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lange bis sie durch Urteil für nichtig erklärt ist (§ 1329), und das aus ihr entspringende Kind gilt als ehelich, wenn nicht die Eltern beim Eheschluß die Nichtigkeit der Ehe gekannt haben (§ 1699). Die bloß anfechtbare Ehe gilt als von Anfang an nichtig, aber auch zur Anfechtung bedarf es der Klage.

Ferner ist in einzelnen Fällen eine Heilung der Nichtigteit möglich. a) Die formwidrig geschlossene, aber ins Re= gister eingetragene Ehe wird als von Anfang an gültig angesehen, wenn sie einen gewissen Zeitraum hindurch bestanden hat (§ 1324); b) die Nichtigkeit der von einem Geschäftsunfähigen geschlossenen Ehe kann durch formlose Bestätigung gehoben, c) die wegen Ehebruchs verbotene Ehe durch nachher erlangte Dispensation gültig werden (§§ 1325, 1328).

Bloße Anfechtbarkeit der Ehe ist nach neuem Rechte gegeben, wenn für einen beschränkt Geschäftsfähigen die Einwilligung des gefeßlichen Vertreters fehlt, oder wenn ein Teil nicht weiß, daß es sich um eine Eheschließung handelt, oder wenn er dies zwar weiß, doch eine Erklärung, die Ehe eingehen zu wollen, nicht hat abgeben wollen. Ist die Abgabe der Erklärung aber gewollt, so kann sie weder wegen Simulation noch wegen Vorbehalts angefochten, vielmehr die Anfechtung nur auf Irrtum, Betrug oder Drohung ge= gründet werden. Der Jrrtum war schon nach altem Rechte nur dann Anfechtungsgrund, wenn er ein sog. wesentlicher war, doch gingen die Auffassungen darüber, inwieweit ein Irrtum in den Eigenschaften der Person wesentlich sei, auseinander. Das BGB (§ 1333) erkennt den Irrtum in der Identität stets, den Irrtum in persönlichen Eigenschaften des andern Gatten aber nur dann als Anfechtungsgrund an, wenn der Jrrende bei Kenntnis der Sachlage (subjektiver Standpunkt) und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe (objektiver Maßstab) diese Person nicht geehelicht haben würde. Damit ist eine An= fechtung wegen Jrriums in den Vermögensverhältnissen des andern Teils ausgeschlossen, und selbst eine Täuschung über diese enthält feinen Anfechtungsgrund (§ 1334). Betrug berechtigt, wie nach protestantischem Eherechte, so nach BGB zur Anfechtung, wenn eine Täuschung über Umstände" (also nicht bloß Eigenschaften des andern Teils), die für den Getäuschten bei verständiger Beurteilung maßgebend sein mußten, entweder von dem andern Teile selbst oder mit dessen Wissen von einem Dritten verübt worden ist. Auch widerrechtliche Drohung gibt ein Anfechtungsrecht, wenn sie für den Entschluß des Bedrohten ursächlich war (§§ 1334, 1335).

Die Anfechtung ist ein höchst persönliches Recht des verlegten Gatten (§ 1338), sie erfolgt nicht durch bloße Er

klärung, sondern durch Klage (§§ 1336, 1341), weil die durch einen öffentlichen Att geschloffene Ehe nur wiederum durch einen öffentlichen Akt gelöst werden kann. Aus diesem Grunde kann die, wenngleich von Anfang an vorhandene, Nichtigkeit der Ehe vor der Rechtstraft des Urteils nicht anderweitig geltend gemacht werden. Die Anfechtung wird vom BGB nicht begünstigt, sie ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsberechtigte die Ehe genehmigt und ist gebunden an eine Ausschlußfrist von 6 Monaten (§§ 1336-1347).

Der Gegensatz zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit besteht daher darin, daß die anfechtbare Ehe nur von dem verlegten Ehegatten, ausnahmsweise von dessen gesetzlichem Vertreter, angefochten, die Nichtigkeitsklage aber von jedem Ehegatten, vom Staatsanwalt, unter Umständen sogar von Dritten erhoben werden kann (§§ 1331-1336 BGB, 632 3PO) und daß sie an teine Frist gebunden ist. Ist eine Ehe für nichtig erklärt, so kann die Nichtigkeit nunmehr auch in anderer Weise als durch Nichtigkeitsklage, z. B. einredeweise geltend gemacht werden (§ 1329).

§ 240. Die persönliche Stellung der Ehegatten zu einander.

I. Nach späterem römischen und nach gemeinem Rechte steht die Frau nicht in der Gewalt des Mannes: die Eheleute stehen gleichberechtigt nebeneinander, sind aber zur Lebensgemeinschaft verpflichtet. Denselben Grundsat stellt § 1353 BGB auf. Danach find die Ehegatten nicht bloß verpflichtet, alles das zu tun, was das Wesen der Ehe verlangt, sondern auch verbunden, in den das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten dem andern die Mitwirkung zu gestatten. Diese Pflicht ist Rechtspflicht, sie ist zwar nicht erzwingbar, kann aber nach neuem, darin der gemeinrechtlichen Praxis folgenden, Rechte Gegenstand einer Klage (auf Herstellung des ehelichen Lebens) werden (vgl. § 606 ZPO). Es kann also namentlich auf Eintritt oder Aufnahme in die eheliche Wohnung, es kann sogar auf Leistung der sog. ehelichen Pflicht geklagt werden. Die Klage ist unbegründet, wenn das Begehren s Klägers einen Mißbrauch seines Rechts enthält oder wenn der beklagte Ehegatte zur Scheidungsklage berechtigt ist (§ 1353).

