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II a.

Auszüge und Zusammenstellungen aus einem Briefe des Hrn. Dr. Steudner

an Dr. H. Barth.

Maschera der Rek (auf Dr. Petermann's zehnblättriger Karte von Inner-Afrika in 8° 36′ N. Br., 27° 30' O. L. Gr.) den 8. (18.?) März 1863.

Beifolgend erlaube ich mir, Ihnen für die hochgeehrte Geographische Gesellschaft einen ausführlichen Bericht [176 Doppeloktavseiten] über meine Reise durch Abessinien bis Merabetie in den GallaLändern, von dort über Tschelga, Galabat, Kedāref nach Chartum, über meine Excursion [von dort] nach Djebl Araschkol und meine Reise auf dem Bahr el abiaḍ und dem Bahr el Ghazal zu übersenden. Die Sammlungen, welche ich in Abessinien u. s. w. bis Chartum gemacht, werden in diesem Augenblicke wohl schon in Cairo angekommen sein. Ich habe sie unserem früheren Begleiter, Herrn Hansal anvertrauet. Herr von Heuglin und ich suchen jetzt, so weit als es die Verhältnisse und unsere äusserst beschränkten Mittel gestatten, nach Westen vorzudringen. Durch einen glücklichen Zufall war uns Gelegenheit geboten, bis hierher und vielleicht noch einige Meilen landeinwärts mit einer Kohorte von über hundert Personen zu gelangen. Mehrere holländische Damen, eine Hofdame der Königin von Holland, Madame Tinn mit ihrer Tochter und Schwester, haben nämlich den kleinen Dampfer Sa'id Pascha's auf ein Jahr für 100,000 Franken gemiethet und haben damit schon eine mehrmonatliche Reise auf dem weifsen Nil bis Gondókoro gemacht, von wo sie im November zurückkehrten. Da sie nun beschlossen, den Bahr el Ghazal zu bereisen und für ihre Soldaten mehrere Barken gebrauchten, so gestatteten sie uns gern auf einer derselben uns einzurichten. Wir kauften noch die nöthigen Vorräthe und Reitund Lastthiere für die spätere Weiterreise und schifften uns am 24. Jan. d. J. [in Chartūm] ein. Ueber den Bahr el abiaḍ lässt sich nicht viel Neues sagen, er ist schon zu oft bereist. Der Bahr el Ghazal ist, wie ich an der bezüglichen Stelle meines Berichts ausführe, fast nichts als ein uferloser Sumpf, der mit Schilf erfüllt ist und nur einige Bewegung durch den Djur erhält, vielleicht auch durch den Bahr el Homr (auch Bahr el Arab genannt), der von dem Gebiete der Bagara-Homr Araber

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herströmt. Oberhalb des Einflusses des Djur ist das Wasser des Bahr el Ghazal stagnirend, steht aber mit dem obern Laufe des Djur durch einen früher schiffbaren Kanal, der aus NW. in die Maschera der Rek einmündet, jetzt aber nur wenig Wasser hat und dicht verwachsen ist, in Verbindung. Die letzten 12-15 Meilen vor der Maschera hält man es fast für unmöglich, mit dem Schiffe zu passiren. Auch wird das Fortkommen nur dadurch ermöglicht, dass mehrere Matrosen lange Stangen vom Vordertheile des Schiffes in das Wasser und das [dasselbe erfüllende] Ambadj-(Aedemone mirabilis) Dickicht stecken. An diesen Stangen sind Taue befestigt, an denen die Mannschaft zieht. Auf diese Weise kommt man Schritt vor Schritt über die zerbrochenen Ambadj-Stämme und das dichte Schilf und die Papyrustauden weiter. Das Fahrwasser ist oft gar nicht sichtbar, oft auch nur als 1-3 Fufs breiter Wassergraben. Die Breite der Lichtungen im Ambadj ist gerade die eines Schiffes bis höchstens 20 Fufs. Aus unserem Itinerar ergab sich schon annähernd, dafs die Maschera der Rek mehr westlich auf der Karte anzugeben ist [als dies bei Dr. Petermann geschehen] und dies bestätigte sich durch eine Jupiterbeobachtung am Donnerstag den 12. März, wobei sich die Länge von Greenwich auf 26° 45' herausstellte. Die magnetische Abweichung ist hier 10°. Die Temperatur ist in der Maschera durchschnittlich Morgens 16° R., Mittags 29-32°, Abends 18-19°. Sobald die anderen Schiffe angekommen sein und wir debarkirt haben werden, wollen wir möglichst weit nach W. vordringen und haben unser Gepäck defshalb andere Gründe nicht zu erwähnen auf das Nöthigste beschränkt. Die Damen werden wohl nur einige Tagemärsche weit landeinwärts gehn; dann gedenken wir allein mit zwei oder drei Barabradienern weiter vorzugehn in welcher Richtung lässt sich nicht sagen, vorläufig zu dem Stamme der Nyamnyam [Makarāka]; dort werden wir wohl die nahe Regenzeit abwarten. Vielleicht können wir dann unserem Marsch die Richtung über Hofra e' Nahās geben. Darüber lässt sich noch nichts sagen, ebensowenig, ob wir über Chartum zurückkehren oder auf anderem Wege. Vorläufig habe ich mich immer einer verhältnifsmäfsig vortrefflichen Gesundheit zu erfreuen gehabt. Heuglin dagegen leidet oft durch Fieberanfälle, sowie an einem leichten Brustleiden, wie ich glaube, in Folge der Lungenentzündung, an der er in Wochni danieder lag. Doch habe ich volles Vertrauen zu unseren guten Constitutionen. Hier in der Maschera leiden wir, wie auch die Berberiner der Schiffs - Equipage, in Folge des fast untrinkbar schlechten Wassers. Dies ist jedoch erst in der Maschera selbst der Fall; denn das Wasser des eigentlichen Ghazal und

