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greifen will und ihn tatsächlich ergreift. Daß der Vertretene den Besit erwerben will und den Besizerwerb kennt, ist kein Erfordernis seines Besizerwerbes.

§ 161. Der Verlust des Besitzes.

1. Verloren wird nach altem Rechte der Besit nicht schon da durch, daß das Raumverhältnis oder gar die körperliche Berührung der Sache vorübergehend unterbrochen wird, auch nicht dadurch, daß vorübergehend der Gedanke an die Sache nicht mehr wachgehalten ist, der Besig ist vielmehr erst dann verloren, wenn sich das Raumverhältnis oder der Besihwile in sein Gegenteil um= gewandelt hat, wenn also entweder die Verfügung unmöglich geworden oder der Wille, nicht zu besigen, eingetreten ist. Daher bleibt der Bauer, der seinen Pflug nachts auf dem Felde stehen. läßt, Besizer, bis ein anderer sich des Pfluges bemächtigt oder der Bauer den Entschluß faßt, den Pflug nicht mehr haben zu wollen. Daher ist die Sache, die nur verlegt und die vergessen und liegen geblieben ist, nicht verloren. Ergreift aber ein anderer den Besiß für sich, so ist da mit der Besit verloren. Es gilt daher der Sat: possessionem amittimus corpore vel animo in contrarium act o.1)

Der durch einen Stellvertreter ausgeübte Besig fann durch den Vertreter verloren gehen, wenn er dem Vertreter durch ein Ereignis entzogen wird, das auch dem Vertretenen den selbst ausgeübten Besit entzogen haben würde. An den Stellvertreter geht der Besitz einer beweglichen Sache verloren, wenn dieser seinen Willen tundgibt, nicht mehr für den bisherigen Besizer, sondern für sich selbst oder einen Dritten zu besihen. Daher kann derjenige, der den Besit durch constitutum p. übertragen hat, dem Erwerber den Besig dadurch wieder entziehen, daß er den Besit durch constitutum p. einem andern einräumt (RG 19, 239). Der Sag nemo sibi ipse causam possessionis mutare potest2) steht dem nicht entgegen, denn er besagt nur, daß die b l o ß e Willensänderung den Besiß nicht ändert. Dagegen war eine solche Willensbetätigung des Vertreters nach römischem Rechte nicht geeignet, dem Vertretenen den Besitz einer unbeweglichen Sache zu entziehen. Auch in diesem Falle ging der Besih nur verloren, wenn der Vertretene auf die Kunde von dem Verhalten des Vertreters den drohenden Eingriff nicht abwehrte.

Da es nach früherem Rechte teine Nachfolge in den Besit gab, fand auch keine Vererbung des Besizes statt.

1) Ausnahme bei Grundstücken: Besigverlust erst bei Kenntnis von der Otkupation durch einen andern.

2) L. 3 § 19, 1. 19 § 1 D. 41, 2 und die oben angeführte Entscheidung.

2. Das neue Recht (§ 856) läßt den Besit dadurch untergehen, daß der Besizer die tatsächliche Gewalt der Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert. Also auch nach ihm muß das corpus in contrarium actum sein. Eine vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt ist auf den Fortbestand des Besizes ohne Einfluß.

Da der Besig wille nicht Erfordernis des Besizerwerbes ist, kann auch die Aufgabe dieses Willens allein den Besit nicht enden. Insoweit also weicht das neue vom alten Recht ab. Doch darin herrscht übereinstimmung, daß der Besitz mit dem Eintritt eines Endtermins oder einer auflösenden Bedingung nicht aufhört.

Der mittelbare Besitz geht durch den Besitmittler verloren, wenn dieser die Gewalt über die Sache in einer Weise verliert, daß sie auch für den mittelbaren Besiter aufgehoben ist, und er geht a n den unmittelbaren Besizer verloren, wenn dieser den Entschluß betätigt, die Sache als ihm gehörend zu besiken (§ 872), denn übt der unmittelbare Besizer die Gewalt nicht mehr zugleich für den mittelbaren Besitzer aus, so hat dieser die Gewalt über die Sache verloren ($856).

§ 162. Subjekt des Besitzes.

Nach altem Recht kann den Besiz haben jedes Rechtssubjekt, erwerben nur der Willensfähige, daher nicht Kinder und Geistestranke. Nach neuem Rechte können auch geschäftsunfähige Personen Besiz haben und Besit erwerben, da zum Erwerbe nichts weiter gehört, als Erlangung der tatsächlichen Gewalt, auch der Geschäftsunfähige aber imstande ist, eine tatsächliche Gewalt auszuüben.

§ 163. Gegenstand des Besitzes.

