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sigt nicht ohne weiteres (§ 86 HGB) die Ermächtigung zur Zahlungsempfangnahme. Eine Vollmacht zur Empfangnahme der dem Schuldner obliegenden Leistung liegt in dem einem Gerichtsvollzieher erteilten Vollstreckungsauftrage (§ 754 3PO). Diese Ermächtigung bewirkt, daß sowohl die Wegnahme von Geld im Wege der Pfändung als auch die Empfangnahme des Versteigerungserlöses durch den Gerichtsvollzieher die Wirkungen einer vom Schuldner ge= leisteten Zahlung hat (§§ 815, 819 ZPO). Die vom Ersteher eines Grundstücks zu leistende Zahlung des Erlöses geschieht mit befreiender Wirkung an das Gericht (§ 107 3mG).

Das neue Recht läßt die Leistung an einen Dritten mit befreiender Wirkung für den Schuldner zu, wenn die Leistung an den Dritten mit Einwilligung des Gläubigers geschieht oder nachher von ihm ge= nehmigt wird (§§ 362, 185). Daher ist auch die Zahlung an den Dritten, welcher durch Vertrag mit dem Schuldner und zu dessen Erleichterung zur Empfangnahme ermächtigt wird und dessen Vollmacht daher nicht ohne Zustimmung des Schuldners widerrufen werden kann, d. h. an einen solutionis causa adjectus, wie nach bisherigem Recht, zulässig. Damit ist auch die Bestimmung des gemeinen Rechts (1. 11 § 5 D. de pigm. act. 13, 7), daß der Untermieter durch unmittelbare Zahlung des Mietzinses an den ersten Vermieter den Mieter befreit, beseitigt.

b) In vielen Fällen würde die Leistung dadurch, daß sie von einem andern als dem Schuldner bewirkt würde, zu einer andern werden und also den Schuldner nicht befreien. Hier hat der Schuldner in Person zu leisten. Regelmäßig aber hat nach altem (1. 53 D. 46,3) und neuem Recht (§ 267 BGB) die Leistung auch dann befreiende Wirkung, wenn sie von einem andern wider Wissen und Willen des Schuldners gemacht wird; selbst der Widerspruch des Schuldners hat nur die Wirkung, daß der Gläubiger die Leistung ablehnen kann. Der Dritte handelt, indem er leistet, im Interesse des Schuldners und als dessen unbeauftragter Geschäftsbesorger (§§ 677, 678). Denn nicht jede Zahlung durch einen Dritten hat Absicht und Wirkung der Schuldtilgung und also einer Befreiung des Schuldners, in gewissen Fällen befriedigt sie nur diesen Gläubiger und überträgt die Forderung auf den Zahlenden. Diese Absicht vermutet das Gefeß, wenn der Bürge (§ 774) und wenn der Eigentümer des verpfändeten Grundstücks, der nicht zugleich persönlicher Schuldner ist, zahlt (§ 1143), sowie in allen den Fällen, in welchen der Dritte ein Recht darauf hat, den Gläubiger zu befriedigen, d. h. wenn gegen den Schuldner vom Gläubiger die Zwangsvollstreckung betrieben und durch diese der Besitz oder ein Recht des Dritten ge= fährdet wird (§ 268), z. B. der Nießbrauch (Erweiterung des römisch

Engelmann, D. bürgerliche Recht Deutschlands. IV. Aufl.

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rechtlichen jus offerendi). In diesem Falle kann der Gläubiger die ihm vom Dritten angebotene Leistung nicht ablehnen, und der Dritte tann die Befriedigung des Gläubigers auch durch Hinterlegung oder Aufrechnung herbeiführen. Jener Absicht ent= spricht die Wirkung: die getilgte Forderung geht traft geseglicher Zession auf den Dritten über, seine Stellung gegenüber dem Schuldner ist daher dieselbe, in welcher sich der bisherige Gläubiger befand.

c) Die Leistung muß dem Gegenstande der Schuld gleichkommen. Daher ist der Gläubiger weder nach gemeinem noch nach neuem Recht (§ 266), ausnahmsweise dagegen nach Art. 38 WO, zur Annahme von Teilleistung en verpflichtet. Eine mangelhafte Leistung bringt den Schuldner in Verzug. Nimmt der Gläubiger die angebotene Leistung als Erfüllung an, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Mangelhaftigkeit oder Unvollständigkeit der Leistung be= hauptet (§ 363).

