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und werden daher als Fragmente bezeichnet. Die Stoffanordnung ist die des Edikts. Man zitiert gewöhnlich 1. 11 pr. D. de rebus ered. 12, 1. (D. Digeften, 12. Buch, 1. Titel, daneben die abgekürzte Titelüberschrift hinter dem D. [3. B. R. V. de rei vindicatione]. Die 11 bedeutet die lex (1) d. i. die Unterabteilung der Titel). Die meisten leges zerfallen in Paragraphen, denen noch ein einleitender Sag (pr. principium) vorangeht, häufig zitiert fr. 13 § 2 de tut. et cur. 26, 5; bezeichnet man nämlich die lex mit fr. fragmentum, so erübrigt sich das D., da nur die Digesten fragmenta enthalten. Zuweilen läßt man im Vertrauen auf die Kenntnis des Lesers die Zahl des Buchs und des Titels weg. Die Bücher 30, 31, 32, welche de legatis handeln, haben keine Titel, man zitiert daher 1. 68 de leg. II, d. h. die 1. 68 des zweiten von den Legaten handelnden, also des 31. Buchs der Digesten.

Durch die Konstitutionen Tanta und 4édozer vom 16. Dezember 533 verkündet, traten die Digesten am 30. Dezember 533 mit den Institutionen in Kraft.

c) Der Codex enthält eine Sammlung der für die da= malige Praxis noch brauchbaren Verordnungen römischer Kaiser. Diese auf uns gekommene, durch die constitutio „Cordi nobis“ verfündete und mit dem 29. Dezember 534 in Kraft gesetzte Sammlung ist eine überarbeitung einer im Jahre 529 verkündeten Sammlung. Hinzugetreten waren namentlich 50 von Justinian getroffene Entscheidungen von Streitfragen klassischer Juristen, die sog. quinquaginta decisiones, die neue Sammlung führt daher im Gegensah zur älteren den Namen codex repetitae praelectionis. Der Koder zerfällt in 12 Bücher, diese in Titel und diese wieder in leges. Die Zitierweise ist die gleiche wie bei den Digesten (1. 1 pr. C. si pignus pignori 8,23 heißt achtes Buch des Koder [C] Titel 23, im principium der lex 1). Da der Koder nur aus constitutiones besteht, so wird häufig zitiert: c. 1 pr. si pignus pignori 8,23, wobei das c. constitutio bedeutet. Diese Konstitutionen sind nur zu einem geringen Teile allgemeine Gesege (leges edictales), die meisten sind Restripte, d. h. Entscheidungen von Rechtsfällen. Dadurch aber, daß auch Aussprüche dieses Inhalts in den Koder aufgenommen sind, haben die in ihnen zur Anwendung gelangten Rechtsfäße die Eigenschaft von Gefeßen erlangt.

d) Die Novellen (novellae constitutiones) find von Justinian nach der Verkündung des Koder erlassene Ge= sebe. Praktische Bedeutung für das gemeine Recht hatten nur wenige von ihnen, insbesondere die Nov. 4, 99, 115, 118 und 127. Glossiert sind 96. Die Novellen sind nicht, wie die Konstitutionen, von Justinian selbst in eine Sammlung gebracht worden. Private

Sammlungen sind drei bekannt. Das epitome Juliani ist ein gegen 556 von dem Rechtslehrer Julian zu Konstantinopel verfertigter lateinischer Auszug von 125 Novellen; das authenticum oder die Vulgata ist eine vermutlich um dieselbe Zeit in Italien auf An= ordnung des Kaisers veranstaltete Sammlung von 134 Novellen. Sie gibt die lateinischen Novellen lateinisch und die in griechischer Sprache erlassenen Novellen in lateinischer übersehung wieder. Endlich ist eine griechische Sammlung von 168 Novellen aus der Zeit Tiberius II. (698-705) vorhanden.

Die drei ersten Teile dieser Gefeßsammlung, des corpus juris civilis find von Justinian als ein Ganzes betrachtet worden. Daher gingen die Konstitutionen des Koder widersprechenden Stellen der andern Teile nicht vor, doch hatten die Novellen als neuere Gesetze den Vorzug vor den andern drei Teilen.

2. Fremd war ferner das kanonische Recht. Kanonisches Recht ist das auf der Gesezgebungsgewalt des Papstes beruhende Recht (canon kirchliche Rechtsvorschrift). Diese im Mittelalter allgemein anerkannte Gewalt beschränkte sich nicht auf das rein kirchliche Gebiet, sondern hatte allmählich einen ausgedehnten Bereich erlangt. Das kanonische Recht ist daher nicht identisch mit Kirchenrecht, es erstreckt sich außer auf dieses auf Zivilprozeß, Strafrecht, Strafprozeß und, wenngleich zum kleinsten Teile, auch auf Privatrecht, während das geltende Kirchenrecht, auch das der katholischen Kirche, nicht ausschließlich auf kanonischen Satzungen beruht.

