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Erbrechts zur Folge, denn der Pflichtteil ist als bloßer Teil des gesetzlichen Erbteils das Wenigste, was der Noterbe verlangen kann. Die Entziehung braucht aber nicht in dem gänzlichen Ausschluß, sie kann auch in einer Beschränkung des Erbrechts bestehen.

Nach altem und neuem Rechte tann die Enterbung (exheredatio) geschehen zur Strafe oder in wohlmeinender Absicht.

1. Zur Strafe erfolgt die Entziehung, wenn der Erbe sich einer Verfehlung schuldig gemacht hat; sie seht daher stets ein Verschulden auf feiten des Enterbten voraus, aber sowohl die Nov. 115 als das BGB läßt dem Testator nicht freies Ermessen, sondern stellt be= stimmte Enterbungsgründe auf. Die Nov. 115 führt 14 Gründe auf, einen Deszendenten, 8 Gründe, einen Aszendenten zu enterben, das BGB hier 5, dort 3 (§§ 2333, 2334); gegenüber dem Ehegatten ist (nach neuem Recht § 2335) Enterbungsgrund, was auf Verschulden beruhender Scheidungsgrund ist (daher nicht Geisteskrankheit); ist das Recht auf Scheidung durch Fristablauf erloschen, so bleibt doch das auf demselben Grunde beruhende Enterbungsrecht bestehen.

Andere als die im Gesetz angeführten Gründe rechtfertigen die Enterbung nicht, doch ist keineswegs eine buchstäbliche Auslegung des Gesezes geboten (RG 15, 165).

Der Enterbungsgrund muß nach altem und neuem Necht (§ 2336) im Testament angeführt und im Streitfalle von demjenigen bewiesen werden, welcher die geschehene Enterbung zu seinem Vorteile geltend macht (also regelmäßig vom eingesetzten Erben). Nur der Beweis eines schon zur Zeit der Test a = mentserrichtung vorhandenen Enterbungsgrundes kann den Pflichtteilsanspruch entkräften.

Hieraus folgt, daß der Pflichtteil verlegt, also der Pflichtteilsanspruch gegeben ist, wenn der Pflichtteilserbe in der Verfügung von Todes wegen absichtlich übergangen, wenn er ohne gefeßlichen Grund enterbt, oder wenn der Enterbungsgrund nicht angeführt ist.

Das Enterbungsrecht erlischt durch Verzeihung; es geht im Falle ehrlosen oder unfittlichen Lebenswandels verloren, wenn der Abkömmling sich zur Zeit des Erbfalls von diesem Lebenswandel dauernd abgewendet hat (§§ 2337, 2336).

Die Enterbung konnte nach altem Rechte nur durch Testament und kann auch nach neuem Rechte (§§ 2336, 2299, 2278) nur durch einseitige Verfügung von Todes wegen erfolgen, die aber in einem Erbvertrage mit enthalten sein kann. Nach neuem Recht ist ein Testament möglich, das nur die Enterbung ausspricht, ohne eine Erbeseinsehung zu enthalten.

2. Die Enterbung in wohlmeinender Absicht (exheredatio

bona mente) war nach altem Rechte gegenüber jedem Pflichtteilserben, ist aber nach neuem Rechte nur gegenüber einem Abkömmlinge zulässig (§ 2338). Die gute Absicht konnte nach altem Recht ausschließlich in der Fürsorge für den Noterben selbst, nach neuem Hechte muß sie daneben in der Fürsorge für die Familie bestehen, sie betätigt sich daher in einer Anordnung, welche dem Noterben die freie Verfügung über das Zugewendete in der Absicht entzieht, seiner Familie das möglichst zu sichern, was bei Einräumung freier Verfügung seiner Verschwendungssucht oder seinen Gläubigern anheimfallen würde. Diese Enterbung unterlag nach altem Rechte dem freien Ermessen des Erblasfers, ist nach neuem Recht aber nur zulässig, wenn der Pflichtteilserbe in solchem Maße der Verschwendung ergeben oder in solchem Maße überschuldet ist, daß sein späterer Erwerb erheblich gefährdet ist.

Während nach altem Rechte der Erblaffer zu völliger Enterbung greifen konnte, darf er nach neuem Rechte den Abkömmling nur be= schränken und zwar dadurch, daß er die geseglichen Erben des Pflichtteilserben zu Nacherben oder Nachvermächtnisnehmern beruft oder für die Lebenszeit des Abkömmlings einen Testamentsvollstrecer ernennt, der dem Pflichtteilserben nur den jährlichen Reinertrag aushändigt (vgl. § 863 3PO).

über die Form dieser Enterbung und den Beweis des Enterbungsgrundes gilt dasselbe, was für die Straf-Enterbung ange= ordnet ist.

Fünfter Abschnitt:

Die Erbfolge in besondere Güterarten.

§ 299. Allgemeines.

