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verpflichtet seien 1). In dem Heere, das einst zusammengefochten, erwachte die Erinnerung an ihre alte Gemeinschaft; Vetranio wurde verlassen und legte selbst den Purpur zu den Füßen des Constantius nieder 2).

Bei weitem gefährlicher als Vetranio war Magnentius. Es ist nicht zu leugnen, daß es auch zwischen Magnentius und Constantius zu Unterhandlungen gekommen ist, die aber zu Nichts führen konnten, da Magnentius nach der obersten Gewalt strebte, die Constantius nicht aufgeben wollte, noch konnte. Das Merkwürdigste dabei ist, daß ein römischer Senator eintraf, der für Magnentius Partei nahm und, wie man erzählt, den regierenden Kaiser nur seines Lebens versicherte 3). Es war derselbe Fabius Titianus, der als Stadtpräfekt dem Magnentius eine Inschrift gesezt hat, in welcher er dessen Verdienste um den römischen Weltkreis rühmt und ihn als Augustus begrüßt 4). Man kann wohl kaum anders urtheilen,

1) Zosimus II, c. 42.

2) Am 25. December 350 unserer Aera (Fast. Idat.) Die beiden verschiedenen Relationen über die Zusammenkunft, die wir in der ersten Rede des Julian (I. p. 31. Spanheim) und bei Zosimus II c. 45 finden, stimmen zwar nicht ganz überein, lassen sich aber vereinigen. Auch der gleichzeitige Victor berichtet (Caes. 42), daß Constantius die Truppen durch seine Ansprache für sich gewonnen habe: cum magna parte utrimque exercitus convenissent, habita ad speciem judicii concione, quod fere vix aut multo sanguine obtinendum erat, eloquentia patravit; und Gregor von Nazianzus nimmt darauf Bezug, wenn er von Constantius sagt: rovs οἴκοι τυράννους χειρούμενος τοὺς μὲν τοῖς λόγοις τοὺς δὲ τοῖς ὅπλοις (orat. I. contra Julianum c. 24).

3) 3ofimus II, c. 49: τῆς ἀρχῆς ἐκέλευεν ἐκστῆναι Μαγνεντίῳ Κωνστάντιον, εἰ ζῆν αὐτῷ μετ ̓ ἀσφαλείας συγχωρήσειεν ἀγαπῶντα.

4) In der Inschrift wird Magnentius als propagator orbis ac Romanae rei publicae, als semper Augustus bezeichnet (Corp. insc. lat. VI, 1 nr. 1066. Wilmans nr. 1087). Titianus hat dieselbe in der Zeit, in der er zum zweiten Male Präfekt von Rom war, vom 27. Februar 350 bis 1. März 351 gesetzt.

als daß der Senat von Rom wirklich im Einverständniß mit Marcellinus für den Usurpator Partei genommen hat. Marcellinus wird als der Feind des regierenden Hauses überhaupt bezeichnet; grade die Mitglieder desselben habe er umbringen lassen 1). Vetranio hatte es nur auf einen. Antheil an der höchsten Gewalt abgesehen; Magnentius, wahrscheinlich auch der römische Senat wollten Constantius stürzen. und sein Haus vernichten. Wie wäre da noch eine Vermittelung möglich gewesen; es mußte zu einem Waffengang kommen. Es erfolgte die Schlacht von Mursa, die in der Weltgeschichte wohl nicht übergangen werden darf, da es eigentlich eine Völkerschlacht war, in welcher die Römer noch ein Mal den Plaß über die eingedrungenen Germanen behielten 2). Ihre Ueberlegenheit beruhte hauptsächlich auf der orientalischen Rüstung und Kampfesweise, die sie in Mesopotamien sich angeeignet hatten und nun in Niederpannonien zur Anwendung brachten. Dem Kaiser selbst wird das Verdienst zugeschrieben, sie in dieser Weise militärisch ausgebildet zu haben. Es waren besonders die in parthisch - persischer Weise mit vollem Harnisch ausgerüsteten Kataphrakten. Nochmals stießen diese mit den aus Germanien und Gallien vordringenden Heerhaufen zusammen, wie einst am Fuße

1) Marcellinus wird von Julian ɛgì Baoilɛlas (orat. II. p. 58 C.) αἴς παιδοτρίβης τοῦ τυράννου begeinet; er fagt von ihm: φόνῳ ἀδίκῳ ἀνδρῶν καὶ γυναικῶν, πολλῶν μὲν ἰδιωτῶν, πάντων δὲ σχεδόν, ὁπόσοι τοῦ βασιλείου γένους μετεῖχον, ἁψάμενον.

