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verschwunden ist, obzwar jeder Tag sie ihrem nicht mehr fernen Ende näher bringt.

Werfen wir einen Blick auf das Antillenmeer. Eine Reihe reicher, blühender Inseln den an einer Schnur aneinandergereihten Perlen vergleichbar zieht sich von dem Mündungsgebiete des Orinoco in kühnem Bogen gegen Nord und weiter hin gegen West, bis sie sich durch die Lucayen einerseits an Florida, durch Cuba anderseits an Yucatan anschliessen. Sie sind seit vielen Jahrhunderten der Schauplatz einer überaus wechselvollen, wenngleich mehr an düsteren Bildern als an Lichtblicken reichen Geschichte.

Lange Jahre vor der Entdeckung durch die Spanier waren die meisten der Antillen von einem Zweige des grossen Mayavolkes, den friedlichen Cibuncys bewohnt. Die Culturentwicklung dieses Volkes war keine bedeutende und erreichte nicht die Höhe, wie bei ihren Stammverwandten in Mittelamerika. Da erschienen auf den Inseln plötzlich die wilden kriegerischen Cariben (Caraiben, von den Franzosen Galibi genannt) die wahren Normannen des Antillenmeeres vom Festlande von Südamerika, wo sie bis dahin in dem Streifen zwischen der Mündung des Magdalenenstromes und des Amazonas ansässig waren, eroberten durch eine höchst verwegene, meist in kühnen Ueberfällen bestehende Kriegführung der Reihe nach die kleineren Inseln, rotteten dort die ganze männliche Bevölkerung aus und erschienen auch auf den grossen Antillen, wo sie einen grossen Theil von Haïti (Espanola) und einen Theil von Cuba besetzten. Zur Zeit der Entdeckung Amerikas durch Columbus standen sie so ziemlich am Gipfelpunkt ihrer Macht; ihr Hauptsitz war die Insel Guadeloupe (von ihnen Kalonkuera oder Queraqueira genannt), wo sie auch nach deren Entdeckung durch Columbus (4. November 1493) länger als ein Jahrhundert fast ungestört lebten. Auf den anderen Inseln wurden sie schon früher durch die in der Geschichte selten vorkommenden Beispiele von Grausamkeit der Conquistadoren in kurzer Zeit völlig ausgerottet. Heute dürfte kaum mehr ein Caribe reinen Blutes auf den Antillen leben; wir finden aber noch mehrere Tausende derselben auf dem Festlande von Südamerika, namentlich in Venezuela und in einzelnen kleinen Trupps aufgelöst in BritischGuyana. Bei diesen herrscht die Sage, dass sie von den Inseln

eingewandert wären, was Humboldt und nach ihm die Späteren zu der Annahme veranlasste, dass die Cariben ursprünglich gar keine Aboriginen Südamerikas wären, sondern von Nordamerika aus erst über die Inseln nach Südamerika gekommen sein sollen. Diese Sage reducirt sich aber darauf, dass manche der auf den Inseln von den Spaniern hart bedrückten Caribenstämme ihre Rückwanderung nach dem Festlande antraten, und diese letzte grosse Wanderung hat sich bei ihnen noch in der Form jener Tradition erhalten.

Von den friedlichen Ureinwohnern Cubas und der Lucayen erwähnt Columbus, dass sich dieselben nur hölzerner Schwerter und Wurfspiesse bedienten, deren hölzerne Spitzen sie am Feuer härteten. Nur zum Aushöhlen der Baumstämme für ihre oft ausserordentlich langen und schmalen Kähne gebrauchten sie steinere Axte. Nur die Eingebornen der Insel Puerto Rico sollen eine Art Steinbeil, „macana" genannt, besessen haben. Dagegen waren bei den kriegerischen und durch ihren Cannibalismus berüchtigten Cariben steinere Beile und Aexte vielfach im Gebrauche, und von ihnen stammen auch die auf Tafel I abgebildeten Steingeräthe.

