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man hielt es für unsittlich, einen Vertrag über die Erbfolge zu schließen und damit die Testirfreiheit aufzugeben, und schon die Tatsache des Vorhandenseins eines Testaments schloß die gesetzliche Erbfolge auch dann aus, wenn der Erblasser im Testamente nur über einen Teil seines Nachlasses verfügt hatte (nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest). Denn hatte der Testator seine Verfügungsmacht überhaupt betätigt, so war sein Wille ausschließlich maßgebend und für die Anwendung des Gefetes tein Platz mehr.

b) Dem deutschen Rechte war das Testamentun bekannt (nullum testamentum. Tacitus Germania c. 20). Wer Angehörige hatte, wurde von diesen beerbt, wer keine geseglichen Erben hatte, konnte einen solchen annehmen (die affatomie des fränkischen Volksrechts, die thinx oder garethinx des longobardischen Rechts). Es wurde ferner zulässig, einem Mittelsmanne (Treuhänder, salman) fein Gut ganz oder zu einem Teile mit der Weisung zu übergeben, daß er es nach dem Tode des Erblaffers dem von diesem Bestimmten aushändige. In beiden Fällen blieb das Gut bei dem Erblasser, man wollte nur die Erblosigkeit des Gutes und damit seinen Heimfall an Volk und König verhindern. Immer aber war der Erfolg der, daß der Erwerber nicht Erbe, sondern Eigentümer der einzelnen Stüde wurde. Kannte hiernach das deutsche Recht nur die gefeßliche Erbfolge, so galt doch diese nicht als Eintritt in ein dem Erben neues Vermögen, sondern als bloßer Wegfall des bisherigen Herrn und als übergang der Verfügungsmacht des Verstorbenen auf diejenigen, mit denen er bisher in Familiengemeinschaft gestanden hatte. Immerhin enthielten die Vergabungen oder „Gemächde“ den Keim, aus dem sich später der Erbvertrag entwickelte (s. diesen).

c) Das gemeine Recht übernahm die beiden Delationsgründe des römischen Rechts mit den sich an sie schließenden Rechtssäßen. Daneben entwickelte sich auf deutsch-rechtlicher Grundlage ein dritter Delationsgrund im Erbvertrage, da man die römische Anschauung von der Unittlichkeit der Erbverträge berwarf und auf die Vergabungen von Todes wegen und Gemächde, sofern sie ein ganzes Vermögen zum Gegenstande hatten, die römischen Grundsäße des testamentarischen Erbrechts analog anwandte. Doch blieb der Erbvertrag ein Institut des Partitularrechts.

d) Das BGB kennt zwei Berufungsgründe: die Verfügung von Todes wegen und das Gefeß, aber in dem Sinne, daß die ge febliche Erbfolge als die stets von selbst eintretende, durch Verfügung von Todes wegen nur ausgeschlossene, an die Spitze ge=

stellt (§§ 1924-1936) und erst alsdann die auf der Anord= rung des Erblassers beruhende Erbfolge behandelt wird (§§ 1937 ff.).

Die Verfügung von Todes wegen kann entweder ein Test a = ment, d. h. ein einseitiges Rechtsgeschäft (§ 1937) oder ein Erbvertrag sein (§ 1941). 3utreffend nennt das BGB nur das Testament eine legtwillige Verfügung, denn da der Testator bis zu seinem Tode die Freiheit des Widerrufs hat, enthält das Testament seinen Ießten Willen, während der Erbvertrag den Erblaffer der Widerrufsfreiheit beraubt, also seinen damaligen Willen enthält.

Der römische Sag nemo pro parte etc. ist nach dem Vorgange aller modernen Gesegbücher verworfen: der Erblasser fann über einen Teil seines Nachlasses ver = fügen; die gesetzliche Erbfolge tritt dann insoweit ein, als über den Nachlaß nicht durch Testament oder Vertrag verfügt ist (§ 2088).

Mit der Berufung (Delation) war nach römischem und gemeinem Rechte das Erbrecht noch nicht entstanden. Denn da die Erbfolge mit der übernahme von Verpflichtungen verknüpft ist, sollte sie nach römischer Anschauung nicht gegen den Willen des Berufenen eintreten. Die Delation gab nur ein höchstpersönliches Recht, durch Annahme Erbe zu werden. Wollte der Be= rufene (Delat) von diesem Rechte keinen Gebrauch machen, oder starb er vor der Annahme, so war die ihm geschehene Delation erledigt, eine Beerbung konnte daher nur noch erfolgen auf Grund einer neuen Delation. Diese neue (sukzessive) Delation erfolgte bei der Intestaterbschaft an den nächsten Grad oder an die nächste Klasse der intestaterbberechtigten Personen, bei testamentarischer Erbschaft an die Substituten, d. H. an die für diesen Fall im Testamente besonders benannten Personen.