Enthalten ist das kanonische Recht im Corpus juris canonici. Das c. jur. can, clausum umfaßt vier Teile:

a) Das Decretum Gratiani ist eine Privatarbeit des Mönches Gratian und zwischen 1139 und 1142 als Grundriß zu Vorlesungen entstanden. Gratian gibt Quellenstellen und einen Kommentar zu diesen, die sog. Dicta Gratiani, in der Absicht, das gesamte tanonische Recht unter Ausscheidung der Widersprüche zur Darstellung zu bringen, weshalb er seine Arbeit concordia discordantium canonum nannte. Das D. hat drei Teile; der erste zerfällt in 101 distinctiones, und diese bestehen aus canones. Die Zitierart ist c. 2 Dist. XX. Der zweite Teil erörtert 36 causae (Rechtsfälle), wobei quaestiones aufgeworfen und durch canones beantwortet werden. Zitiert wird c. (= canon) 1, C. (= causa) XII, qu. (= quaestio) 1. Die qu. 3 der Causa 33 bildet eine längere Abhandlung de poenitentia und zerfällt in Distinktionen. Zitierart c. 7 d. 2 de poenit. Den dritten Teil bilden fünf Distinktionen, welche in canones zerfallen. Der ganze dritte Teil

führt die Bezeichnung de consecratione. Zitiert wird c. 1 Dist. III de consecrat.

b) Die im Jahre 1234 von Gregor IX. publizierten Defretalen (= päpstlichen Verordnungen). Man bezeichnet sie furz mit Extra (X) = = extra decretum Gratiani vagantes. Sie zerfallen in 5 Bücher, diese in Titel (mit überschrift) und diese wieder in capita. Die Zitierart ist ganz die des Koder, c. (=caput) 1 X, (de elect.) I, 6.

c) Die im Jahre 1298 durch Bonifatius VIII. verfündete Sammlung von Dekretalen der Päpste von Innozenz IV. bis Bonifatius VIII. Sie wird Liber sextus (VI.) ge= nannt, als ob sie nur das sechste Buch der Sammlung Ertra bildete, sie enthält aber selbst 5 Bücher. Zitiert wird c. 2 in VIo de renunciatione I 7.

d) Die 1313 von Clemens V. verfündete Samm Iung von Dekretalen der Jahre 1298-1313, genannt Clementinae. Auch sie enthält 5 Bücher, die wie in den Teilen 2 und 3 die Reihenfolge judex, judicium, clerus, connubia, crimen (Gedenkvers) einhalten. Zitiert wird c. 1 Clem. de summa trin. I. 1.

Hierzu traten zwei das corp. jur. can. non clausum enthaltende private Sammlungen, die extravagantes Johannis XXII. und die extravagantes communes. Für das Eherecht von befonderer Wichtigkeit waren die Beschlüsse des concilium Tridentinum.

Das kanonische Recht wurde gleichzeitig mit dem römischen in Deutschland aufgenommen, und seine Geltung erhielt sich trok des anfänglichen Widerspruchs der Reformatoren auch in protestantischen Ländern. Seine Säße gingen als jüngere Quelle dem römischen Rechte vor und fanden in Deutschland bereitwilligere Aufnahme, da sie den mittelalterlichen und neueren Anschauungen mehr entsprachen, als das antike römische Recht (z. B. in der Lehre vom Besikschug). Die Aufnahme des kanonischen Rechts findet ihre Erklärung darin, daß die Kirche innerhalb ihres ausgedehnten Machtbereiches im Mittelalter eine der weltlichen gleichstehende Gesetzgebungsgewalt erlangte.1)

3. Als fremd galt endlich das sog. Iangobardische Lehnrecht. Die beiden libri feudorum, aus Privatarbeiten des 11. und 12. Jahrhunderts hervorgegangen, sind Erzeugnisse der langobardischen Rechtsschule.

') Vgl. auch hierüber meinen Zivilprozeß a. a. D. S. 32 ff. Regelsberger I S. 14. Gierke I S. 14 f.

II. Neben diesem geschlossenen Systeme des fremden Rechts stand das deutsche Privatrecht.') Damit bezeichnete man nicht etwa das in Deutschland geltende Recht, sondern nur denjenigen Teil unseres Rechts, der deutschen Ursprungs ist. Hierher gehörten sowohl diejenigen Rechtsinstitute, die vor der Rezeption des fremden Rechts in Deutschland in Geltung standen und sich entweder rein oder durch römisches Recht beeinflußt gegenüber dem fremden Recht erhalten hatten, als auch jene Rechtsinstitute, durch die das Rechtsleben nach der Rezeption bereichert wurde, die aber dem römischen Recht unbekannt waren. Zu den ersteren gehören 3. B. das Bergrecht und die Reallasten, zu letteren das Urheberrecht.

