Page images
PDF
EPUB

Anblick, als hörte ich die verhallenden Klänge einer schönen Harmonie.

Als sich die Nacht über die Säulenhalle gelagert, suchte ich mein Quartier auf. Der Eigenthümer desselben, Hadschi Hussein, an den ich von Constantinopel Empfehlungsbriefe mitgebracht, hatte mir dasselbe sehr traulich hergerichtet. Ein loderndes Kaminfeuer, dampfendes Essen, gute Betten und das trauliche Gespräch des einfachen Alten vertrieben mir alsbald die Trauer über erstorbene hellenische Kunstübung. Leute, wie Hadschi Hussein, gastfrei, leutselig, freigebig, fromm und tolerant, die das Gute nur seiner Selbstwillen thun, werden in Anatolien immer seltener. Die Race stirbt aus, das Neutürkenthum kennt diese Eigenschaften nicht, und spätere Reisende werden suchen müssen, wo sie zu Gaste gehen sollen. Hadschi Hussein hatte an jenem Tage aufser mir wohl noch an zehn andere Gäste, die er alle mit gröfster Aufopferung bediente und sich aufrichtig freute, dafs seine Oda so gut arbeitete" wie er sagte.

Freitag, den 5. September. Die Ruinen von Aezani (Azani bei Strabo, auf Münzen nennen sich die Einwohner AIZANEITA1, EZEANITAI und AIZANITAI) sind von früheren Reisenden, wie Keppel, de Laborde, Texier und Hamilton weitläufig beschrieben und gezeichnet worden. Ihre Werke stehen mir aber hier in dem bücherarmen Constantinopel nicht zu Gebote, und ich weifs deshalb nicht, ob ich mit nachfolgender Beschreibung nicht schon früher Gesagtes mangelhaft wiederhole oder aber vielleicht ein von meinen Vorgängern übersehenes Moment noch nachträglich beibringe.

Der Tempel des Zeus von S. nach N. orientirt, liegt nördlich aufserhalb des Dorfes auf einer kleinen Erhöhung; in ihm stand wahrscheinlich die Statue des Gottes, wie sie auf aezanitischen Münzen so häufig abgebildet ist: stehend, mit kurzem Chiton und Himation bekleidet, in der ausgestreckten rechten Hand einen Adler, in der linken das Scepter haltend, eine Darstellung des Gottes, wie sie auch auf Münzen von Laodicaea in Phrygien wiederkehrt. Der Peribolos des Tempels, der jetzt dem Dorfe als Dreschtenne und Tummelplatz dient, hatte einen bedeutenden Umfang; an der Nordseite, wo wahrscheinlich die Agora lag, sind seine Umfassungsmauern mit grofsen Nischen unterfangen, die vielleicht als Kaufläden gedient haben. Hier waren auch die Propyläen, von welchen noch 4 dorische Säulen mit 20 Cannelüren und Reste eines Portals sichtbar sind. Kugler in seiner Baukunst sagt, wahrscheinlich auf Texier gestützt, der Peribolos sei korinthisch gewesen. Ich habe davon nichts bemerkt. Von dem Tempelbau selbst ist die östliche Langseite ganz und am Posticum 5 Säulen (die Ecksäule mitgerechnet) sammt dem entsprechenden Theile der

Cellamauer erhalten. Die westliche Langseite sammt Pronaos, der wahrscheinlich 4 Säulen zwischen den Anten hatte, und dem entsprechenden Theile der Cellámauer sind verschwunden und von den Türken zum Bau der Kaserne in Kjutahia verwendet worden. Diese Reste, das besterhaltene, auf uns gekommene Beispiel eines Pseudodipteros und dazu aus der nachalexandrinischen Zeit, einer Epoche, von deren reicher Bauthätigkeit wir so wenige Zeugnisse besitzen, scheint noch nicht die volle Würdigung competenter Kunstrichter erfahren zu haben. Ausgrabungen im Temenos des Tempels und Forschungen im Theater und Stadium von Aezani wären ein lohnendes und einer Akademie würdiges Unternehmen.

Da mir von sehr competenter Seite versichert worden war, Herr Texier habe den Tempel ungenau vermessen, was übrigens um so glaublicher erscheint, als schon Herr Dr. Barth auf seiner Reise von Trapezunt nach Scutari ihm ähnliche Ungenauigkeiten in der Zeichnung der Felsenreliefs von Boghazköi (Pteria) nachgewiesen hatte 1) — so habe ich, so weit meine geringen architektonischen Kenntnisse reichten, versucht, einige Maafse des Gebäudes noch einmal zu nehmen. Hier die Resultate 2):

Länge zwischen den oberen Ecken des Unterbaues. 36,70 Meter Breite desgl.

21,40

Ganze Länge der Cellamauer mit den Anten .
Breite der Cella zwischen den Anten.