Der Grundfag der Unvererblichkeit des aus der Delation entstandenen Rechts (hereditas nondum adita non transmittitur ad heredes heredis) wurde durch das im spätern römischen Recht eingeführte und allmählich erweiterte Rechtsinstitut der Trans mission durchbrochen. Die Transmission bestand in einer successio in delationem, also in der Aufrechterhaltung der einmal geschehenen Delation, indem die Erben des Berufenen in das ihm deferierte Recht, Erbe zu werden, einrückten.

Nur die sui et necessarii heredes, d. h. die der Gewalt des Erblassers Unterworfenen (auch die Sklaven, welche necessarii schlechthin hießen), erbten ohne eine dahin gehende Willenserklärung. Alle andern Personen (daher voluntarii heredes) erbten nur, wenn sie die Erbschaft a n n a h men, d. h. ihren Willen kundgaben,

Erbe zu werden. Nach deutschem Recht und nach dem BGB genügt die Berufung. Es gilt hier der Grundsay: „Der Tote erbt den Lebendigen, le mort saisit le vif", d. h. der Berufene wird mit dem Erbfalle, ohne daß es einer Willenserklärung von seiner Seite bedarf, Erbe (§§ 1922,

1942).

Hieraus ergeben sich folgende Unterschiede zwischen gemeinem und nenem Recht:

1. Nach altem Rechte hatte die Annahme der Erbschaft durch den Berufenen die Wirkung des Erbschafts e r werbes, sein Stillschweigen hatte also zur Folge, daß er nicht Erbe wurde, nach neuem Rechte frägt sich nur, ob der Erbe die Erbschaft behalten will, und sein Stillschweigen hat zur Folge, daß er Erbe bleibt.

2. Nach gemeinem Rechte entstand ein Zwischenzustand, während dessen es ungewiß war, ob der Berufene erben würde; dieser Zustand (die hereditas jacens) hat der theoretischen Auffassung Schwierigkeiten gemacht: man hat angenommen, daß der ruhende Nachlaß die Person des Erblassers in sich trage, man hat auch den Nachlaß selbst als juristische Person bezeichnet. Nach neuem Rechte kann e s eine ruhende Erbschaft nicht geben, denn jede Erbschaft gehört vom Augenblicke des Todes an einem Erben, auch wenn dieser oder wenn ihm der Erbfall noch nicht bekannt ist.

3. Während nach altem Recht eine Transmission möglich war, ist eine solche nach neuem Recht ausgeschlossen; denn wenn der Be= rufene nach dem Erbfall stirbt, so geht nicht sein Recht, die angefallene Erbschaft zu erwerben, sondern die e r worbene Erbschaft als Teil seines eigenen Vermögens auf seine Erben über.

Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge.1)

§ 273. Die gesetzliche Erbfolge im allgemeinen.

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn nicht durch eine Verfügung des Erblassers ein Erbe berufen ist, also wenn eine solche Verfügung überhaupt nicht vorhanden oder wenn die vorhandene nicht gültig ist. Während aber nach römischem und gemeinem Rechte testamentarische und Intestaterbfolge nicht neben einander her

1) S. besonders Hehmann: Die Grundzüge des geseglichen Verwandtenerbrechts nach dem BGB. 1896.

gehn konnten, wird nach neuem Recht in den Teil des Nachlasses, über den der Erblasser nicht verfügt hat, die gesegliche Erbfolge eröffnet.

Nach römischem Rechte konnte auf Grund des Sages semel heres semper heres ein Erbfall immer nur zu einmaliger Erbfolge führen. Wenn also der Erblasser verfügte, daß der von ihm berufene Erbe nur von einem, nach dem Erbfalle liegenden Zeitpunkt ab oder bis zu einem Ereignis oder Zeitpunkt Erbe sein solle, so ging die Erbschaft im ersten Fall auf die geset= lichen Erben, und mit dem Eintritte des Zeitpunktes als Universalvermächtnis auf den Berufenen über, im zweiten Falle hatte wenigstens nach moderner Auffassung der ernannte Erbe mit Eintritt des Ereignisses oder des Zeitpunktes die Erbschaft an die geset= lichen Erben herauszugeben, und zwar wiederum als Universalvermächtnis. Nach neuem Recht aber treten die geset= lichen Erben in jenem Falle als Vorerben, im zweiten Fall als Nacherben ein, und der ernannte Erbe ist dort Nacherbe, hier Vorerbe (§§ 2104, 2105); es findet also auf Grund eines Erbfalles in denselben Nachlaß nacheinander sowohl die gewillkürte als die geseßliche Erbfolge statt.

