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denen die Peneplains entstehen, die Form der Dislozierung der Peneplains und die epeirogenetischen Bewegungen, sind noch durch weitere Studien klarzulegen.

Die Mehrzahl der Forscher ist jetzt der Ansicht, daß die Rumpf- oder Erosionsflächen vorzugsweise durch subaerische Denudation, nicht durch marine Abrasion, entstanden sind. Meine Erfahrungen führen zu demselben Resultat. Doch scheint es, daß die Mehrzahl der Rumpfflächen nicht unter jenen Bedingungen der tiefen Lage gebildet worden sind, wie es W. M. Davis für die Bildung der Peneplains fordert. Eine Rumpffläche kann sich in verschiedenen, selbst in großen Höhen bilden, wenn ein längerer Stillstand der tektonischen Bewegung und keine Verschiebung der untern Erosionsbasis eintritt 1). Die Peneplain von Davis ist nur ein spezieller Fall der Rumpfflächenbildung: eine Rumpffläche, die in tiefer Lage, etwas über dem Meeresniveau entstanden ist. Sie darf also nicht als eine ganz neue geographische Form aufgefaßt werden, noch weniger dürfen alle Rumpfflächen als Peneplains bezeichnet werden, wie das jetzt fast ausnahmslos geschieht. Es folgt aus der ganzen Darlegung de Martonnes als eine selbstverständliche Voraussetzung, daß die drei südkarpathischen Peneplains in einer tiefen Lage gebildet worden sind. Ist das wirklich der Fall? Die morphologische Forschung soll in jedem einzelnen Fall trachten, die Bedingungen festzustellen, unter denen die Rumpfflächen gebildet worden sind, statt vom Begriff der Peneplain auszugehen. Ich bin der Ansicht, daß die Peneplain von Gornovitza, die ich im Gebiet des Eisernen Tores näher untersucht habe, in einer höhern Lage gebildet worden ist, als es aus der Auffassung von W. M. Davis und de Martonne folgen würde. Daraus ergibt sich weiter, daß man, und zwar (aus der Zertalung) unbedingt wohl Hebungen dieser Rumpffläche, aber keine großartigen pleistozänen Hebungen ableiten darf.

Die zweite Rumpffläche oder die Peneplain von Riu Sess de Martonnes stellt eine weitverzweigte Fläche dar, die sich insbesondere in die Täler der Südkarpathen hineinzieht. Die Art und Weise der Bildung einer solchen verzweigten Fläche ist jedenfalls von Interesse, und es genügt nicht, sie allein als » plate-forme« und Peneplain zu bezeichnen. Durch welche Prozesse und unter welchen Bedingungen wurde eine solche » plate-forme<< gebildet? Wie hat eine solche Fläche bei der Hebung ihre Individualität erhalten? Sind bei den spätern Hebungen auch die vorher gehobenen Peneplains der Südkarpathen wieder gehoben worden? In dem Fall müßte die höchste Peneplain von Boresko drei Erosionszyklen aufweisen, und das findet man in der Arbeit von de Martonne nicht bestätigt.

Die Aufstellung der Peneplains und der Erosionszyklen von W. M. Davis hat befruchtend gewirkt und der morphologischen Forschung neue Probleme erschlossen. Doch wie jede aus wenig Beobachtungen, vorzugsweise deduktiv abgeleitete Auffassung, läuft sie Gefahr, in den Methoden und Schlußfolgerungen sehr vereinfacht, fast schematisch zu werden. Jede Rumpffläche bezeichnet man als Peneplain, und aus deren Zertalung leitet man die Hebung ab.

1) Entwicklungsgeschichte des Eisernen Tores, S. 52.

Das letztere zwar ist sicher, ist aber bei weitem nicht genügend. Es muß da eine mannigfaltigere Beobachtungsweise und präzisere Beweisführung platzgreifen. Insbesondere müssen Anhaltspunkte gesucht werden, um die Form der Peneplaindislozierungen festzustellen.

