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man bei den geringsten Streitigkeiten. Beim Tode des Kaisers", Theodros y mut, ist eine andere Eidform, die der Abessinier stets im Munde hat und bei der geringsten Betheuerung hinzusetzt. -

[Indem wir hier diesen so inhaltreichen und lebensvollen Bericht des Herrn Dr. Hermann Steudner vorläufig abbrechen müssen, haben wir leider zugleich ihn als das Schwanenlied des Reisenden zu bezeichnen, der weniger als einen Monat nach Vollendung desselben, am 10. April d. J. im Lande der Wau, westlich von der Maschera der Rek, einem Fieber-Anfall erlag und so als vielseitig befähigter Reisende die wohlbegründeten Erwartungen der Wissenschaft, als einziges Kind die Hoffnungen einer verwittweten, nun trostlosen, Mutter unerfüllt liefs.] H. B.

III.

Briefliche Mittheilung von Dr. Kersten über seine Besteigung des Kilimandjāro in der Gesellschaft des Herrn von der Decken.

Verehrter Herr Dr. Barth!

Im Januar zeigte ich Ihnen von Zanzibar aus kurz unsere Rückkunft von der Dschaggareise an [nicht erhalten]; es war mir damals nicht möglich, ausführlicher zu sein, weil sehr viel Material vorlag, das in kurzer Zeit, wenigstens theilweis, verarbeitet werden sollte. Ein längeres Unwohlsein verzögerte allerdings die Vollendung der Rechnungen bedeutend, allein es gelang doch, die Absendung der Karte zu ermöglichen und der Angaben, die Ihnen der Hr. Baron zugesandt hat. Die Karte, welcher der Herr Baron die Zeichnung des Herrn Thornton zu Grunde legte, wurde aus den Resultaten unserer jetzigen und der vorigen Reise zusammengestellt. Bei dieser Reise sind die Längen mittels zweier Chronometer genommen, und alle Observationen der Gestirne vermittels des Theodolithen gemacht, und zwar zumeist an Sternen. Bei der kleinen Karte, die der Hr. v. d. D. hauptsächlich als Uebersicht der letzten Reise entwarf, ist zu bemerken, dass das Netz derselben mit Länge und Breite nach dem wahren Meridian gerichtet ist, die Lage der Gebirge aber nach magnetischem Meridian. Es wird dies bei unserer östlichen Abweichung von 10° und bei dem kleinen Mafsstabe der Karte nicht viel ausmachen; überdies soll sie ja nur als Orientirungsmittel einstweilen dienen; der Herr

Baron hatte keine Zeit mehr, die Sache zu corrigiren. [Die Karte ist leider bis heute, Ende Juli, noch nicht eingetroffen.]

Jetzt, in Mahé oder vielmehr in Port Victoria, auf der Insel Mahé, der Hauptstadt der Seychellen, habe ich am letzten Tage vor der Abreise nach Réunion noch genügend Zeit, Ihnen, verehrter Herr, wenigstens eine Kleinigkeit über die Kilimandjāro-besteigung zu schreiben. Dals wir [vorläufig] hierher und nach Madagascar gehen würden, hat Ihnen der Herr Baron schon geschrieben; ich glaube, es wird dies Hrn. Professor Ehrenberg interessant sein, wenigstens sprach er mit grofsem Interesse von Madagascar, als ich noch in Berlin war. Ich werde ihm, während ich ihm jetzt nur Weniges schreiben kann, hoffentlich nach glücklicher Beendigung dieser Reise mehr berichten können. Ich erlaube mir jetzt auf den Kilimandjāro zurückzukommen: Donnerstag den 27. November 1862 waren die Verhandlungen in Moschi, unserer zweiten Dschaggastation [Mossi d. Hrn. v. d. Decken, Th. XIV S. 349 d. Z. S.] endlich so weit gediehen, dafs uns die Erlaubnifs zur Besteigung gegeben wurde; die Führer waren da, und der Sultan bat uns, so bald als möglich und in der Nacht aufzubrechen, damit Niemand etwas merke. Er glaubte nämlich, dafs die anderen Dschaggareiche Feindseligkeiten gegen ihn beginnen würden, wenn sie erführen, dafs er die Besteigung erlaubte, die sie doch nicht erlaubt hatten. Deshalb brachen wir nach eingetretener Dunkelheit desselben Tages noch auf. Uns begleiteten einige junge Leute des Elephantenjägers Misuskuma aus Wanga, der schon früher in ein freundschaftliches Verhältnifs zu uns getreten und von Baramu bis zum See mit uns gereist war. Hier, wo er jährlich einige Monate verweilte, hatten wir unser Lager neben dem seinigen aufgeschlagen. Man hatte erzählt, dafs viel Elephanten auf dem Berge wären; bis jetzt aber hatte Misuskuma nur wenig Zähne erlangt, und so bat er den Hrn. Baron, ihm das Mitsenden einiger Leute zu gestatten. - Es wurde Theilung der zu erbeutenden Zähne ausgemacht.