Diejenigen Rechtssäße, die, den Anschauungen der neueren Zeit entsprungen, auf das römische Recht um bildend gewirkt haben, wie z. B. der Grundsaß der unmittelbaren Stellvertretung oder die Auffassung der Zession als einer Singularsutzession, gehörten nicht in das deutsche Privatrecht, sondern in das „h e u tigerömische“ oder Pandeftenrecht.

§ 2. Gemeines, allgemeines, partikuläres Recht.

Nicht auf den Ursprung, sondern auf das Geltungsgebiet sieht man, wenn man den Gegensatz von gemeinem und partikulärem Recht aufstellt. Gemeines Recht ist aber nur das Recht, dessen Geltungskraft auf einer dem ganzen Lande oder mehreren Ländern. gemeinsamen Quelle beruht. Gemeines deutsches Recht war also dasjenige Recht, dessen Geltung auf eine für ganz Deutschland maßgebende Quelle zurückzuführen war. Ob der einzelne Sat dieses gemeinen Rechtes fremden oder einheimischen Ursprungs, Gesezes oder Gewohnheitsrecht war, änderte nichts an seiner Eigenschaft als gemeines Recht.

Gemeines deutsches Recht waren demnach

1. das fremde Recht, soweit es in Deutschland rezipiert war, denn seine Quelle war deutsches Gewohnheitsrecht;

2. diejenigen Umwandlungen des aufgenommenen fremden Rechts, die durch moderne Rechtsanschauungen bewirkt worden waren, denn sie teilten die Geltungsmacht des fremden Rechts;

3. die Geseze des früheren Deutschen Reiches und

4. die Gesetze des jetzigen Deutschen Reiches, denn beide beruhen auf einer für ganz Deutschland maßgebenden Rechtsquelle; 5. Sätze eines ganz Deutschland umfassenden Gewohnheitsrechts. Partikularrecht ist alles Recht, dessen Geltung auf einer nur für

1) Val. namentlich Gierke, Deutsches Privatrecht I S. 26 ff.

einen Teil Deutschlands (einzelnes Land, beschränktes Gebiet eines Landes) maßgebenden Quelle, sei es Gesek oder Gewohnheit, beruht.

Das Verhältnis des Partitularrechts zum ge= meinen Rechte war ehedem ein anderes als heute. Früher hat man dem gemeinen Rechte nur die Bedeutung eines subsidi är anwendbaren Rechtes beigelegt, den partikulären Rechtssägen aber den Vorzug gelaffen. Es bildete sich so der Sah: „Willkür bricht Stadtrecht, Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht ge= mein Recht," der die Anschauung zum Ausdrucke brachte, daß die für ein größeres Gebiet maßgebende Rechtsquelle der für den engeren Kreis geltenden nachstehe. Dasselbe galt sogar von den Gesegen des ehemaligen Deutschen Reiches: während sie bestehendes Landesrecht nicht aufzuheben vermochten, konnten sie selbst durch die Gesetzgebung der Territorien außer Anwendung gesezt werden. Mit dem Ende des Deutschen Reiches im Jahre 1806 hörte die Möglichkeit einer ge= meinrechtlichen Gesezgebung auf und erwachte nicht wieder mit der Errichtung des Deutschen Bundes im Jahre 1815. Denn der Bund war nur eine völkerrechtliche Vereinigung. Das neue Deutsche Reich aber ist ein selbständiger Staat mit eigener Gesetzgebungsgewalt, und der Art. 2 seiner Verfassung v. 16. 4. 1871 verordnet in übereinstimmung mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes:

„Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesehe den Landesgesehen vorgehen."

Jezt also geht in denjenigen Materien, die der Gesetzgebung des Reiches unterworfen sind (Art. 4 VU), alles Reichsrecht, mag es auf Gesetz oder Verordnung beruhen, dem Landesgesehe vor, und unter Landes gesez ist alles Landes recht zu verstehen. Der Erlaß eines Reichsgesetzes hebt also nicht nur die ihm widersprechenden, sondern auch die mit ihm übereinstimmenden Landesrechte auf, es sei denn, daß das Reichsgesetz ausdrücklich auf die Landesrechte verwiese oder der Landesgesetzgebung ausdrücklich die Ermächtigung gäbe, dem Reichsgesetz entgegenstehende Bestimmungen zu treffen. Nachdem durch Reichsgeset vom 20. Dezember 1873 die Zuständigkeit des Reiches auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt war, hat das Reich die Befugnis, nicht nur in den ihm besonders eingeräumten Materien, sondern auf dem gesamten Privatrechtsgebiete Gesetze zu erlaffen. Es hat von dieser Befugnis wiederholt Gebrauch gemacht und jezt das gesamte bürgerliche Recht mit Ausnahme der ausdrücklich den Landesgesehen überlassenen Materien durch ein ausschließendes Gesetzbuch geregelt. Bis zum Erlasse dieses Gesetzbuchs war die Landesgesetzgebung befugt, privatrechtliche Materien, die von der

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