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Mängeln (Vorzugsrecht im Konkurse, kurze Verjährungsfrist u. a.). Das BGB stimmt mit diesen Grundsägen des gemeinen Rechtes überein, doch tritt der übergang der getilgten Forderung auf den Bürgen von Rechts wegen ein (§ 774). Gerät der Schuldner in Konfurs, so kann der Bürge seinen Regreßanspruch als aufschiebendbedingte Forderung anmelden.

f) Der Bürge kann vom Hauptschuldner Befreiung von der Bürgschaftsverpflichtung verlangen, nach altem Recht, wenn der Hauptschuldner zu verschwenden ansing oder die Tilgung der Schuld ungebührlich verzögerte, nach neuem Rechte (§ 775), wenn sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners wesentlich verschlechtern, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner infolge einer nach übernahme der Bürgschaft eingetretenen Verlegung seines Aufent= halts oder Wohnsites wesentlich erschwert wird, wenn der Hauptschuldner in Verzug gerät, und wenn der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstrecbares Urteil auf Erfüllung erwirkt hat. Vorausgesetzt ist dabei, daß die Bürgschaft im Auftrage des Schuldners übernommen ist, oder daß der Bürge gegen den Schuldner einen Anspruch aus unbeauftragter Geschäftsführung, also wenn er mit dem animus obligandi gebürgt hat. Andernfalls besteht zwischen Bürgen und Schuldner kein Rechtsverhältnis.

4. Gegenstand der Bürgschaft kann nach altem und neuem Rechte jede, auch die bedingte oder betagte oder klaglose Verpflichtung des Hauptschuldners sein (§ 765).

5. Form. Im Gegensaße zum früheren Recht hängt nach BGB (§ 766) die Gültigkeit der Bürgschaft von der Schriftlichkeit der vom Bürgen abgegebenen Verpflichtungserklärung ab, während die Annahmeerklärung des Gläubigers formlos erfolgen kann. Doch ist auch die Verpflichtungserklärung dann an feine Form gebunden, wenn die Bürgschaft auf seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft und der Bürge Vollkaufmann ist. Erfüllung der Hauptverbindlichkeit durch den Bürgen heilt den Mangel der Form.

6. Ende der Bürgschaft. Die Bürgschaft endet mit Aufhebung der Hauptschuld. Da die Vereinigung der Forderung mit der Hauptschuld nach altem und neuem Rechte nicht immer eine endgültige Aufhebung der Schuld bewirkt, dauert auch die Bürgschaftsschuld fort. Vereinigt sich aber Forderung und Bürgschaftsschuld, so ging nach altem Rechte die Bürgschaftsschuld unter, nach neuem Rechte bleibt sie bestehen. Der Grundsah des deutschen Rechts, daß die Bürgschaftsschuld mit dem Tode des Bürgen erlischt (weil der Bürge Geißel war), ist vom römischen Rechte beseitigt und vom BGB nicht wieder aufgenommen worden. Das neue Recht aber gibt im Gegensage zum gemeinen Rechte, nach welchem hier die allgemeinen Grund

fäße gelten, für den Fall einer zeitlich begrenzten Bürgschaft die Vorschrift, daß der Bürge nicht mit dem Eintritt des Zeitpunktes, sondern erst dann frei wird, wenn der Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner nicht unverzüglich betreibt (§ 777).

7. Arten der Bürgschaft. Wer sich für den Bürgen verbürgt, ist Nachbürge (Afterbürge), wer für die Regreßschuld des Hauptschuldners Bürgschaft übernimmt, ist Rück bürge.

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Der Verbürgung diente ferner im römischen und dient im heutigen Rechte der Kreditauftrag (mandatum qualificatum), d. i. der Auftrag, einem andern (durch Gewährung oder Verlängerung des Kredits) auf Gefahr des Auftrag gebers (d. i. in eigenem Namen und für eigene Rechnung § 778 BGB) zu kreditieren. Das Rechtsgeschäft unterliegt nach altem und neuem Rechte den Grundsäten vom Auftrag, es ist also vor der Ausführung des Auftrags dem Widerruf ausgesezt und erlischt mit dem Tode des Mandanten oder des Mandatars. Ist es ausgeführt, so hat der Mandatar die a. mandati contraria auf Erstattung des Geleisteten, und zwar auch dann, wenn eine Verpflichtung des Kreditempfängers wegen dessen Geschäftsunfähigkeit nicht entsteht. Dem Mandanten steht zur Erzwingung der Ausführung des Auftrags die a. mandati directa zu Gebote. Der Kreditauftrag ist nicht eine Unterart der Bürg= schaft, wohl aber steht nach Ausführung des Auftrags die Haf= tung des Auftraggebers gegenüber dem Beauftragten unter den Grundsägen von der Bürgschaft (§ 778: „als Bürge"). Daher unterliegt der Auftrag nach neuem Rechte nicht der Schriftform (RG 50, 160), der Auftraggeber hat aber die Einrede der Vorausklage.