Voran gingen die beiden Führer, seltsam in Americano eingewickelt, der ihnen zum Schutze gegen die Kälte gegeben worden war, und ihnen schlossen sich die Elephantenjäger und unsere Träger an, sowie einer der Zugführer unserer Caravane. Aufser dem Kochgeschirr, Holz und Lebensmitteln für fünf Tage wurden noch einige Gewehre mitgenommen, der Theodolith mit Gestell, Barometer, Fernrohr, Zelt, warme Kleider und sonst noch einige unentbehrliche Kleinigkeiten Der Mond leuchtete uns hell, und von ihm borgten die leuchtenden Gewänder der Führer ihren Glanz. Wir gingen etwa 3 Stunden stark bergauf, an recht hübschen, landschaftlichen Parthieen vorbei. Als wir die letzten Bananenpflanzungen passirt hatten, kamen wir an die gro

fsen Wallgräben, welche jedes Djaggaland umziehen. Anfangs schienen sie unpassirbar; aber nach einigem Zögern brachten uns die in ibren weissen Gewändern leuchtenden Führer auf einem Geheimwege hindurch und in's freie Land, wo Jeder sich selbst beherrscht (oder auch nicht!); denn jenseits der Wallgräben hört der Schutz des Staates auf. Wir waren also nun oberhalb des Bereiches der Länder der lügnerischen, geschwätzigen Menschenrasse, deren Elendigkeit und Habsucht dem Unternehmen schon oft feindlich gegenübergetreten war; wir waren höchlich froh, dass die Erreichung unseres Zweckes jetzt fast nur noch von Himmelsgunst abhing. Auf einem freien Grasplatze machten wir Halt und genossen unsern Thee mit einem Imbifs. Es wurde merklich kühl; wir liefsen Gummidecken über den vom Thau benetzten Boden breiten, nahmen Gewehre und andere dergleichen empfindliche Gegenstände darunter und schliefen prächtig unter warmen Pferdedecken, bis uns die Helligkeit des andern Morgens weckte. Wir befanden uns nach der Barometerbeobachtung auf etwa 6000 Fufs Höhe, während unser Hauptlager zu Moschi ca. 4500 Fufs Meereshöhe hat.

