Page images
PDF
EPUB

der Verjährung bestand darin, daß nur die Klagbarkeit des Rechts, nur die actio erlosch, das Recht selbst aber bestehen blieb. Man sagte daher, daß nach Verjährung der actio eine obligatio naturalis übrig bleibe.

Auch das ältere deutsche Recht tannte das Institut nicht. Wer aber befugt war, einen dem Rechte nicht entsprechenden Zustand anzufechten, und die Anfechtung innerhalb einer gewissen Frist, meist von Jahr und Tag, welche mit der Möglichkeit der Anfechtung begann, unterließ, der verlor diese Befugnis durch „Verschweigung“.

Das gemeine Recht beruhte auf dem römischen Recht, und auf dem gemeinen Rechte fußt das BGB.

3. Gegenstand der Verjährung sind nach gemeinem und neuem Recht Ansprüche. Anspruch aber ist (nach § 194) „das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen“. Die Folge ist, daß die Verjährung das Forderungsrecht selbst ergreift. Dagegen bleibt bei Verjährung des aus einem absoluten Rechte entstandenen Anspruches das absolute Recht selbst bestehen. Denn aus einem absoluten Rechte (z. B. dem Eigentum) entsteht ein Anspruch erst mit dem Eintritte eines dem Rechte widersprechenden Zustandes. Es kann daher der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besizer verjähren, ohne daß das Eigentum selbst damit aufgehoben würde.

Aber nicht alle Ansprüche unterliegen der Verjährung. Das BGB schließt von der Verjährung aus: a) die aus familienrechtlichen Verhältnissen entstehenden Ansprüche, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet sind (§ 194), also z. B. das Recht auf Unterhaltsgewährung, b) die Ansprüche aus den im Grundbuch einge= tragenen Rechten, es handle sich denn um Rückstände wiederkehrender Leistungen oder um Schadensersatzansprüche (§ 902), c) gewisse aus dem Eigentum fließende Ansprüche (§ 924), d) die Ansprüche auf Teilung einer Gemeinschaft (§§ 758, 2042), e) die Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs (§ 898).

4. Die regelmäßige Verjährungsfrist sowohl des gemeinen als des neuen Rechts beträgt 30 Jahre. Doch kannte schon das römische Recht eine Reihe kürzerer Verjährungsfristen, und das moderne Recht hat die Neigung, immer mehr Ansprüche von der Regel auszunehmen und aus rechtspolitischen Gründen kurzen Verjährungsfristen zu unterwerfen. Das BGB selbst steckt die Frist für eine große Zahl von Ansprüchen aus dem Gebiete des täglichen Geschäftsverkehrs auf zwei bzw. vier Jahre ab (§§ 196, 197).1)

1) Außerdem: §§ 477, 481, 490-492, 638, 786, 801, 804, 852, 1302, 1715, 558, 581, 1057, 1093, 1226, 1623, 2287, 2288, 2332 BGB.

5. Zum Beginn der Verjährung gehört actio nata, d. h. das Recht zu klagen; nach BGB § 198: der Anspruch muß entstanden sein. Dieser Zeitpunkt ist dann eingetreten, wenn der Anspruchsberechtigte befugt ist, die Leistung zu verlangen. Die Ver= jährung einer Darlehnsforderung beginnt also nicht mit der Mahnung, sondern mit der Darlehnshingabe. Muß der Leistung eine Kündigung vorangehen, so beginnt die Verjährung mit der Kündigung, und ist nach Ablauf einer Kündigungsfrist zu leisten, so ist actio nata erst mit Ablauf dieser Frist (§ 199); für einen bedingten Anspruch ist a. nata mit Eintritt der Bedingung (§ 158), für einen betagten mit Eintritt des Termins (§ 163).

Die Verjährung der Ansprüche, die nach dem BGB in zwei oder vier Jahren verjähren, beginnt erst mit dem Schluffe des Jahres, in welchem der Anspruch entsteht (§ 201).

Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so kann seine Verjährung erst beginnen mit der Zuwiderhandlung, denn der Zustand bis dahin entspricht dem Rechte (§ 198). Der aus einem absoluten Rechte entstehende Anspruch beginnt zu verjähren erst mit der Verlegung des Rechts.

Eine Hemmung der Verjährung tritt ein, sobald der Geltendmachung des Anspruches ein Hindernis entgegensteht. Das Hindernis kann ein tatsächliches oder ein rechtliches sein. Die Hemmung bewirkt, daß der Lauf der Verjährung nicht beginnt oder, wenn er begonnen, daß er so lange stillsteht, als das Hindernis wirkt (die Verjährung ruht). Nach Beseitigung des Hindernisses sett sich der Lauf der Verjährung fort, die Zeit des Ruhens wird in die Verjährungsfrist nicht mit eingerechnet. Nach dem BGB sind Gründe, welche den Verpflichteten zur Verweigerung der Leistung berechtigten, ferner Stillstand der Rechtspflege, das Be= stehen der Ehe, das Eltern- und Kindesverhältnis (während der Minderjährigkeit der Kinder) und das Vormundschaftsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner Hindernisse der Verjährung (§§ 202-207).