23,40

9

0,85

Breite der Anten

Tiefe des Pronaos

5,10

Der Pronaos ist zwar ganz verschwunden, seine Abgrenzung ist aber am Innern der Cellamauer noch sichtbar, so dafs auch die hier befindlichen bekannten Inschriften nicht im Innern der Cella, sondern im Pronaos gestanden haben, was wahrscheinlich ist. Die Dicke dieser Abgrenzungsmauer beträgt 0,65 Meter.

Posticum. Dafs der erhaltene Theil mit den zwei Thüren, nicht der Pronaos, welcher nach S., der Stadtseite, gerichtet war, gewesen sein kann, beweist dessen Anordnung. (Man vergleiche die Zeichnung auf Taf. III.) Zwei Mauern, jede, wie im Pronaos 0,65 M. dick, schneiden hier einen 1,13 M. tiefen Raum von der Cella ab, welcher wiederum

') Auch ich habe einzelne von Texier publicirte Monumente, z. B. den Marmorthron in Mytilene bei Vergleichung mit meiner sehr genau gemachten Zeichnung, äufserst incorrekt gefunden. So hatte er auch irrig in seiner Zeichnung der Längsseite des Tempels von Aezani 16 statt 15 Säulen (nach vorn eine doppelte Säulenstellung, die nie da war) gegeben. K.

2) Bei Texier, Asie Mineure. T. I. pl. 28 sind die betreffenden Maafse so gegeben: 34,37. 21,54. 24,08. 9. 0,85. K.

[ocr errors]

- 4,6. 0,60.

durch eine Querwand in zwei ungleiche Hälften geschieden ist, die sich durch zwei in den Ecken befindliche Thüren nach dem Pteroma öffnen. Von diesen Thüren führt die nach SW. gelegene als Durchgang in den Tempel; die nach NO. aber in die gröfsere Hälfte des abgeschiedenen Raumes und hier auf einer Treppe nach der Krypta. Wäre nun dies der Pronaos gewesen, so hätte die in der Ecke gelegene Thür zum Eintritt in die Tempelcella gedient, was mir unmöglich erscheint. Breite der beiden Thüren, jede

.

Länge der zwischen ihnen stehenden Wand.
Abstand der beiden Säulen des Posticum von dieser
Wand

Länge der Plinthen dieser Säulen

[ocr errors]

1,85 Meter
5 - 1)

[ocr errors]

2,26

1,06

Von diesen beiden Säulen ist behauptet worden, sie hätten keine Plinthen. Dies ist nicht richtig. Sie haben einfache, obwohl sehr zerstörte Plinthen, während die Säulen des Pteroma doppelte haben.

Im Ganzen ist nun durch diesen etwas complicirten Bau des Posticum genau so viel von dem Raume der Cella abgeschnitten worden, wie durch den verschwundenen Pronaos, nämlich 5,10 Meter

[merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small]

so dafs diese beiden Entfernungen unter Hinzurechnung einer Plinthenlänge 1,24 genau die Breite des Pteroma haben, wie Vitruv es angiebt. Auch entsprechen, seiner Angabe gemäfs, die Anten der Cella der jedesmal dritten Säule.

3) von der dritten zur vierten Säule entsprechend dem Abstande der Säulen des Posticum von den Anten

4) von der vierten zur fünften Säule.

[ocr errors]

1,85 Meter

2,88 Meter

Dieser Entfernung entspricht die der beiden Säulen zwischen den Anten des Posticum. Letztere beiden Maafse sind unsicher, da die Plinthen sehr zerstört sind; die übrigen Säulen der Schmalseite sind bekanntlich verschwunden.

') Bei Texier 1,80 und 5,5. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. XV.

28

K.

Umfang der Säulen über der Basis . .

3,10 Meter ebenfalls unsicher, da die Säulen sammt Basen und Plinthen bis zur Mitte abgeschlagen sind, um die Bronzedübel herauszuholen.

Die Säulen des Pteroma stehen auf doppelten Plinthen.

[merged small][ocr errors][merged small]

0,25 Meter

[ocr errors][merged small][ocr errors][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small]

Diese Basen sind ionisch, während die beiden Säulen des Posticum attische Basen (Wulst, Hohlkehle und Wulst) und eine Plinthe haben. Höhenmessungen konnte ich leider nicht machen, da das Dorf Aezani keine Leiter besitzt. Auch fand ich später, als ich nach meiner Rückkehr obige Maafse controllirte, z. B. die Länge und Breite des Baues durch Vergleichung mit den Summen der Intercolumnien und Plinthenlängen, kleine Differenzen, welche man angesichts der Verwitterung des Gebäudes zu gute halten möge. Welchen Zweck die an Gröfse der Cella ungefähr entsprechende gewölbte, nur mit 4 grofsen Fenstern erleuchtete Crypta hatte, ist ohne Nachgrabungen nicht zu sagen, da sie zur Hälfte mit Schutt erfüllt ist. Vielleicht diente sie zu einem Geheimcultus der grofsen Göttermutter, deren Lieblingsort die nahen Berge waren.