Freitag, 28. November. Der Aufbruch geschah sehr zeitig. Wir stiegen fast ununterbrochen, und die etwas erfrorenen Glieder wurden bald wieder warm. Nur selten ging der Weg ein wenig bergab. Zuerst kamen wir durch Gehölz mit steifblättrigen Farren, dann durch Wald und über eine schöne Wiesenfläche (hübsche Insekten und Knabenkraut); gegen Mittag machten wir Halt an einem Felsen, an dessen Fufs ein klares Wasser rann. Es wurde gekocht, da wir Alle hungrig und etwas müde waren; ich las das Barometer ab und maafs die Temperatur des Bodens, der Luft und des Wassers. Vor uns war eine eigenthümliche Gruppe hoher krautartiger Pflanzen, die tanzenden Kobolden sehr ähnlich erschien. Als wir aufbrachen, gewahrten wir vor uns und seitwärts dicken Rauch; er rührte von einer wandernden Familie her, die das Gras abbrannte; bei unserer Annäherung ergriffen sie die Flucht. Bis nach 4 Uhr marschirten wir und lagerten uns dann. Einmal hatten wir heute einen hübschen Blick auf den See Jipe gehabt, der etwa drei Tagemärsche von hier liegt; auch die Küstenberge glaubten wir wiederzuerkennen. Sogleich nach dem Halte nahm ich Winkel der verschiedenen Kuppen der zwei Kilimandjärogipfel, und das Azimuth der Sonne mit dem Theodolith; als ich bei Sonnenuntergang mit meiner Arbeit aufhörte, waren mir Finger und Zehen ganz erstarrt, der warme Thee aber und mein Lager machten mirs bald wieder behaglich. Ich schlief in nordeuropäischer Winterkleidung unter wollener und Gummi-decke und war so vor Kälte und dem sehr starken Thau geschützt.

Sonnabend, 29. Novbr. Wir brachen zeitig auf und gingen bis

gegen 9 Uhr; dann liefsen wir die Führer und die entbehrlichen Leute zurück, zumal das Holz schon sehr spärlich war. Nur etwas Knieholz, ganz trocken und ohne Spur von Blatt und Trieb, kroch am Boden hin. Die Leute sollten uns hier erwarten, sich wärmen und ihr Essen kochen. Der Herr Baron und ich gingen mit den zum Tragen des Barometer's, Theodolithen etc. nöthigen Leuten nach dem runden Westgipfel zu, weil dieser uns näher lag und der Schnee hier tiefer herabging. Wir passirten Steinwälle, die nach unten liefen, und fanden auch einen versteinerten Knochen. Das Steigen wurde ziemlich beschwerlich, man musste öfters einmal stehen bleiben. Anamuri, einer unserer Hausleute, wurde ziemlich unwohl. Es flogen eilige Nebel von Osten vorüber, wie denn auch überhaupt der Berg sich stets, so lange ich ihn beobachtete, von Osten her eingewickelt hatte (auf dem Westgipfel, auf der Nordwestseite, liegt auch der meiste Schnee, im Schutze vor den warmen Küstenwinden; der Schnee auf dem Ostgipfel, der in der Frühe oft die ganze Kuppe bedeckt, ist stets nach einigen Stunden in der unteren Parthie weggeschmolzen; nur oben bleibt ein constanter Rest.) Die Sonne blickte kaum einmal durch eine dünnere Wolke, und es war, als wir Kamm nach Kamm erstiegen hatten, immer noch keine Aussicht zum Gipfel selbst zu bekommen: immer neue Bergrücken und Thäler erschienen, und die Zeit der Umkehr rückte näher. Ein Bleiben über Nacht war wegen des Zustandes der Leute und des Mangels an Wasser und Holz nicht thunlich, zumal auch dann die Provisionen knapp geworden wären. Wir Europäer allein hätten es schon durchgesetzt, wenigstens den Schnee zu erreichen; allein die ungenügend gekleideten und der Kälte ungewohnten Schwarzen hätten leicht darauf gehen können, und dies zu riskiren schien das zu hoffende Resultat nicht genügend genug zu sein. Was hätte es der Wissenschaft genützt, wenn man einem ungläubigen Geographen eine Flasche wenigstens geschmolzenen Schnees mitgebracht hätte? Es hätte dies nicht einmal den Mann selbst belehrt, der nicht glaubt, dafs in Ostafrika auf einem hohen Berge ebenso gut Schnee sein kann, als in Südamerika; er wird uns das tägliche Abschmelzen des Schnees nicht glauben und die nächtliche Zunahme des Schnees, besonders auffallend bei Regenwetter im Thale; er wird die Photographien für falsch halten, die ihm zeigen, dafs der Schnee der Berge weit heller ist, als selbst der glänzende Tropenhimmel, das Hellste, was sonst in der Landschaft existirt. Einer vorgefassten Meinung opfert man ja gern seinen Verstand! ')

