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fechtung kann nicht durch einen Vertreter erfolgen, sie bedarf der ge= richtlichen oder notariellen Beurkundung und ist an eine einjährige Ausschlußfrist gebunden (§§ 2282-2284).

VII. Aufhebung. Der Erbvertrag wird aufgehoben:

1. durch einen in der Form des Erbvertrags geschlossenen Ver trag, welcher wiederum die persönliche Anwesenheit des Erblassers erfordert. Der Vertrag kann nur von den Kontrahenten, also nur bei Lebzeiten beider Kontrahenten geschlossen werden (§ 2290). Ver= tragsmäßige Vermächtnisse und Auflagen können vom Erblasser zwar durch Testament aufgehoben werden, aber nur mit der gerichtlich oder notariell beurkundeten und unwiderruflichen Zustimmung des andern Vertragsteils (§ 2291);

2. durch Rücktritt eines Kontrahenten. Das Rücktrittsrecht kann beruhen auf Vertrag (§ 2293) oder Gesek; ein ge= segliches Rücktrittsrecht ist für den Erblaffer gegeben:

a) wenn sich der Bedachte einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser zu einer Pflichtteilsentziehung berechtigt oder berech= tigen würde, wenn der Bedachte zu seinen Abkömmlingen gehörte (§§ 2294, 2333);

b) wenn die Zuwendung getroffen ist mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbeson= dere Unterhalt zu gewähren, und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird (§ 2295). Die übernahme jener rechtsgeschäftlichen Verpflichtung bildete hier nur den Beweggrund, keineswegs die Gegenleistung für die erbvertragsmäßige Zuwendung.

Der Rücktritt muß vom Erblasser persönlich, gegenüber dem andern Vertragsteil erklärt werden und bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (§ 2296); nach dem Tode des andern Ver= tragsteils kann der an sich gerechtfertigte Rücktritt durch Testament erfolgen (§ 2297).

Im Falle der Aufhebung durch Vertrag entscheidet der Wille beider Kontrahenten, ob der Erbvertrag ganz oder nur zu einem Teil aufgehoben werden soll. Anders wirkt der einseitige Rüdtritt. Ein solcher hebt nur diejenige Verfügung auf, von welcher zurückgetreten wird. Tritt also der Erblasser von einem einseitigen Erbvertrage zurück, so fällt mit der Erbeinsegung zwar der wichtigste Teil des Vertrags, doch können einseitige, nicht torrespektive Verfügungen des andern Vertragsteils bestehen bleiben. Ist der Vertrag ein zweiseitiger, haben also beide Teile vertragsmäßige Verfügungen getroffen, gleichviel, ob dies Erbeinsehungen oder andere Verfügungen sind, ob die Kontrahenten sich gegenseitig oder Dritte bedenken, so hebt infolge der Korrespektivität der vorbehaltene

Rüdtritt den ganzen Vertrag auf. Dieses Rücktrittsrecht kann aber nur bei Lebzeiten des andern Teils ausgeübt werden und erlischt als solches, wenn der überlebende die Zuwendung aus dem Vertrage annimmt. Denn infolge des Rücktrittsvorbehalts hatte der Erbvertrag tatsächlich nur die Wirkung eines gemeinschaftlichen korrespek= tiven Testaments; wie bei diesem, so tritt auch beim Erbvertrage dieser Art die Bindung erst mit dem in der Annahme der Zuwendung enthaltenen Verzicht ein (§§ 2298, 2271).

VIII. Eröffnung. Die Vorschriften über die Testamentseröffnung gelten auch für den Erbvertrag (§ 2300).

§ 294. Besondere Arten des Erbvertrags.

1. Der Erbvertrag unter Eheleuten. Da derartige Verträge meist vor oder unmittelbar nach Eingehung der Ehe geschlossen werden, stellt das BGB dem Vertrage unter Ehegatten den Vertrag unter Verlobten gleich und räumt die Befugnis zum Vertragsschluß auch einem in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Ehegatten oder Verlobten ein (§§ 2275, 2276).1) Der Vertrag kann mit dem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden werden, in welchem Falle die Form des Ehevertrags genügt (§ 1434). Die Gültigkeit des Vertrags hängt vom Bestande der Ehe ab, und die Aufhebung des Vertrags kann auch durch gemeinschaftliches Testament erfolgen.

Wie beim gemeinschaftlichen Testament ist der Dritte, der den beiderseitigen Nachlaß nach dem Tode des überlebenden erhalten soll, Erbe des zulegt versterbenden Ehegatten (§ 2280, f. oben § 292 Nr. 3b).

