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166 Neuere Literatur: B. Studer: Geschichte der phys. Geogr. der Schweiz.

gange der Naturwissenschaften überhaupt, und bei der mächtigen Einwirkung, welche das Studium der Hochgebirgsnatur auf den Fortschritt der Wissenschaft in zahlreichen Zweigen der Physik ausgeübt hat, mufste das vorliegende Werk einen breiteren Hintergrund und eine tiefere Perspective gewinnen, die uns in allen Epochen einen Einblick in die geistige Arbeit fast auf dem gesammten Gebiet der Naturwissenschaften eröffnet. Die aufserordentliche Klarheit, welche Studer's Arbeiten auch über ungleich schwierigere Probleme zu kaum erreichbaren Mustern macht, zeigt sich auch hier in der deutlichen Gliederung des umfassenden Materials, in der sichern Auswahl des Bezeichnenden, in der kurzen und präcisen Zusammenfassung der von den einzelnen Forschern gewonnenen Resultate. Für jede Epoche zeichnet er zunächst mit einigen kräftigen Strichen den allgemeinen Standpunkt der Naturwissenschaften, und hebt diejenigen Entdeckungen hervor, die auch auf die Vervollkommnung der die Schweiz betreffenden wissenschaftlichen Arbeiten einen belebenden Einfluss äussern mufsten; darauf macht er uns mit den gelehrten Kreisen bekannt, welche in den Brennpunkten des wissenschaftlichen Lebens der Schweiz, zu Basel, Bern und Zürich in der deutschen, zu Genf, Lausanne und Neuchatel in der französischen Schweiz thätig waren. Hierauf folgt ein genaueres Eingehen auf die Leistungen in den einzelnen Zweigen der geographischen und physischen Wissenschaften, eingeleitet durch sehr werthvolle Capitel über die ersten Anfänge und die Fortschritte chartographischer Darstellungen der Schweiz, denen sich in späterer Zeit ein Bericht über Reliefs, Panoramen und landschaftliche Bilder anschliefst, sodann folgen die Abschnitte über Höhenbestimmungen, über allgemeine und specielle Topographie, Meteorologie, Gletscherkunde, Geologie, Bergbau und Mineralogie, Botanik und Zoologie, eine sachliche, durch eine biographische Charakteristik unterstützte Würdigung der Leistungen, durch welche der Fortschritt dieser Wissenschaften von Schweizern und Ausländern gefördert worden ist. Ein sorgfältig gearbeitetes Register macht es möglich, in Betreff jedes einzelnen Problems sofort einen Ueberblick der Ansichten zu erhalten, welche bisher darüber geäufsert sind, und die älteren Schriften kennen zu lernen, in welchen dasselbe erörtert ist.

Indem wir diese tüchtige Arbeit unsern Lesern angelegentlichst empfehlen, heben wir aus ihrem reichen Inhalt eine Notiz hervor, welche dem gröfseren Publikum wohl eben so neu sein wird wie sie es uns war. Studer macht darauf aufmerksam, dafs die Plasticitäts - Theorie von Forbes bereits vor 90 Jahren in einem seiner Zeit vielgelesenen Werk aufgestellt ist, ohne damals in der gelehrten Welt irgend eine Beachtung zu finden. Der Genfer Bordier sagt in seiner Voyage pittoresque aux glacières de Savoye 1773: „au premier aspect des monts de glace une observation s'offrit à moi et elle me parut suffire à tout. C'est que la masse entière des glaces est liée ensemble et pèse l'une sur l'autre de haut en bas à la manière des fluides. Considérons donc l'assemblage des glaces non point comme une masse entièrement dure et immobile, mais comme un amas de matière coagulée, ou comme de la cire amollie, flexible et ductile jusqu'à un certain point: supposons ensuite que les sommités du Montblanc, point le plus élevé des environs, se soient trouvées couvertes de glace et voyons ce qui aura dû en résulter." Der überstrahlende Glanz Saussure's stellte diese Hypothese in den Schatten und hinderte ihre weitere Prüfung: man hielt an der Ansicht fest, dass

die Gletscher als ein Ganzes in compacter Masse auf geneigter Fläche fortglitten, und schenkte der Meinung keine Beachtung, dafs ihre Bewegung auch in der Verschiebbarkeit der einzelnen Theile ihren Grund haben könne.

-n.

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin

vom 4. Juli 1863.

Herr Barth, als Vorsitzender, legte die eingegangenen Geschenke vor und besprach in Kürze deren Inhalt.

Herr Dr. Juan José Lopez aus Buenos Ayres, als Gast anwesend, hielt einen Vortrag über die argentinischen Länder, die er auf Grund ihres Reichthums an Mineralien, Vegetabilien und Thieren als ein würdiges Ziel deutscher Auswanderung mit Nachdruck empfiehlt.