6. Die Unterbrechung der Verjährung bewirkt, daß die bisher abgelaufene Verjährungszeit nicht in Betracht kommt und daß nach der Unterbrechung eine neue Verjährung be= ginnt.

Unterbrochen wird die Verjährung

a) nach altem (RG 15, 178) und neuem Rechte (§ 208) dadurch, daß der Schuldner dem Gläubiger gegenüber, wenn auch nur stillschweigend z. B. durch Zins- oder Abschlagszahlung, Sicherheitsleistung, Bürgschafts- oder Pfandbestellung die Schuld aner = fennt;

b) durch Erhebung der Klage. Im älteren römischen Rechte wurden alle verjährbaren actiones (a. temporales) durch die Litistontestation a. perpetuae. Nach justinianischem Rechte wurde die Verjährung durch die Ladung des Beklagten unterbrochen so zwar, daß, wenn der Prozeß liegen blieb, von der legten Prozeßhandlung ab für alle Klagen eine neue Verjährung von 40 Jahren lief. Im gegenwärtigen Recht erfolgt die Unterbrechung durch Erhebung der Klage nach Maßgabe der ZPO (§§ 253, 267, 281, 499, 500, 510). Es ist gleich, ob auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlassung des Vollstreckungsurteils geklagt wird (§§ 253, 256, 731, 722 3PD).

Der Klageerhebung steht gleich (§ 209 BGB)

a) die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Mahnverfahren (§ 693 3PO);

);

b) die Anmeldung des Anspruchs im Konkurse (§ 139
c) die Erklärung der Aufrechnung im Prozesse (§ 281 ZPO);
d) die Streitverkündung in dem Prozesse, von dessen Ausgange

der Anspruch abhängt (§ 73 ZPO);

e) die Vornahme einer Vollstreckungshandlung oder die Stellung des Antrags auf Vornahme einer dem Gericht oder einer anderen Behörde obliegenden Zwangsvollstreckung.

Das BGB steht hierin in übereinstimmung mit dem bisherigen Rechte, doch sind durch die Bestimmungen zu e und d Zweifel des bisherigen Rechts entschieden. Die Grundsätze des BGB finden auch auf die Wechselverjährung Anwendung.1)

Da in allen hier angeführten Fällen die Unterbrechung durch gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs herbeigeführt wird, kann die neue Verjährung erst nach Beendigung der vom Berechtigten veranlaßten gerichtlichen Tätigkeit beginnen. Daher beginnt mit der Rechtskraft des Urteils sowie mit der Feststellung des Anspruchs durch vollstreckbaren Vergleich, vollstreckbare Urkunde oder im Kon= kurse eine neue Verjährung von 30 Jahren auch dann, wenn der Anspruch selbst einer kürzeren Verjährung unterlag (§§ 218-220). Denn der Berechtigte kann in jedem Falle seinen Anspruch nunmehr auf jene Feststellung gründen.

Ist der Prozeß in anderer Weise erledigt, so beginnt die neue Verjährung mit dem Ereignis, das ihn erledigt. Geschieht dies aber durch Zurücknahme der Klage oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes, auf Abweisung lautendes Urteil, so ist eine Unterbrechung nicht eingetreten. Denn in jenem Falle hat der Kläger

1) Art. 80 WO ist durch Art. 8 Nr. 2 EG z. HGB aufgehoben.

von der gerichtlichen Verfolgung Abstand genommen, in diesem aber hat sich herausgestellt, daß der Kläger den Anspruch nicht ordnungsmäßig geltend gemacht hat. Und ruht das Verfahren, so beginnt die neue Verjährung mit der letzten Prozeßhandlung (§§ 211, 212).1)

7. Die Wirkung der Verjährung besteht nach altem und neuem Rechte (§§ 222, 223) darin, daß der Berechtigte den verjährten Anspruch nicht gegen den Willen des Verpflichteten geltend machen darf,2) weder durch Klage noch durch Einrede. Der Schuldner kann also die Schuld als fortbestehend behandeln, sie anerkennen, sichern, be= friedigen, aber er kann. hierzu nicht gezwungen werden, vielmehr sieht ihm das Recht zu, die Leistung zu verweigern, dem Anspruch eine (wahre) Einrede entgegenzusehen. Die condictio indebiti auf Erstattung des Gezahlten ist folgerichtig ausgeschlossen. Pfand und Bürge bleiben verhaftet. Als Anspruch unterliegt auch die rei vindicatio der Verjährung, während das Eigentum bestehen bleibt. Der Eigentümer hat damit die Befugnis verloren, seine Sache von demjenigen Besiger zurückzufordern, gegen den sein Herausgabeanspruch ursprünglich entstanden war; gelangt die Sache aber in die Hand eines anderen Besizers, der nicht Rechtsnachfolger des vorigen ist, so ist ein neuer Anspruch begründet.