1) Die Grenze der Schneelinie hier zu messen wäre, wenn die Umstände es irgend erlaubt hätten, ein für die Wissenschaft immer gewifs höchst schätzbares Resultat ge

Wir warteten noch eine Weile; es wurde mühsam ein glimmendes Feuer mit zarten Haidekräutern unterhalten, dabei der Siedepunkt des Wassers bestimmt, dann Temperaturen genommen und das Barometer abgelesen; Observation der Sonne war unmöglich. Darauf wurde eingepackt und bei immer dichterem Nebel umgekehrt. Unsere Höhe war 13,000 par. Fufs. Der Hr. B. sammelte Steine, ich wenige Steine oder Pflanzen, die sich gerade darboten. Einmal verloren wir den alten Weg; jedoch bald darauf fanden wir die zurückgelassenen Leute wieder, die all ihr Wasser ausgetrunken hatten. Wir wärmten uns durch eine gute Bouillontafelsuppe und gingen darauf bis zu unserem vorigen Nachtlager zurück. Der Nebel artete in Regen aus; die Leute suchten sich trockne Höhlen unter den abwärts laufenden Felswänden, oder machten sich ein leichtes Regendach oder ein Hüttchen zurecht. An eine Observation war nicht zu denken. Es wurde ein kleines Zelt aufgeschlagen und Gräben darum gezogen. Ich nahm eine Probe von der schwarzen Moorerde hier mit. Das Zelt tropfte etwas, doch genossen wir eine leidliche Nacht. Bei solchem Regenwetter und ebenfalls bei starker Sonnenhitze fühlt man die Wahrheit des Wortes: die schlechteste Hütte ist besser als das beste Zelt.

Sonntag, 30. November 1862. Sehr früh weckte mich Anamuri, wie ich es ihm für den Fall hellen Himmels aufgetragen hatte, und ich beobachtete zähneklappernd Höhen von Jupiter und Sirius, sowie Azimuthe der Sonne und der Kilimandjārogipfel, und deren Höhen von zwei verschiedenen Standpunkten; der Herr Baron mass die Entfernungen zwischen denselben, und wir waren der Observationen sehr vergnügt.

Aufbruch nach 7 Uhr. Als wir unsern Mittagskochplatz vom Freitag erreichten, waren wir schon längst wieder warm und ziemlich trocken. Wir hatten bisher schon mehrmals Gelegenheit, uns von der schlechten Wegekenntnifs der Führer zu überzeugen; jetzt kam auch noch absichtliche Täuschung dazu, und so wurde ein grofser Umweg fertig, der uns noch eine Nacht unterwegs eintrug. Sie gaben vor, einen näheren und besseren Weg, als unseren vorigen guten, zu wissen; und obschon uns dies nicht einleuchtete, so folgten wir doch, durch ihre Betheuerungen bewogen. Ihre Absicht aber war, nach einigen entfernten Bienenstöcken zu sehen. Erst in der Höhe von etwa 6000 7000 Fufs gewannen des Herrn Barons Zweifel an der rechten Wegrichtung das Uebergewicht über das unverschämte Leugnen der Führer; er befahl Umkehr,

wesen.

Jedenfalls erkennt der unparteiische Beobachter, dafs das Quantum wirklich ewigen Schnee's auf diesem so merkwürdig interessanten Berge des Equatorialen Afrika ein bezüglich sehr geringes ist und dafs von irgend welcher Art von Firnbildung, allem Anschein nach, hier nicht die Rede sein kann. H. B.

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. XV.

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