2. Für den Fall, daß der Gläubiger, der mehrere gleich artige Forderungen gegen den Schuldner hat, von diesem eine nicht alle Forderungen deckende Leistung empfängt, war es im ge= meinen Rechte streitig, ob der Schuldner das Recht habe, diejenige Forderung, die er tilgen wollte, einseitig zu bestimmen. Die Vertragsnatur der Zahlung scheint diesem Rechte zu widersprechen. Da aber der Schuldner auch dann, wenn er mehrere Gläubiger hat, frei ist in der Wahl derjenigen Schuld, welche er tilgen will, hat ihm das BGB (§ 366) die Befugnis der einseitigen Be = stimmung eingeräumt. Hat er von diesem Rechte keinen Ge= brauch gemacht, so tritt nach der herrschenden Lehre des alten und nach neuem Recht (§ 366) ohne weiteres die Bestimmung des Ge= sebes ein. Nach diesem wird die Leistung auf die fällige, unter mehreren fälligen auf die weniger sichere, unter gleich sicheren auf die dem Schuldner lästigere, unter gleich lästigen auf die ältere und unter gleich alten auf alle Schulden nach Verhältnis angerechnet. Das Bestimmungsrecht des Schuldners fällt fort (§ 367), wenn der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten. hat: in diesem Falle wird die Leistung zuerst auf die Kosten, dann auf die Zinsen, zuleht auf die Hauptleistung angerechnet. Will der Schuldner eine andere Anrechnung bestimmen, so kann der Gläubiger die Annahme ablehnen.

Im Prozeß hat der Schuldner zu beweisen, daß gerade die eingeklagte Schuld getilgt sei.

3. Ob der Schuldner ein Recht auf Qnittungs leistung habe, war nach römischem Recht zweifelhaft, dagegen war es in Deutschland durch Gewohnheitsrecht eingeführt, und durch BGB (§ 368) ist es zu einem gesetzlichen Rechte geworden. Es ist ein aus dem Rechts

geschäft der Zahlung entstandener persönlicher Anspruch, der Schuldner kann deshalb die Leistung verweigern, wenn der Gläubiger dem Verlangen, Quittung zu leisten, nicht entspricht. Die Quittung braucht nur in einfacher Schriftform erteilt zu werden, es sei denn, daß der Schuldner ein rechtliches Interesse an einer gesteigerten Förmlichkeit hat (3. B. §§ 29, 30 RGBO). Die Kosten der Quittung trägt regelmäßig der Schuldner (§ 369).

Die Quittung ist ein schriftliches Bekenntnis empfangener Leistung und dient dem Beweise. Nach römischem Rechte hatte die Quittung in den ersten 30 Tagen teine, nach Ablauf dieser Frist eine unwiderlegliche Beweiskraft. Nach dem Vorgange von Art. 295 HGB hat § 17 EG 3. ZPO der Quittung Beweiskraft vom Augenblicke der Aushändigung an beigelegt, aber den Gegenbeweis zugelassen. An diesem Rechtszustande hat das BGB nichts geändert. Lehteres hat dem Schuldner aber auch den persön= lichen Anspruch auf Ridgabe des Schuldscheines ev. öffentlich beglaubigtes Anerkenntnis, daß die Schuld erloschen sei, eingeräumt (§ 371).

Verschieden von der Quittung ist das Anerkenntnis, daß die Schuld erloschen sei; denn dieses bildet nicht nur einen Beweisgrund, sondern enthält eine Willenserklärung. Es ähnelt der alt= römischen acceptilatio, einem in Form von Frage und Antwort erteilten, nur für Stipulationsschulden verwendbaren Empfangsbekenntnisse (quod ego tibi promisi, acceptum habes ober facis? Acceptum habeo oder facio) und dient daher wie diese hauptsächlich dem Bedürfnisse nach Sicherung gegen fünftige Geltendmachung von Forderungen, die auf andere Weise als durch Leistung getilgt sind. Daher kann sich unter der Form der Quittung jenes Anerkenntnis oder auch ein Erlaßvertrag verbergen. Die Willenserklärung unterliegt der Anfechtung wie andere Willenserklärungen.

§ 86. Die Hingabe an Erfüllungsstatt.

1. Der Schuldner wird befreit nur durch Leistung des geschuldeten Gegenstands. Gibt er einen andern Gegenstand und nimmt diesen der Gläubiger statt des geschuldeten Gegenstands als Erfüllung an, so wird durch das in dieser Hingabe an Erfüllungs Statt (datio in solutum) liegende Rechtsgeschäft die Schuld nach altem und neuem Recht (§ 364) unmittelbar ge= tilgt.) Voraussetzung ist, daß der Schuldner den Gegenstand

1) Römer: Die Leistung an Zahlungs Statt nach römischem und gemeinem Recht mit Berücksichtigung der neueren Gesezbücher. 1866.

(Sache, Recht, Forderung), den er gibt, dem Gläubiger zu vollstän= digem Rechte gewähren kann. Ist sein Recht an dem Gegenstand ein mangelhaftes, so hat der Gläubiger nach gemeinem Rechte die Wahl, die Forderung als noch bestehend zu behandeln oder vom Schuldner auf Grund der Erklärung, daß das Gegebene Eigentum des Gläubigers werden solle, das Interesse zu verlangen. Nach neuem Recht (§ 365) ist und bleibt die Schuld getilgt, der Schuldner ist aber zur Gewährleistung verpflichtet wie ein Verkäufer.