Vor Allem ist da zu erwähnen ein grosses, schönes Steinbeil mit Holzstiel (Fig. 1) aus dunkelgrauem Andesit. Dasselbe war ursprünglich polirt, ist aber jetzt durch Verwitterung an der Oberfläche etwas rauh.

Die Schneide ist fast gerade, an beiden Enden abgerundet, und ziemlich scharf; das ganze Beil ist wie alle ähnlichen Stücke dünn im Fleische und verdickt sich nur etwas gegen das hintere, zugespitzte Ende, welches in den Holzstiel eingelassen ist. Die Art und Weise der Befestigung ist höchst originell; der Verfertiger machte nämlich in einen jungen Baum einen tiefen Einschnitt, steckte das Beil hinein und liess den Einschnitt verwachsen, so dass um das Beil zwei hervorragende Wülste entstanden sind, wodurch dasselbe fest in dem Holzstiele steckt.

Das nächste Stück (Fig. 2) ist ein grosses Beil aus grauem, oberflächlich etwas verwittertem Andesit; die obere Hälfte ist oval geformt, die untere mehr rechteckig; die Schneide ist fast kreisförmig. Gegen das Rückenende zu zeigt sich jene flache, für die altamerikanischen Steinbeile so charakteristische Einschnürung, welche sich aber hier nur auf die beiden breiten

Seitenflächen beschränkt; dieselbe diente zum Einklemmen in einen Holzstiel. Von dem unteren Theile ist ein Stückchen abgeschlagen.

Die beiden folgenden Stücke (Fig. 3 und 4) schliessen sich an das vorige an, sind jedoch bedeutend kleiner, schärfer gezeichnet und die Einschnürung nimmt auch wesentlichen Einfluss auf die Form. Beide bestehen aus Andesit, der oberflächlich verwittert ist.

Die Form der zuletzt beschriebenen drei Stücke mit der mehr oder weniger deutlichen Einschnürung zum Einklemmen in einen Holzstiel findet sich über ganz Amerika verbreitet. Am bekanntesten sind diese Beile aus dem nördlichen Amerika, wo ähnliche Stücke, entweder polirt, aber auch nur ganz roh zugeschlagen, vielfach aufgefunden wurden, namentlich aus den vorgeschichtlichen Kupferminen am oberen Michigansee und in anderen Gegenden. Abbott beschreibt solche aus New-Jersey als "grooved stone axes", und bildet elf Stücke, welche freilich viel plumper in ihrer Form sind, als unsere, in Fig. 11-21 seines Aufsatzes: Stone age in New-Jersey (Smithsonian Report 1875), ab. In Südamerika finden sich ähnliche Formen auch in Uruguay. Solche sind beschrieben und abgebildet in einer kleinen Schrift von Florentino Ameghino: Noticias sobre antigüedades indias de la Banda Oriental; (s. lámina III), nur scheinen die hier photographisch reproducirten Stücke nicht polirt zu sein.

Auffallend dagegen ist die Uebereinstimmung der Form dieser Beile mit der von einigen in Europa aufgefundenen Stücken. So beschreibt Freiherr von Andrian in seinen „prähistorischen Studien aus Sicilien" auf p. 71 (Abbildung auf Taf. I, Fig. 3) eine Steinaxt von Catania, die sich durch gar nichts von den bekannten amerikanischen Formen unterscheidet; eine zweite ähnliche Steinaxt von Catania soll sich im Universitätsmuseum zu Palermo befinden. Ein ähnliches Beil stammt aus Norddeutschland, aus der Gegend von Angermünde. Dasselbe besteht aus Granit, ist anscheinend polirt und befindet sich derzeit im märkischen Provinzialmuseum (s. Sitzungsber. der Berliner Ges. für Anthropol., Ethnologie und Urgeschichte, vom 17. Juli 1875). Endlich sah der Verfasser auf der Pariser Weltausstellung 1878 in der Exposition historique du Trocadéro unter den aus Schweden

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