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legium in diesem engeren Sinne. Es regelt nur einen konkreten Tatbestand und wird nur für bestimmte Personen, Sachen oder Rechtsverhältnisse gegeben. Stets enthält es eine Durchbrechung des allgemeinen Rechts, indem es dem einzelnen eine Befugnis einräumt, die allen anderen nicht zusteht, z. B. Inhaberpapiere mit Prämien auszugeben (Rges. vom 8. Juni 1871), oder indem es eine bestimmte Person von einem gesetzlichen Verbote (z. B. §§ 1303, 1312 BGB [Cheverbot]) befreit, „dispensiert“, oder von einem allgemeinen Gebote ausnimmt (z. B. Steuerfreiheit gewährt). Auch wenn die Privilegienerteilung Folge eines mit dem Staate geschlossenen Vertrags und auch wenn sie an Behörden delegiert ist, bildet sie einen Akt der Gesetzgebung, schafft objektives Recht und hängt von dem unbeschränkten Ermessen der Staatsgewalt ab. Dadurch unterscheidet sich das Privilegium von der Konzession. Diese ist ein Akt der Staats verwaltung und spricht die Genehmigung zur Vornahme einer gewissen Tätigkeit z. B. eines bestimmten Gewerbebetriebes (§§ 16 ff., 29 ff. Gem.-Ord.) aus; sie muß erteilt werden, wenn gewisse gesetzliche Bedingungen erfüllt sind (§ 18 Gew.-Ord.). Dasselbe gilt von der Verleihung des Bergwerkseigentums nach modernem Bergrecht. Das BGB enthält keine allgemeinen Vorschriften über Privilegien.

Wird durch Privileg ein bestimmtes Recht eingeräumt, so richtet sich die Art der Ausübung und des Rechtsschußes nach Inhalt und Wesen des gewährten Rechtes. Hiernach beantwortet sich auch die Frage, ob das erteilte Recht (nicht das Privilegium) durch Verjährung untergehen kann. Das Privileg erlischt von selbst bei Untergang des Subjektes oder Objektes, an dessen Dasein es geknüpft ist; es fann durch richterliches Urteil entzogen werden, wenn es mißbraucht wird und sein Inhalt der Zuständigkeit der Gerichte unterliegt; es kann — nach herrschender Ansicht nur gegen Entschädigung - aufgehoben werden durch einen Akt der auch hierin unbeschränkten Gesetzgebung.

D. § 8. Zeitliche Grenzen der Gesetze.1)

Das Gesetz tritt an demjenigen Tage in Kraft, den es sich selbst als Anfangstag seiner Geltung bestimmt. Fehlt es im Geseß an einer solchen Bestimmung, so tommt die für alle Gesetze des betreffenden Staates ein für alle Male gegebene Norm zur Anwendung. Für Reichsgesete gibt die RV Art. 2 eine solche allgemeine Norm dahin,

1) Regelsberger I . 184 ff. Gierke I S. 184 ff. Umfassendes Werk von Habicht: Die Einwirkung des BGB auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse. 1899.

daß die verbindliche Kraft mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages beginnt, an welchem das betreffende Stück des Reichsgesegblattes in Berlin ausgegeben worden ist. Ähnliche Bestimmungen geben zahlreiche Landesgesete.