2. Der Eintindschaftsvertrag (s. oben S. 250 Nr. 5) enthält einen Erbvertrag.

3. Einen Erbvertrag enthält die vertragsmäßige Bestimmung über das Anerbenrecht (s. dieses unten § 304).

4. Die Erbverpfründung ist ein Erbvertrag zugunsten desjenigen, der sich durch Rechtsgeschäft zu wiederkehrenden Leistungen insbesondere zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat (§ 2295). Derartige Verträge werden regelmäßig mit Kranken-, Armen- oder Rentenanstalten geschlossen und fallen unter den Begriff des Leibrentenvertrags (§§ 759-761). Leibrenten- und Erbvertrag können in einem Atte geschlossen und in derselben Urkunde niedergelegt wer= den. In diesem Fall ist die Erbvertragsform ausschließlich maßgebend.

1) Zustimmung des gesehlichen Vertreters, und ist dies ein Vormund, auch Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich.

Engelmann, D. bürgerliche Recht Deutschlands. IV. Aufl.

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5. Ein Familienfideikommiß kann durch Erbvertrag gestiftet werden (vgl. hierzu Art. 59 EG 3. BGB).

6. Eine Erbverbrüderung ist der Vertrag einer Familie des hohen Adels oder einer Linie einer solchen Familie mit einer andern hochadligen Familie oder andern Linie derselben Familie, durch welchen für den Fall des Aussterbens der einen Familie oder Linie der andern Familie oder Linie die Nachfolge in die Güter oder ge= wisse Güter (Stammgüter) jener Familie oder Linie zugesichert wird. Diese Verträge haben, sofern sie zugleich über die Staatssukzession verfügen, die Bedeutung von Staatsverträgen und unterliegen dann regelmäßig als solche dem Verfassungsrechte der beteiligten Staaten. Im Gebiete des Privatrechts liegt ihre Eigenart darin, daß durch sie alle Mitglieder einer Familie als Erblasser ein noch nicht bestimmtes Individuum einsehen. Das bestehende Recht, Erbverbrüderungen zu schließen, wird vom BGB nicht berührt (Art. 57 EG 3. BGB).

Vierter Abschnitt:

Erbfolge gegen den Willen des Erblassers (Noterbrecht). § 295. Die geschichtliche Entwicklung und das gemeine Recht.

Im Noterbrecht macht sich der Gegensaß der römischrechtlichen und der deutschrechtlichen Auffassung des Erbrechts besonders stark geltend. Während es der Stolz des Römers war, daß er auch nach seinem Tode noch Herr seines Vermögens blieb, bildete nach deutschem Rechte das Warterecht der nächsten Erben eine weitgehende Ver= fügungsbeschränkung. Daher bildete die Grundlage des römischen Erbrechts das Testament. In ihm lag die Macht, den Nachlaß dem zuzuwenden, den der bisherige Herr des Vermögens zu berufen für gut hielt: Uti legassit suae rei, ita jus esto, sagten die zwölf Tafeln.

1. Das römische Recht beruhte also auf dem Grundsaße der Testierfreiheit: wer ein Testament errichtete, konnte zum Erben berufen, wen er wollte. Obwohl das älteste Recht diesen Grundfah strenger durchführte als das spätere, bestanden doch gewisse Beschränkungen zugunsten von Personen, welche dem Erblasser nahe standen. Diese Beschränkungen der Testierfreiheit bilden das Noterbrecht.

Sie bestanden nach dem alten Zivilrechte darin, daß der Teftator seiner s u i, d. h. hier derjenigen Personen, welche in seiner

väterlichen Gewalt standen und durch seinen Tod gewaltfrei wurden, im Testamente gedenken mußte; er mußte sie entweder zu Erben einsehen oder enterbén, nur präterieren, d. h. unerwähnt lassen, durfte er sie nicht: die Präterition bewirkte Nichtigkeit des Testaments. Er konnte ihnen bei Lebzeiten sein ganzes Vermögen zuwenden, sie mit Legaten überhäufen, unterließ er aber ihre Einsegung oder Enterbung, so war das Testament nichtig. Wandte er ihnen nur das Geringste zu, beobachtete er aber die Form einer Erbeinsehung, so hatte er seiner Pflicht genügt und ein gültiges Testament errichtet. Enterbte er sie ohne Nennung eines Grundes, war für die Enterbung auch tatsächlich kein Grund vorhanden, so war das Testament doch gültig, weil die Formel exheres esto ge= braucht war. Der im übrigen souveräne Wille des Testators war also nur durch die Pflicht, eine Form zu beobachten, gebunden, es bestand nur ein formelles Noterbrecht.