Regelmäßig ist der Erbfall zugleich der Berufungsfall; er ist es nicht bei der sukzessiven Delation, d. h. der Berufung einer andern als der nächstberechtigten Person, denn hier veranlaßt ein Erbfall mehrere aufeinander folgende Berufungen, nicht, wie oben, mehrere sukzessive Beerbungen. Die im Falle der sukzessiven Delation zum Erben berufene Person bestimmt sich nach römischem Rechte stets nach dem Zeitpunkte des Berufungs falles, d. i. dem Zeitpunkte, in welchem der später Be= rechtigte in die Möglichkeit, Erbe zu werden gelangt. An diesem Grundfake hielt das gemeine Recht auch für den Fall fest, daß der zuerst Berufene die Erbschaft ausschlug. Das BGB aber legt folgerichtig der zweiten Berufung rückwirkende Kraft bei, der Anfall an den Ausschlagenden gilt als nicht erfolgt, die Erbschaft fällt daher freilich wieder mit dem Rechte der Ausschlagung demjenigen an, der von vornherein würde berufen worden sein, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953). Dasselbe gilt in dem Falle, wenn der zuerst Berufene erbunwürdig ist (§ 2344).

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Das gefeßliche oder Intestat Erbrecht beruhte in Rom wie in Deutschland und beruht auch nach neuem Recht auf der Familienangehörigkeit, als gesetzliche Erben sind daher berufen die Verwandten und jedenfalls nach neuem Recht auch der Ehegatte des Erblaffers. Verschieden ist nur die Reihenfolge der

berufenen Personen und ihre Abgrenzung. Ausnahmsweise haben ein gesegliches Erbrecht Personen, die nicht zu den Familienangehörigen zählen (sog. außerordentliches Erbrecht).

Die Verwandten wurden entweder berufen nach dem Gradualsystem oder nach der Parentelenordnung (dem Lineal-Gradualsystem). Das Gradual system läßt die Nähe des Verwandtschaftsgrades zum Erblaffer entscheiden, nach der Parentelenordnung werden der Reihenfolge nach die einzelnen Parentelen berufen. Eine Parentel bilden immer die von einem nächsten gemeinschaftlichen Vorfahren Abstammenden, die erste Parentel ist danach die des Erblaffers selbst: sie wird ge= bildet durch die von ihm abstammenden Personen; die zweite Parentel ist die der Eltern des Erblaffers; sie wird gebildet durch seine Eltern und deren Abkömmlinge; die dritte Parentel ist die der Großeltern des Erblassers: sie wird gebildet durch seine Großeltern und deren Abkömmlinge usw.

In dem Verwandtschaftsbilde S. 720 ift A der Erblasser. Da er sowohl mit seinen Kindern als auch mit seinen Eltern im ersten Grade berwandt ist, würde das reine Gradualsystem zu seinen Erben die Eltern und die Kinder berufen, die Eltern würden aber auch den Enkeln ccc, als im zweiten Grade Stehenden, vorgehen.

Die erste Parentel wird gebildet von den Kindern des Erblassers und deren Kindern, also von B, b, C, ccc, D und E. Die zweite Parentel wird gebildet von den Eltern des Erblassers F, G und deren Abkömmlingen H, h, m, J, i, i, und hatte die Mutter G aus ihrer früheren Ehe mit dem U ein Kind X, so gehört auch dieses nebst seinem Abtömmling y zur zweiten Parentel. H ist danach vollbürtiger, X halbbürtiger Bruder des A. Die dritte Parentel wird gebildet von den väterlichen Großeltern des A, nämlich K, L und deren Abkömmlingn Oo o P und von den mütterlichen Großeltern des A, nämlich M, N und deren Abkömmlingen O, R, r r.

Jede Parentel tann in mehrere Stämme zerfallen, die erste Parentel in so viele, als der Erblasser Kinder hat, die zweite Parentel in so viele, als Eltern- oder Voreltern pa a re (älteres deutsches Recht) oder einzelne Voreltern, Parentelen h äupter (modernes Recht), vorhanden sind. Jeder Stamm bildet eine Einheit, es erbt also der Stamm, nicht das einzelne zu ihm gehörende Individuum. Die Parentel des A hat 4 Stämme, es kann danach geschehen, daß an Stelle des B nur der b, an Stelle des C die 3 ccc zusammen berufen werden. In der zweiten Parentel ist sowohl der F als die G ein Stammhaupt. Soweit dieses Paar gemeinschaftliche Abtömmlinge hat (H, A, J), hat die Stammgliederung keine praktische Bedeutung, weil der Stamm des F gleichzeitig der Stamm

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