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II. Während das römische Recht volle Verkehrsfreiheit gestattete und nur ausnahmsweise Veräußerungsverbote aussprach, unterlag nach deutschem Recht einem solchen Verbote die Veräußerung von Grundstüden, und zwar zugunsten der nächsten Erben, häufig jedoch nur zugunsten der Kinder. Denn auf dem Grundbesige beruhte die wirtschaftliche Sicherheit der Familie und ihre Stellung im öffentlichen Leben. Die Veräußerung war daher von der Zustimmung der nächsten Erben abhängig, die Zustimmung konnte jedoch auch in der Weise erfolgen, daß der bei der Veräußerung anwesende Berechtigte nicht widersprach (sich verschwieg"). War die Zustimmung nicht erteilt, so konnte der nächste Berechtigte die Ver= äußerung traft seines Beispruchsrechts in der Weise anfechten, daß er das Gut mit der a. revocatoria, einer a. in rem scripta, vom Erwerber zurückverlangte. Das Recht wirkte nicht gegenüber in echter Not vorgenommenen Veräußerungen und erlosch nach Ablauf von Jahr und Tag. Diese Verjährung des Anfechtungsrechts gab dem Erwerber die rechte Gewere. In den Städten beschränkte sich das Beispruchsrecht auf das sog. Erb gut, d. h. diejenigen Grundstücke, die der Veräußerer durch Erbgang erworben hatte, im Gegensaße zu den sog. wohlgewonnenen, d. h. durch andere Rechtstitel erworbenen Gütern, welche der Erwerber frei veräußern durfte. Das Beispruchsrecht der Erben wurde später zu einem Näher-, Retratt= oder Vorkaufsrechte (f. dieses). In der früheren Gestalt erhielt es sich nur bei den fog. Stammgütern des Adels, d. h. denjenigen Gütern, die entweder (beim hohen Adel) kraft Hausgesetes hierzu erklärt worden, oder die (beim niederen Adel) durch Erbgang erworben (daher bona aviatica, auch stemmatica) und durch ge= segliche Bestimmung zum Erbgut erklärt sind, aber auch hier ist das Institut, welches das BGB (Art. 59 EG) aufrecht erhält, im Verschwinden begriffen, da auf andere Weise Vorsorge getroffen werden tann, ein Gut für eine bestimmte Familie zu erhalten (f. folgenden Paragraph).

§ 176. Das Familienfideikommiß.

Ein Familienfideikommiß ist ein Vermögensgegenstand, der kraft Willensbestimmung des Stifters sich innerhalb einer bestimmten Fa= milie vererben und unveräußerlich sein soll. Ansäge zur Bildung dieses Rechtsinstituts waren in Deutschland schon vor der Aufnahme des fremden Rechts vorhanden, es entwickelte sich jedoch erst nach der Rezeption in Anlehnung an das römische Familienfideitommiß (fideic. successivum), von dem es sich insbesondere dadurch unterscheidet, daß es nicht schon bei einem beEngelmann, D. bürgerliche Recht Deutschlands. IV. Aufl.

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stimmten Nachfolgefall als solches aufhört und daß es nicht dem Abzuge der sog. Falcidischen Quart (darüber im Erbrecht) unterliegt. In neuerer Zeit hat sich das deutschrechtliche F. vom römischen mehr und mehr entfernt und zu einem selbständigen Rechtsinstitute gestaltet. Seine Quellen sind seitdem nur zum geringen Teile gemeines Gewohnheitsrecht, zum größeren Teile Partikulargesehe. Diese Normen werden vom BGB (Art. 59 EG) aufrecht erhalten.

Das F. unterscheidet sich dadurch vom Stammgut, daß letteres auf Rechtsvorschrift, ersteres auf einer Privatwillenserklärung (der Stiftung) des Eigentümers beruht. Die Stiftung kann in einem Erbvertrag, einem Testament oder einer sonstigen einseitigen Erflärung enthalten sein, häufig bedarf sie der Bestätigung des Landesherrn oder einer Behörde; sie hat bindende Kraft nicht nur für den Erben, sondern für alle künftigen Mitglieder der Familie des Stifters und für Dritte; sie bedarf daher regelmäßig der Bekanntmachung und der Eintragung ins Grundbuch.

Berechtigt zur Stiftung eines F. ist grundsäglich ein jeder, dem die freie Verfügung über den Gegenstand der Stiftung zusteht. Gegenstand des F. kann alles sein, was einen dauernden Genuß zuläßt, namentlich Grundstücke, den Grundstücken gleichbehandelte Rechte und Kapitalien.

