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STETTIN, 1865.
VERLAG VON TH. VON DER NAHMER.

omnibus unum in locum coactis scriptoribus, quod

quisque commodissime praecipere videbatur, excerpsimus et ex variis ingeniis excellentissima quaeque libavimus."

Cic. de inv. II, 2, 4.

Vorrede.

Vorliegende Schrift ist für den Gebrauch philologischer

Anfänger bestimmt und will, wie der Titel besagt, die Elemente der Rhetorik, und zwar als eine Einleitung in das Studium dieser Wissenschaft geben. Zu dem Ende habe ich die Hauptlehren der alten Rhetoren in einer geordneten Uebersicht zusammengestellt, und zwar in der Ordnung, wie sie das im ganzen Alterthum von den Zeiten der älteren Sophistik bis auf Hermogenes und noch späterhin übliche, in seiner Grundlage stets unverändert gebliebene und nur im einzelnen allmälig mehr und mehr ausgebaute rhetorische System an die Hand gab. Meine Quellen waren die Griechischen Rhetoren in der Ausgabe von L. Spengel, dazu aus der Walzischen Sammlung Vol. I. II. IV. V. VII. VIII, d. h. die Progymnasmatiker und die wichtigsten Commentatoren des Hermogenes, die Rhetores latini minores, wie sie jetzt durch Halm's Bemühungen in kritisch berichtigter Gestalt vorliegen, die rhetorischen Schriften des Dionys von Halikarnas, Cornificius oder der sogenannte auctor ad Herennium, die rhetorischen Schriften Cicero's und Quintilians institutio oratoria. Dazu kamen der Rhetor Seneca und der Dialogus de oratoribus. Dass ich die übrigen Bände der Walzischen Sammlung, so weit sie nicht auch einen Bestandtheil der Spengelschen Rhetores bilden, bis auf ganz geringe Ausnahmen unberücksichtigt gelassen habe, wird mir Niemand verargen, der sie gelesen hat. Zum Hauptführer unter diesen Schriften habe ich, wie billig, den Quintilian genommen, der das gesammte Gebiet der Rhetorik am vollständigsten behandelt, und der nächst Cicero allein unter allen Rhetoren es verstanden hat, den immerhin etwas spröden und trocknen Stoff in einer wirklich klassischen

Form zu behandeln. Dabei schöpft der Mann überall aus dem reichen Schatze eigner praktischer Erfahrung und hat es mit bewunderungswürdigem Takt verstanden, das wesentliche von dem unwesentlichen zu scheiden. So weit es irgendwie thunlich war, habe ich jederzeit meine Quelle mit ihren eignen Worten reden lassen.

Wäre zu Quintilian ein guter Commentar vorhanden, der, wie man von einem solchen mit Fug und Recht zu verlangen. hätte, das eigentlich rhetorische desselben eingehend erläuterte, etwa durch genaue Angabe der Quellen und einen Nachweis der nöthigen Parallel-Stellen aus den Schriften der Griechischen und Lateinischen Rhetoren, sowie Bezeichnung der Punkte in seinem System, an welchen sich entweder Lücken in seiner Darstellung finden, oder Regeln nur kurz angedeutet sind, welche andre Techniker ausführlicher behandelten, oder wie Hermogenes selbständig weiter ausbauten, so würde ich vorliegende Arbeit nicht unternommen haben. So aber glaubte ich mit meiner Schrift allen denen einen Dienst zu leisten, denen es zum Behuf eines eingehenderen Studiums der Rhetorik des Alterthums, mögen sie nun dasselbe den noch immer kritisch und exegetisch sehr im argen liegenden Rhetoren, oder den Rednern zuwenden wollen, um eine vorläufige Uebersicht über das ganze Kunstgebiet zu thun ist. Derartige Uebersichten sind zwar auch schon von anderen gegeben, aber, soweit sie mir bekannt sind, in zu dürftiger, skizzenhafter Form, als dass damit irgend Jemand wirklich gedient sein könnte. Diesem Umstande ist es vielleicht mit zuzuschreiben, dass heutzutage das Studium der alten Rhetorik mehr als billig vernachlässigt wird, eine von vielen Sachverständigen schon wiederholt ausgesprochene Klage. Und in der That verdient sie von Seiten aller derer, denen es um ein allseitiges, wirkliches Verständniss des Alterthums zu thun ist, volle Beachtung. Oder dürfte man eine Wissenschaft unbeachtet lassen, deren Inhalt acht Jahrhunderte hindurch den fast ausschliesslichen Gegenstand höherer Schulbildung ausgemacht hat, mit der jeder vertraut sein musste, der überhaupt zu den Gebildeten gerechnet sein wollte? Würde man also damit nicht vor einem wesentlichen Bestandtheil antiken Geistes geflissentlich seinen Blick verschliessen? Ausserdem gewährt die Kenntniss der Rhetorik ein kaum zu entbehrendes Hülfsmittel der Interpretation, indem sie, soweit sie es vermag, uns in das Formverständniss eines