Herr Barth gab noch einen nachträglichen Bericht über des Herrn v. d. Decken zu Ende November v. J. unternommene Besteigung des Kilimandjaro. Bis zu einer Höhe von 8000 Fufs war das Gebirge mit einer reichen Vegetation bekleidet, dann folgte bis circa 9500 Fufs eine reiche Farrnregion und höher hinauf Knieholz; bei 11,000 bis 12,500 Fufs zeigten sich beschneite Stellen. In 13,000 Fufs Höhe mufste leider Halt gemacht werden, da die Begleiter des Reisenden von der Dünne der Luft zu sehr belästigt und zum Weitergehen völlig unfähig wurden; aufserdem verhinderten in dieser Höhe dicker Nebel und feiner Regen die gehoffte Aussicht. Es ist nun Plan des Reisenden, im nächsten Jahre die Flüsse nordwärts des Aequators mit einem kleinen Dampfschiffe zu untersuchen und so die Gebirgsscheide zwischen dem Becken des Nil und demjenigen der dem Indischen Ocean zufliefsenden Ströme zu erforschen.

Hierauf machte Herr Barth einige Mittheilungen aus dem 334 Octavseiten umfassenden Bericht des Dr. Steudner über dessen Reise durch Abyssinien, auf dem Bahr el Abiad und den Bahr el Ghazal hinauf bis zum Seebecken des Djūr unter 8° 45′ N. Br. Die Mündung des Bahr el Ghazal, des westlichen Quellarmes, in den Bahr el Abiad, erreichten die Reisenden am 5. Februar 1863. Der erstgenannte Flufs ist dunkelfarbig aber klar, während der letztere von Schilf umsäumt und mit schwimmenden Wasserpflanzen in grofsen Massen erfüllt ist. Der Bahr el Ghazal, heifst es in dem Bericht, ist fast nichts als ein weiter uferloser Sumpf, der mit Schilf erfüllt ist und nur einige Bewegung durch den Djūr erhält. Die Reisenden, Dr. Steudner und Baron v. Heuglin, gedenken von jenem Punkte weiter in das Binnenland vorzudringen, namentlich auch zu den berühmten Kupferminen Hofra e' Nahās, die das ganze östliche Nigritien mit diesem gesuchten Metalle versorgen.

Herr Schweinfurth las einen Bericht über seinen Aufenthalt in Sardinien, wobei er einmal das historische Interesse der Insel, welche in ihren verschiedenen Bauwerken gleichsam eine Rundschau der Geschichte gewährt, her

vorhob, dann aber vorzüglich die Fruchtbarkeit und den Pflanzenreichthum der selben beleuchtete, in Folge dessen sie nicht allein eine Kornkammer für Italien ist, sondern auch eine bessere Gelegenheit, die Flora mediterranea zu studiren darbietet, als irgend eine andere Küstengegend des Mittelmeeres. Mit Beziehung auf den letzgenannten Zweck verspricht sich der Vortragende viel von den Herren Ascherson und Reinhard aus Berlin, welche in diesem Sommer eine Reise nach Sardinien angetreten und ihren Aufenthalt daselbst genommen haben. Dieser Vortrag wurde des Schlusses der Sitzung wegen abgebrochen und seine Fortsetzung auf die folgende Sitzung im August angesagt.

An Geschenken gingen ein:

1) Tableaux de population, de culture, de commerce et de navigation des Colonies Françaises pour l'année 1860. Paris 1863. 2) Vivien de SaintMartin, Le Nord de l'Afrique dans l'antiquité grecque et romaine. Paris 1863. 3) Beke, Who discovered the Sources of the Nile? A Letter to Sir Roderik J. Murchison. London 1863. 4) Beiträge zur Statistik der freien Stadt Frankfurt. Bd. I. Heft 5. Frankfurt a. M. 1863. 5) Althaus, Zusammenstellung der statistischen Ergebnisse des Bergwerks-, Hütten- und Salinenbetriebes in dem preussischen Staate während der 10 Jahre von 1852-61. Berlin 1863. 6) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. Bd. XIV. Heft 6. Berlin 1863. - 7) Petermann's Mittheilungen. 1863. Heft VI. Gotha. 8) Revue maritime et coloniale. T. VIII. Juin. Paris 1863. 9) Bulletin de la Société de Géographie. V. Sér. T. V. Avril et Mai. Paris 1863. 10) General - Register der ersten 10 Bände des Jahrbuches der K. K. geologischen Reichsanstalt, herausgegeben von A. F. Grafen Marschall von Burgholzhausen. Wien 1863. 11) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem Preufsischen Staate. Bd. XI. Lief. 1. Berlin 1863. - 12) Preussisches Handelsarchiv. 1863. No. 23-26.

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V.

Aelteste Geschichte der Entdeckung und Erforschung des Golfs von Mexico und der ihn umgebenden Küsten durch die Spanier von 1492 bis 1543.