1. Nach den allgemeinen, in Ermangelung besonderer Bestimmungen maßgebenden gewohnheitsrechtlich geltenden Leit= fägen ergreift ein neues Gesez nur diejenigen rechtserheblichen Tatsachen, die sich nach dem Eintritte seiner Gesezestraft ereignen. Nach diesem (auch vom neuen Recht anerkannten,1) in der 1. 7 C. de leg. 1,14 und c. 13 X de const. 1,2 ausgesprochenen) Grundsage von der Rückwirkung der Geseze hat eine jede rechtserhebliche Tatsache diejenige Rechtswirkung, die ihr das zur Zeit ihres Eintritts geltende Geset verleiht. Hängt eine Rechtswirkung von dem Eintritte mehrerer, nur in ihrer Gesamtheit rechtserheblicher Tatsachen ab, so tritt die Wirkung ein, welche das beim Eintritt der legten Tatsache geltende Gesetz dem zusammengesezten Vorgange beilegt, und hängt eine Rechtswirkung von der Dauer eines bestimmten Zustandes ab, so hat er diejenige Wirkung, welche das am Ende des Zeitraumes geltende Gesez bestimmt. Nach diesem Grundfah ergreift das neue Gesetz werdende, unfertige Rechtsverhältnisse (Hoffnungen, Anwartschaften), es sei denn, daß die Anwartschaft selbst ein Recht bildet. Verlängert das neue Gefeh die Verjährungszeit, so kann sich die Verjährung nur in der längeren Zeit vollenden, in diese ist aber der Zeitraum, währenddessen die Verjährung unter dem alten Geseze ge= Laufen, einzurechnen. Verkürzt das neue Gesez die Verjährungszeit, so kommt demjenigen, der durch die Verjährung gewinnt, sowohl der unter dem alten Geseze begonnene, unter dem neuen vollendete Ablauf der längeren Frist als auch der mit dem neuen Gesez erst begonnene Ablauf der kürzeren Frist zustatten (RG 24, 271). Das neue Gesek läßt aber die wohlerworbenen, d. h. diejenigen Rechte, deren Erwerb für eine bestimmte Person vollendet ist, unberührt. Die Rechts- und Handlungs fähigkeit sind teine erworbenen Rechte.

Obwohl das Gesez in wohlerworbene Rechte eingreifen kann, ist ohne genügende Gründe nicht anzunehmen, daß es diesen Eingriff beabsichtige (RG 27, 1). Hebt es jedoch ganze Rechtsinstitute auf, weil sie den gegenwärtigen rechtlichen, sittlichen oder wirtschaftlichen Anschauungen widersprechen (z. B. das Lehnrecht), so ist anzunehmen, daß auch die aus diesen Instituten folgenden Rechtsverhältnisse aufgehoben sein sollen. Eine Ausnahme von dem allgemeinen Grund

1) Insbes. Artt. 158, 161, 168, 170, 179, 181 Abs. 2, 182, 198 Abs. 1, 200, 202, 204, 206, 207, 208, 209, 213, 214, 215, 217 Einf.-G. 3. BGB. Art. 23 Einf.-G. 3. BGB.

sage bilden nicht diejenigen Geseze, welche eine authentische Interpretation (Deklaration) bestehenden Rechtes geben, denn sie schaffen nicht neues Recht, sondern erläutern das alte.

2. Das BGB hat an diesen Leitsägen nicht geändert, denn es hat sich allgemeiner Bestimmungen über die zeitlichen Grenzen der Geseze enthalten. Dagegen haben die Einführungsgesehe zum BGB (Art. 153-218), zum HGB (Art. 22-28) und zum Gesetz über die Zwangsversteigerung usw. von Grundstücken (§ 15) ubergangsbestim= mungen gegeben, welche das Verhältnis nur dieser Geseze zu den bei ihrem Inkrafttreten bestehenden Rechtsverhältnissen, wiederum ohne Ausspruch allgemeiner Grundsäge, dagegen in zahlreichen Einzelbestim= mungen, regeln. Diese Bestimmungen enthalten die Anerkennung der oben aufgestellten Grundsäge, insbesondere auch für die Ent= stehung der Schuldverhältnisse (Art. 170) und betreffs der Verjährung und der Ersizung (Art. 169, 185), durchbrechen sie aber aus rechtspolitischen Gründen in zahlreichen Fällen.

E. § 9. Örtliche Grenzen der Gesetze.

Das Gesek erlangt verbindliche Kraft nur in demjenigen Gebiete, für das es erlassen ist. Wird ein Rechtsgebiet in ein anderes einverleibt, so bleiben die in dem einverleibten Gebiete geltenden Rechtsnormen bestehen, wenn nicht die Geseze des anderen Gebietes zu Gesehen des Gesamtgebietes erklärt werden.

