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nach an sich nicht Gegenstand eines Handelsgewerbes. Die Anschaffung allein reicht indes nicht aus, ein Handelsgewerbe zu begründen, erfordert ist die Anschaffung und Weiterveräuße= rung, d. h. sowohl die zum Zwecke der Weiterveräußerung be= wirkte Anschaffung als auch die Weiterveräußerung der angeschafften Waren. Handelsgewerbe ist nicht nur der reine Umfaß der unveränderten Ware, sondern auch das Handwerk, wenn es auf Veräußerung der aus angeschafftem Rohstoff hergestellten Waren gerichtet ist (also namentlich das Fleischer-, Bäckerund Gastwirtsgewerbe);

2. die übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere, sofern der Betrieb über den Umfang des Handwerks hinausgeht; vorausgesetzt ist hier, daß der andere das Material liefert; ob der Betrieb über den Umfang eines bloßen Handwerks hinausgeht, ist Tatfrage;

3. die übernahme von Versicherungen gegen Prämie; 4. die Bantier- und Geldwechslergeschäfte;

5. die übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer;

6. die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure und der Lagerhalter;

7. die Geschäfte der Handlungsagenten und der Handelsmäkler; 8. die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäfte des Buchund Kunsthandels;

9. die Geschäfte der Druckereien, sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handwerks hinausgeht.

Die unbestimmten (hypothetischen) Handelsgeschäfte können außerordentlich mannigfaltig sein. Vorausgesezt ist nur gewerb liches Unternehmen und kaufmännischer Betrieb. Da fie in Gegensatz gestellt sind zu den bestimmten Handelsgeschäften, so gehören unter fie alle diejenigen gewerblichen Betriebe, die nicht schon eines jener bestimmten Geschäfte zum Gegenstande haben, insbesondere also der Ziegeleibetrieb, der Bergbau, die Geschäfte der Austunftsbureaus. Da aber das Publikum nicht wissen und häufig nicht beurteilen kann, ob bei diesen Unternehmungen die Erfordernisse eines kaufmännischen Betriebs vorliegen, so ist ein äußerlich erkennbares Zeichen erfordert: die Eintragung der Firma. Jene Unternehmungen sind also Handels gewerbe nur dann, wenn ihre Firma eingetragen ist. Es besteht für sie aber eine Pflicht zur Firmeneintragung, während für die mit Land- oder Forstwirtschaft

verbundenen Nebengewerbe, auch wenn sie kaufmännisch betrieben werden (Brennereien, Zuckerfabriken), nur ein Recht auf Firmeneintragung besteht. Man muß daher selbständige Gewerbe und landwirtschaftliche Nebengewerbe unterscheiden.

Wer ein solches Nebengewerbe betreibt, vom Eintragsrechte aber teinen Gebrauch macht, betreibt ein Handelsgewerbe, ohne Kaufmann zu sein, und derjenige, der das Handelsgewerbe noch nicht oder nicht mehr betreibt, dessen Firma aber schon oder noch eingetragen ist, kann gegenüber dem, der sich auf die Eintragung beruft, nicht einwenden, daß er kein Handelsgewerbe betreibe, auch wenn jener von dieser Tatsache Kenntnis hat (§§ 3, 5 HGB).

Aus dem Begriffe Kaufmann folgt der Begriff Handelsgeschäft. Handelsgeschäfte sind nämlich alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343), mag es sich um ein Grund- oder um ein Nebengeschäft handeln. Die bestimmten Grundhandelsgeschäfte (§ 1 Abs. 2 HGB) aber haben die Eigenschaft von Handelsgeschäften auch dann, wenn sie von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes ge= schlossen werden (§ 343 Abs. 2 HGV). Nach geseglicher Vermutung (§ 344 Abs. 1) wird von jedem von einem Kaufmanne geschlossenen Geschäft angenommen, daß es zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehöre. Diese Vermutung kann in jeder Weise widerlegt wer= den. Ferner gilt die Vermutung, daß die von einem Kaufmanne ge= zeichneten Schuldscheine im Betriebe seines Handelsgewerbes gezeichnet seien. Diese lettere Vermutung kann nur durch den Inhalt des Schuldscheins selbst entkräftet werden (§ 344 Abs. 2). In keinem Fall aber bedarf es zur Widerlegung einer ausdrücklichen Gegenbeweisantretung, vielmehr hat das Gericht die jene Vermutungen entkräftenden ihm von einer der Parteien vorgetragenen Tatsachen von Amts wegen zu berücksichtigen.

Für das neue Handelsrecht kann also der Sah aufgestellt werden: Alle Geschäfte eines Kaufmanns sind Handelsgeschäfte, alle Geschäfte eines Nichtkaufmanns sind Nicht-Handelsgeschäfte. Das neue Handelsrecht

ist demnach ein Recht der Kaufleute geworden. Ist ein Geschäft nur für den einen Teil Handelsgeschäft, für den andern nicht, so kommen doch die Grundsäge des Handelsgesetzbuchs zur Anwendung (§ 345 HGB). Gewisse Rechtssäße des Handelsrechts kommen jedoch nur dann zur Anwendung, wenn es ein sog. beiderseitiges, d. h. wenn es für beide Kontrahenten Handelsgeschäft ist (vgl. §§ 353, 378, 369, 377, 379 HGB). Einzelne Rechtsfäße des Handelsrechts kommen hingegen nicht zur Anwendung auf Kleinkaufleute (§§ 348-351 HGB).

Nach dem bisherigen Rechte (Art. 275) waren Verträge über unbewegliche Sachen niemals Handelsgeschäfte. Diesen Sah hat das neue HGB gestrichen. Es können also nach neuem Rechte die Gewerbe der Bauunternehmer und der Grundstücksmäkler Handelsgewerbe sein (§ 2 HGB), und das von einem Kaufmanne geschloffene Rechtsgeschäft über den Erwerb oder die Miete eines zu Geschäftszweden benötigten Grundstücks ist nach neuem Rechte Handelsgeschäft (§ 343 Abs. 1).

$ 69. Das römische Kontraktssystem und die altdeutschen

Verträge.

I. Nach römischem Rechte war nicht jedes von der andern Seite angenommene Schuldversprechen flagbar. Nur der mit einer causa civilis ausgestattete Vertrag erzeugte klagbare Ansprüche. Er hieß contractus im Gegensaße zum pactum, dem klaglosen Vertrage, der nur Naturalobligationen begründete. Das ausgebildete römische Recht kannte vier causae civilis, d. h. besondere, die Klagbarteit bedingende Rechtsgründe: literae, verba, res und ausnahmsweise consensus. Die drei erstgenannten traten zu der jedem Vertrage wesentlichen Willenseinigung hinzu, im legten Falle reichte die formlos erklärte Willenseinigung als causa civilis aus. Man unterschied daher Literalkontrakte, Verbalkontrakte, Realkontrakte und Konsensualkontrakte.

1. Der Literalfontraft bestand in der auf Willenseinigung beruhenden Eintragung eines Schuldverhältnisses in das Hausbuch eines römischen Bürgers (den codex accepti et expensi). Er begründete nur Geldschulden, diente aber nicht nur der Entstehung, sondern auch der Umwandlung einer schon bestehenden, auf anderem Rechtsgrunde beruhenden Schuld und bestand darin, daß der römische Bürger das, was er von einem andern zu fordern hatte, als Ausgabe (expensilatio), und was er schuldete, als Einnahme eintrug. In das justinianische Recht ist der Literalkontrakt nicht übergegangen.

2. Der Verbalkontrakt wird durch Anwendung bestimmter Wortformen geschlossen. Der wichtigste Vertrag dieser Art war die stipulatio. Sie kam durch Frage und Antwort zuftande (spondesne mihi centum dare? spondeo; promittisne mihi Stichum servum dare? promitto). Wie der Literalkontrakt, so begründete auch die Stipulation eine einseitige Verpflichtung stricti juris des Versprechenden (Antwortenden, reus promittendi) gegenüber dem Versprechensempfänger (Fragenden, reus stipulandi, denn stipulari heißt: sich versprechen lassen), doch kann die Stipulation jede zulässige Leistung zum Gegenstande

Engelmann, D. bürgerliche Recht Deutschlands. IV. Aufl.

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haben. Die Verpflichtung wird begründet nur durch den Gebrauch der Wortform, auf das zugrunde liegende Verpflichtungsverhältnis tommt es nicht an, die Stipulation ist daher wie der Literalkontrakt ein Formalvertrag. Sie erforderte Gegenwart der Parteien, doch war es bon altersher üblich, über die Stipulation eine Urkunde. (cautio) aufzunehmen, und seit dem Ende des 2. Jahrh. nach Chr. ließ man gegen die cautio nur den Gegenbeweis zu, daß die Parteien nicht an demselben Orte gewesen seien. Da mithin das, was in der Urkunde geschrieben war, unwiderleglich feststand, so verwandelte sich die St. in einen schriftlichen Vertrag. Die Leichtigteit ihrer Anwendung und Geltendmachung verschaffte ihr eine Bedeutung, welche über die des heutigen Wechsels noch hinausging und hauptsächlich darin bestand, daß durch sie jedes Versprechen zu einer flagbaren Verpflichtung erhoben wurde. Sie ist in das justinianeische Recht übergegangen.

3. Die Realtontrakte werden geschlossen durch Hingabe einer Sache und begründen eine Verpflichtung auf Zurückgabe der Sache. Entwickelt haben sie sich aus dem nexum, dem alten formellen und unmittelbar vollstrecbaren Darlehnsvertrage, der per aes et libram, in Gegenwart von 5 Zeugen und unter Gebrauch der Worte dare damnas esto zustande kam, und aus der mancipatio, d. i. der Eigentumsübertragung, mit dem pactum fiduciae, d. i. der Verpflichtung zur Rückgabe. Realtontratte tennt das römische Recht vier: mutuum (Darlehn), depositum (Verwahrungsvertrag), commodatum (Leihvertrag) und pignus (Pfandvertrag). Sie sind sämtlich in das justinianische Recht übergegangen.

4. Die Konsensualkontrakte werden geschlossen durch formlose Willenserklärung. Sie unterscheiden sich also äußerlich in nichts von dem klaglosen pactum. Der nudus consensus reicht aber auch nur ausnahmsweise, bei den vier wichtigsten Geschäften des täglichen Lebens, aus. Dies sind die emtio-venditio (Kauf), die locatio-conductio (Miete), die societas (Gesellschaftsvertrag) und das mandatum (Auftrag).

Alle Schuldverträge, die nicht unter den Begriff eines dieser Kontrakte fielen, waren pacta. Es wurden aber immer mehr pacta flagbar gemacht, und zwar durch die Praxis die p. adjecta, d. h. die einem bonae fidei-negotium gleich beim Abschlusse bei= gefügten Nebenabreden; ferner durch das prätorische Recht (daher p. praetoria) insbesondere das constitutum debiti, endlich durch Kaisergesetze (daher p. legitima) das formlose Dotal= versprechen und das formlose Schenkungsversprechen. Man nennt heut die flagbaren pacta vestita, die klaglosen p. nuda.

Bei einer großen Zahl von Schuldverträgen, welche auf Leistung

um Gegenleistung gerichtet waren, griff man zu dem Mittel, die von dem einen Teile gemachte Leistung der res der Realkontrakte gleichzuftellen. Da nun auf die zuerst gemachte Leistung ein klagbarer Anspruch nicht gegeben war, der Leistungsempfänger auf sie also auch tein Recht hatte, so gab man dem, der geleistet hatte, das Recht, entweder das Geleistete zurückzufordern (condictio ob causam datorum, jus poenitendi) oder auf die Gegenleistung zu klagen (mit einer a. praescriptis verbis). Denn lag in der Leistung die vertragbegründende res, so entstand mit der Annahme der Leistung die Verpflichtung zur Gegenleistung. Diese Verträge wurden also den Realtontratten gleich behandelt, und zwar bezeichnet man sie im Gegensage zu den oben aufgeführten vier benannten als die unbenannten Realkontrakte oder Innominat kontrakte. Denn jeder Vertrag auf Leistung um Gegenleistung konnte hierunter fallen, bestimmte Namen aber hatten nur jene vier Verträge. Man teilte sie deshalb in vier Klassen nach den Formeln: do ut des, do ut facias, facio ut des, facio ut facias.

Sowohl die Konsensual- als die Jnnominatkontrakte sind in das justinianische Recht übergegangen.

II. Das deutsche Recht hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht und ähnliche Erscheinungen hervorgerufen wie das römische Recht.

Zwar machte das deutsche Recht nicht einen Gegensah zwischen klagbaren und klaglosen, sondern nur einen solchen zwischen gültigen und ungültigen Verträgen. Gültig aber war der Vertrag nur dann, wenn er in feierlicher Form, vor Zeugen oder mit Brief und Siegel, d. h. schriftlich geschlossen war. In manchen Fällen wurde der Vertrag erst durch ein in Gegenwart von Zeugen eingenommenes Mahl oder durch einen gemeinschaftlichen Trunk oder durch Hingabe eines Handgeldes (Launegild) perfekt, so zwar daß man alle Vereinbarungen, die diesen Handlungen vorangingen, als bloße Vertragsberedungen ansah. Da diese Grundsäge dem regeren Geschäftsverkehr unbequem waren, gelangte man zu der Anschauung, daß die Ungültigkeit eines zweiseitig verpflichtenden Vertrags durch Leistung von der einen und Annahme der Leistung von der andern Seite ge= heilt werde. Auf diese Weise kam man zur Umbildung einfacher Schuldverträge in Innominat-Kontrakte, man gewährte aber nicht das Reuerecht, sondern ausschließlich einen Anspruch auf Erfüllung von der Gegenseite.

§ 70. Das Vertragssystem des modernen Rechts. Die römische Unterscheidung von flagbaren und klaglosen Verträgen, also von pactum und contractus, wurde in Deutschland

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