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der Volljährigkeit des Kindes ohne weiteres ihr Ende (§ 1626), während die Volljährigkeit nach bisherigem Recht eine Befreiung von der väterlichen Gewalt nicht zur Folge hatte. Heiratet das Kind, so erlischt die elterliche Nugnießung (§ 1661), heiratet eine minderjährige Tochter, so geht die Fürsorge für ihre Person und die Verwaltung ihres Vermögens auf den Mann über, und den Eltern verbleibt nur die Vertretung der Tochter in allen die Person und denjenigen das Vermögen der Tochter betreffenden Angelegenheiten, in welchen diese ohne Zustimmung des Mannes handeln fann (§ 1633).

7. Die Mutter verliert die elterliche Gewalt, wenn sie eine neue Ehe schließt, doch bleibt ihr die Fürsorge für die Person des Kindes (§ 1697).

B. Nicht nach römischem, jedoch nach gemeinem Rechte ruhte die väterliche Gewalt, wenn der Vater an ihrer Ausübung verhindert war. Nach neuem Rechte ruht die elterliche Gewalt, wenn der Gewaltinhaber geschäftsunfähig, grundsäßlich auch, wenn er in der Ge= schäftsfähigkeit beschränkt ist, und ferner, wenn vom Vormundschaftsgerichte fest gestellt wird, daß der Gewaltinhaber an der Ausübung der Gewalt auf längere Zeit tatsächlich verhindert ist (§§ 1676, 1677, 1696). Während der Ruhe ist nur die Ausübung der elterlichen Gewalt ausgeschlossen, die Nuznießung aber bleibt in der Weise bestehen, daß der Gewaltinhaber Herausgabe der Nugungen verlangen tann (§ 1678, 1656). Ruht die Gewalt des Vaters, so tritt die der Mutter ein, fehlt aber auch dieser die elterliche Gewalt, so ist ein Vormund zu bestellen (§ 1773). Die elterliche Gewalt, die nur infolge eines Ausübungshindernisses ruhte, tritt nicht mit der Beseitigung des Hindernisses von selbst, sondern erst mit der durch das Vormundschaftsgericht getroffenen Feststellung, daß das Hindernis gehoben sei, wieder ein (§ 1677).

Die Nuznießung allein endigt mit der Verheiratung des Kindes oder dem Verzicht des Gewaltinhabers (§§ 1661, 1662).

Die Vermögensverwaltung kann dem Gewaltinhaber durch das Vormundschaftsgericht entzogen werden, eine äußerste Maßregel, die nur dann ergriffen werden darf, wenn der Gewalt= inhaber die mit der Verwaltung oder der Nuznießung verbundenen Pflichten verlegt oder in Vermögensverfall gerät und den vom Vormundschaftsgerichte zur Sicherung der Kinder getroffenen Anordnungen nicht Folge leistet (§§ 1667-1670). Der Mutter kann auf ihren Antrag die Vermögensverwaltung ganz oder teilweise ge= nommen und dem Beistand übertragen werden (§§ 1687, 1693).

Vermögensverwaltung und Nugnießung kann entzogen werden, wenn die elterliche Unterhaltspflicht verlegt und auch für die Zukunft

eine erhebliche Gefährdung des dem Kinde gebührenden Unterhalts zu besorgen ist (§ 1666 Abs. 2).

Auch das Erziehungsrecht tann entzogen werden, wenn das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dadurch gefährdet wird, daß der Gewaltinhaber das Recht der Fürsorge für die Person des Kindes mißbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht (§ 1666).1)

§ 259. II. Kinder aus nichtigen Ehen.

Nach gemeinem Rechte galten Kinder, welche aus einer ungültigen oder nichtigen Ehe hervorgingen, nur dann als eheliche, wenn beide Eltern oder eines von ihnen die von ihnen formell geschlossene Ehe für gültig hielten. Auch nach neuem Rechte sind die Kinder aus einer nichtigen Ehe immer dann unehelich, wenn die Nichtigkeit auf einem Formmangel beruh t und die Ehe nicht ins Heiratsregister eingetragen ist, im übrigen gelten sie auch hier dann als ehelich, wenn nur ein Ehegatte beim Eheabschluß die Ehe für gültig gehalten hat (§ 1699). Ein hiernach eheliches Kind hat dieselbe rechtliche Stellung wie ein Kind aus einer geschiedenen Ehe, wenn beide Teile für schuldig erklärt sind (§ 1700). Kannte der Vater die Nichtigkeit der Ehe, so hat er nicht die mit der elterlichen Gewalt verknüpften Rechte, und die elterliche Gewalt steht der Mutter zu; war der Mutter die Nichtigkeit der Ehe bekannt, so hat sie nur diejenigen Rechte, welche der allein schuldig erklärten Frau zustehen und kann nicht die elterliche Gewalt erlangen. Aber auch, wenn das Kind als uneheliches gilt, hat der Vater dieselbe Unterhaltspflicht wie der eheliche Vater (§§ 1701-1704).

