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matoria injuriarum actio, d. h. eine auf arbiträre Geldstrafe gerichtete Klage. Immer aber war der Nachteil, der dem Täter zugefügt wurde, nicht Schadensersag, sondern Strafe die den etwa zugefügten Vermögensschaden mit zu decken hatte. Die Klage auf Privatstrafe wurde zwar gemeines Recht, vom § 11 Eint.-Ges. zur StPO aber für die Fälle der Beleidigung und Körperverlegung beseitigt, da nach ihm die Verfolgung dieser Vergehen nur nach der StPO stattfindet. Hieraus und aus den §§ 185 ff. StGB folgt, daß nur im Wege des Strafprozesses verhandelt und nur auf eine öffentliche Strafe erkannt werden kann. Denn auch die Privatklage der StPO führt zu einem Strafprozeß und zu öffentlicher Strafe. Für alle andern Fälle der injuria blieb die römisch-rechtliche injuriarum actio stehen.1) hat die üble Nachrede (§ 186) oder die Verleumdung (§ 187 StGB) nachteilige Folgen für die Vermögensverhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten, so kann vom Strafrichter außer auf Strafe auf eine an den Verlegten zu zahlende Buße (bis zu 6000 Mt.) erkannt wer= den. Die Buße enthält den Erfaz des Vermögensschadens, die Zuerkennung einer Buße schließt deshalb die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus (§ 188 StGB).

4. Das damnum injuria datum (Sachbeschädigung) war Gegenstand der etwa im 3. Jahrhundert v. Chr. erlassenen lex Aquilia. Nach ihrem ersten Kapitel hatte derjenige, der einen fremden Sklaven oder ein vierfüßiges Herdentier tötete, dem Eigentümer den höchsten Wert, den die Sache im letzten Jahre gehabt hatte, und nach dem dritten Kapitel derjenige, der eine Beschädigung durch urere, rumpere, frangere verursachte, den höchsten Wert, den die beschädigte Sache innerhalb der lezten 30 Tage gehabt hatte, zu ersehen. Der Anspruch stand nur dem Eigentümer zu und sette ein damnum corpore corpori datum, d. h. eine unmittelbare Einwirkung voraus, war aber nicht nur im Fall eines Vorsages, sondern auch im Falle jeden Grades von Versehen gegeben (in lege Aquilia et levissima culpa venit). Die Klage bezweckte den Erfaz des Schadens, hatte aber die Natur der Straftlage insofern, als der Beklagte zu mehr als zum Ersage des wirklichen Schadens verurteilt werden konnte.

Von der lex Aquilia nahm die spätere Entwicklung ihren Ausgang. Sie selbst war zu knapp und erfuhr deshalb schon im römischen Rechte mehrere Erweiterungen durch die prätorische Praris. Zuerst gab man eine a. leg. Aquiliae utilis, wenn der Schaden

1) Letteres ist sehr bestritten. Vgl. jedoch v. Jhering in dem Jahrb. für Dogmatit. Bd. 23 Nr. 6.

durch eine nur mittelbare Einwirkung auf die Sache verursacht war (z. B. Verhungernlassen durch Einsperrung eines Tiers), ferner wenn nicht die Sache selbst zerstört oder beschädigt, sondern nur der Eigentümer um die Sache gebracht (1. 27 § 21 D. 9, 2, modernes Beispiel f. RG 40, 205), ferner wenn ein freier Mensch förperlich verlegt wurde; endlich gab man die Klage auch dem redlichen Besiger und dem dinglich Berechtigten und nicht bloß auf den Sachwert, sondern auf das gesamte Interesse. Das gemeine Recht übernahm diese Erweiterungen, aber es nahm der Klage die Strafnatur, indem es bei Bemessung des Schadens nur die Zeit der Schadenszufügung berücksichtigte. Das StGB gibt in allen Fällen der Körperverlegung dem Beschädigten den Anspruch auf eine Buße (§ 231), und das ReichsHaftpflichtgeset vom 7. Juni 1871 sieht in gewissen Fällen der Tötung oder Körperverlegung auch von dem Nachweise eines Verschuldens des Täters ab.

5. Von Wichtigkeit für die Rechtsentwicklung war ferner die Haftung wegen dolus. Wer jemand arglistig Schaden zufügte, haftete auf die vom Prätor Aquilius Gallus (66 v. Ch.) eingeführte a. doli für das volle Interesse, nach 2 Jahren noch auf die Bereicherung, aber die Klage war eine subsidiäre, d. h. nur dann anwendbare, wenn eine andere Klage nicht zum gleichen Ziele führte.