Die Erbfolge in besondere Güterarten ist eine Universalsukzession, die sich nur dadurch von der allgemeinen Erbfolge unterscheidet, daß sie nicht einen Eintritt in alle Rechtsverhältnisse, sondern nur einen Eintritt in denjenigen Kreis von Rechtsverhältnissen bewirkt, welche mit dem Besitz eines rechtlich besonders qualifizierten Gutes verbunden sind.

Von diesen haben jedenfalls die Lehns- und die Fideikommißfolge die Eigentümlichkeit, daß sie nicht einen Eintritt in das Vermögen des lezten, sondern in das des ersten Besizers enthalten und daß diese Nachfolge eröffnet ist durch ein vom ersten Besizer vorge= nommenes Rechtsgeschäft (s uccessio ex pacto et providentia majorum).

§ 300. Die Lehnserbfolge.

Die Lehnserbfolge wird begründet durch das Rechtsgeschäft der Belehnung, es kann daher gleich bei diesem Akt eine besondere Sutzessionsordnung festgesezt werden; geschieht dies später, so bedarf es der Zustimmung sämtlicher Agnaten, da diese durch die Belehnung ein Anwartschaftsrecht erworben haben. Regelmäßig dient eine solche Festsetung dem Zwecke, das Lehnsvermögen vor Teilung zu schüßen. Ist eine besondere Sutzessionsordnung nicht durch Rechtsgeschäft festgesezt, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Diese aber ist verschieden nach gemeinem (longobardischem) und deutschen (sächsischem) Lehnrecht.

Denn während nach gemeinem Rechte die männlichen Deszen= denten des ersten Lehnsbesizers berufen werden, so daß Seitenverwandte des letzten Besizers zur Nachfolge kommen können, beruft das deutsche Recht nur die Söhne des legten Besizers, so daß Seitenverwandte dieses selbst dann nicht zur Nachfolge kommen, wenn sie vom ersten Besiger abstammen. Aszendenten sind nach beiden Rechten ausgeschlossen.

Danach sind nach gemeinem Rechte zuerst berufen die Deszendenten des legten Besizers mit Eintrittsrecht entfernterer Abkömmlinge. Für die Seitenverwanden gilt nach herrschender Ansicht die Linealgradual- oder Parentelenordnung.

Nach deutschem (sächsischem) Rechte konnte den Seitenverwandten des legten Besizers nur dadurch ein Lehnsfolgerecht verschafft werden, daß man eine Gesamtbelehnung an mehrere Brüder vornahm. Starb einer der Gesamtbelehnten, so traten seine Söhne an seiner Stelle in die Gemeinschaft ein; war Deszendenz nicht vorhanden, so verminderte sich nur die Zahl der Gesamtbelehnten. Die Gesamtbelehnung konnte auch in der Weise erfolgen, daß einer der Gesamthänder den alleinigen Besik, andere ein eventuelles, d. h. nur beim Wegfalle des ersten eintretendes Sukzessionsrecht erlangten. Diese Säße mußten durch die Allodifikation der Lehne eine wesentliche Änderung erfahren. Denn hat das Gut seine Eigenschaft als Lehn verloren, so besteht an sich für eine Abweichung von den Grundsägen der allgemeinen Erbfolge kein Grund mehr. Doch haben nicht alle Gesetze diese strenge Folgerung.

Diese Geseze sind bestehen geblieben (Art. 59 EG z. BGB).

§ 301. Die Fideikommißerbfolge.

Für die Fideikommißerbfolge gilt zwar in Ermangelung einer besonderen Festsetung die allgemeine Erbfolge. Diese führt aber beim Vorhandensein von mehreren Berechtigten zu einer dem Zwecke:

der Einrichtung widersprechenden Zersplitterung des Fideikommißvermögens. Es hat sich deshalb wie für die Stammgüter des hohen Adels so auch für die Fideikommißgüter die sog. Individual sukzession ausgebildet, nach welcher das Gut selbst ungeteilt auf einen von mehreren Erben übergeht. Dieser Erfolg ist aber beim Fideikommiß nur dann zu erreichen, wenn der Stifter eine bestimmte Sukzessionsordnung vorschreibt.

Die wichtigsten Fideikommißfolgeordnungen sind folgende:

1. Die Primogenitur. Sie besteht in einer Verbindung der Parentelenordnung mit einer Bevorzugung der Erstgeburt. Es sukzediert hiernach die nächste Parentel, innerhalb dieser der Stamm des Erstgeborenen und innerhalb desselben Stammes der Erstgeborene. Nach der Tafel S. 726 schließt also B und falls dieser nicht mehr am Leben ist oder ausschlägt, b den C, den D und den E aus. Hat A durch eine Stiftung den B berufen, so kann er in einer zweiten Stiftung den und seine Deszendenz zur Nachfolge in ein anderes F. berufen (efundogenitur), oder er kann anordnen, daß im Falle des Aussterbens des Stammes B die zweite Linie (richtiger Stamm, also der des C) eintreten solle.