Wer im Namen und für Rechnung des Auftraggebers kreditiert, erlangt nach altem und neuem Recht einen Anspruch nicht gegen den Kreditempfänger, sondern nur gegen den Auftraggeber, von einem der Bürgschaft ähnlichen Verhältnis ist hier also keine Rede.

8. Unzulässige Bürgschaft. Ein Senatus consultum (Vellejanum) vom Jahre 56 n. Chr. gab weiblichen Personen die Befugnis, eine von ihnen eingegangene Interzession anzufechten, und zwar durch Einrede wie durch condictio indebiti. Die Erfüllung der fremden Verbindlichkeit hing also vom freien Willen der Interzedentin ab, doch gab es zahlreiche Ausnahmefälle, in welchen das beneficium versagte. Justinian ging im Schuße der Frauen noch weiter: er unterwarf jedes Interzessionsgeschäft einer weiblichen Person einer Form (öffentliche und von drei Zeugen unterschriebene Urkunde) und erklärte jede nicht in dieser Form abgegebene Erflärung für nichtig, die formell gültige Erklärung aber für anfechtbar nach dem Grundsäßen des Sct. Vellejanum; endlich erklärte er

jede von einer Ehefrau für ihren Mann abgegebene Interzessionserklärung für nichtig, auch wenn die Form beobachtet wurde (Nov. 134 c. 8 und sog. Auth. si qua mulier). Das kanonische Recht ließ diese sog. „weiblichen Rechtswohltaten" verloren gehen, wenn die Frau ihre Verpflichtung eidlich bekräftigte. Doch wurde. dieser Sag nicht gemeines Recht. Statt dessen verlangten einzelne Partikulargeseze gerichtliche Form und Belehrung der Frau über ihre Rechte durch den Richter (certioratio). Das HGB (Art. 11) und die Gem.-D. (§ 11) stellten Handels- und gewerbetreibende Frauen den Männern gleich, wenn es sich um eine aus dem Handels- oder Gewerbebetriebe entstandene Verbindlichkeit handelte, und das BGB enthält für Interzefsionen weiblicher Personen überhaupt keine Be= stimmungen: damit sind alle Interzessionsbeschränkungen des weiblichen Geschlechts fortgefallen.

Eine

9. Wechselbürgschaft wird dadurch übernommen, daß der Bürge die Wechselerklärung des Hauptschuldners schlechthin oder mit dem Zusatz als Bürge" unterzeichnet. Sie begründet ein Gesamtschuldverhältnis ohne Einrede der Vorausklage (Art. 81 WO). wechselrechtliche Verpflichtung entsteht nicht, wenn für eine Wechselschuld nicht auf dem Wechsel selbst Bürgschaft übernommen wird, in diesem Falle hat daher der Bürge die Einrede der Voraustlage. Wird aber für eine zivilrechtliche Schuld durch Abgabe einer Wechselerklärung Bürgschaft übernommen, so unterliegt die Zulässigkeit der . exceptio excussionis dem Art. 82 WO.

10. Ein der Bürgschaft ähnliches Geschäft ist der Garantievertrag. Durch diesen übernimmt der eine Teil die Verpflichtung, dem andern diejenigen Vorteile zu gewähren, die dieser aus einem gewissen Unternehmen zu ziehen hofft. Dieses Geschäft kommt am häufigsten in der Gestalt vor, daß der Staat oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft einer gemeinnüßigen Aktiengesellschaft einen bestimmten Ertrag gewährleistet (vgl. § 180 HGB). Der G. begründet eine einseitige, von einer Gegenleistung unabhängige Verpflichtung. Bürgschaft und Versicherung wollen Schuß gegen ein dem Vermögen von außen her drohendes Ereignis gewähren, der Garantievertrag aber will gegen eine im Unternehmen selbst liegende Gefahr sichern. Weder das bisherige, noch das neue Recht enthalten Bestimmungen über den Garantievertrag.

II. Obligationen aus Nicht-Rechtsgeschäften.
1. Die Obligationen aus unerlaubten Handlungen.
§ 139. Überblick.

Der heutige Sprachgebrauch unterscheidet rechtswidrige und unerlaubte Handlungen. Rechtswidrig ist alles, was gegen das Recht verstößt, gleichviel ob ihm das Verschulden einer Person zugrunde liegt oder nicht. Rechtswidrig ist daher auch die Verlegung vertragsmäßig begründeter Rechte durch den Verpflichteten. Mit den Folgen dieser Rechtswidrigkeiten, die sich zumeist in Unterlassungen äußern, hat es die Lehre von den Verträgen zu tun. Man nimmt sie aus, wenn man von unerlaubten Handlungen spricht, aber auch diese sind Rechtswidrigkeiten, denn das, was nur gegen die Sitte verstößt, wird zur unerlaubten Handlung im Rechtssinne dann, wenn das Recht an die unfittliche Handlung Folgen knüpft. Ein und dasselbe Verhalten kann aber zugleich Vertragsverlegung und unerlaubte Handlung sein, wenn nämlich dieses Verhalten auch in dem Fall eine Rechtswidrigkeit enthalten würde, wenn ein Vertragsverhältnis nicht bestände, z. B. es beschädigt jemand eine Sache, die ihm in Verwahrung gegeben ist. Ferner ist unerlaubt nur ein fchuld haftes Verhalten. Daher zählt man diejenigen Verpflichtungen, die auf Grund besonderer gesehlicher Vorschrift durch ein berechtigtes Handeln deshalb entstehen, weil dieses Handeln einen andern schädigt, zu den geseßlichen Obligationen.