Von J. G. Kohl.
(Schlufs.)

13. Unternehmungen des Pamfilo de Narvaes und seiner Offiziere zu den nördlichen Küsten des Golfs von Mexico. 1527-1536.

Als der Ruhm des Cortes und seines Neuen Spaniens", sagt Herrera '), so grofs und weit verbreitet wurde, da erwachte die Eifersucht und Unternehmungslust aller vornehmsten und selbst der ältesten Capitäne und Pflanzer von Indien. Sie alle verlangten nun auch etwas Grofses zu vollbringen." Sie trachteten, wie Cortes, nach dem Nordwesten. Und so erinnerte sich denn zunächst auch Ponce de Leon seiner früheren Thaten, Ansprüche und Rechte in jenen Gebieten. Nach seiner ersten oben von mir geschilderten Fahrt nach Florida im Jahre 1513 war er nach Spanien gegangen, wo ihm der König den Titel eines Adelantado de la isla de Bimini y la Florida“ und dazu das Gouvernement jener Provinzen mit der Erlaubnifs, dieselben zu erobern und zu colonisiren gegeben hatte.

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Ponce war indefs in den folgenden Jahren mit zunächst nothwendigeren Unternehmungen gegen die unruhigen und räuberischen Bewohner der Caribischen Inseln beschäftigt gewesen und lebte darnach eine Zeitlang müssig auf Puerto Rico. Im J. 1521 fing er

plötzlich wieder an zu waffnen, um von seinem Titel und seiner Commission in Florida Gebrauch zu machen. Er rüstete mit dem Reste seines Vermögens zwei Schiffe aus, landete mit ihnen auf der West

1) S. Herrera 1. c. Dec. III. Lib. I. cap. XIV.

küste von Florida, wir wissen nicht in welchem Hafen, war aber in einem blutigen Gefechte mit den wilden Eingebornen sehr unglücklich. Die Mehrzahl seiner Leute fiel bei dieser Gelegenheit und er selbst, zum Tode verwundet, flüchtete nach Cuba hinüber, wo er bald darauf starb. Das Gouvernement von Florida und der Titel „Adelantado von Bimini und Florida" wurde zwar seinem Sohne Don Luis Ponce de Leon gegeben, der indefs der abentheuerlichen Carriere seines Vaters nicht folgte und keine weiteren Entdeckungen machte ').

Da aber so wie er auch der Sohn, welchen Garay in Mexico hinterlassen hatte, nichts für den Norden unternahm und da auch die Aufmerksamkeit des Cortes von jenen Gegenden nach Süden und Westen abgezogen wurde, so lag das Feld der nördlichen Entdeckungen eine Zeitlang brach, bis ein anderer Mann den Faden wieder aufnahm. Diefs war der von mir bereits erwähnte Pamfilo de Narvaes, dessen Name schon seit lange mit der Entdeckung und Eroberung der GolfLänder verknüpft war. Er war, wie ich sagte, mit Velasquez 1511 nach Cuba hinübergekommen, und hatte mit diesem seinem Chef die nordwestliche Partie der Insel erobert, indem er längs der ganzen dortigen Küste des Golfs bis zum Cap San Antonio marschirte. Später (im J. 1520) hatte er als Oberbefehlshaber im Auftrage des Velasguez eine Armada von 18 Schiffen und eine Armee von 1000 Mann von Cuba nach Vera Cruz über den Golf geführt, um den Cortes zu bekriegen und zum Gehorsam zu zwingen. Es war die gröfste Flotte, die bis dahin noch in den Mexicanischen Gewässern erschienen war. Es ist ziemlich allgemein bekannt, wie wenig ruhmvoll dieses aus Neid und Zwietracht entsprungene Unternehmen war, und wie entschieden Cortes mit seiner Hand voll Leute die zahlreichen ihm nachgesandten Häscher aus dem Felde schlug. Narvaes wurde ein Gefangener des Cortes, von diesem aber nach einiger Zeit auf Garay's Bitte auf freien Fufs gesetzt und nach Cuba und Spanien entlassen. Hier bot Narvaes, der durch seine Frau ein wohlhabender Mann geworden war, der Regierung seine Dienste an für die Fortsetzung der Entdeckungen und Eroberungen im Norden des Golfs, dessen südliche Theile er hinreichend kennen gelernt hatte.

Nach mancherlei Aufschub und Unterhandlungen gelang es ihm endlich im J. 1526 ein assiento (Traktat) abzuschliefsen, vermöge dessen er ermächtigt wurde, eine Flotte und Armee zu versammeln, „und mit derselben zu erobern, pacificiren und colonisiren alle nördlichen Länder vom Rio de las Palmas an der Gränze von Neu-Spanien

1) S. über dies Alles: Herrera Dec. III. Lib. I. cap. XIV und Barcia, Ens. Chronol. p. 5.

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