1. Allgemeines. Nachdem im Gegensahe zum römischen Rechte, welches das Recht des Auslandes nicht anerkannte, das ältere deutsche Recht die Angehörigen verschiedener Stämme nach dem einem jeden angeborenen Stammesrechte beurteilt hatte (Personalitätsprinzip), gelangte das sog. Territorialitäts = prinzip, das jedem Rechtssah ein räumliches Gebiet anweist, zur Anerkennung: wie jeder Tatbestand die Wirkung hat, die das zur Zeit seines Eintritts geltende Recht mit ihm verbindet, so verknüpft sich mit ihm die Wirkung, welche das am Orte seines Eintritts geltende Recht ihm beilegt. Nach dem Territorialitätsprinzip wird also ein Tatbestand nur dann richtig beurteilt, wenn auch im Auslande auf ihn dasjenige Recht zur Anwendung kommt, dem er von vornherein unterworfen war. Das Territorialitätsprinzip erlitt Einschränkungen durch die von den Postgloffatoren ausgebildete Statutentheorie. Man unterwarf den statuta personalia d. h. den für die Person als solche geltenden Rechtsnormen alle Einwohner des Geltungsgebietes der Norm, den statuta realia d. h. den für Sachen gegebenen Normen die Sachen, die sich im Gebiete der Norm befinden, und endlich die Handlungen den am Orte ihrer Vor

nahme geltenden Normen, den statuta mixta. Diese Lehre war zu unbestimmt, als daß sie dem sich steigernden internationalen Rechtsverkehre hätte genügen können. Savigny verwarf sie und stellte die Lehre auf, daß jedes einzelne Rechtsverhältnis nach demjenigen Rechte beurteilt werden müsse, an dem es seinen Sit habe, und daß dieser „Sig" in jedem Falle gefunden werden müsse. Aus diesem allge= meinen Grundsage hat die Rechtswissenschaft eine Reihe einzelner Säge hergeleitet, die durch den Gerichtsgebrauch zu Rechtssäken wurden. Man faßte sie früher unter dem irreführnden Namen „internationales Privatrecht" zusammen, und bezeichnet sie jezt als Kollisionsnormen d. h. als Säße des einheimischen Rechts, welche im Falle der Kollision verschiedener Rechtsordnungen bestimmen, welche dieser Rechtsordnungen auf ein gegebenes Rechtsverhältnis zur Anwendung tommen soll.

Das neue Recht enthält im EG 3. BGB einige lückenhafte Säße (Artt. 7—31). Diese sind einseitige Kollisionsnormen, welche nur den Anwendungsbereich des deutschen Rechtes bestimmen (Artt. 14, 18, 19, 22 Abs. 1), zweiseitige oder vollkommene Kollisionsnormen, welche bestimmen, ob inländisches oder ausländisches Recht zur Anwendung kommt (Artt. 7 Abs. 1, 11 Abs. 1, 17 Abs. 1, 21 Halbsah 1) oder endlich unvollständig zweiseitige Kollisionsnormen, welche den Anwendungsbereich des ausländischen und inländischen Rechtes bestimmen, aber nur für den Fall, daß eine gewisse Beziehung des Rechtsverhältnisses zum Inlande besteht.

Da, wo Bestimmungen fehlen, wird daher zuerst die Analogie und, wo diese untunlich, die Anwendung der erprobten Säße des bisherigen Rechts aushelfen. Die Anwendung ausländischen Rechts ist aber in jedem Falle ausgeschlossen, wenn ihr die guten Sitten oder der Zweck eines deutschen Gesetzes entgegenstehen, ferner auch wenn ein Staatsvertrag entgegensteht (Art. 30 Einf.-Ges.). Verlangt das inländische Gesetz die Anwendung des ausländischen Rechts, so ist diesem Befehle auch dann Folge zu leisten, wenn es gar nicht der Wille des ausländischen Rechts ist, in diesem Falle zur Anwendung zu kommen. Denn der inländische Richter hat seinem Gesetze zu gehorchen. Hiervon macht Art. 27 EG 3. BGB eine Ausnahme, indem er für gewisse Fälle das Prinzip der Rüd verweisung ausspricht, d. h. anordnet, daß das deutsche Recht angewendet werden soll, wenn das ausländische Gesetz auf das deutsche Recht verweist.