Der Stiftung wesentlich ist die Anordnung der Unveräußerlichkeit. Diese Anordnung braucht teine ausdrückliche (RG 18, 207) und nicht für alle Zeiten gegeben zu sein, der Stifter kann sie vielmehr zeitlich beschränken. Ist eine solche Einschränkung nicht erklärt, so erlischt das F. grundsäglich erst mit dem Aussterben der berechtigten Familie, denn auch ein Beschluß aller gegenwärtigen Familienmitglieder ist an sich nicht geeignet, den Stiftungswillen zu beseitigen. Die neuere Gesetzgebung aber, die dem Familienfideitommiß vorübergehend ungünstig war (namentlich der code civil und die Geseze von 1848), läßt regelmäßig sowohl die Veräußerung als die Abänderung und Aufhebung der Stiftung mit Zustimmung aller lebenden Familienmitglieder (Familienschluß) beim Vorhandensein gewisser Voraussetzungen und Beobachtung gewisser Formen zu. Auch ist der gutgläubige Erwerber geschützt (Art. 61 EG 3. BGB).

Die Stiftung tann wohlerworbene Rechte nicht verlegen. Sie unterliegt daher der querela inofficiosi testamenti oder einer dieser nachgebildeten Klage, wenn sie ein Pflichtteilsrecht verlegt, und sie kann die Rechte derjenigen Gläubiger, welche entweder schon ein dingliches Recht auf Befriedigung aus der Sache (Pfand- oder Hypothekenrecht) oder doch die Aussicht auf Befriedigung aus der Sache haben, nicht schmälern; daher können lettere die Stiftung mit der a. Pauliana anfechten.

Regelmäßig wird mit der Stiftung die Festsetung einer besonderen Nachfolgeordnung verbunden, denn die allgemeine Erbfolgeordnung ist für das F. ungeeignet, weil sie zur Berufung zahlreicher Personen und daher zu einer wenigstens ideellen Teilung des F. führt. Eine reelle Teilung ist mit dem Zwecke des Instituts unvereinbar und daher unzulässig.

Das F. geht nicht, wie früher häufig angenommen wurde, in das Eigentum der Familie über, es wird vielmehr beschränktes Eigentum des F.-Folgers. Die Beschränkung besteht in der bereits`erwähnten Unveräußerlichkeit und in dem Mangel des Rechts, das Gut mit Schulden zu belasten. Die gleichwohl auf das Gut gelegten Schulden können nur aus dem befriedigt werden, was der freien Verfügung des F.-Besizers unterliegt, d. i. aus den Einkünften (daher die sog. Revenüen-Hypothek). Die vom Stifter und die vom F.-Besizer zugunsten des Fideikommisses selbst auf dieses ge= legten sog. Fideikommiß schulden gehen nicht auf die Ge= samtnachfolger des ursprünglichen Schuldners, sondern mit dem F. auf den F.-Nachfolger über und können nach einzelnen Partikularrechten auch durch Zwangsversteigerung des F. beigetrieben werden. Weitere Beschränkungen bestehen im Interesse der Unversehrtheit des F. (z. B. Abholzung, Veränderung der wirtschaftlichen Bestimmung des Gutes) zugunsten der Fideikommißanwärter, d. h. der eventuell nachfolgeberechtigten Personen.

Nicht schon mit der Stiftung, sondern beim ersten Erbfalle scheidet das F. aus dem übrigen, dem sog. AI Iodial vermögen, des Stifters aus.

Der Erwerb und der Berlust des Eigentums.

A. Die beweglichen Sachen.

§ 177. I. Der abgeleitete Eigentumserwerb.

Der abgeleitete (derivative) Eigentumserwerb ist eine Rechtsnachfolge des Erwerbers in das Eigentumeines andern, des Auftors, Rechtsurhebers, Rechtsvorgängers. Der Rechtsnachfolger erwirbt also die Sache mit den ihr anhaftenden Lasten (Eigentumsbeschränkungen, dinglichen Belastungen) und den mit ihr verbundenen Rechten (Reallastberech= tigungen, Grundgerechtigkeiten u. a., den sog. subjektiv-dinglichen Rechten).

1. Von Todes wegen geschieht die Rechtsnachfolge nach altem und neuem Rechte durch Erbfolge, durch Vermächtnis, durch

Schenkung von Todes wegen. Wie der Erbe und der Universalfideikommissar (Nacherbe) in alle Rechtsverhältnisse des Erblaffers eintritt, so erwirbt er auch das Eigentum der Sachen, die in dessen Eigentum gestanden haben.

2. Durch adjudicatio, d. i. das im Teilungsprozeß erlassene Urteil geht das Eigentum an der etwa zugeschlagenen Sache oder dem zugeschlagenen Stücke nach altem und neuem Recht (§ 920 BGB) über. Verschieden hiervon ist der Zuschlag, der auf Grund einer Versteigerung zugunsten des Erstehers erfolgt (§ 156); denn der Zuschlag ist eine den Vertrag vollendende Willenserklärung und fällt daher unter den unten zu behandelnden Bergriff der übereignung. Erfolgt die Versteigerung durch einen Beamten (z. B. den Gerichtsvollzieher §§ 814-818 ZPO), so erteilt dieser den Zuschlag kraft seines Amtes, nicht als Vertreter des Schuldners; ein Anspruch auf überlassung der Sache entsteht aber auch hier nur durch den Zuschlag, und das Eigentum geht erst mit dem Besizerwerb über.