übrigens mußte der Haussohn nominatim (unter ausdrücklicher Nennung) und ab omni gradu, d. h. gegenüber den eingesezten und gegenüber den substituierten Erben enterbt werden,1) und die Verlegung dieser Form hatte zur Folge, daß das Testament als nicht vorhanden galt. Dagegen Haustöchter und Enkel konnte der Teftator unter einer zusammenfassenden Bezeichnung (inter ceteros) enterben. Verlegung dieser Pflicht hatte zur Folge, daß das Testament bestehen blieb, jene sui aber so behandelt wurden, als wären sie mit den Testamentserben eingefeßt. Trat nach der Testa= mentserrichtung eine Person in die Gewalt des Testators, oder wurde eine Person geboren, die in seine Gewalt getreten sein würde, wenn er nicht zwischen der Konzeption und der Geburt gestorben wäre (postumus suus), so wurde das Testament rumpiert.

Das prätorische Recht erweiterte den Kreis der Personen, die ein formelles Noterbrecht hatten, indem es allen denjenigen Personen, welchen im Editte die bon. poss. unde liberi versprochen war, eine b. p. contra tabulas gewährte, wenn die Form zu ihren Ungunsten verlegt war.

Das zur Entscheidung von Erbrechtsstreitigkeiten zuständige Zentumviralgericht erachtete es als eine Lieblosigkeit des Testators, gewisse ihm nahestehende Personen nicht zu bedenken. War eine solche Person, wenn sie zu den Noterben nicht gehörte, nicht genannt, oder wenn sie zu ihnen gehörte, enterbt, so war gegen das Testament nichts zu machen. Man griff daher zu dem eigentümlichen Mittel, anzunehmen, der Testator sei bei Errichtung seines Testa=

1) War er gegenüber den eingefeßten Erben erherediert, gegenüber den Substituten übergangen, so war die Einfeßung gültig, die Substitution nichtig. L. 3 § 6 D. 28, 2; 1. 8 § 5 D. 37, 4.

ments nicht bei richtigem Verstande gewesen, schreckte aber vor der Folge dieser Auffassung, nach welcher das ganze Testament nichtig fein mußte, zurück. Diese Anschauungen führten zur Schaffung eines eigenartigen Rechtsmittels: man gab demjenigen Intestaterben, der dem Testator so nahe stand, daß man ihn für berechtigt erachtete, wenigstens mit einem Teile seiner Intestatportion bedacht zu werden, die querela inofficiosi testamenti auf Reszission des Testaments und Ausantwortung seines vollen Intestaterbteils, ließ das Testament aber im übrigen bestehen. Ob jener Teil des Nachlasses in Gestalt der Erbeinsetzung oder des Vermächtnisses hinterlassen wurde, war gleichgültig.

Justinian hat in der Nov. 115 das formelle und dieses materielle Noterbrecht verschmolzen. Er bestimmte, daß Aszen= denten ihre Deszendenten und Deszendenten ihre Aszendenten, sofern sie gegebenenfalls intestatberechtigt sein würden, zu Erben einsehen müssen. Da es einerseits gleichgültig war, auf wie viel der Noterbe eingesetzt wurde, so daß also auch eine institutio ex certa re ge= nügte, andrerseits auch die reichlichste Zuwendung der Gesezesoorschrift nicht genügte, wenn der so Bedachte nicht als Erbe eingesetzt wurde, enthielt die Nov. 115 formelles Noterbrecht. Weiter aber war bestimmt, daß, wenn der Testator die Erbeinsehung des Noterben nicht wolle, er ihn enterben könne, daß er aber dann im Testament einen der Gründe anführen müffe, der nach der Novelle zur Enterbung berechtigte. Justinian hat also die Enterbung erschwert und damit den Formalismus des bisherigen Noterbrechts vermindert. Er hat aber zugleich ein Pflichtteilsrecht jener Noterben anerkannt, insofern er sie nur dann als in ihrem Rechte verlegt ansah, wenn sie nicht wenigstens den vollen Pflichtteil zugewendet erhalten hatten. Eine das Testament gefährdende Rechts-, weil Pflichtteilsverlegung war natürlich dann gegeben, wenn der Noterbe übergangen oder ohne Grund enterbt war. War er zum Erben eingeseht, hatte er aber nicht den vollen Pflichtteil erhalten, so stand ihm nur ein persön= licher Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils (a. ad supplendam legitimam) zu; war er zum Erben eingesezt und hatte er den vollen Pflichtteil erhalten, so war dem formellen wie materiellen Noterbrechte Genüge geschehen, das Testament also gegen einen Angriff des Noterben gesichert. War er nicht zum Erben eingesetzt, so waren alle im Testament enthaltenen Erbeinfegungen ungültig, es trat also Intestaterbfolge ein; andere Verfügungen blieben bestehen.

Zweifelhaft war, ob die hier bezeichnete Folge einer vollen Pflichtteilsverlegung eine Anfechtung des Testaments mit der querela inofficiosi testamenti, welche auf der dem Noterben zuge= fügten Kränkung beruhte, daher höchstpersönlich war und in 5 Jahren

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