Das neue Recht will zwar nur das Verhältnis zwischen dem neuen deutschen Reichsrecht und dem ousländischen Rechte behandeln, seine Grundsäge werden aber anzuwenden sein auch im Verhältnis der einzelnen Landesrechte untereinander, soweit hierüber nicht eine maßgebend bleibende Norm des Landesrechts entscheidet.

2. Die wichtigsten Säße des internationalen Privatrechts sind folgende:

Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, personenrechtliche und familienrechtliche Beziehungen einer Person richteten sich früher nach dem Rechte des Wohnsizes der Person. Nachdem aber das Deutsche Reich in Staatsverträgen und einzelnen Gesetzen von diesem Grundsabe schon wiederholt abgewichen war, ist auch das neue Recht für einzelne Beziehungen zum Prinzip der Staatsangehörig = feit zurückgekehrt. So bestimmt sich nach Art. 84 WO die Wechselfähigkeit des Ausländers nach den Gesezen desjenigen Staates, dem er angehört. Ist er nach diesen Gesetzen wechselunfähig, so wird er gleichwohl durch übernahme einer Wechselverbindlichkeit in Deutschland verpflichtet, wenn er nach deutschem Rechte wechselfähig ist. Diesen Grundsah dehnt das neue Recht (Art. 7 Einf.-Ges.) auf die Geschäftsfähigkeit (nicht die Rechtsfähigkeit) überhaupt aus, so daß die Staatsangehörigkeit mit der Maßgabe entscheidet, daß ein Ausländer, der im Inlande ein Geschäft vornimmt, ohne Rücksicht auf sein Heimatsrecht geschäftsfähig ist, wenn er es nach deutschem Rechte sein würde.

Ob eine Personenvereinigung Korporationsrechte hat und welches die Rechte der einzelnen Mitglieder sind, richtet sich nach dem Rechte des Ortes, wo der Verein seinen Siz hat (z. B. RG 2, 145; 23, 31). Art. 10 Einf.-Gef. gibt eine einschränkende Vorschrift.

Die Rechte an unbeweglichen Sachen unterliegen der lex rei sitae. Aber auch die Rechtsverhältnisse der beweglichen Sachen werden nach dem Rechte des Orts beurteilt, wo sich die Sache im entscheidenden Zeitpunkte befindet (RG 8, 110; 11, 52), es sei denn, daß die Sache zu fortwährendem Ortswechsel bestimmt wäre (z. B. Eisenbahnwagen), in welchem Falle der Heimatsort (-hafen), der Ausgangsort, der Wohnsiz des Eigentümers maßgebend ist. Das neue Recht enthält keine ausdrückliche, aber eine aus Art. 11 Abs. 2 und Art. 28 EG 3. BGB zu folgernde stillschweigende Anerkennung desselben Prinzips.

Die Wirkung obligatorischer Verträge richtet sich zunächst nach dem Rechte, dem sich die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend unterworfen haben, andernfalls nach dem Rechte des Ortes, wo der Vertrag zu erfüllen ist. Diese Auffassung ist gegenüber derjenigen, welche den Wohnsiz des einen oder des andern Kontrahenten, den Ort des Vertragsschlusses oder wohl gar die lex fori als maßgebend betrachtet, die in der Praris herrschende. Allerdings muß der Richter den Erfüllungsort nach dem für ihn maßgebenden Rechte (also § 269 BGB) bestimmen, und es kann bei wechselseitigen Verpflichtungen geschehen, daß die eine Verpflichtung nach diesem, die

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