Die Form und der Sinn der Peneplaindislozierungen läßt sich nicht oder äußerst selten aus der verschiedenen Reife der Täler ableiten. Indessen kann man zu sichern Schlußfolgerungen über solche Bewegungen durch das genaue und vielseitige Studium der Talböden und Terrassen gelangen. Es wäre weiter wichtig, die alten und rezenten Strandlinien und jungen Kryptodepressionen mit entsprechenden Rumpfflächen in Zusammenhang zu bringen und daraus auf die Art ihrer Dislozierung zu schließen. Es würde sich zweifellos als ein Ergebnis solcher Untersuchungen ergeben, daß wir die Dislozierung der Rumpfflächen nicht vorzugsweise als blockartige Hebungen, wie es jetzt zumeist geschieht, betrachten dürfen. Für die Gornovitzafläche, welche de Martonne als einfach im Pleistozän gehoben betrachtet, konnte ich durch das Studium der Talterrassen bestimmt feststellen, daß sie im Gebiet des Eisernen Tores in der nachpontischen Zeit wellenartig oder faltenförmig disloziert wurde. Die Rumpfflächen der dalmatischen Küste des Adriatischen Meeres wurden im Pleistozän flexurartig gebogen, so daß dadurch gesenkte Küstenstriche mit Kryptodepressionen und Ingressionsformen der Küste, im Hintergrund aber gehobene Rumpfflächen und Kañontäler entstanden. Eine ähnliche, etwas kompliziertere spätdiluviale Dislozierungsform der Erosionsfläche der bulgarischen Küste des Schwarzen Meeres glaube ich auf Grund der Terrassen des aufgelösten subbalkanischen Flusses bewiesen zu haben. Die Rumpffläche des thessalischen Olymps wurde im Oberpliozän und Diluvium durch eine domförmige, mit Randbrüchen und Flexuren begleitete Wölbung gehoben. Ebenso wurde die Rumpffläche des mysischen Olymps in Kleinasien längs zwei Ost-West streichenden Verwerfungen stufenförmig im Pleistozän gehoben. In allen diesen Fällen sind auch die Schichten disloziert. Es ist wahrscheinlich, daß man durch weitere, insbesondere durch Terrassenstudien dazu kommen wird, auch die Dislozierungen der zwei höhern Peneplains der Südkarpathen, nicht allein grosso modo, mit Gilbert als epeirogenetische Bewegungen zu bezeichnen. Aus der Zahl, Höhe und Dislozierung der Talböden und Terrassen des Eisernen Tores folgt, daß wir bei der Dislozierung der Rumpfflächen dieses Gebiets zwei Ursachen unterscheiden können: 1. eigentliche tektonische Bewegungen, die lokal und regional auf verschiedene Weise zum Ausdruck kommen, und 2. eine allgemeine und rhythmisch wirkende Bewegung, die man wohl mit gewissem Recht, doch nicht unzweifelhaft als epeirogenetische Bewegung bezeichnen kann. Es ist für die Forschung von Wichtigkeit, diese zwei Bewegungen auseinanderzuhalten.

Zur Geschichte der glazialen Erforschung Südamerikas.

Von Dr. R. Hauthal.

Über 400 Jahre sind verflossen, seitdem Amerika aus seiner isolierten Entwicklung herausgerückt und endgültig

in die allgemeine Kulturentwicklung der Menschheit eingezogen wurde, und doch weist die allgemeine Kenntnis, sowie die wissenschaftliche Erforschung dieses Erdteils noch viele Lücken auf; besonders in der zuerst entdeckten Südhälfte gibt es noch große Landstrecken, so z. B. im innern Brasilien und im westlichen Patagonien, die im wahren Sinne des Wortes eine terra incognita sind, d. h. nicht nur der wirtschaftlichen Erschließung, sondern tatsächlich der Erforschung überhaupt harren. Da kann es nicht wundernehmen, daß die Forschungen auf speziellern Gebieten, wie z. B. der Glaziologie noch ganz in den Anfängen sind. Die eigentliche wissenschaftliche geographische Erforschung setzte ja schon in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts mit Humboldt, D'Orbigny, Agassiz, Raimondi u. a. ein, aber ihre Forschungen waren doch mehr allgemeingeographischer Natur. Die glazialen Forschungen wurden damals ja viel weniger intensiv betrieben als heute, man beschränkte sich auf die gelegentliche Konstatierung vorhandener Gletscher (wobei auch manche Irrtümer unterliefen), ohne den Spuren früherer Vergletscherungen nachzugehen, so daß Heim noch im Jahre 1885 in seinem Handbuch der Gletscherkunde schreiben konnte: >In der Tropenzone ist gar nichts von Eiszeit bemerkbar.<<

Mit der Vertiefung der glazialen Studien in Europa begann aber auch für Südamerika eine neue Zeit, und nur etwas später, als Heim die obigen Worte schreiben konnte, veröffentlichte Sievers seine glazialen Beobachtungen im tropischen Südamerika, in welchen er für die Tropenzone die Existenz einer Eiszeit nachwies oder besser neu entdeckte, denn die Gerechtigkeit verlangt es zu erwähnen, daß, abgesehen von Agassiz' mehr phantastischen Behauptungen, D'Orbigny für Bolivien und Raimondi für Peru in ernsthafter Weise Spuren früherer Gletscher nachgewiesen haben. Es war hier ebenso ergangen wie in der Entdeckungsgeschichte Amerikas überhaupt. Wie die frühere Entdeckung Amerikas durch die Normannen wieder vergessen wurde, so wurden auch diese glazialen Beobachtungen unbeachtet gelassen, bis Sievers endgültig die neue Zeit einleitete. Im Anschluß an die Sieversschen Forschungen wurden nun auch aus den andern tropischen Regionen Spuren größerer Ausdehnung der frühern Gletscher beigebracht, so von Hettner und Regel von Columbien, von Conway, Hettner, Benrath, Steinmann usw. von Bolivien und Peru, Hauthal von Argentinien. Nur Ecuador, das seinen orographischen und klimatischen Verhältnissen nach das eigentlich klassische Gebiet der Tropenzone für Glazialuntersuchungen bildet, fand wenig Beachtung. Stübel wandte seine Arbeitskraft fast ausschließlich dem Studium der in Ecuador ja gleichfalls in typischer Ausbildung vorhandenen vulkanischen Erscheinungen zu, sein Begleiter Reiß ist erst in seinen letzten Veröffentlichungen der glazialen Frage etwas näher getreten und Whymper hat seine Erfolge mehr auf touristischem Gebiet gesucht.