Das spätere römische Recht führte für eine Reihe von Einzelfällen noch besondere (unten zu erwähnende) Deliktsflagen ein, immer aber war ein Schadensersatzanspruch nur dann gegeben, wenn einer der vom Recht als Delikt besonders bezeichneten Tatbestände vorlag. In der Lehre des gemeinen Rechts machte sich unter dem Einflusse der naturrechtlichen Schule die Ansicht geltend, daß jede durch Ver= schulden herbeigeführte Vermögens, nicht bloß die Sachbeschädigung, zum Ersage verpflichte, und diese vom allgemeinen Rechtsbewußtsein verlangte Ausdehnung der Schadensersatpflicht ging in das preußische Landrecht (§ 12 I 6) und den code civil (Art. 1382) über. Die spätere gemeinrechtliche Lehre führte den Nachweis, daß diese Ausdehnung den römischen Quellen nicht entspreche, und die gemeinrechtliche Praxis hatte nicht die Kraft, sich von dieser Lehre loszusagen (vgl. insbesondere RG 9, 163; 23, 131). Die Reichs- und Landesgesetzgebung hat den aus dem römischen Recht übernommenen einzelnen Delikten andere hinzugefügt (3. B. die Verlegung des Urheberrechts).

§ 141. Das neue Recht. Standpunkt des BGB.

Das BGB weicht vom gemeinen Recht grundsäglich ab, indem es die außer kontraktliche Schadensersat= pflicht nicht an die Erfüllung einzelner bestimm =

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ter Tatbestände knüpft, es ist aber auch nicht dem preußischen Landrecht und dem code civil gefolgt, in dem es die Auf stellung eines einheitlichen Delittsbegriffes vermeidet. Troß seines Schweigens ist auch nach ihm Delikt die rechtswidrige und schuldhafte Verlegung fremder rechtlich geschützter Interessen.

Es ist daher festzustellen, we I che Interessen rechtlich geschütt, d. h. Rechtsgüter sind. Das BGB geht dabei in der Weise zu Werke, daß es

1. zunächst in § 823 Abs. 1 diejenigen Güter auf führt, die unzweifelhaft Rechtsgüter sind, d. h. das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum und sonstige Rechte";

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2. alsdann in § 823 Abs. 2 zur Vermeidung von Zweifeln darauf hinweist, daß diejenigen Interessen, deren Schutz durch ein be= sonderes Gesez bezweckt wird, Rechtsgüter sind;

3. endlich in den §§ 824-826 Interessen aufführt, deren Eigenschaft als Recht 3 güter bisher nicht feststand, die es also selbst zu Rechtsgütern erhebt.

Dem BGB fehlt danach allerdings eine umfassende Begriffserflärung der unerlaubten Handlung, es eignet ihm aber gegenüber jenen Gesetzbüchern, welche einen solchen Begriff anzustellen versuchen, eine schärfere Begrenzung dessen, was nach seinem Willen Rechtsschut genießt. Dieser Rechtsschutz ist gegenüber dem bisherigen Recht ein umfassender, aber er ist nicht überall der gleiche.

§ 142. Die unerlaubte Handlung.

1. Begriff. Nicht jede rechtswidrige Verlegung eines fremden Rechtsguts ist eben schon deshalb unerlaubte Handlung und erzeugt einen Schadensanspruch. Das BGB hat nicht das Veran lassungsprinzip, nach welchem jede Handlung schadensersatpflichtig macht, wenn sie im ursächlichen Zusammenhange zu dem Schaden eines andern steht, sondern in übereinstimmung mit dem bisherigen Rechte das Verschuldungsprinzip angenommen, nach welchem eine Schadensersaßpflicht nur dann entsteht, wenn die Schädigung verschuldet ist. Eine unerlaubte Handlung ift nach BGB also nur die verschuldete rechtswidrige Verlegung eines fremden Rechtsguts. In allen denjenigen Fällen, in denen das Gesetz die Pflicht der Entschädigung an eine rechtmäßige oder zwar an eine rechtswidrige, aber schuldlose Handlung knüpft, fönnen nicht die Grundsäge von unerlaubten Handlungen, sondern nur zuerst die besonderen gesetzlichen Bestimmungen, welche hier die Entschädigung wollen, und dann die all

gemeinen Grundsäße des BGB über Schuldverhältnisse Anwendung finden: sie sind geseßliche Obligationen und müssen an anderer Stelle behandelt werden.

Das BGB stellt aber nicht für alle unerlaubten Handlungen gleiche Voraussetzungen auf.

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1. Der § 823 Abs. 1 stellt Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und sonstige Rechte“ unter Schuß. Die herrschende Lehre zählt zu diesen sonstigen Rechten nicht die Forderungsrechte, da diese nicht von einem Dritten, sondern nur vom Schuldner verlegt werden könnten.1) Das Eigentum aber ist nicht nur im Falle gänzlicher Entziehung, sondern auch im Falle vorübergehender Beschränkung verlegt (RG 22, 210. 1. 33 D. 4, 3).