Nach gemeinem Rechte ging durch das auf die dominii impetratio erlassene Urteil das Eigentum an der Pfandsache auf den Pfandgläubiger, durch das die restitutio in integrum ausführende Urteil das Eigentum auf den Restitutionsfläger über, ohne daß es in allen diesen Fällen noch eines weiteren Attes bedurfte. Beide Institute sind dem neuen Rechte fremd.

3. In einigen Fällen geht das Eigentum über, indem es der bisherige Eigentümer verwirkt: a) nach altem Recht, wenn er zur zweiten Ehe schritt; es erwarben dann die Kinder erster Ehe ipso jure an gewissen Gütern des binubus das Eigentum; ferner wenn der Miteigentümer eines reparaturbedürftigen Hauses die von seinem Genossen verauslagten Wiederherstellungskosten nicht erstattete. Beide Fälle des Eigentumserwerbs sind dem neuen Rechte fremd; b) nach geltendem Recht zur Strafe wegen einer strafbaren Handlung; in diesen Fällen geschieht ein Zuschlag an den Fiskus durch Urteil des Strafrichter 3 (§§ 40, 152, 295 StGB u. a. Geseze). Nach herrschender Auffassung bedarf es jedoch der Besikergreifung durch den Fiskus (RG in Straff. 21, 5). Dieser Erwerb ist nicht immer ein derivativer, da er in einigen Fällen vom Eigentum des Verurteilten nicht abhängt (3. B. §§ 295, 367 letter Abs. StGB; § 15 Gef. vom 14. Mai 1879 betr. d. Verkehr mit Nahrungsmitteln usw.). Hieran wird durch das BGB nichts geändert.

4. Die missio ex secundo decreto übertrug das Eigentum im Falle der cautio damni infecti (s. oben S. 437) nach römischem Recht.

5. Bei Auflösung der Ehe fielen nach römischem Rechte die Dotalfachen ipso jure an die Frau (s. hierüber im Familienrecht).

§ 178. Die Übereignung.

Der Hauptfall abgeleiteten Eigentumserwerbs ist der der übereignung, d. h. der freiwilligen Veräußerung. Dieser Erwerb vollzog sich nach älterem römischen Rechte durch mancipatio oder in jure cessio. Die erstere, nur römischen Bürgern und nur für res mancipii gestattet, bildete einen privaten symbolischen Akt, zu dem 5 Zeugen und ein Wagehalter zugezogen und ein Stück Erz als Symbol des Kaufpreises in die Wagschale gelegt, der aber auch dann angewendet wurde, wenn der übereignung ein anderes Geschäft als Kauf zugrunde lag. Die in jure cessio, auch bei res nec mancipii anwendbar, bestand in einem Scheinprozeß, bei welchem der Erwerber als vindizierender Eigentümer auftrat, der Veräußerer als Beklagter nicht widersprach, und der damit endete, daß der Prätor die Sache dem Erwerber zusprach.

Diese Formen sind durch die traditio verdrängt worden, d. h. durch die mit dem übereignungswillen erfolgte Besizübergabe.

Diese übergabe erfolgt zwar regelmäßig in Erfüllung einer obligatorischen Rechtspflicht, um dem Käufer die verkaufte, dem Beschenkten die geschenkte Sache, dem Darlehnssucher das versprochene Geld, dem Gläubiger die geschuldete Geldsumme zu verschaffen. Ein solches Geschäft ist aber nur ein Zeichen dafür, daß der Wille, die hingegebene Sache zu über e i gnen, und die Absicht, das Eigentum zu erwerben, vorhanden ist, denn die übergabe an sich überträgt nur den Besit. Dies ist der Sinn der 1. 31 pr. D. de acq. rer. dom. 41, 1: Nunquam nuda traditio transfert dominium, sed ita si venditio vel aliqua justa causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. Die über eignung oder Tradition ist vielmehr ein von jenem Verpflichtungsverhältnis losgelöster, abstrakter dinglicher Vertrag. Diese Loslösung macht den dinglichen Vertrag von dem obligatorischen Geschäft unabhängig: wenn das lettere nichtig oder bedingt ist, bewirkt doch der dingliche Vertrag den Übergang des Eigentums (vgl. die wichtige, auch jezt noch maßgebende 1. 36 D. 41,1), und es tann das obligatorische Geschäft gültig oder unbedingt, daß dingliche dagegen nichtig oder bedingt sein. Die Folge ist, daß der Veräußerer auf Grund des nichtigen obligatorischen Vertrages nicht den Eigentumsanspruch, sondern nur eine Förderung aus grundloser Bereiche= rung gegen den Erwerber hat (§ 812). Die Vertragsparteien können. aber die Abhängigkeit der dinglichen oder obligatorischen Geschäfte wollen, was bei Gleichzeitigkeit beider Geschäfte häufig anzunehmen sein wird (RG 57, 96 in einem Falle des § 138 BGB).

Das pactum reservati dominii, d. h. die (zur Sicherstellung

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