass der jedesmalige Vorsteher eine Geschwornenliste dafür aufzustellen gehalten war, während für den Stadt- und den Fremdenprätor vermuthlich die alte Freiheit in der Auswahl bestehen blieb1), das heisst sie von Fall zu Fall, mit Einhaltung der jedesmal zur Anwendung kommenden Qualificationsregeln, den oder die Geschwornen bestellten. Sulla schaffte mit der gracchischen Geschwornenordnung auch die gracchischen Geschwornenlisten wieder ab und ging in seiner restaurirten Gerichtsverfassung auf die

1) Die Einrichtung, die die Existenz der 35 Tribus voraussetzt, ist danach jünger als 513, auch wohl jünger als 537, da das crepereische Gesetz vielleicht dasjenige, das diesen Gerichtshof ins Leben rief den Sesterz auf 4 Asse ansetzt (Gai. 4, 95). Andererseits sprach schon L. Crassus († 663) in einem Centumviralprozess (Cic. Brut. 39, 53. de or. 1, 39. pro Caec. 24).

2) Festus ep. p. 54: cum essent Romae V et XXX tribus terni ex singulis tribubus sunt electi ad iudicandum qui . . . licet V amplius quam C fuerint, tamen quo facilius nominarentur C viri sunt dicti. Varro de r. r. 2, 1, 26. Auch das Geschwornenverzeichniss des Repetundengesetzes ist tributim geordnet, wenn auch nicht die gleiche Zahl für jede Tribus gefordert wird. Uebrigens fällt die Benennung insofern auf, als sonst mit viri und vorgesetztem Zahlwort nur magistratische und priesterliche Behörden selbständigen Charakters, niemals aber die vom Magistrat eingesetzten Geschwornen bezeichnet werden. Es ist nicht unmöglich, dass auch die Centumvirn aus einer irgend wie geordneten Bürgerwahl hervorgingen, etwa so wie sie bei dem varischen Gesetz (S. 222 A. 1) vorkam. Vgl. den Abschnitt über die decemviri litibus iudicandis.

3) Repetundengesetz von 630/1 Z. 12 fg.

4) Man übersehe nicht, dass die Disqualificirung der Senatoren und die Aufstellung einer den aufstellenden Magistrat bindenden Geschwornenliste nicht einmal connex sind, und C. Gracchus jene auch für den Privatprozess vollständig durchgeführt haben kann, ohne darum den städtischen Prätoren die Aufstellung eines album iudicum vorschreiben zu müssen.

alten Ordnungen zurück, wonach für die wichtigsten Fälle allein der Senator zum Geschwornen qualificirt war. Als dann im J. 684 das aurelische Gesetz das seitdem im Wesentlichen festgehaltene Princip aufstellte die wichtigeren Geschwornenstellungen den privilegirten Ständen gemeinschaftlich einzuräumen, scheint zum ersten Mal eine Geschwornenliste aufgestellt worden zu sein, die nicht bloss für einen einzelnen Gerichtshof, sondern für alle nicht besonders ausgenommene massgebend war1). Offenbar hat dabei bestimmend eingewirkt, dass die sullanische Gerichtsordnung auch jetzt im Wesentlichen beibehalten ward und in dieser die Senatsliste gleichsam die Stelle einer allgemeinen Geschwornenliste vertrat. Die Aufstellung der Liste lag hienach dem Stadtprätor ob 2) und sie war massgebend theils für ihn selbst bei dem iudicium legitimum, theils für die sämmtlichen den einzelnen Quästionen vorstehenden Magistrate, dagegen weder für die iudicia quae imperio continentur und die recuperatorischen noch für den Fremdenprätor, die Municipalbeamten iure dicundo und die Provinzialstatthalter 3). In dieser Aufstellung der im Laufe des Jahres zur Verwendung kommenden Geschwornen zu Anfang desselben liegt eine wesentliche Beschränkung der prätorischen Amtsgewalt; es gilt davon dasselbe, was oben (S. 243) bemerkt ward über die gesetzliche Bindung des Prätors an das von ihm aufgestellte Edict. In noch höherem Grade beschränkt dies Verfahren die Quästionsprätoren der spätesten Republik, insofern sie auf eine nicht von ihnen selbst zusammengestellte Geschwornenliste angewiesen wurden.

1) Seitdem werden öfters iudices schlechtweg erwähnt; so in dem Senatsbeschluss ad fum. 8, 8, 5: ut cum de eu re ad senatum referretur a cos., qui eorum in CCC iudicibus (das heisst in der senatorischen Decurie) essent, cos (Hdschr. ses) adducere liceret, und häufig in den Inschriften der besseren Kaiserzeit.