2. Das Majorat beruht auf der Gradualerbfolge mit Bevorzugung des Älteren unter gleich Nahen. Es futzediert demnach der dem Grade nach nächste Verwandte und unter mehreren gleich Nahen der Älteste. Daher gibt es hier kein Eintrittsrecht. Es würde also B auch hier seine Brüder ausschließen, ist aber B nicht mehr am Leben, so sukzediert nicht b, sondern C, weil er dem A um einen Grad näher steht als b.

Außer diesen gewöhnlichen Folgeordnungen kommt vor

3. das Seniorat, nach welchem stets der älteste der ganzen Familie ohne Rücksicht auf die Linie oder die Gradesnähe erbt, eine Erbfolgeordnung, die von einigen Partikularrechten verworfen wird, weil sie eine regelmäßig nicht mehr tatkräftige Person beruft und häufige Besitzwechsel zur Folge hat:

4. Der Gegensatz des Seniorats ist das Juniorat, nach welchem immer der Jüngste der ganzen Familie berufen wird.

5. Den Gegensatz zum Majorat bildet das Minorat, nach welchem unter gleich Nahen der Jüngste berufen ist.

Falls auch die Kognation berufen ist, geht beim Aussterben der Agnatenfamilie die Erbtochter der Regredienterbin vor. Erbtochter bezeichnet den nächsten Kognaten des letzten Besizers, also seine Tochter oder deren Deszendenz, oder seine Schwester oder deren Deszendenz. Regredienterbin bezeichnet die Kognaten des ersten Besizers oder des Stifters. Die Ausdrücke sind von den notwendigen Erbverzichten der weiblichen Mitglieder adliger Familien

hergenommen, welche gewohnheitsmäßig erfolgten, um das Stammgut im Besige der Agnatenfamilie zu erhalten.

Die Individualsukzession ist regelmäßig mit der Pflicht des Fideikommißfolgers verbunden, seinen Geschwistern eine Abfindung (Apanage) zu gewähren, die meist in einer höchst persönlichen Rente besteht.

§ 302. Das bäuerliche Erbrecht.

Da wo das Bauerngut nur im Nuzungsrechte des Bauern stand, bestimmte der Gutsherr regelmäßig über die Erbfolgefähigkeit und die Erbfolgeordnung. Später haben sich auch hier bindende Erbrechts normen entwickelt, die, auch hierin dem Lehnrecht ähnelnd, von den allgemeinen Erbrechtsgrundsäzen abweichen. Die Gesetz= gebung des 19. Jahrhunderts ist indes auch diesen Sonderbildungen nicht günstig gewesen, sondern hat die Bauergüter fast überall dem allgemeinen Erbrecht unterworfen. Indessen sind damit die Gewohn= heiten des Bauernstandes nicht beseitigt worden.

1. Da wo ein besonderes bäuerliches Erbrecht besteht, herrscht die Individual sukzession. In das Bauergut (oder in das gesamte Vermögen des Bauern) wird in vielen Gegenden der jüngste Sohn (Minorat), in den meisten Gegenden Deutschlands der älteste Sohn des Bauern (Majorat) berufen. Für das Minorat spricht, daß beim Tode des Bauern regelmäßig für eine selbständige Lebensstellung der älteren Kinder gesorgt ist, für das Majorat, daß bei ihm sich regelmäßig eine vormundschaftliche Verwaltung erübrigt, daß es aber darauf ankommt, das Gut stets in die Hände eines tüchtigen Wirts zu bringen. Es tritt daher an Stelle des noch nicht wirtschaftlichen Erben, des Anerben, ein sog. Interim 3 wirt ein, der mit dem Vormunde nicht immer identisch ist und jedenfalls selbständiger ist, als der Vormund. Der Anerbe ist häufig Alleinerbe des Bauern und hat nur die Verpflichtung, seine Ge= schwister abzufinden, zuweilen ist er nur Miterbe, aber mit der Befugnis ausgestattet, das Gut gegen Zahlung des vollen Wertz oder eines unter dem Werte bleibenden Preises zu übernehmen, so daß der von ihm gezahlte Preis den Gegenstand des Erbrechts der Geschwister bildet. Die Besonderheiten des bäuerlichen Erbrechts treten aber überhaupt nur dann ein, wenn der Bauer Abkömmlinge hinterläßt, während in andern Fällen die Grundfäße des allgemeinen Erbrechts zur Anwendung kommen. Der Bauer fann nicht durch Verfügung von Todes wegen abweichende Anordnungen treffen, und in jedem Fall ist die Erbfolge in das Bauergut teine successio ex pacto et providentia majorum, sondern eine Erbfolge in das Vermögen des unmittelbaren Vorgängers.

Engelmann, D. bürgerliche Recht Deutschlands. IV. Aufl.

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