2) Mursa lag an der Stelle des heutigen Essek; hier vereinigte sich die von Aquincum (Alt-Ofen) die Donau abwärts führende Straße mit der, die von Pätovio (in der Gegend des heutigen Pettau) her längs der Drau lief. Auf der ersteren gelangte man nach der oberen Donau, auf der letzteren nach Italien. Beide Straßen standen durch eine dritte (von Carnuntum nach Celleja) mit einander in Verbindung; von ihrem Besitz war die Beherrschung der pan. nonischen Landschaften abhängig.

der Alpen unter Constantin. Von Constantin waren die Kataphrakten niedergeworfen worden; gegen Magnentius behielten sie den Plaz. Auch durch die Raschheit und Präcision seiner Bewegungen zeigte sich das Heer des Constantius dem des Magnentius überlegen. Doch trat die germanische Kampfesweise der römischen bereits mit eigenthümlicher Stärke entgegen.

Schon war das Mitteltreffen, dessen Kern Gallier und Germanen, besonders Franken und Sachsen bildeten, in Unordnung gerathen. Aber wohin hätten sie sich zurückziehen können? sie befanden sich in der Lage einer zu weit vorgegangenen Invasionsarmee, die ihr Heil nur im entschlossensten Widerstand suchen kann. Die Germanen wollten ohnehin das noch nie vorgekommene sich nicht nachsagen lassen, daß nämlich Germanen in der Schlacht den Feinden. den Rücken gekehrt hätten; sie ordneten sich auf ihre eigene Hand in besondere Schaaren, denen sich auch die beigesellten, welche ihre Pferde bereits verloren hatten. Man erzählt Wunder der Tapferkeit von ihnen; sie warfen sich den Schwertern der Feinde entgegen; sie suchten dieselben ihrer Schilde zu berauben 1). In diesem Augenblick wurden sie von den Kataphrakten auf der einen, den Bogenschüßen zu Pferde auf der anderen Seite angegriffen. Denen aber zu widerstehen waren sie nicht gerüstet; sie wurden auseinandergeworfen. Marcellinus, der bisher in der Mitte der Käm

1) Sulian orat. I. p. 36 D: οἱ μὲν ὠθούμενοι περὶ τοῖς ξίφεσι, λαμβανόμενοι δὲ ἄλλοι τῶν ἀσπίδων καὶ τῶν ἱππέων, ὁπόσους ἵπποι τρωθέντες ἀπεσείοντο, πρὸς τοὺς ὁπλίτας μετεσκευάζοντο. Τα folge Julian ohne Bedenken, da sich kein Motiv denken läßt, weshalb er in Dingen dieser Art nicht die Wahrheit gesagt haben sollte.

pfenden sich hervorgethan, ward plößlich nicht mehr gesehen; wahrscheinlich ist er dort erlegen. Constantius errichtete ein Tropäum auf dem Schlachtfeld und trug Sorge, durch Verkündigung einer Amnestie einen großen Theil seiner Gegner zu entwaffnen 1). Darin liegt der universalhistorische Moment, daß sich das Imperium in dem Zustand, in dem es war, behauptete und der germanischen Streitkräfte, welche gewaltsam eindrangen, nochmals erwehrte; es ist ein Vorspiel der späteren Völkerkämpfe, nur mit dem Unterschied, daß bei Mursa auch die Gallier gegen die Römer fochten 2).