Bei einer Meinungsverschiedenheit hat der Mann die entscheidende Stimme, doch ist die Frau auch in diesem Falle nicht verpflichtet, Folge zu leisten, wenn die Entscheidung sich als Mißbrauch darstellt (§ 1354).

Die Frau erleidet nach neuem Recht, das hierin mit dem spätern römischen und dem gemeinen Recht übereinstimmt, durch die VerHeiratung keine Einschränkung ihrer Geschäftsfähigkeit:

sie kann durch selbständig vorgenommene Rechtsgeschäfte erwerben und Verpflichtungen eingehen, sie ist daher auch prozeßfähig (§ 1399 BGB, § 52 3PO). Dagegen ist sie nicht befugt, durch Rechtsgeschäfte oder prozessualische Handlungen über ihre dem Rechte des Mannes unterworfenen Vermögensgegenstände zu verfügen. Aus ihrer Geschäftsfähigkeit folgt das Recht, auch ohne Zustimmung des Mannes ein selbständiges Erwerbsgeschäft zu treiben und innerhalb dieses Betriebes Rechtshandlungen vorzunehmen. Die Zustimmung oder Nichtzustimmung des Mannes hat jedoch güterrechtliche Wirtungen. Indessen hat der Mann die höchstpersönliche Berechtigung, ein von der Frau eingegangenes Rechtsverhältnis, durch das sie zu einer von ihr in Person zu machenden Leistung verpflichtet wird, fristlos zu kündigen, er hängt dabei jedoch von der Ermächtigung des Vormundschaftsgerichts ab. Die Frau kann auch mit dem Manne Rechtsgeschäfte schließen.

Im einzelnen ist folgendes zu bemerken:

1. Die Frau erhält nach altem und neuem Rechte den Familiennamen des Mannes (§ 1355) und damit nicht nur ein Recht, sondern die Pflicht, diesen Namen zu führen. Daß sie sich eines ihren angestammten Familiennamen ausdrückenden Zusages bediene, ist nicht ausgeschlossen. Sie behält den Namen auch nach Auflösung der Ehe, ist sie aber im Scheidungsprozesse für allein schuldig erklärt, so kann ihr der Mann die Führung seines Namens untersagen; in jedem Falle kann sie nach erfolgter Scheidung ihren früheren Namen wieder annehmen (§ 1577).

2. Die Wahl des Wohnortes und der Wohnung hängt von der Bestimmung des Mannes ab, und die Frau ist ihm dorthin zu folgen verpflichtet, wenn seine Bestimmung nicht eine mißbräuchliche ist (§ 1354). Der Wohnsit des Mannes ist ohne weiteres auch der der Frau. Verlegt der Mann den Wohnsig aber an einen im Auslande gelegenen Ort, an welchen die Frau zu folgen nicht verpflichtet ist, und folgt sie ihm tatsächlich nicht, so teilt sie seinen Wohnsit nicht (§ 10).

3. Die Frau ist berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten, doch hat der Mann auch innerhalb dieses Kreises das Recht der Entscheidung (§ 1356). Ob die Frau berpflichtet ist, im Hauswesen oder Geschäfte des Mannes selbst zu arbeiten, hängt davon ab, ob eine solche Mitwirkung nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist. Die Frau kann sich demnach nicht auf die Verhältnisse berufen, in denen sie vor der Verheiratung gestanden hat. Mit der sog. Schlüssel = gewalt der Frau ist eine ihr eingeräumte gesetzliche Vertretungsmacht verbunden. Innerhalb des häuslichen Wirkungskreises der

Frau von ihr geschlossene Rechtsgeschäfte gelten daher als Rechtsgeschäfte des Mannes. Eben deshalb aber ist der Mann befugt, diese Vertretung 3 macht einzuschränken oder auszuschließen. Einen Streit hierüber entscheidet der Vormundschaftsrichter (§§ 1356, 1357).