Nach besonderer Vorschrift (Nov. 4 c. 3) hatte der Schuldner, welcher zur Leistung von Geld verpflichtet war, sich solches aber durch Verkauf anderer Sachen nicht beschaffen konnte, das Recht, Immobilien dem Gläubiger zum Schätzungswerte zu überlassen (daher beneficium dationis i. s.). Dieses Recht ist vom BGB be= seitigt.

2. Die Wirkung der Schuldtilgung hat auch die im Wege der Zwangsvoll stredung durch gerichtlichen Beschluß erfolgte überweisung einer Forderung des Schuldners an den Gläubiger, wenn sie nach dem Willen des Gläubigers an Zahlungs Statt erfolgt (§ 835 3PO).

3. Wird dem Gläubiger vom Schuldner eine diesem zustehende, wenngleich in einem Papiere verkörperte Forderung zahlungshalber gegeben, so ist die Schuld nicht schon mit der Hingabe, sondern erst mit der durch den Dritten bewirkten Zahlung getilgt. Zu diesem bloßen Zahlungsversuche werden besonders Wechsel verwendet. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Schuldner selbst, oder ob ein Dritter aus dem Wechsel verpflichtet ist. In beiden Fällen ist nicht ohne weiteres anzunehmen, daß der Wechsel an Zahlungs Statt gegeben sei, im ersten Falle kann der Gläubiger unter Rückgabe des Wechsels seine Forderung geltend machen, im zweiten Falle hat er die Pflicht, die Einziehung des Wechsels beim Dritten zu versuchen.1)

§ 87. Verweigerung der Leistung wegen Zurückbehaltungsrechts.

Das Zurückbehaltungsrecht ist die Befugnis, dem Berechtigten eine Leistung so lange vorzuenthalten, bis dieser eine ihm gegen den Schuldner ob liegende Leistung gemacht hat. Das Zurückbehaltungsrecht beruht auf dem Gedanken, daß derjenige gegen Treu und Glauben handelt, der die ihm geschuldete Leistung fordert, die ihm ob=

1) Reichhaltige Judikatur, s. besonders ROHG 3, 145; 4, 371; 7, 47; 10, 133; 17, 272. RG 14, 210; 27, 91; 31, 109.

liegende Leistung aber nicht gewährt. Dieser Gedanke ist ein be= rechtigter aber nur dann, wenn die beiden Verpflichtungen einem einheitlichen Rechtsverhältnis entspringen. Die herrschende Lehre des gemeinen Rechts machte daher die „Konnexität“ der beiden Leistungen zur Voraussetung des Retentionsrechts und verstand darunter eine natürliche oder gewollte Einheit. Das BGB (§ 273) stimmt damit überein, indem es erklärt, Anspruch und Gegenanspruch müßten „aus demselben rechtlichen Verhältnisse" ent= standen sein. Das sog. kaufmännische Zurüdbehaltungsrecht aber ist von einer solchen Einheit unabhängig, es besteht (§ 396 HGB) auch dann, wenn Anspruch und Gegenanspruch nur überhaupt aus beiderseitigen Handelsgeschäften entstanden sind, auch wenn aus diesen Geschäften verschiedene rechtliche Verhältnisse begründet wor= den sind.

Entspringen die beiden Ansprüche demselben gegenseitigen Vertrage, so geht das Zurückbehaltungsrecht in der e. non impleti contractus auf. Neben dieser kannte das römische Recht einzelne bestimmte Fälle eines Retentionsrechts und gab zu seiner Durchführung die e. doli generalis.

Die Lehre des gemeinen Rechts verallgemeinerte diese Fälle, und das BGB folgt ihr, indem es ein Zurückbehaltungsrecht gewährt

1. in jedem Falle des Vorhandenseins gegenseitiger, aus demselben rechtlichen Verhältnis entstandener Ansprüche;

2. gegenüber dem auf Herausgabe eines Gegen= standes gerichteten Anspruche wegen eines Anspruches auf Erstattung von Verwendungen oder eines durch den Gegenstand verursachten Schadens.

Im ersten Falle kommt es auf die Art der beiden Leistungen nicht, vielmehr nur darauf an, daß zwei Ansprüche derselben Personen einander gegenüberstehen, und die Verpflichtungen beider fällig find. Dem Erfordernis der Einheitlichkeit des Rechtsverhältnisses ge= schieht hier dadurch Genüge, daß ein natürlicher Zusammenhang der beiderseitigen Ansprüche besteht (RG 57, 6). Dieser ist immer gegeben beim zweiseitigen Vertrage. Dieser besondere, in §§ 320, 322 behandelte Fall des Zurückbehaltungsrechts deckt sich mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrages: hier kann aus dem Grunde nicht gefordert werden, weil tein Kontrahent verpflichtet ist, seine Leistung zu machen, ohne gleichzeitig die Leistung des andern zu empfangen. Jener Zusammenhang tann aber auch in anderen Fällen vorhanden sein; für sie sind die allgemeinen Säge in § 273 gegeben. Im zweiten Falle wird die Einheitlichkeit dadurch begründet, daß sich beide Ansprüche auf dieselbe Sache beziehen.

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