Die zweite Hauptruine der Stadt ist das ebenfalls ganz aus weifsem Marmor erbaute Theater. Dasselbe ist von N. nach S. orientirt, so dafs die Zuschauer die Aussicht auf den Zeustempel und den Dindymus hatten. Die Cavea, welche ungefähr 3000 Menschen fassen mochte, war anscheinend ohne Diazoma und hatte neun Aufgänge, von denen zwei noch sichtbar sind. Von den Sitzreihen ist wenig erhalten und das Vorhandene sehr durcheinander geworfen; sie waren Meter hoch und etwas nach innen eingezogen. Der Mitte der Bühne gegenüber und auf halber Höhe befindet sich eine Art Doppelnische, oberhalb welcher die Sitzreihen weiter laufen, wahrscheinlich ein Ehrensitz (ein Ort zur Aufstellung von Statuen) oder ein Sacellum. In den nicht ganz parallel mit der Bühne laufenden Abschlufsmauern des Zuschauerraumes sind auf der Höhe der letzten Sitzreihen Fenster von 2,20 M. Breite und 5 M. Höhe angebracht, wahrscheinlich um den zu beiden Seiten in den Ecken sitzenden Zuschauern frische Luft und Aussicht zu verschaffen. Von hier senken sich die Abschlussmauern in einem Winkel von circa 45° nach der Bühne hinunter. In halber Höhe der Cavea führt zu beiden Seiten der Bühne eine Thüre auf die obersten, theilweise erhaltenen Sitzbänke des Stadiums, welches seine Längenaxe ebenfalls in der Richtung des Zeustempels nach S. hatte. Auf

der einen Seite nach N. schliefst seine Area sich an die Rückwand der Bühne rechtwinkelig an. Nach der Südseite hin sind die beiden Sitzreihen nur bis zu einer Länge von circa 30 Schritt, soweit es die natürliche Bildung des Hügels gestattete, errichtet und werden dann an ihren Enden mit 2 Marmorgebäuden (wohl Tribünen für die Magistratspersonen) geschlossen, von welchen das am besten erhaltene, westliche mit 5 Bogen, die aus dem Freien nach der Area führen, durchbrochen ist. Es scheint demnach, dafs die Wettläufe und Wettfahrten theilweise im Freien, etwa bis zur Temenos mauer des Tempels ausgeführt wurden, und der mit Sitzreihen eingeschlossene Raum für den Ring- und Faustkampf bestimmt, also die sogenannte Sphendone des Stadiums war, die aber nicht rund, sondern, wie schon bemerkt, durch die Rückseite der Theaterbühne rechtwinkelig geschlossen war. Die Verbindung des Stadiums und Theaters zu Aezani ist, so viel mir bekannt, einzig in ihrer Art.

Das gröfste Interesse aber bietet das isolirte Skenengebäude dar, welches, wie Kugler bemerkt, bei griechischer Disposition, in seiner Architektur eine merkwürdige Mischung griechisch-römischer Elemente zeigt. Die Skene ist nur 1,75 M. tief und hat noch ihre 5 Thüren, von welchen die Porta regia 3,40 Meter breit, aber in ihrer ganzen colossalen Höhe nicht mehr vorhanden ist, wogegen die ihr zu beiden Seiten befindlichen Thüren noch eine sehr reiche Bekrönung haben. Die beiden äussersten, ebenfalls ganz erhaltenen Thüren sind schmucklos und waren, deshalb wohl nicht sichtbar, sondern von den Periakten der Bühne verdeckt. Vor der Porta regia ist von der Bühne ein Kreissegment von 10,10 Meter Spannung und 1,60 Höhe abgeschnitten, dahinter die Porta regia selbst nischenartig in die Bühnenwand eingelassen und zu beiden Seiten mit zwei Halbsäulen geziert. Vor derselben rechts vom Zuschauerraum ist eine sargähnliche Vertiefung (Versenkung?) erkennbar. Ueber das Podium oder Hyposkenion, welehes noch erhalten zu sein scheint, ist die obere reiche Architektur der Bühnenwand hingestürzt und hat die halbe Orchestra miterfüllt. Hier liegen Eierstäbe, Zahnschnitte, mit Akanthusblättern gestützte Consolen, attische Säulenbasen bunt durch einander. Säulencapitelle sah ich leider nicht. Aber ein Motiv, welches entschieden auf römischen Einfluss hindeutet, sind die theilweise mit Rundstäben ausgefüllten Säulencannelüren. Wollte man diese Trümmer forträumen, so würde man sicherlich die unteren, die Orchestra begrenzenden Theile der Bühne (das Podium) noch vorfinden, und die schwierige Frage der Einrichtung der Skene der Alten ihrer Lösung näher führen können. Hinter der Bühne sind den Thüren entsprechend 5 Gemächer von sehr kleinen Dimensionen angeordnet, die unter sich wieder durch Thüren

« PreviousContinue »