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andere nach jenem Rechte beurteilt wird. Das neue Recht gibt keine Vorschrift, der Anwendung des bisher befolgten Grundsages steht also ein Hindernis nicht entgegen.

Die Form eines Rechtsgeschäftes ist gewahrt, wenn sie nur dem am Orte der Errichtung geltenden Recht entspricht. Locus regit actum. Dieser Grundsay gilt nicht für dingliche Verträge und Verträge unter Abwesenden. Bei diesen muß, bei allen anderen Geschäften kann die Form gewählt werden, die demjenigen Recht entspricht, dem das Geschäft im übrigen unterworfen ist (vgl. 3. B. Art. 85 WO). Damit stimmt Art. 11 EG 3. BGB überein.

Gesezliche Verpflichtungen richten sich regelmäßig nach dem Rechte des Ortes, wo die das Verhältnis begründenden Tatsachen eingetreten sind; Obligationen aus unerlaubten Handlungen stehen unter dem Rechte des Orts, wo die Handlung begangen ist. Den lezteren Grundsah erkennt Art. 12 EG dadurch an, daß er mit der dort gegebenen Einschränkung Ansprüche anerkennt, die durch eine von einem Deutschen im Auslande begangene unerlaubte Handlung begründet sind.

Die Form des Verlöbnisses richtete sich bisher nach dem Grundfag: locus regit actum. Da nach BGB das formlose Ver= Löbnis gültig ist, muß gemäß Art. 11 EG jedes formlos geschlossene Verlöbnis in Deutschland als gültig behandelt werden, auch wenn es dem Rechte des Abschlußortes nicht genügt.

Auch die Form des Eheschlusses richtete sich bisher nach dem Sage locus regit actum. Nach Art. 11 ist für eine inländische Ehe entweder das inländische oder das am Orte des Eheabschlusses geltende Recht maßgebend. Eine im Inlande geschlossene Ehe ist aber unbedingt der inländischen Form unterworfen (Art. 13 Abs. 3).

Nach bisherigem Recht bestimmte der eheliche Wohnsiz das unter den Eheleuten geltende Güterrecht, und es blieb nach der herrschenden Ansicht, der sog. Unwandelbarkeitstheorie, das einmal begründete güterrechtliche Verhältnis auch bei Verlegung des Wohnsiges bestehen; das Recht der väterlichen Gewalt hing vom Wohnsize des Vaters, das der Vormundschaft vom Wohnsige des Mündels, das Verhältnis des unehelichen Kindes zu seiner Mutter von dem Wohnsize dieser, die Frage nach dem Unterhaltungsanspruche des unehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger von dem Wohnsige der Mutter zur Zeit der Empfängnis (oder der Geburt?) ab. Nach neuem. Recht entscheidet in diesen Beziehungen nicht mehr der Wohnsit, sondern die Staatsangehörigkeit. Das Recht der Vormundschaft wird sich, da eine allgemeine Vorschrift fehlt, nur nach dem Rechte

des Orts richten können, wo die Vormundschaft geführt wird,1) und die betreffs des Rechts der unehelichen Kinder bestehende Streitfrage ist in Art. 21 zugunsten der Staatsangehörigkeit der Mutter zur Zeit der Geburt entschieden.

Das Erbrecht wurde früher vom Wohnsitzrechte, jezt wird es vom Heimatsrechte (Art. 24, 25) beherrscht. Die Form der legt= willigen Rechtsgeschäfte unterliegt dem Art. 11; es genügt also, wenn die Form dem Rechte des Errichtungsortes oder dem inländischen Rechte entspricht.

F. § 10. Die Autonomie.2)

Dem gefeßlichen Recht in seiner Verbindungskraft gleichgestellt sind die autonomischen Sagungen. Ihre Quelle ist die Autonomie, d. h. die Befugnis fleinerer Verbände innerhalb des Staates, für ihren Rechtstreis mit verbin= dender Kraft für Dritte (also objektives) Recht zu schaffen.

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Dieses Recht haben von alters her die Familien des hohen Adels. Durch die deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 (Art. 14) und zahlreiche Partikulargefeße wurde nicht bloß den souveränen Fürstenfamilien, sondern auch den Familien des früheren reichsständischen Adels das Recht der Autonomie gewährleistet. Die von ihnen erlaffenen Sagungen pflegt man Hausgesetze zu nennen. Das Recht der Autonomie haben ferner die größeren Kommunalverbände, die Stadt- und Landgemeinden, die Kirchengesellschaften (RG 23, 26 ff.) und die Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Die Gültigkeit autonomischer Sagungen hängt davon ab, daß sie verfassungsgemäß zustande gekommen und verkündet worden sind und, wie dies für die Statuten der dem öffentlichen Recht an= gehörigen Verbände der Regel nach vorgeschrieben ist, landesherrlich oder durch eine höhere Verwaltungsbehörde bestätigt sind, sowie daß fie die Grenzen der regelmäßig auf die eigenen Angelegenheiten der Korporation beschränkten autonomischen Befugnis einhalten. Sie find als Normen objektiven Rechtes für die Personen, für die sie erlassen sind, wie für den Richter bindend. (Vgl. § 293 3PQ.)