§ 140. Geschichtliche Entwicklung.

Das römische Recht ließ nicht aus jeder unerlaubten Handlung eine Verpflichtung entstehen. Nur wenn die Handlung einen bestimmten, vom Gesetz oder prätorischen Editte be= sonders aufgestellten I at best and erfüllte, entstand eine Rechtsfolge: es gab nur einzelne bestimmte Privatdelifte. Delictum privatum aber nannte man eine unerlaubte Handlung dann, wenn ihre Rechtsfolge in einem dem Verlegten ge= gebenen Privatrechtsanspruche bestand. Das, was auf Grund dieses Anspruchs an den Berechtigten zu leisten war, bildete entweder den. Ersatz des ihm zugefügten Schadens oder eine Strafe oder beides. Daher waren die Privatdelikte eine Ergänzung des lückenhaften öffentlichen Strafrechts. Der Schadensersah bildet nur eine Ausgleichung des entstandenen Vermögensverlustes, darf also diesen Verlust nicht übersteigen, die Strafe war eine unabhängig von einem Schaden an den Verletzten zu bewirkende Vermögensleistung, sie konnte also eine Bereicherung des Verlegten zur Folge haben und war

geeignet, dem Getränkten eine Genugtuung zu gewähren auch in dem Falle, daß ein ideelles Rechtsgut verlegt war.

Die Privatdelitte des römischen Rechts waren:

1. Das furtum (contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia vel ipsius rei vel etiam usus ejus possessionisve 1. 1 § 3 D. 47, 2). Zu seinem Tatbestande gehörte also (im Gegenfaz zu § 242 StGB) gewinnsüchtige Absicht und es konnte begangen werden durch Entziehung der Sache selbst, mochte sich diese in frem= dem oder in eigenem Besiß befinden (es umfaßt daher auch die Unterschlagung des heutigen Rechts), durch rechtswidrige Entziehung des Gebrauchs (indem z. B. der Verwahrer die aufbewahrte Sache in Gebrauch nimmt) und durch Entziehung des Besites (indem z. B. der Eigentümer dem Faustpfandgläubiger die Pfandsache wegnimmt). Endlich fiel unter das furtum die wissentliche Annahme einer nicht geschuldeten Leistung (nach jeßigem Rechte Betrug). Das furtum erzeugte für jeden durch die Tat Geschädigten gegen den fur, seine Gehilfen und Anstifter die a. furti, welche entweder auf das Vierfache oder auf das Doppelte des klägerischen Interesse ging, je nachdem ein furtum manifestum oder nec manifestum vorlag (d. H. der fur bei der Tat oder unmittelbar nachher ergriffen wurde oder nicht), und für den Eigentümer gegen den fur die condictio furtiva auf Zurückgabe des Entwendeten und vollen Schadensersatz. Strafflage war also nur die a. furti. Als solche wurde sie nicht gemeines Recht, ging in diesem vielmehr nur auf Schadensersaß, und stand denjenigen Personen und gegen diejenigen Personen zu, denen und gegen die sie das römische Recht gab, und natürlich in allen Fällen eines furtum, nicht etwas bloß im Falle eines Diebstahls oder einer Unterschlagung im Sinne des heutigen Strafrechts.

2. Nur ein Fall des furtum war die rapina, d. h. das mit Gewalt gegen die Person verübte furtum.

3. Die injuria1) war widerrechtliche Betätigung einer Nichtachtung fremder Persönlichkeit und konnte sich in den verschiedensten Formen äußern; man zählte zu ihr im römischen Recht insbesondere die Körperverlegung und die unbefugte Betretung fremder Grundstücke. Zu ihrem Tatbestande ge= hörte aber Vorsag (animus injuriandi), d. h. das Bewußtsein von der ehrverlegenden Natur der Handlung. Die schwere Körperverlegung zog nach den zwölf Tafeln die Strafe der Talion, jede andere Körperverlegung eine Geldstrafe von 25 as nach sich. Da sich die legtgenannte Strafe als unzulänglich erwies, gab der Prätor eine aesti

1) Leonhard: Der Schuß der Ehre im alten Rom. 1902. Thiel: injuria und Beleidigung. 1905.

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