jeden bedeutenderen Schriftwerks der Griechischen wie Römischen. Litteratur einführt, wenn wir etwa von den formlosen Schriften einiger Philosophen, Historiker, Aerzte und der eigentlichen Techniker absehen. Denn die Griechische Litteratur stand nicht minder als die Römische zu allen Zeiten nachweislich unter dem Einfluss der Rhetorik, d. h. mit anderen Worten, zu keiner Zeit war es einem alten Autor, der für ein grösseres Publikum schrieb, erlaubt, in seiner Darstellung einem rohen Naturalismus zu huldigen, sondern er musste sich den Gesetzen und Anforderungen unterwerfen, die man an eine kunstmässige Darstellung richtete, er musste sich in die Zucht der Rhetorik begeben. Selbstverständlich und vor allen gilt dies von den eigentlichen Rednern, deren Werke ja einen nicht kleinen Theil der aus dem Alterthum auf uns gekommenen Prosa-Litteratur ausmachen. Ohne gründliche Einsicht in die Regeln der rhetorischen Technik ist Niemand im Stande, irgend eine Rede des Lysias, Demosthenes, Cicero als Kunstwerk weder selbst zu verstehen, noch ihr Verständniss andern erschliessen zu können. Aber diese Reden werden wohl auch von gar manchem ihrer Leser nicht verstanden. Nur unter dieser Voraussetzung wenigstens vermag ich mir die wunderlichen Urtheile zu erklären, die z. B. über die Beredsamkeit Cicero's in neuster Zeit hie und da gefällt sind. Sehr richtig hat bereits Schott in der Vorrede zu seiner Ausgabe der Rhetorik des Dionys von Halikarnas p. IX bemerkt: ipsa oratorum Graecorum Latinorumque lectio nonnisi ab iis recte et utiliter institui poterit, quos Rhetorum commentarii praecipui edocuerint, quale esset singulis aetatibus consilium, qualis indoles eloquentiae. Quod non ita disputamus, quasi primarium huius notitiae fontem in ipsa oratorum lectione assidua versari negemus. Verum aeque patet, non facile integram posse et perfectam inde promanare notitiam, nisi oratorum lectioni Rhetorum tractationem amice iungas; cum oratoris quidem boni ac periti summa et praecipua ars haud raro in eo versetur, quod artificia oratoria, nisi omnino dissimulet, tamen levioribus quibusdam involucris obtegat neque, velut merces, prae se ferat, Rhetorum vero studiis artificia illa quasi in lucem protrahi soleant, eorumque rationes ususque varius explanari."

Vom den Arbeiten Neuerer habe ich nur weniges benutzt. Ich hatte nicht viel zu benutzen, und selbst von dem, was ich zu benutzen hatte, war nur weniges brauchbar. Wesentliche

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