Daß die autonomische Satung innerhalb ihres Geltungsbereiches wie das Gesetz bindende Gewalt auch gegenüber denjenigen Personen hat, welche das Statut nicht durch eigene Willenserklärung geschaffen haben, unterscheidet die Autonomie von der sog. Privatautonomie.

1) Folgt aus Art. 23 (Niemeyer: Intern. Privatrecht des BGB. 1901). Die herrschende Meinung ist für die Autonomie. S. Gierte I. 142 ff. RG 2, 145 ff. und besonders 26, 155 ff.

Lettere besteht in der Befugnis, Rechts verhältnisse (also subjektive Rechte) zu begründen. Der Privatautonomie entspringen die Statuten privater Korporationen, z. B. der Aktiengesellschaften. Sie haben verbindliche Kraft nur gegenüber denjenigen Personen, die sich durch Beitritt zum Gesellschaftsvertrage ihnen unterwerfen und sie damit zur eigenen Willenserklärung machen.

Das BGB enthält keine Bestimmungen über die Autonomie. Die Artt. 57, 58 EG 3. BGB, § 83 der GrBO und § 6 EG 3. Zwst lassen das autonomische Recht des hohen Adels, des vormaligen Reichsadels und der dem Reichsadel gleichgestellten Familien des landsässigen Adels bestehen und stellen die autonomischen Sagungen dieser Familien den Landesgesehen gleich. Die Autonomie der anderen Korporationen ist ein Ausfluß ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung und wird aus diesem Grunde vom BGB nicht berührt.

Zweiter Abschnitt: Das subjektive Recht.

§ 11. Begriff des subjektiven Rechts.

1. Während das objektive Recht die den Willen des einzelnen bestimmende und begrenzende Rechtsnorm oder Rechtsregel, bezeichnet das Wort subjektives Recht die dem einzelnen zustehende Berechtigung. Das subjektive Recht ist vom objektiven Recht abhängig: es gibt keine Berechtigung, die nicht durch einen Rechtssag gewährt würde. Subjektives Recht ist also eine vom objektiven Recht eingeräumte Macht. Diese Macht wird aber auch begrenzt durch das objektive Recht. Was jenseits der Grenze liegt, ist recht I o 3, und, steht es mit dem objektiven Recht im Widerspruch, verlegt es also insbesondere das Recht eines andern, so ist es rechts w idrig, unrecht, auch wenn die Verschuldung einer Person nicht in Frage steht.

Das objektive Recht gibt dem einzelnen jene Macht in die Hand, um seine vernünftigen Lebensinteressen zu befriedigen. Wer sein Recht innerhalb dieser Schranke ausübt, ist nicht verantwortlich für den dadurch einem andern zugefügten Nachteil. Qui jure suo utitur, neminem laedit. Wer aber über jene Grenze hinausgeht, muß den berechtigten Interessen anderer weichen. Diesem Gedanken trägt das BGB dadurch Rechnung, daß es in § 905 dem Eigentümer die Befugnis entzieht, Einwirkungen auf den Raum über oder unter der Oberfläche seines Grundstückes zu verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, daß er an der Ausschließung kein Interesse hat. Wer aber bei der Rechtsausübung nur den Zweck verfolgt, Engelmann, D. bürgerliche Recht Deutschlands. IV. Aufl.

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einen anderen zu tränken, befindet sich im Unrecht und genießt nicht nur keinen rechtlichen Schuh, sondern ist jenem für den ihm bereiteten Nachteil verantwortlich. Dieser Saß des gemeinen Rechtes ist in das BGB übergegangen, indem es in § 226 eine Rechtsausübung, die nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen, für widerrechtlich („unzulässig“) erklärt. Dem Rechtsmißbrauch kann also mit den Mitteln des Privatrechts (Klage und Einrede) entgegengetreten werden.

Da die Macht des einen notwendig eine Einschränkung anderer nach sich zieht, so entspricht jedem Recht eine Pflicht, denn die Pflicht ist eine Beschränkung des Willens. Sie liegt entweder einem oder allen ob, je nachdem der Wille dieses einen oder der aller in bestimmter Richtung gebunden ist.

