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denn es ist sehr begreiflich, dass sich Äschinus zunächst im Hause versteckt hielt, um zu sehen, welchen Lärm die Entführung hervorrufen werde, die ja nicht ohne Aufsehen vonstatten gegangen war, da sie ja dem Demea sofort erzählt wurde, als er in der Frühe in die Stadt kam1). Vielleicht stand an der Spitze der Scene II. 2 eine kurze, zwischen Äschinus und Syrus getauschte Bemerkung, die darauf Bezug hatte 2). Jedenfalls verschwindet hiebei der Anstoß, dass II. 1 und I. 2 dasselbe bringen, auch bei Menander vollständig.

Ich glaube aber, dass sich gerade bei obiger Annahme das Urtheil Varros über das principium fabulae leichter erklären lässt, ohne dass man anzunehmen genöthigt wäre, dass sich diese Äußerung lediglich auf Stil und Diction bezogen habe, wie dies Fabia zuletzt that, oder ausschließlich wegen dieser Bemerkung zu Änderungen am Anfang greifen müsste, wie dies von Fielitz und Nencini geschah. Dem Varro gefiel es eben besser), dass bei Terenz einerseits Demea gleich stärker als Polterer eingeführt wurde), indem er den

1) Dass in der Ökonomie des Stückes nicht alles bis auf das Genaueste klappte, ist nicht so sehr zu verwundern, da sich ja auch anderwärts derlei Verstöße finden. So wird, wie schon erwähnt, Canthara V. 354 um die obstetrix geschickt, ohne dass wir weiter von ihrer Rückkunft etwas erfahren. Beide müssen aber vor III. 4 (V. 447 f.) schon wieder im Hause sein, da Pamphila in dieser Scene niederkommt. Das Publicum musste also auch von diesen voraussetzen, dass sie durch das post. ins Haus gegangen seien. Ebenso geht im Phormio Demipho nach V. 314 in sein Haus, muss aber dann in der Zeit zwischen II. und III. nach dem Forum gegangen sein, wie er schon früher angekündigt hatte. Ähnliche Beispiele aus der Asin., den Bacch. und dem Poen. des Plaut. bringt Fielitz a. O. S. 676, A. 1. Dass der sonst schneidige Äschinus in diesem Falle zur Heimlichkeit griff, ist nicht so sehr zu verwundern, wenn man bedenkt, dass es dem Micio gegenüber, seinem Ziehvater, geschieht, den er schon längst von seinem Verhältnis zur Pamphila hätte unterrichten sollen (vgl. V. 630 f.).

*) Dies schließt nicht unbedingt aus, dass bei Men. Äschinus mit dem Mädchen nach I. 2. rasch ins Haus schlüpfte, worauf der leno erschien und seinen Monolog hielt (vgl. Regel, a. O. S. 8 ff.); dem Terenz war es aber darum zu thun, Ä. und den leno in einer Scene zu vereinigen, und deshalb nahm er den Ersatz vor.

*) Dziatzko Ad. Einl. S. 10 meint mit Ihne, dass Varro bei seinem Urtheile über den Anfang der Adelphoe an keine größere Verschiedenheit der Ökonomie gedacht habe. Dies scheint ein Verzicht darauf zu sein, eine Erklärung aufzustellen, die doch auch möglich wäre. Denn es darf nicht als ausgeschlossen gelten, dass sich Varros Urtheil lediglich auf den Prolog gründete (in prima fabula), indem er von der Erwägung ausgieng, dass Terenz selbst wohl kaum im Prolog über etwas gesprochen, sowie im Stücke etwas geändert hatte, wenn er es nicht selbst für einen Vorzug gehalten hätte.

4) So Dübner, Neue Jahrb. 1834. S. 29.

Gegengruß verweigert, und dass die Heimkehr, sowie die Entführung der Hetäre in einer lebhaften Scene dargestellt wurde, während sie bei Menander nur erzählt, oder höchstens im Fluge dargestellt wurde. Da diese Scene unmittelbar dem. Abgange Micios folgte 1), konnte sie ganz gut zum principium fabulae gerechnet werden.

Wir haben hier somit denselben Fall, wie in der Andria, wo der Monolog des Simo durch den Dialog (zwischen Simo und Sosia, im Griech. der Frau des Simo) aus der Perinthia ersetzt wurde, wobei Sosia im späteren Verlauf ebenso wenig mehr erscheint als hier Parmeno.