2) Cicero pro Cluent. 43: praetores urbani, qui iurati debent optimum quemque in lectos iudices referre, sibi numquam ad eam rem censoriam ignominiam impedimento esse oportere duxerunt. Es ist nicht schlechthin unmöglich diese im J. 688 gesprochenen Worte auf die Bestellung der Centumvirn zu beziehen; aber bei weitem wahrscheinlicher ist es, dass Cicero an eine allgemein von dem Stadtprätor aufzustellende Geschwornenliste so wie bei der Censur an die des J. 684 gedacht hat. Man wird also die Stelle wohl als beweisend für das Vorhandensein einer solchen Liste ansehen dürfen. Ueber das Verhältniss dieser allgemeinen Liste zu der der Centumvirn erfahren wir nichts.

3) Präcis giebt dies die Inschrift an Henzen 6467 = C. I. L. II, 4223: adlecto in V decuri[as le]gitumae Romae iudicantium. Die nähere Ausführung kann hier nicht gegeben werden; vgl. Zimmern R. G. 3, 29.

der

Eingreifen Durch das Umsichgreifen der Volkswahl ist die magistratische Volkswahl Geschwornenbestellung, ähnlich wie die magistratische OffizierserGeschwor nennung, nur in mässigem Umfang beschränkt worden. Die in dem

in die

nenernen

nung.

Prätorische Führung der Geschäfte des Ober

amts.

Freiheitsprozess entscheidenden decem viri litibus iudicandis und die in dem formell civilen, materiell criminellen Prozess entscheidenden tres viri capitales, die übrigens auch ausser dieser Judication den städtischen Prätoren bei ihrer Jurisdiction in verschiedener Weise hülfeleistend zur Seite standen, sind, wie in den sie betreffenden Abschnitten gezeigt werden wird, späterhin durch die Comitien ernannt worden. Für die Untersuchungen, die während des Socialkrieges auf Grund des varischen Majestätsgesetzes stattfanden, wurde die Geschwornenliste nach Vorschrift des plautischen Gesetzes vom J. 665 zwar nicht von den Comitien, aber von den einzelnen Tribus in der Weise festgestellt, dass jede derselben durch Abstimmung funfzehn Geschworne bezeichnete 1); doch war diese Anordnung transitorischer Natur und ist man darauf nicht wieder zurück gekommen. Weitere Fälle der Art sind nicht bekannt.

In der Kaiserzeit stellt der Princeps das allgemeine Verzeichniss der Geschwornen auf und bleibt den einzelnen Gerichten nur das Recht aus diesem ihre Geschwornenliste zusammenzusetzen 2). Es ist bis jetzt von der dem Prätor reservirten Competenz, der Civiljurisdiction und ihren weitgreifenden Consequenzen gesprochen worden; denn sowohl die Provinzialprätur wie der Quästionen vorsitz ist aus der Civiljurisdiction hervorgegangen. Ausserdem aber stehen dem Prätor auch die consularischen Befugnisse wesentlich alle zu, jedoch alle nur aushülfsweise, so dass der eigentliche Träger derselben der Consul ist und der Prätor sie in dessen Anwesenheit nur auf besonderes Geheiss 3),

1) Asconius in Cornel. p. 79: ex ea lege tribus singulae ex suo numero quinos denos suffragio creabant, qui eo anno iudicarent.

2) Vgl. den Abschnitt von der kaiserlichen Criminaljudication.

3) Und zwar regelmässig des Senats, der zum Beispiel den Stadt- oder einen anderen Prätor anweisen kann neben der consularischen ebenfalls eine Aushebung vorzunehmen (Liv. 42, 35, 4. 43, 14, 3: ambitiosis consulibus dilectum difficilem esse... praetores, quibus et vis imperii minor et auctoritas esset, dilectum, si ita senatui videretur, perfecturos esse: id praetoribus ... non sine suggillatione consulum mandatum est) oder ein Gesetz einzubringen (Liv. 27, 5 s. S. 120 A. 2; c. 23, 7) oder den Senat für bestimmte Zwecke zu berufen (S. 122 A. 2). Dass auch der in Rom anwesende Consul ein ihm obliegendes Geschäft einem Prätor übertragen konnte, ist nicht zu bezweifeln; aber üblich war es nicht (S. 122 A. 4).

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