8. Nach gemeinem und neuem Recht sind Verträge über eine Verlängerung oder Erschwerung der Verjährung grundsäglich3) unzulässig (§ 225). Denn das Institut der Verjährung dient allgemeinen Interessen. Dagegen dient die Abkürzung oder Erleichterung der Verjährung nur dem Privatinteresse der Beteiligten, sie kann also auch Gegenstand eines gültigen Vertrags sein (§ 225).

9. Zu unterscheiden von der Verjährungsfrist ist die Ausschluß(Präklusiv-)Frist. Die Verjährung trifft nur Ansprüche, also Rechte, welche gegen eine bestimmte Person gerichtet sind, der Ablauf der Frist gibt daher dem Verpflichteten das Recht, die Leistung zu verweigern, das nur berücksichtigt wird, wenn der Schuldner es (im Wege der Einrede) geltend macht. Die Ausschlußfrist trifft Befugnisse, denen eine Verpflichtung nicht gegenübersteht (z. B. die Frist zur Errichtung des Nachlaßinventars). Da also die Frist hier die Bedeutung hat, daß eine Rechtshandlung nur während des Laufes der Frist vorgenommen werden kann, so hat derjenige, der aus dieser Handlung ein Recht herleitet, die Wahrung der Frist zu beweisen, und der

1) S. die analogen Vorschriften in §§ 213–216.

3) Für diese beschränktere Wirkung, die der natürlichen Auffassung entsprach, war auch bisher die herrschende Meinung. Dernburg I § 150. Regelsberger I § 186. Celle bei Seuff. Archiv 50, 258.

) Ausnahmen z. B. § 477 BGB.

Richter hat die Frage nach der Einhaltung der Frist von Amts wegen zu prüfen.

§ 50. Der Rechtserwerb und Rechtsverlust.

1. Der Rechtserwerb ist ein ursprünglicher (originärer), wenn er von dem Rechte einer andern Person unabhängig ist, ein abgeleiteter (derivater), wenn er von dem Recht eines anderen abhängt. Der abgeleitete Erwerb stand im gemeinen Recht unter dem Grundsage: Nemo plus juris in alium transferre potest, quam ipse habet. Dieser Grundsay beherrscht zwar auch Das neueste Recht. Dieses läßt aber in zahlreichen Fällen den Erwerb eines Rechts zu, das der andere nicht hatte, es findet in diesen Fällen also ein ursprünglicher Erwerb statt, auch wenn eine als Rechtsübertragung erscheinende Handlung vorgenommen wird.

Der übergang eines gleichen Rechts heißt Sukzession: sie besteht nur in einem Wechsel des Rechtssubjekts. Ist das übertragene Recht nicht dasselbe, das dem übertragenden zustand, begründet z. B. der Eigentümer ein Pfandrecht an seiner Sache, so nennt man diesen abgeleiteten Erwerb konstitutive Recht 3 = übertragung.

Die Sukzession oder Rechtsnachfolge ist Singularsukzession (Sondernachfolge), wenn der Nachfolger in ein einzelnes Recht oder in eine einzelne Verpflichtung seines Rechtsvorgängers, eine Gesamtnachfolge oder Universalsukzession, wenn er in eine Gesamtheit von Rechten und Pflichten eintritt.

2. Regelmäßig bedeutet der Erwerb eines Rechts für den einen den Verlust desselben Rechts für den andern. Nur den Verlust bezweckt der Verzicht, d. h. die Aufgabe eines rechtlichen Vorteils ohne gleichzeitige übertragung des Rechts. Er ist ein einseitiges Rechtsgeschäft und kann zum Gegenstande haben sowohl erworbene Rechte als Erwerbsmöglichkeiten (§ 2346). Aber wer auf ein noch nicht erworbenes Recht verzichtet, verhindert nur den Erwerb, ohne aus seinem Vermögen etwas aufzugeben, der Verzicht auf ein solches Recht ist daher keine Schenkung (§ 517). Auch der Verzicht zugunsten einer bestimmten Person ist kein Vertrag und keine Rechtsübertragung. Ein Verzicht kann durch eine schlüssige Handlung betätigt werden (§ 959).

Der Verzicht fällt unter den allgemeineren Begriff der Ver= äußerung, d. h. der absichtlichen Aufgabe eines Rechts. Veräußerung im engeren Sinne ist die übertragung des Rechts auf einen anderen. Bisher verstand man darunter auch die Belastung, das BGB stellt aber Veräußerung und Belastung nebeneinander (z. B. § 445 und 571 vgl. mit 577), versteht also unter Veräußerung die

« PreviousContinue »