Wenn man sich nun fragt, warum nahm Terenz die kleinen Veränderungen vor, warum führte er den leno mit Äschinus streitend ein, während sich Menander mit dem Monologe des leno begnügte, warum ließ er den Micio zur Heirat zwingen, während Menander an der Niederreißung der Mauer, der Beschenkung des Hegio, der Freilassung und Beschenkung des Syrus und seiner Frau genug hatte, so scheint mir die bisherige Antwort, dass derlei Einschübe und Veränderungen wegen der komischen, der Handlung größere Lebhaftigkeit verleihenden Wirkung (wie Fabia meint) vorgenommen wurden, so sehr ich ihr zustimme, noch nicht erschöpfend zu sein. Ich glaube nämlich, dass diese Veränderungen außerdem auch gerade deshalb von dem Dichter vorgenommen wurden, weil sie den Schauspielern Gelegenheit boten, durch drastisches Mienenund Geberdenspiel besonders komische Wirkung zu erzielen. Man prüfe sie unter diesem Gesichtspunkte, und man wird finden, dass sie weder auf die Handlung und ihren Fortgang irgend einen fördernden Einfluss haben noch auch zur Charakterzeichnung (mit Ausnahme der Änderung zu V. 275) besonders viel beitragen, wohl aber dem Schauspieler Gelegenheit gaben (vgl. die köstliche Prügelscene in II. 1, das Sträuben Micios gegen die Heirat, das im Publicum sicher die lebhafteste Heiterkeit hervorrufen musste), durch groteske Komik die Zuschauer zum Lachen zu reizen. Denselben Zweck verfolgte er, um nur einige Parallelen anzuführen), in der Andria mit der Einführung des larmoyanten und hilflosen Charinus und des in seinen Rathschlägen so ungeschickten Byrria, des hungernden Parasiten und polternden Miles im Eunuch. Das sind Scenen und Personen, die erst durch die ausgiebigen Gesten der Schau

1) Vgl. Hauler a. O.

2) Vgl. Nencini, S. 157.

spieler zur vollen Wirkung kamen; sie hat der jugendliche Dichter mit staunenswertem Geschicke seinen Stücken eingeflochten, um die Lustspiele Menanders, die nach den lebhaften plautinischen Komödien dem römischen Publicum vielleicht doch etwas matt erschienen wären, diesem willkommener zu machen.1) Als die Stücke des Terenz, wohl hauptsächlich durch das Überhandnehmen des mimus, allmählich zu Buchdramen wurden, musste sich natürlich der Eindruck, den gerade diese Änderungen machten, abschwächen oder verlieren). Die gelehrte Forschung trat an die Stelle der Beurtheilung durch das von der lebendigen Darstellung beeinflusste Publicum, die Übereinstimmung mit Menander rückte hiedurch natürlich mehr in den Vordergrund, und so entstand das Urtheil Cäsars vom dimidiatus Menander, den er sowie Cicero hauptsächlich wegen seines purus und lectus sermo lobte. Da scheint mir doch Horazens Urtheil richtiger zu sein, der in der 1. Epistel des II. Buches, V. 59 sagt: Vincere Caecilius grauitate, Terentius arte3).

Wien.

R. KAUER.

1) Gerade für diesen Punkt muss uns das Urtheil des Bühnenpraktikers Lessing von Wert sein, der über Terenz (a. O. St. 71) sagt: „Er hat alles so vortrefflich motiviert, bei jedem Schritte Natur und Wahrheit so genau beobachtet, bei dem geringsten Übergange so feine Schattierungen in Acht genommen, dass man nicht aufhören kann, ihn zu bewundern."

1) Man vergleiche so manches unserer modernen Lustspiele, z. B. Lord Quex von Pieron, das nur durch vorzügliche Darstellung komische Wirkung erzielt, gelesen aber geradezu langweilig berührt.

*) Von Klotz, Grundzüge der altröm. Metrik, S. 369 theilweise auf die metrische Kunst bezogen. Vgl. Engelbrecht, Stud. Ter., S. 8 f.

Zu Livius.