Gegenstand des Besizes sind vor allem Sachen. An einer und derselben Sache können mehrere den Besig haben, aber stets nur nach reellen oder ideellen Zeilen. Im letteren Falle spricht man bon compossessio. Dagegen können nach altem Recht nicht mehrere an derselben ganzen Sache Besiz haben, da der Besit des einen den des andern notwendig ausschließt (plures eandem rem in solidum possidere non possunt). Doch ist, wie nach älterem deutschen Rechte für verschiedene Personen eine verschieden= artige Gewere bestehen konnte, nach neuem Recht an derselben Sache unmittelbarer und mittelbarer Besit möglich (§ 868).

Der Besit der Sache ergreift alle ihre Teile. Wird daher eine Sache in mehrere Teile zerlegt, so besteht an jedem Teile der Be= fig fort. Wer mehrere von ihm besessene Sachen zu einer ganzen verbindet, verliert damit nicht den Besit der einzelnen Sachen.

Ob Teile oder Bestandteile einer Sache eines selbständigen Be= siges fähig sind, läßt das BGB unerörtert, es wird deshalb die natürliche Auffassung maßgebend sein. Zweifellos sind danach abgegrenzte reelle Teile einer Sache dann Gegenstand des Besizes, wenn fie, wie abgesonderte Wohnräume, eine selbständige tatsächliche Herr= schaft zulassen (§ 865).

§ 164. Insbesondere der Besitz an Rechten.

Wer eine förperliche Sache besigt, übt damit die wichtigste Be= fugnis des Eigentümers aus, mag er Eigentümer oder nur Besizer sein. Wer Handlungen vornimmt, die sich äußerlich als Betätigungen eines Rechts darstellen, der befindet sich in der Ausübung des Rechts, mag er das Recht haben oder nicht haben. Wie dort die Ausübung des Eigentums den Besitz der Sache bildet, so ist hier die Ausübung des Rechts Besit des Rechts.

1. Das römische Recht kannte einen Rechts- oder Quasibesig nur bei Servituten. So war der Nießbraucher Detentor der Sache, aber Besizer des Rechts. Wer ohne das Recht zu bestreiten, nur der Ausübung des Nießbrauchs Hindernisse bereitete, störte den Berech= tigten im Rechtsbesize. Wer sich irrig für den Nießbraucher hielt, war gleichfalls Besizer des Rechts, denn auch er übte aus, wozu der Nießbrauch berechtigte.

Das kanonische Recht sprach von einer Möglichkeit des Rechtsbesizes fast bei allen Rechten, und wenn auch das gemeine Recht nicht soweit ging, so nahm es doch einen Rechtsbesitz überall da an, wo, wie beim Sachbesit, eine gewisse Dauer der Ausübung möglich war, unter dieser Voraussetzung auch bei Forderungsrechten, daher bei solchen Obligationen, die wie Rentenbezugsrechte, nicht mit einmaliger Ausübung erlöschen (RG 26, 144 u. 171).

Erworben wurde der Rechtsbesitz durch Vornahme von Handlungen, zu denen das Recht befugt machte, mit der Absicht der Rechtsausübung. Der Erwerb konnte rechtmäßig oder unrechtmäßig, fehlerfrei oder fehlerhaft vor sich gehen, die Ausübung bona oder mala fide erfolgen. Duldung der Rechtsausübung galt als jurisquasi-traditio.

Verloren wurde der Rechtsbesig durch Umstände, welche die Rechtsausübung unmöglich machten, oder durch den Willen, das Recht nicht ferner auszuüben. Die bloße Weigerung des Belasteten, sich ferner so zu verhalten, wie das ausgeübte Recht es erfordern würde, 3. B. das Betreten einer Wiese ferner zu dulden, ist Besikstörung, und wenn der Besizer infolge des Verhaltens des Belasteten von der Rechtsausübung Abstand nimmt, Besigentziehung. Zum Schuße des Besizes dienten die possessorischen Rechtsmittel, das int. uti

possidetis oder die Spolienklage. Fortgesetter Rechtsbesih konnte zur Ersizung des Rechtes führen.

2. Dem neuen Rechte fehlt es an Einheitlichkeit. Denn da eine große Anzahl von Rechten nach wie vor den Landesgeseßen unterliegt, richtet sich auch die Möglichkeit des Besizes dieser Rechte nach den Landesgesehen. Hierher zählen die dem Wasserrecht ange= hörigen, ferner die Zwangsrechte, Bannrechte, Realgewerbeberechtigungen, die Rechte auf Kirchenstühle und Erbbegräbnisse (Artt. 65, 74, 133 Einf.-G. 3. BGB). Jm Gebiete des bisherigen gemeinen Rechtes wird es also auch künftig einen Besit an Rechten der bezeichneten Art geben. Das BGB selbst tennt einen Rechtsbesit nur bei Grunddienstbarkeiten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (§§ 1029, 1090). Denn der Besit dieser Rechte fällt nicht zusammen mit dem Besige der Sache, an denen das Recht besteht, während der Besit des Nießbrauchs oder eines Erbbaurechts mit dem Besize der Sache verknüpft ist. Wer also in der Ausübung des Nießbrauchs behindert wird, erleidet eine Störung im Besige der Sache.