Magnentius gab seine Sache nicht verloren. Noch war Aquileja in seiner Hand und von der anderen Seite her sicherten ihn die Lagunen des adriatischen Meeres. Aber auch eine Feldschlacht wagte er und hier war ihm Constantius nochmals überlegen. Immer weiter zurückgedrängt und in einer dritten Schlacht besiegt und zugleich von dem überall hervorbrechenden Abfall bedrängt, wendete er sich nach Lugdunum, wo er in sein eigenes Schwert gefallen ist 3). Wir vernehmen, er habe vorher seinen Bruder, den er zum Cäsar ernannt hatte, und selbst seine Mutter getödtet 4). Noch

1) Sulian p. 38 Β.: ἄδεια πᾶσιν ἐδίδοτο τοῖς ταξαμένοις μετὰ τοὺς τυράννους πλὴν εἴ τις ανοσίων ἐκείνῳ φόνων ἐκοινώνει, vergl. p. 580. Ein Amnestiegesetz, das Constantius während seines Aufenthalts in Gallien aus Lugdunum am 6. September 353 erließ, ist im Cod. Theod. (IX, t. 28 l. 2) erhalten.

2) Die Schlacht fand am 28. September 351 statt (Fast. Idat.).

3) Jm August (10. oder 11. nach dem Chron. Pasch. und den Fasti Idat.; 15. nach Sokrates, II, c. 27) 353. (Spanheim in den Noten zur ersten Rede Julians p. 264).

4) Dieser Bruder hieß Desiderius. Nach Philostorgius (III, 26) und dem Chron. Pasch. (p. 541, 11 ed. Bonn.), Sokrates II c. 32 und Sozomenos IV c. 7 wurde er von Magnentius getödtet, nach Nicephorus und Zonaras (XIII c. 9. p. 18. C. ed. Par.) waren die beigebrachten Wunden nicht tödtlich, und Defiderius begab sich, nachdem er von denselben genesen, zu Constantius.

ein zweiter Bruder lebte ihm, der ihm gute Dienste geleistet hatte und der ebenfalls den Titel Cäsar führte; auch dieser hat sich selbst getödtet 1). Es war ein Akt der Verzweiflung, durch welchen die Führer der Empörung zu Grunde gingen. Constantius konnte nun daran denken, das Reich vollkommen. zu unterwerfen 2).

Italiens war er auch dadurch Meister geworden, daß er viele vor der Gewaltherrschaft des Magnentius geflüchtete Vornehme dahin zurückgeführt hatte. Wir erfahren, daß er durch eine aus Italien und Aegypten zusammengebrachte Flotte zuerst Carthago wieder in seine Hände gebracht und dann ein Heer nach den Pyrenäen hat übergehen lassen, das ihm Spanien unterwarf 3). Er war Herr und Meister im Dccident geworden.

Seine Entfernung vom Orient hatte ihm auch dort keinen besonderen Nachtheil zugezogen. Nisibis wurde aufs Neue mit der größten Anstrengung von Sapor II. belagert. Der Kaiser konnte der Besaßung keine Hülfe leisten. Aber sie selbst wehrte sich auf das Tapferste; ein Theil der Mauern war umgestürzt; aber schon waren andere neue errichtet worden, vor denen der Perserkönig zurückwich, auch deshalb, weil er eben damals von dem Angriff anderer Grenznachbarn bedroht

1) Sein Name war Decentius; er tödtete sich am 18. August 353 (Fasti Idat.); es sind von ihm Münzen erhalten, auf welchen er als Cäsar bezeichnet wird (Eckhel VIII, p. 123). Sichere Münzen, auf denen er Augustus genannt würde, giebt es nicht.

2) Bereits seit dem 26. September 352 war Neratius Cerealis, den Constantius eingesetzt hatte, Stadtpräfekt von Rom. Im Anfang des Jahres 353 finden wir Constantius noch in Sirmium; im Juli in Ravenna (Cod. Theod. XII, 36, 9); zu Anfang September in Lugdunum (Cod. Theod. IX, 33, 2).

3) Julian or. I. p. 39 C. vgl. or. II. p. 74 C.

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