XXII, 39, 21 schreibt man gewöhnlich mit einem jüngeren Codex (Pal. 2) und Petrarca nec ego, ut nihil agatur, moneo, sed ut agentem te ratio ducat, non fortuna; im alten P und in den anderen jüngeren Handschriften fehlt moneo. Da der Ausfall gerade dieses Wortes in der besseren Überlieferung sich nicht eben leicht erklärt, setzte Madvig (Em. Liv. p. 305) dafür suadco, die Auslassung durch das folgende sed ut einigermaßen erklärend, was ich in die erste Auflage dieses Theiles meiner Ausgabe aufgenommen habe; Hertz nahm, sichtlich von demselben Gesichtspunkto geleitet, die Ergänzung eines rogo nach ego an (nec ego (rogo), ut nihil u. s. w.). Vielleicht kann an folgende Herstellung gedacht werden: nec ego, ut nihil agatur, (auctor sum), sed ut u. s. w. Der Ausfall dieser zwei Worte zwischen agatur und sed ut wäre nach den Überlieferungsverhältnissen wohl denkbar und zudem findet sich die Phrase mit derselben Construction gleich wieder im folgenden Buche XXIII, 36, 5 auctores erant quidam, ut protinus inde Cumas duceret (vgl. auch XXXVI, 32, 5; Weißenborn H. I. Müller zu III, 44, 9 und Fügner Lex. Liv. unter auctor suasor, hortator p. 1359).

XXIII, 17, 4: Poenus Acerras primum ad voluntariam deditionem conatus perlicere, postquam obstinatos inde videt, obsidere atque oppugnare parat. So P; jüng. Handschr. und die alten Ausgaben haben inde hinter obsidere, bei den neuen Herausgebern seit Weißenborn ist es meist eingeklammert. Da hier kein anderes inde, welches eine falsche Wiederholung erklären könnte, in der Nähe steht, auch Entstehung des Wörtchens durch Dittographie aus videt nicht besonders nahe liegt, da endlich dasselbe, an eine passende Stelle versetzt, vollkommen dem livianischen Gebrauche

entspricht, so ist da wohl nicht Tilgung desselben, sondern Umstellung das richtige Mittel zur Heilung. Denn auch in dieser Fehlergruppe ähnelt der Hauptvertreter der dritten Decade mehrfach der Überlieferung der vierten und fünften; man vergleiche z. B. nur aus den nächstliegenden Partien XXII, 7, 14 copiisquib. statt quibus copiis; 8, 7 acpaenatibusprourbe st. pro urbe ac penatibus ; 18, 10 abcontinuiscladibusacresperasse st. ac respirasse ab continuis cladibus (vgl. Luchs Em. Liv. I, 4); XXIII, 43, 4 cannarumsequoque st. Cannarum quoque se; XXIV, 10, 12 quicum st. cum, qui; 47, 5 quodautmeritum st. aut quod meritum u. dgl. Daher hatte H. I. Müller einen gewiss richtigen Gedanken, wenn er im Krit. Anhang zu der in Rede stehenden Stelle der Bemerkung inde getilgt nach Weißenborn" die weiteren Worte beifügt: „ich vermuthe, dass inde hinter videt zu stellen ist". Novák dachte dann an Versetzung vor postquam. Ob wir hier aber nicht einfach an dem obsidere inde der anderen hs. Überlieferung festhalten können, wie dies einst auch Drakenborch gethan? Bei eingehender Betrachtung solcher Stellen mit einem inde oder deinde im Nachsatze nach einem vorhergehenden Participium oder Nebensatze scheint es sich zu ergeben, dass Livius jene Wörtchen recht gerne einem anderen, und zwar betonten Worte nachstellte. Vgl. z. B. XXXVII, 21, 4 depopulatus agros Peraeam inde, coloniam Mitylenaeorum, expugnavit; XXVII, 42, 13 tantumque ibi moratus, dum milites ad praedam discurrunt, receptui deinde cecinit; IV, 47, 2 cum dictator equitatu inmisso antesignanos hostium turbasset, legionum inde signa inferri propere iussit; XXI, 43, 1 cum ..... .. dimisisset, contione inde advocata ita apud eos locutus fertur (XXI, 50, 9; XXIX, 7, 6 u. dgl.). An unserer Stelle ist obsidere nach dem vorhergehenden anderen Versuche gewiss auch ein betonter Begriff. Dass hie und da inde auch voransteht, wie XXIII, 23, 5 und XXIV, 13, 7 (hier deinde), soll damit natürlich nicht geleugnet werden und der Grund ergibt sich in solchen Fällen meist auf den ersten Blick.

XXIII, 17, 8 hat zuerst W. Heraeus (Quaest. crit. Liv., Berlin 1885, S. 101) richtig erkannt, dass im orerecurrunt des cod. P1 nichts weiter als das durch Zusatz einer Silbe verderbte oreretur stecke und Novák hat dann weiter durch den Sprachgebrauch erwiesen, dass aus jener Lesart schon deshalb nicht ein oreretur tumultus oder oreretur motus, wie man gewöhnlich liest, herzustellen sei, weil Livius in ähnlichen Sätzen oriri am Schlusse des Gedankens anzubringen pflege. (Vgl. Zeitschrift f. d. österr. Gymn. 1892, S. 196).

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