§ 260. III. Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder.

I. Das römische Recht zeichnete die aus einem Konkubinat hervorgegangenen Kinder, die liberi naturales, bor anderen unehelichen Kindern (spurii oder vulgo quaesiti) dadurch aus, daß es ihnen gegen den Vater einen Unterhaltsanspruch und ein außerordentliches Erbrecht sowie die Möglichkeit, die Rechte eines ehelichen Kindes zu erlangen, gewährte. Dagegen galt der Sag spurii sine patre sunt. Nachdem aber der Konkubinat durch das kanonische Recht als ein unerlaubtes Verhältnis bezeichnet worden war, räumte die gemeinrechtliche Praxis die Rechte der liberi naturales allen unehelichen Kindern ein.

1) über das Vorgehen des Vormundschaftsgerichts §§ 1671-1675 BGB, §§ 51-53 FG.

II. Das neue Recht steht auf dem Standpunkte der gemeinrechtlichen Praxis.

1. Es gibt in übereinstimmung mit dem gemeinen Rechte dem unehelichen Kinde gegenüber der Mutter und den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kinde 3 (§ 1705); es besteht daher unter diesen Personen eine wechselseitige Unterhaltspflicht und ein gegenseitiges Intestat= erbrecht (§§ 1601 ff., 1924 ff.); die Mutter hat das Recht zur Einwilligung in eine Eheschließung und in die Legitimation des Kindes (§§ 1305, 1726), aber sie hat nicht die elterliche Gewalt (§ 1707), es ist ihr daher Verwaltung und Nuznießung des Kindesvermögens und die Vertretung des Kindes genommen, es muß für das Kind also ein Vormund, doch kann hierzu die Mutter bestellt werden (§ 1778). Nur die Sorge für die Person des Kindes überläßt das BGB der Mutter, neben welcher in dieser Hinsicht der Vormund nur die Stellung eines Beistandes hat (§ 1707). Das Kind hat den Familiennamen der Mutter und zwar den ihr angeborenen, ihr Ehemann kann aber mit ihrer und des Kindes Zustimmung dem Kinde seinen Namen erteilen (§ 1706).

2. Mit seinem Vater ist das uneheliche Kind im Rechtssinne nicht verwandt (§ 1589 Abs. 2), die natürliche unter ihnen bestehende Verwandtschaft begründet aber ein Ehehindernis (§ 1310). Es besteht zwischen Vater und Kind kein Intestaterbrecht, vielmehr nur eine den Vater zur Gewährung von Unterhalt verpflichtende Obligation, in der auch die Beerdigungskostenpflicht enthalten ist (§§ 1708 ff., vgl. oben S. 460).

Wer die Vaterschaft zu einem unehelichen Kinde in einer öffent= lichen Urkunde anerkennt, gilt solange als der Vater des Kindes, bis das Anerkenntnis widerlegt ist, das Anerkenntnis hat aber nicht rechtsbegründende, sondern nur beweisende Kraft (§ 1718).

Dritter Abschnitt:

Das Vormundschaftsrecht.

§ 261. Begriff und geschichtlicher Überblick.

Vormundschaft ist die vom Gesez angeordnete Fürsorge für Personen, welche nicht für sich selbst sorgen können und des elterlichen Schußesentbehren. Sie ist deshalb ein Ersag des fehlenden

väterlichen oder überhaupt elterlichen Schutzes und daher eine Einrichtung des Familienrechts.

1. Das römische Recht unterschied zwischen tutela und cura. Einen tutor erhielten die impuberes und im ältern Recht auch erwachsene, gewaltfreie Frauen, einen curator die puberes minores, die prodigi und die furiosi. Worin der Gegensaz zwischen tutela und cura gelegen, ist bestritten. Es ist anzunehmen, daß man tutor denjenigen Vormund nannte, der bei gewissen Rechtsgeschäften seines Schüßlings mitzuwirken hatte (auctoritatis interpositio), curator denjenigen, der ent= weder allein handelte oder die von seinem Schüßling allein vorgenommene Rechtshandlung durch formlose Zustimmung wirksam machte.