2. Der § 823 Abs. 2 legt eine Ersaßpflicht demjenigen auf, der gegen ein zum Schuß eines andern erlassenes Gesez verstößt. Damit sind vor allem diejenigen Reichs- und Landesgeseze gemeint, die bisher schon ein bestimmtes Handeln mit der Schadensersahpflicht bedrohten, es zählen hierher aber auch diejenigen Reichs- und Landesgesege, die ein bestimmtes Verhalten unter Strafe stellen oder ein gewisses Verhalten ohne Strafandrohung gebieten und verbieten. Ob durch das Gesetz die Gesamtheit oder nur bestimmte Menschen ge= schützt werden, ist gleichgültig, denn in der Gesamtheit ist auch der einzelne geschütt. Hierher gehört also namentlich die große Zahl der Polizeigesege und namentlich auch die Arbeiterversicherungsgesetze, insoweit sie Verpflichtungen auferlegen im Interesse versicherungspflichtiger Personen.

In beiden Fällen (zu 1 und 2) ist Vorausseßung der Entschädigungspflicht nicht nur die objektive Rechtswidrigkeit der Handlung, sondern auch die subjektive Verschuldung des Handelnden (§ 823). Die Schadensersatpflicht ist also dann nicht vorhanden, wenn infolge Einwilligung des Verletzten oder der Zustimmung des Geseķes (bei Selbstverteidigung und Selbsthilfe § 227 ff. BGB) die an sich verlegende Handlung nicht widerrechtlich ist. Subjektive Verschuldung ist entweder Vorfah oder Fahrlässigkeit. Eine Fahrlässigkeit ist aber schon dann vorhanden, wenn der rechtsverlegende Erfolg vorherzusehen ist; ob auch der Eintritt des Schadens vorhergesehen werden kann, ist gleichgültig. Die im § 823 Abs. 2 bezeichneten Schußgesete lassen die von ihnen angedrohte Rechtsfolge häufig ohne Rüdsicht auf ein Verschulden eintreten; die Erfaßpflicht tritt indessen nach dem BGB nur im Fall eines Verschuldens ein.

3. Die Interessen, die das BGB zu Rechtsgütern macht, sind

1) S. darüber: Christian Otto Fischer: Die Verlegung des Gläubigerrechts als unerlaubte Handlung. 1905.

a) der Kredit und die Sicherheit des Erwerbes und des Fortkommens (§ 824); diese Interessen sind geschütt gegen die auf Vorsak oder grober Fahrlässigkeit be= ruhende wahrheitswidrige Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen, die jene Güter zu gefährden geeignet sind. Derartige Schädigungen können also jezt nicht nur im Wege des Strafprozesses (Buße! § 188 StGB), sondern auch mit einer Schadenserfaßklage verfolgt werden. Im Strafprozeß wie im Zivilprozesse fann gegen den Anspruch des Verletzten ein eigenes oder beim Empfänger der Mitteilung vorhandenes berechtigtes Interesse eingewendet werden, jedoch nur, wenn dem Täter die Unsvahrheit der Mitteilung unbekannt war;

b) die weibliche Geschlecht sehre; sie ist geschütt gegen Hinterlift, Drohung und Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses (§ 825), gleichviel ob es sich um eine bescholtene oder eine unbescholtene Frauensperson handelt;

c) das Vermögen schlechthin; aber es ist nur geschütt gegen borsägliches, gegen die gute Sitte verstoßendes Verhalten (§ 826). Das Gebiet dieses Schuhes ist das der gemeinrechtlichen a. doli. Der Vorsaż muß hier auf den Eintritt des Schadens gerichtet sein.

Das BGB hat also trop der Ausdehnung der Schadensersatzpflicht die Regel, daß die bloß fahrlässige Vermögensbeschädigung haftbar mache, abgelehnt, denn im § 823 Abs. 1 wird keineswegs die Sachbeschädigung zur Vermögensbeschädigung erweitert, sondern es wird die Verlegung eines einzelnen bestimmten Vermögensrechts vorausgesezt, und nach § 826 macht nur die vorsägliche Vermögensbeschädigung schadensersaßpflichtig.

II. Der Schadensersazanspruch verlangt zu seiner Begründung den Nachweis, 1. des entstandenen oder bestimmt zu erwartenden Schadens, 2. des schädigenden Verhaltens, also auch des Verschuldens, 3. des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schaden und unerlaubter Handlung. Da der Nachweis des Daseins wie der Höhe des Schadens, insbesondere aber auch der des Kausalzusammenhangs in sehr vielen Fällen mit den Mitteln des zivilprozessualischen Beweises nicht zu erbringen ist, hat die ZPO (in §§ 286, 287) dem Richter die vollste Unabhängigkeit von diesen Beweisen eingeräumt, er ist an eine Beweisaufnahme überhaupt nicht gebunden, er kann von Amtswegen Sachverständige hören und vom Beweisführer die eidliche Schäßung des Schadens verlangen.1)

1) Engelmann: Der deutsche Zivilprozeß. 1901. G. 344, 345.

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