4. Die Eheleute haften einander für diligentia quam suis (§§ 1359, 277).

5. Die Eheleute sind gegenseitig zur Unterhaltsgewährung verpflichtet; aber während der Mann zur Gewährung des seiner Lebensstellung, seinem Vermögen und seiner Erwerbsfähigkeit, nicht bloß seinem tatsächlichen Einkommen, entsprechenden Unterhaltes an die Frau unter allen Umständen verpflichtet ist, hängt die Unterhaltspflicht der Frau von der Hilfsbedürftigkeit des Mannes ab; tritt ihre Unterhaltspflicht ein, so bestimmt sich das Maß des Unterhalts nach der Lebensstellung des Mannes und nach tem Vermögen und der Erwerbsfähigkeit der Frau. Die Pflicht der Frau ist also cine subsidiäre, die des Mannes ist Ausfluß seiner nach altem und neuem Rechte bestehenden Verpflichtung, die ehelichen Lasten zu tragen. Der Unterhalt wird regelmäßig in der durch die Lebensgemeinschaft gebotenen Weise und nur ausnahmsweise durch Entrichtung einer Geldrente gewährt, wenn nämlich die Eheleute auf Grund des einem von ihnen zustehenden Rechts getrennt leben (§§ 1360, 1361). Zum Unterhalte gehören an sich nicht Prozeßund Untersuchungskosten (§ 1610). Hierüber bestehen besondere Vorschriften (§§ 1387, 1412, 1415, 1416, 1460, 1464, 1535, 1536).

II. Ehefrauen minderen Rechts waren und sind noch jetzt die in einer sog. Ehe zur linken Hand stehenden Frauen.) Im Mittelalter entwickelte sich nämlich für den Adel das sog. Ebenbürtig= feitsprinzip. In der neueren Zeit jedoch wurde dies für den niederen Adel aufgegeben (Rechtssprichwort: „Ritters Weib hat Ritters Recht") und nur für den hohen Adel aufrecht erhalten. Danach wird also die Ehe einer Person von hohem Adel mit einer nichtadeligen und die Ehe einer Person des Reichsfürstenstandes mit einer Person aus dem niederen Adel als eine Mißheirat angesehen. Eine solche ist zwar eine rechtsgültige Ehe, aber die Frau erwirbt nicht den Stand und den Namen des Mannes, und auf die Kinder kommt der Grundfak: „Das Kind folgt der ärgeren Hand“ zur Anwendung. Werden die vermögensrechtlichen Folgen einer solchen Ehe bei der Heirat durch Vertrag geregelt, so nennt man sie

1) Der römische Konkubinat war keine wirkliche Ehe; er bezeichnet das dauernde Zusammenleben eines Mannes mit einer Frau ohne Eheabsicht. Die Kinder (liberi naturales) waren vor andern unehelichen Kindern bevorzugt.

Ehe zur linken Hand oder morganatische Ehe.') Das BGB erwähnt diese Ehe nicht, auch sie muß in der von ihm vorgeschriebenen Form geschlossen werden, da aber durch die Artt. 57, 58 EG 3. BGB die Hausgeseze bzw. die Landesgeseße hinsichtlich der Hausverfassungen der dort erwähnten Familien aufrecht erhalten werden, so bleiben auch die in ihnen enthaltenen Sagungen über Mißheiraten bestehen.

§ 241. Die Auflösung der Ehe.

I. Dem Tode eines Ehegatten ist vom BGB die Todeserklärung nicht gleichgestellt. Denn obwohl die Todeserklärung dem andern Gatten das Recht der Wiederverheiratung gibt, wird die frühere Ehe doch nicht durch die Todeserklärung, sondern erst durch Schließung der neuen Ehe aufgelöst. Da ferner die Todeserklärung nur eine Vermutung begründet, ist die neue Ehe nichtig, wenn beide Ehegatten wissen, daß die Vermutung nicht zutrifft. Daher ist ferner der andere Ehegatte zur Eingehung einer neuen Ehe so lange nicht berechtigt, als der durch die Anfechtungsklage veranlaßte Rechtsstreit noch schwebt, so lange also die Aufhebung des die Todeserklärung aussprechenden Urteils noch möglich ist.

Wird bekannt, daß der Verschollene noch lebt, so hat jeder Ehegatte der neugeschlossenen Ehe das Recht, diese neue Ehe anzufechten. Damit ist für diese neue Ehe der Irrtum im Beweggrunde zu einem Anfechtungsgrunde erhoben, denn das Anfechtungsrecht ist dem= jenigen Gatten der neuen Ehe genommen, der das Fortleben des Verschollenen bei der Eheschließung kannte (§§ 1348-1352).

II. Die Ehefcheidung unterscheidet sich von der Anfechtung dadurch, daß diese eine Tatsache geltend macht, welche den Abschluß der Ehe hätte verhindern sollen, jene sich auf einen Umstand gründet, der nach Abschluß der Ehe eingetreten ist. Folglich ist im Falle erfolgreicher Anfechtung die Ehe von Anfang an nichtig, während im Falle der Scheidung die Ehe nur für die Zukunft aufgelöst wird.

Das römische Recht hatte ein freies Scheidungsrecht. Die in der Manus stehende Frau konnte von ihrem Manne emanzipiert und jede Ehe durch repudium, d. h. einseitige Erklärung gelöst werden. Die Folge des repudium war das divortium, d. h. das Auseinandergehen, die Lösung des Ehebundes. Die Ausübung dieses Rechts einseitiger Lösung sette das Vorhandensein eines Scheidungsgrundes voraus; war ein solcher nicht vorhanden, so war zwar die Scheidung nicht unwirksam, doch trafen denjenigen, der die

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1) Von der Morgengabe", d. h. der durch den Vertrag festgesetten Witwenversorgung.

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