Aber auch bei den Grunddienstbarkeiten und den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten beschränkt sich die praktische Bedeutung eines Rechtsbesizes auf die Möglichkeit des Besitz s chutes. Denn diese Rechte können nicht mehr durch Ersizung entstehen, der Besig des Rechtes kann also nicht zum Erwerbe des Rechtes führen. Das BGB hat sich deshalb mit der Gewährung des Besißschußes begnügt. Da der Schuß nicht der Ausübung eines offensichtlich nicht be= stehenden Rechtes gewährt werden konnte, für jene Rechte aber das Eintragungsprinzip gilt (§§ 873, 891), so genießt Besißschuß nur das eingetragene Recht (§§ 873, 1029, 1090). Die Besig= störungsklage steht bei Grunddienstbarkeiten jedem Besizer des herrschenden Grundstücks, also vor allem dem besigenden Eigentümer, aber auch dem Nießbraucher, Mieter, Pächter dieses Grundstücks, bei den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten dem eingetragenen Berechtigten und jedem anderen zu, der das Recht für den eingetragenen Berechtigten ausübt. Vorausgesezt ist ferner, daß das Recht innerhalb des letzten Jahres vor der Störung, wenngleich nur einmal, ausgeübt worden ist.

Da aber nicht alle Grundstücke im Grundbuch eingetragen sein müssen, die an diesen bestehenden Rechte also von der Eintragung nicht abhängen, so ist bei ihnen auch der Besitzschuß von der Eintragung nicht abhängig (Art. 128 Einf.-G. 3. BGB § 90 GBO).

Der Rechtsschuß.

§ 165. Das frühere Recht.

In Rom wurde der Besit in der Weise geschüßt, daß der Prätor auf Antrag desjenigen, dessen Besig gestört oder genommen war, einen Befehl, ein interdictum, erließ, die Störung zu lassen oder den Besig wiederherzustellen.1) Wurde dem Befehle Folge geleistet, so war die Sache erledigt. Wurde ihm widersprochen, so tam es zu einem Prozesse in den gewöhnlichen Formen und damit zu einer Entscheidung der Frage, ob das Interdikt zu Recht erlassen sei oder nicht. Zum Schuße des Besizes gab es interdicta retinendae, recuperandae und auch adipiscendae possessionis. Die legteren verlangten Einweisung in einen Besih, den der Antragsteller noch nicht gehabt hatte. In allen Fällen aber wurde der Besig um des Besizes willen geschügt und die Frage nach dem Rechte zum Besige unbeantwortet gelassen.

Das eigentümliche Interdiktenverfahren fiel schon mit der Umgestaltung des Zivilprozesses in der späteren Kaiserzeit fort. Statt Erlaß eines Interdikts zu beantragen, wurde Klage erhoben, aber die privatrechtlichen Grundsäge des römischen Interdiktenrechts erhielten sich. Das frühere gemeine und partikulare Prozeßrecht tannte einen abgekürzten besonderen Besißprozeß, während das Petitorium (der Streit um das Recht zum Besige) sich in den Formen des ordentlichen Prozesses bewegte. Schon aus diesem Grunde war eine Verbindung von Possessorium und Petitorium nicht gestattet, und die SPO (§ 232 3PO a. F.) wiederholte das Verbot, obwohl sie einen Besizprozeß als besondere Prozeßart nicht kannte.

1. Zum Schuße bestehenden Besizes gab das ältere römische Recht zwei interd. retinendae p., das i. uti possidetis für unbewegliche, das i. utrubi für bewegliche Sachen.") Das lettere schütte nicht den gegenwärtigen Besiger, sondern denjenigen, welcher im leztverflossenen Jahre länger als sein Gegner im fehler= freien Befihe der Sache gewesen war. Das Interdikt hatte also auch rekuperatorische Kraft. Es wurden jedoch schon in der späteren Kaiserzeit die Grundsäge des uti possidetis auch auf bewegliche Sachen ausgedehnt, und jedenfalls seit Justinian gab es nur ein int. retinendae possessionis.

1) Mein römischer Zivilprozeß. 1891. G. 72 ff.

2) Die im Edikt aufgestellte Norm lautet für das int. uti p.: Uti eas aedes quibus de agitur, nec vi nec clam nec precario alter ab altero possidetis, quo minus ita possideatis vim fieri veto, für das i. utrubi: Utrubi hic homo, quo de agitur, majore parte hujusce anni fuit, quo minus is eum ducat, vim fieri veto.

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