selbst noch zwischen dem Ambadj ist ganz gut.

Hoffentlich können

wir bald abreisen; denn seit zwei Stunden sind die Schiffe der Damen in Sicht.

Nachschrift. Morgen den 19. März gehen wir vorläufig zu den Lau. Der Dampfer der Damen geht dann nach Chartūm zurück, um noch Kupfer und Glasperlen, die nöthigen Handelsartikel für diese Gegenden, zu besorgen. Ein Holländer Baron d'Abelang wird ihn begleiten und wird diese Artikel in unsere Winterquartiere besorgen.

II b.

Herrn Dr. Steudner's Bericht.

nach Gondar ').

Reise von Adoa

Dec. 26, 1861 Januar 1862.

Nachdem wir nun von den in Adoa gewonnenen Bekannten Abschied genommen, verliefsen wir am 26. Dec. Nachmittags diesen freundlichen Ort, wo wir freilich viel Verdrufs gehabt hatten, um in nur 11⁄2 Stunden Entfernung unser Gepäck, welches schon um Mittag vorausgegangen war, einzuholen. Der erste Tag der Abreise von einem Ort, wo man mehrere Tage oder längere Zeit verweilt hat, ist stets sehr unangenehm wegen der Lastthiere. Die Gepäckstücke sind nicht gleichmässig genug dem Gewichte nach vertheilt; es zieht sich demnach das Gepäck auf einer Seite des Maulthiers abwärts; in Folge dessen wird das Thier einseitig gedrückt, und kann nur schlecht gehen, wird unruhig, schlägt hinten und vorn aus und wirft schliesslich das Gepäck entweder gänzlich ab, indem die Riemen, mit welchen dieses aufgeschnürt wird, platzen, oder das Gepäck rutscht ihm unter den Leib und das Thier stürzt. Selbst wenn derartige grössere Unannehmlichkeiten und Aufenthalte, die sich, selbstverständlich, gerade an den steilsten und unwegsamsten Stellen der Route ereignen, wo durch die Sprünge und unregelmässigen Tritte der Thiere das Gepäck natürlich am Leichtesten aus seiner Lage kommt und in Unordnung geräth, nicht vorkommen, so laufen doch die durch längere Ruhe gekräftigten und störrisch ge

') Dieser erste Abschnitt ist eine Ausführung des Th. XIII, S. 423 der N. F. dieser Zeitschrift mitgetheiltén kurzen und vorläufigen Berichtes.

wordenen Maulthiere, des Reihenmarsches entwöhnt, wild durch einander, durch Gestrüpp, Felder oder Felsblöcke oder wälzen sich mit der Last, wobei man ebenso sicher darauf rechnen kann, dass alles Zerbrechliche zerbrochen wird, als wenn ein Thier stürzt oder durch seine äusserst elastischen Körperkrümmungen die Packriemen zerplatzt und die Last von sich schleudert. Ist schon das Reisen mit vielem Gepäck und also mit vielen Maulthieren (auf den hiesigen Wegen trägt ein Maulthier auf längeren Märschen nur 70 bis höchstens 80 Pfd.) selbst unter den günstigsten Verhältnissen an und für sich höchst unangenehm, so ist jedesmal der Tag des Aufbruchs nach mehrtägiger Rast, trotz vieler ungemein komischer Scenen, doch dazu angethan, das Reisen gründlich zu verleiden. Die Störrigkeit, ja man möchte sagen, der Muthwille der Thiere, kennt dann keine Grenze. Am Tage des Aufbruchs thut daher der Reisende gut, nur 1 bis 2 Stunden weit zu marschiren, blos um den Zug wieder in Gang zu bringen; am zweiten Tage geht dann Alles gut; die Thiere sind wieder an ihre Last gewöhnt. Jetzt ist nur noch darauf zu sehen, dass täglich die Lasten der verschiedenen Thiere theils wegen des verschiedenen Gewichts, theils wegen der Form der Gepäckstücke gewechselt werden, um so das, bei einer längeren Reisc auf abessinischen Wegen jedenfalls unvermeidliche, Wunddrücken der Lastthiere möglichst lange zu verhüten. Es ist wirklich im höchsten Grade Mitleid erregend, die Thiere einer ruhenden Gafla zu sehen. Oft, ja beinahe in den meisten Fällen, haben diese geplagten Thiere kein Stückchen Haut auf ihrem Rücken und dennoch müssen sie ihre schwere Last, die sich mit jedem Schritte und Tritte auf der grofsen Wundfläche hin und her bewegt, täglich auf den schlechtesten Wegen weiter schleppen, bis sie darunter erliegen und eine Beute der Geier, Füchse und Hyänen werden.