2. Ein Rechtsverhältnis ist ein rechtlich bestimmtes Lebensverhältnis, d. h. eine vom Rechte bestimmte und begrenzte Beziehung einer Person zu einer oder mehreren anderen Personen oder zu einer Sache. Das Rechtsverhältnis erschöpft sich zuweilen in einem einzigen Rechte. Da das Rechtsverhältnis aber der Entwicklung fähig ist, so kann es mehrere Rechte in zeitlicher Aufeinanderfolge erzeugen; es kann von vornherein mehrere Rechte begründen, die entweder nebeneinander oder einander gegenüber stehen. So ist das Eigentum ein Rechtsverhältnis, das eine Reihe einzelner Befugnisse gewährt und verschiedenartige Ansprüche erzeugt. Der Besiz ist an sich nur ein tatsächliches, infolge seiner rechtlichen Normierung aber ein Rechtsverhältnis. Auch die elterliche Gewalt ist ein Rechtsverhältnis, durch den Abschluß eines Mietsvertrags entsteht das Rechtsverhältnis der Miete.

Rechtsinstitut ist der Inbegriff der Rechtsregeln, welche zusammengehören, weil sie den Zweck haben, Rechtsverhältnisse einer und derselben Art d. h. diejenigen, welche den gleichen Inhalt haben, zu regeln. Das einzelne Darlehn ist ein Rechtsverhältnis, die Rechtsgrundsäge, unter denen es steht, bilden das Rechtsinstitut des Darlehns.

§ 12. Die Einteilung der Rechte.

1. Die Einteilung der Rechte in öffentliche und private lehnt sich an den oben § 71 besprochenen Gegensag von öffentlichem und Privatrecht an: die durch das objektive öffentliche Recht begründeten Rechte sind öffentliche, die durch die Privatrechtsnormen begründeten Rechte sind Privatrechte. Ob durch besondere Bestimmung einem subjektiven Rechte Schuß gewährt wird durch die ordentlichen Gerichte, ist nicht entscheidend. Bemerkenswert aber ist, daß ein öffentlich-rechtliches Verhältnis Privatrechte begründen kann: die

dienstliche Stellung des Beamten gehört dem öffentlichen Recht an; wird dem Beamten aber ein Recht auf ein gewisses Diensteinkommen gewährt, so handelt der Staat dabei nicht als die dem Beamten übergeordnete Macht, sondern als gleichberechtigtes Rechtssubjekt, der Anspruch auf Gewährung des Diensteinkommens ist daher ein privatrechtlicher.) Diesem Gedanken hat die Gesetzgebung des Deutschen Reiches wiederholt Ausdruck gegeben (§§ 149 ff. Reichs-Beamten-G. b. 31. März 1873 für die Reichsbeamten, § 9 GVG für die Richter). Das BGB hat es ängstlich vermieden, Bestimmungen über Materien zu geben, deren Zugehörigkeit zum Privatrecht auch nur in Zweifel gezogen werden kann, es hat daher auch hinsichtlich der Ansprüche der Landesbeamten die Landesgeseze unberührt gelaffen (80 EG 3. BGB).2)

2. Bei der Einteilung der Privatrechte können verschiedene Einteilungsgründe maßgebend sein:

Die Einteilung in absolute und relative Rechte sieht auf das verpflichtete Subjekt, denn dem relativen Recht entspricht die Verpflichtung einer bestimmten Person, dem absoluten Rechte die Verpflichtung aller, das Recht nicht zu verlegen.

Die wichtigste Einteilung bleibt doch die nach dem Gegen= stande des Rechts. Denn sie ist auch für den Inhalt des Rechts maßgebend. Gegenstand eines Privatrechts aber kann sein die Person oder die Sache.

Die Rechte an der Person sind entweder Rechte an der eigenen Person oder Rechte an einer fremden Person. Die Rechte an der eigenen Person bestehen in der Befugnis auf ungestörten Ge= nuß persönlicher Güter und freie Betätigung der eigenen Geistes- und Körperkräfte. Man darf diese Rechte nicht bloß als Ausflüsse der persönlichen Freiheit bezeichnen. Denn das positive Recht gewährt ihnen Schutz gegen Eingriffe, erkennt also das Vorhandensein eines Rechtes an. Man nennt sie Persönlichkeitsrechte.

Die Rechte an fremder Persönlichkeit, regelmäßig untrennbar an eine das Recht überwiegende Pflichtstellung gebunden, haben eine fremde Persönlichkeit zum unmittelbaren Gegenstande. Sie können ein Gewaltverhältnis begründen, aber notwendig ist dies nicht. Das Verhältnis, aus dem sie hervorgehen, ist ein sittliches und gehört zum Teile dem öffentlichen Recht an. Bestimmte Beziehungen aber in dem Verhältnis der Ehegatten zueinander,

1) A. M. Wach: Handbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 1885. I S. 95, 96 gegen die herrschende Meinung.

Der gleichen Tendenz verdanten die Artt. 65, 66, 69, 70, 72, 73, 74, 77, 78, 79, 81, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 91, 92, 94, 97-104, 106, 108-121, 125-129, 132-139, 144, 145 EG z. BGB ihre Entstehung.

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