Es war einem Nichtgeographen vorbehalten, hier bahnbrechend Großes zu leisten. Prof. Dr. Hans Meyer, der sich durch seine tiefgründigen Forschungen geologischer und geographischer Natur speziell über die Eiszeit im

tropischen Afrika so schnell einen hervorragenden Platz unter den in erster Linie stehenden Glazialforschern errungen hat, erkannte mit scharfem Blick die Wichtigkeit Ecuadors für die Glazialforschung überhaupt. Mit tatkräftiger Energie unternahm er 1903 eine Forschungsreise nach Ecuador, deren Ergebnisse er in dem Werk: »In den HochAnden von Ecuador« 1) und dem begleitenden Bilderatlas niedergelegt hat. Es ist ein monumentales Werk, das sowohl für die eiszeitlichen Forschungen im allgemeinen, als besonders für die von Südamerika von hervorragender Bedeutung ist. Er hat sich nicht darauf beschränkt, wie seine Vorgänger, die von ihm beobachteten Spuren früherer Eiszeiten zu konstatieren, sondern er hat von höherer Warte aus seine Beobachtungen in Ecuador mit denen verglichen, die er und andere Forscher in andern Erdteilen gemacht haben.

Die Reise, welche fünf Monate dauerte, und die Hans Meyer selbst in sehr bescheidener Weise eine »erlebnisreiche« nennt, ist nach jeder Richtung hin eine der ergebnisreichsten, die wohl jemals in jenen Gebieten unternommen worden sind. Dazu trug vor allen Dingen der Umstand bei, daß Meyer in glücklichster Harmonie den wissenschaftlichen Beobachter mit dem bergfreudigen Hochtouristen verbindet; und beschränken wir uns nur darauf, die touristischen Leistungen dieser Reise einzuschätzen, so sehen wir, daß in der kurzen Zeit von zehn Wochen sieben Hochtouren, Gipfelbesteigungen allerersten Ranges, ausgeführt worden sind, zweimal am Chimborazo, je einmal am Altar, Cotopaxi, Quilindana, Antisana und Carihuairazo. Wer die in diesen Besteigungen geleistete körperliche und geistige Arbeit, vor allen Dingen die bewiesene Willenskraft richtig einschätzen will, der muß sich die in Ecuador herrschenden Verhältnisse vergegenwärtigen, wo das, was dem Forschungsreisenden an Erleichterungen usw. geboten wird, verschwindend gering ist und wo der Erfolg abhängt von der geistigen Anspannung und der andauernden Energie des Reisenden selber, der keinen Augenblick erlahmen darf. Wer zwischen den Zeilen zu lesen versteht, der wird es empfinden, wie Hans Meyer immer wieder aus der eigensten Persönlichkeit heraus Kraft und Mut für sich und seine Begleiter schöpfen mußte und man wird ihn deswegen als Mensch und Hochtouristen noch höher achten müssen.

Wer das Buch zuerst in die Hand nimmt, dem wird vielleicht die volle Würdigung dieses großangelegten, grundlegenden Werkes dadurch etwas erschwert, daß die wissenschaftlichen Ausführungen nicht von der erzählenden Reisebeschreibung getrennt sind. Aber wer sich in das Buch vertieft, der wird mit dem Referenten empfinden, daß so wie das Buch aufgebaut ist, dasselbe sich als ein vollendetes Ganze gibt. Was Hans Meyer als Reisender

1) In den Hoch-Anden von Ecuador: Chimborazo, Cotapaxi usw. Reisen und Studien von Prof. Dr. Hans Meyer. Mit 3 farbigen Karten u. 138 Abb. auf 37 Tafeln. 15. Nebst: Bilder - Atlas. 24 Großquart-Tafeln in farbiger Lithographie nach Gemälden von Rudolf Reschreiter und 20 Tafeln mit 40 Bildern in Lichtdruck nach Originalen verschiedener Forscher und Künstler. Dazu ein Vorwort und 12 Blätter textlicher Erläuterungen. M 75. