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Die Fälle der zweiten Art werden gebildet durch überschreitung von Geboten, sei es des Gesezes oder der Sitte, die sich an alle Menschen wenden. Man verwendet bei ihnen das Wort „außerkontraktlicher Schaden". Ein solcher kann berursacht sein durch eine unerlaubte Handlung (Deliktsschuld) oder durch ein an sich erlaubtes Verhalten, mit dem das Gesetz eine Entschädigungspflicht verbindet (gefeßliche Schadenser fatpflicht).

Da im ersten Falle die Pflicht nur auferlegt ist durch Vertrag, so besteht auch nur ein Anspruch aus dem Vertrage, und dieser Anspruch kann nur dem andern Vertragsteile zustehen. Die Ersag= pflicht umfaßt aber auch den einem Dritten, am Vertrage Interessierten, entstandenen Schaden, soweit der aus dem Vertrage unmittelbar Berechtigte dem Dritten haftet.

zu unterscheiden ist das positive und das negative Vertragsintereffe. Das positive oder Erfüllungsinteresse ist der Schaden, den der eine Vertragsteil dadurch erleidet, daß der (gültige) Vertrag nicht oder nicht gehörig erfüllt wird, und umfaßt alles das, was dieser Kontrahent erlangt haben würde, wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. Das negative oder das Interesse am Nichtabschluß ist derjenige Schaden, den ein Vertragsteil dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des von Anfang an nichtigen oder mit Erfolg angefochtenen Vertrages vertraut (§§ 118, 119, 120, 122, 179, 307) und umfaßt das, was dieser Kontrahent haben. würde, wenn die äußere Tatsache des Vertragsabschlusses nicht eingetreten wäre. Wer Waren bestellt, aber nicht geliefert erhält, kann, wenn der Vertrag gültig war, den Schaden, den er durch Anschaffung derselben, aber teureren Ware erlitten, und den Gewinn, den er durch Weiterveräußerung derselben Ware erzielt haben würde, als positives Interesse verlangen; war der Vertrag ungültig, so kann er nur die Aufwendungen, die er bei dem Vertragsschlusse und in Erwartung der bestellten Ware gemacht hat, als negatives Interesse beanspruchen. Lezteres kann nicht zu einem höheren Betrage verlangt werden als das Erfüllungsinteresse betragen haben würde.

5. Eine weitere Vorausseßung der Schadensersaßpflicht ist der ursächliche Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Eingreifen in fremdes Recht. Ein solcher Zusammenhang ist schon dann vorhanden, wenn das Verhalten einer Person auch nur eine Bedingung für den Eintritt des Schadens gegeben hat, der schädigende Erfolg aber nur durch das Zusammenwirken mehrerer Bedingungen verursacht worden ist.

Die Anwendung dieses Grundfahes macht Schwierigkeiten, wenn an der Entstehung des Schadens der Beschädigte selbst

mit gewirkt hat. Die 1. 203 D. 50,17: quod quis ex culpa sua damnum sentit, non intelligitur damnum sentire vermischte Verurfachung und Verschuldung, die gemeinrechtliche Lehre gelangte daher zu dem Ergebnis, daß der Beschädigte, welcher die Abwendung oder Minderung des Schadens versäume (d. i. schuldhaft unterlasse), Ersaz des Schadens nicht fordern dürfe. Das BGB (§ 254) ändert zunächst nichts an dem Grundsage, daß jeder den Schaden zu tragen hat, den er verursachte, so daß also ein Ersaganspruch nicht besteht, wenn das schuldhafte oder schuldlose Verhalten des Beschädigten den Kausalzusammenhang unterbricht. Das BGB läßt aber in den Fällen, in denen die Feststellung des von jedem einzelnen schuldhaft verursachten Schadens nicht möglich ist, die Umstände, insbesondere die überwiegende Ursache ent= scheiden, und zwar nicht nur bei der Frage nach der Höhe, sondern sogar bei der Frage nach der Pflicht zum Schadensersage. Das Verschulden des Beschädigten kann darin bestehen, daß er es versäumt, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die dieser weder kannte noch kennen mußte, sowie darin, daß er es versäumt, den Schaden abzuwenden oder zu vermindern.

Dabei ist zu beachten (auch wegen § 852), daß der Schade entstanden ist nicht schon mit dem schädigenden Ereignis, sondern erst mit dem Eintritt der nachteiligen Folgen dieses Ereignisses.

6. Ob außer der Verursachung auch noch Verschuldung zur Begründung einer Schadensersaßpflicht gehört, ist nicht stets in gleichem Sinne beantwortet worden.

Das älteste römische und das älteste deutsche Recht ruhen auf dem bloßen Verursachungsprinzip. Die lex Aquilia aber führte in das römische Recht das Verschuldungsprinzip ein, indem sie die Verantwortlichkeit für eine Sachbeschädigung vom Verschulden des Täters abhängig machte, wenngleich levissima culpa ausreichte. Auf dem Verschuldungsprinzip ruhte auch das gemeine Recht, nach welchem die Haftung für außerkontraktlichen wie für Vertragsschaden von einem Verschulden abhing. Auch das neue Recht hat das Verschuldungsprinzip ange= nommen (§§ 276, 823). Da aber in der Nicht- oder nicht ge= hörigen Erfüllung eines Vertrags an sich ein Verschulden liegt, so genügt zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus einem Vertrage regelmäßig die Tatsache der Nichterfüllung. Sache des Verpflichteten ist es, einen Umstand anzuführen, der im gegebenen Fall eine Entlastung vom Vorwurfe des Verschuldens bewirkt. Zur Begründung eines außerkontraktlichen Schadensersag=

anspruchs aber gehört der Nachweis desjenigen Maßes von Verschulden, das nach dem Geseze die Voraussetzung der Haftung bildet.

Das moderne Recht ist jedoch in zahlreichen Fällen auf das Verurfachungsprinzip zurückgegangen. Hierüber wird bei den Schadensersagansprüchen aus erlaubten Handlungen gesprochen werden.1)

Ob auch der Anspruch auf das negative Vertragsinteresse von einem Verschulden abhängt, war in der Lehre des gemeinen Rechts streitig. Die herrschende Meinung stellte diese Voraussehung auf, man sprach deshalb von einer culpa in contrahendo. Das BGB unterscheidet: sowohl, wenn eine nicht ernstliche Willenserklärung abgegeben wird, als auch dann, wenn die Nichtigkeit des Vertrags in der Unmöglichkeit der Leistung ihren Grund hat (§§ 118, 307), ist die Pflicht zur Interesseleistung von einem Verschulden abhängig, das im ersten Falle eben darin liegt, daß eine nicht ernstliche Willenserklärung abgegeben wird. Ist dagegen ein auf einem Irrtum beruhendes Geschäft mit Erfolg angefochten oder der Vertrag infolge mangelnder Vertretungsmacht des Vertreters unwirksam, so ist das Recht des Getäuschten auf das negative Interesse von einem Verschulden des andern Teiles nicht abhängig (§§ 122, 179).

7. In wesentlicher übereinstimmung mit dem früheren Rechte verleiht § 255 BGB demjenigen, der für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, die Befugnis, von dem Geschädigten Abtretung derjenigen Ansprüche zu verlangen, die diesem auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen. Denn behielte der Geschädigte diese Ansprüche, so würde er durch ihre Geltendmachung das erlangen, wofür ihm bereits Erfah gewährt ist.

§ 61. Andere Leistungsgegenstände.

Das BGB regelt im allgemeinen Teile des Obligationenrechts einige bei verschiedenen Rechtsverhältnissen vorkommende Leistungspflichten.

1. Die Pflicht zum Erfahe von Aufwendungen hat die Pflicht zur Verzinsung der aufgewendeten Geldwerte im Gefolge. Sind diese Aufwendungen aber auf einen Gegenstand gemacht worden, den der Aufwendende herauszugeben hat, so steht die Zinspflicht so lange still, als der Erfahberechtigte die Nugungen oder die Früchte des

1) S. hierüber Steinbach, Die Grundsäße des heutigen Rechts über den Erfag von Vermögensschäden, 1888. Unger. Das Handeln auf eigene Gefahr und das Handeln auf fremde Gefahr, 1893, 1894. Merkel, über die Kollision rechtmäßiger Interessen, 1895. Rümelin, Die Gründe Der Schadenszurechnung, 1896.

Gegenstandes ohne Vergütung genießt.1) Besteht eine Pflicht zum Erfage von Aufwendungen, die für einen bestimmten Zweck gemacht sind, und geht der Berechtigte für diesen Zweck eine Verbindlichkeit ein, so kann er Befreiung von der fälligen und Sicherheit wegen der noch nicht fälligen Verbindlichkeit verlangen (§§ 256, 257 BGB, § 354 HGB).

2. Wer berechtigt ist, von einer von ihm herauszugebenden Sache eine Einrichtung wegzunehmen (Jus tollendi)) ist nach altem und neuem Rechte verpflichtet, im Falle der Wegnahme die Sache auf seine Kosten in den vorigen Stand sehen zu lassen, und der andere Teil hat, sofern er sich im Besize befindet, die Wegnahme nötigenfalls gegen Sicherheitsleistung zu gestatten (§ 258 BGB).

3. Wer zur Rechnungslegung verpflichtet ist,3) hat dem Berech= tigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und die Belege vorzulegen, soweit solche erteilt zu werden pflegen (§ 259 BGB).

4. Wer zur Herausgabe eines Jnbegriffs) von Sachen oder zur Erteilung von Auskunft über den Bestand eines solchen Inbegriffs verpflichtet ist, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestandes vorzulegen.

Besteht in den Fällen zu 3 und 4 Grund zu der Annahme, daß die Rechnung oder der Bestand nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden, so entsteht, außer in Angelegenheiten von geringer Bedeutung, die Pflicht zur Leistung des Offenbarung sei de s. Das Vorhandensein des Verdachtsgrundes hat der Berechtigte zu beweisen. Ist der Schuldner zur Eidesleistung verurteilt, so wird der Eid vor dem Prozeßzgericht geleistet (§ 889 3PO); im übrigen bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften über den Erfüllungsort, so zwar, daß der Eid grundsäglich vor dem Amtsgerichte geleistet werden muß, in dessen Bezirk die Pflicht zur Rechnungslegung oder zur Vorlegung des Verzeichnisses zu erfüllen ist (§§ 259-261 BGB).

1) $$ 304, 347, 450, 500, 526, 538, 547, 592, 601, 633, 670, 683 ff., 693, 850, 970, 994, 1049, 1216, 1390, 1429, 1618, 1648, 1835, 1978, 2022, 2124, 2125, 2185, 2381 BGB.

3) S$ 500, 547, 601, 1049, 1216, 2125 BGB.

2)$$ 666, 675, 681, 713, 740, 1214, 1421, 1546, 1550, 1667, 1681, 1686, 1840, 1841, 1890, 1897, 1915, 1978, 2130, 2218 BGB.

S$ 1374, 1421, 1546, 1550, 1681, 1686, 1799, 1890, 1897, 1915, 2003, 2011, 2027, 2314, 2362 BGB. §§ 91, 338 HGB.

Dritter Abschnitt: Inhalt der Obligation.

§ 62. Allgemeines.

Während Gegenstand der Obligation eine Leistung ist, bildet eine Verpflichtung und die dieser entsprechende Berechtigung ihren Inhalt. Die Verpflichtung erschöpft sich aber nicht in ihrem Ziele, der Leistung. Der Schuldner wird daher nicht stets von seiner Verpflichtung frei, wenn er dem Gläubiger das verschafft, was dieser zu fordern hat. Denn die Forderung kann darauf gerichtet sein, daß die Leistung zu einer bestimmten Zeit, an bestimmtem Orte, unter bestimmten Umständen erfolge. Ferner liegt dem Schuldner die Sorge dafür ob, daß die Leistung überhaupt geschehen könne, d. h. er hat alles zu ver= meiden, was die Leistung unmöglich machen könnte. Und er hat endlich die Leistung so zu machen, daß ihr Genuß nicht durch Einflüsse gestört werde, die das Recht des Gläubigers beeinträchtigen. über die lettere Verpflichtung, das Einstehen für Mängel und für Rechte Dritter, wird im besonderen Teile des Obligationenrechts gesprochen werden.

§ 63. Der Ort der Leistung.

Nach römischem Rechte konnte der Schuldner nur verurteilt wer= den, am Gerichtsorte zu leisten, die Erhebung einer Klage an einem anderen Ort als dem Leistungsort enthielt daher eine pluspetitio und führte zur Abweisung der Klage. Das prätorische Recht ge= stattete aber dem Richter, bei der Verurteilung das Interesse, das der Schuldner an der Leistung am Erfüllungsorte hatte (das interesse loci), zu berücksichtigen. Nach heutigem Rechte kann beim zuständigen Gerichte auf Leistung am Erfüllungsorte geklagt werden.

Der Ort der Leistung bestimmt sich nach altem und neuem Rechte (§ 269 BGB) nach dem Willen der Parteien oder nach den Umständen, insbesondere nach der Natur des Schuldverhältnisses (Art und Zweck der Leistung). Fehlt es an einem solchen Anhalt, so konnte nach gemeinem Rechte der Schuldner an jedem passenden Orte leisten, der Gläubiger im Falle der Nichtleistung denjenigen Ort zum Erfüllungsorte machen, an dem er Klage erhob. Klage erheben aber konnte er nur beim zuständigen Gerichte. Das BGB folgt dem bisherigen HGB, indem es zum subsidiären Erfüllungsorte denjenigen Ort bestimmt, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsik, und wenn die Verbindlichkeit im Gewerbebetriebe des Schuldners entstanden ist, seine gewerbliche Niederlassung hatte. Damit find alle Schulden für sog. Holschulden erklärt, zugleich ist

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