Nachdem wir mehrere der kaum 2 Schritt breiten, fast im Kreise herumführenden, mit Knochen und Hörnern geschlachteter Thiere bestreuten Strafsen der Stadt passirt, die beiderseits von kahlen fensterlosen Mauern eingefasst sind, erreichten wir das Freie. Adoa's Häuser sind massiv gebaut (die Bausteine sind Thonschiefer, der bei der Stadt selbst gebrochen wird; diese werden bei dem Mangel an Kalk durch geknetete Erde zu Mauern verbunden) und haben meist flache, mit Erde und Steinen bedeckte Dächer; nur selten sieht man hier ein mit spitzkegelförmigem Grasdache gedecktes Gebäude. Jedes Haus hat seinen, mit einer Mauer zum Schutze gegen die Hyänen umgebenen Hofraum, worin die Hausthiere übernachten. Ueber die erdfahlen, kahlen Mauern dieser Gehöfte erheben sich fast überall die schön beblätterten, dunkeln Kronen der Aechi (Cordia abyssinica R. Br.) oder die dichten Büsche einer 15-20 Fufs hohen schlanken Grasart [(Donax?) Scham

buko in der Tigrē- und Amhara-Sprache], die ich leider weder hier, noch in Dembea in Blüthe oder Frucht finden konnte. Diese beiden Zierden der Pflanzenwelt, überragt von den kleinen, die Kirchen umgebenden, Hainen prachtvoller Oelbäume (Olea chrysophylla Lamk., Aule in der Prov. Tigre, Woira im Amharischen), schmücken die getrennten Häusergruppen der sich am linken Ufer des, 20-30 Fufs tief eingeschnittenen, Hassam hinziehenden Stadt, die sich nach S. und SO. an einen der niederen Hügel lehnt, dessen Rücken sie selbst noch mit baumumstandenen Häusern krönt. Wenn man zur Blüthezeit des Aechi (amh. Wansa) Adoa von fern her erblickt, so glaubt man ein grofses, zwischen überreich blühenden Obstgärten gelegenes Dorf aus dem Grün der fruchtbaren Thalebene des im tief eingeschnittenen Schieferbette dem Tákasé zufliefsenden Hassam, vor sich zu haben. Jede Cordia ist dann mit grofsen Rispen zarter weisser Blüthen buchstäblich bedeckt. —

Eine Stunde weit begleitete uns Dr. W. Schimper, dann rührenden Abschied nehmend: wohl glaubte er Keinen von uns mehr wiederzusehen. Auch wir schieden nicht ohne Rührung von dem würdigen Greise, der uns mit Gefälligkeiten überhäuft hatte. Jetzt seit fast 27 Jahren ununterbrochen in Habesch, verlebte er diese lange Zeit in Tigre und Semen ').

Detschazmatsch Ubie, den Fürsten von Semen und Statthalter oder vielmehr Vicekönig von ganz Tigrē, hatte er zum Freunde gewonnen und dieser dotirte ihn mit der Hälfte der Einkünfte der Districte Antitscho und Amba Sea und ernannte ihn zum Gouverneur derselben, wo er dann unter den günstigsten Verhältnissen lebte. Nur unter diesen Umständen war es ihm möglich, jene wirklich zahllosen Sammlungen von Thieren und Pflanzen zusammenzubringen, die er an den Efslinger Tausch-Verein, von welchem er zuerst vor fast 32 Jahren nach Algier, Aegypten, dem Sinai und der arabischen Küste, alsdann nach Habesch geschickt worden war, und später an das Musée de l'hist. nat. in Paris einsendete. Es waren weniger die Einkünfte von seinen Ortschaften, als vielmehr die stete Möglichkeit, Leute gegen Erlass der Frohnen etc. zur Verfügung zu haben, theils als Jäger oder Sammler oder zum Trocknen und Präpariren der gesammelten Gegenstände, theils nur als Träger. Wie Dr. Schimper mir selbst erzählte, hatte er gewöhnlich, d. h. während und kurz nach der Regenzeit, 25-30 Leute, die er mit Sammeln und Präpariren vertraut ge

1) Semen (oder der amharischen Schreibweise nach eigentlich Semien) bedeutet ,,Nord, kalt."

Ich gebe hier beiläufig die amharischen Namen der 8 Hauptstriche der Windrosen:

N.-Semen,

S. - Döbüb,

NO.-Asiab,
SW.-Maesa,

O.- Mesrak,
W.-Ma'erab,

SO. -Liba,
NO.-Bahr (Bachr).

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