Unter die Altersvormundschaft (tutela minorum) traten nur gewaltfreie impuberes. So lange sich ein solcher tuendus im Alter der Kindheit befand, hatte der Vormund st att seiner zu handeln (gestio tutoris); impuberes infantia majores konnten reine Erwerbsgeschäfte selbständig, Geschäfte, durch welche fie veräußerten oder sich verpflichteten, nur in der Weise vornehmen, daß sie selbst die erforderliche Willenserklärung abgaben, also selbst unmittelbar berechtigt und verpflichtet wurden, während der an= wesende tutor dabei seine Zustimmung erteilte (auctoritatem interposuit). Der pubes minor (d. h. noch nicht 25 Jahre alte Mündige) war handlungsfähig und bedurfte daher eines Vormundes nicht. Die lex Plaetoria (Mitte des 6. Jahrh. a. u. c.) legte je= doch demjenigen, der einen Minderjährigen übervorteilt hatte, eine (wahrscheinlich nur) zivilrechtliche Haftung auf und gewährte dem Minderjährigen eine exceptio gegen den Anspruch aus dem für ihn nachteiligen Geschäfte. Seit dieser Zeit konnte sich der minor die Bestellung eines curator erbitten. Hatte er einen curator, so hatte dieser das Vermögen des minor zu verwalten, doch durfte der Minderjährige sich gültig verpflichten (?), und nur zu Veräußerungen bedurfte er der Zustimmung des Kurators.

Das ältere deutsche Recht unterwarf der Bevormundung (mundium) alle we hrlosen Personen, also nicht nur die Unmündigen, sondern auch die Frauen und die Geistlichen. Daher konnte immer nur ein Mann Vormund sein, und dem nächsten Schwertmagen stand ein Recht darauf zu. Er vertrat den Pflegebefohlenen ohne Einschränkung, d. h. er hatte die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Schüßlings zu sorgen.

Zur Zeit der Rezeption war die Geschlechtsvormundschaft zur bloßen Prozeßvormundschaft geworden und die Vormundschaft über Geistliche weggefallen. Ferner wurde bei der Altersvormundschaft

der in Deutschland unverständliche Gegensatz von tutela und cura nicht mit aufgenommen, vielmehr erklärte die Reichsgesehgebung des 16. Jahrhunderts alle Minderjährigen für unfähig, sich durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten oder zu veräußern, und verlangte deshalb für alle gewaltfreien minores einen Vormund. Es wurden deshalb die Grundsäge von der tutela mit der Einschränkung angewendet, daß die auctoritatis interpositio, d. i. die Mitwirkung des anwesenden Vormundes als notwendiges Erfordernis wegfiel.

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War so bei dem wichtigsten Falle der V. tutela und cura in eine einzige Vormundschaft“ über Minderjährige verschmolzen, so wandte man jezt die römischen Ausdrücke in anderem Sinne an. In der Annahme, daß der curator nur für die Vermögensange= legenheiten des Schüßlings zu sorgen gehabt habe, nannte man jezt curator oder Pfleger denjenigen Vormund, der nur für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten oder auch nur für eine einzelne bestimmte Angelegenheit bestellt war, tutor oder Vormund den= jenigen, dem die gesamte Fürsorge für den Pflegebefohlenen oblag.

2. Jm ältern römischen Rechte war die tutela und im ältern deutschen Rechte die Vormundschaft eine Angelegen = heit der Familie, es trat daher als Vormund ohne weiteres der nächste männliche Verwandte des Pflegebefohlenen ein; dieser aber übte die Vormundschaft nicht bloß im Interesse des Mündels, sondern vielleicht in seinem, als des nächsten Erben, persönlichen, jedenfalls im Interesse der Familie aus. In Rom rückte diese tutela legitima aber bald an die zweite Stelle, da es üblich wurde, daß der Vater seinen unmündigen Kindern im Testament einen Vormund bestellte (tutela testamentaria) und der geset= liche Vormund nur beim Fehlen einer solchen Bestimmung eintrat. War weder ein tutor testamentarius noch ein t. legitimus vorhanden, so trat die Obrigkeit ein und bestellte einen Vormund (daher tutor dativus). Das Bestellungsrecht übten die Konfuln, später der besondere praetor tutelarius und der praefectus urbi. Jeder nicht kraft eigenen Rechts eintretende Vormund verfah ein in fremdem Interesse geübtes munus oder Amt, d. h. er nahm eine Pflichtstellung ein. Die rein privatrechtlichen Schußmittel (bie a. tutelae directa des Mündels auf Herausgabe des Vermögens und Ersatz wegen mangelhafter Verwaltung, die a. rationibus distrahendis wegen Unterschlagungen) reichten deshalb nicht völlig aus, man griff daher in der Kaiserzeit zu dem Mittel, die Vornahme gewisser Verwaltungsakte des Vormundes von obrigteitlicher Genehmigung abhängig zu machen, insbesondere gehört hierher die oratio divi Severi (195 n. Chr.): ne praedia rustica vel suburbana distrahant. Auf diese Weise bildeten sich die

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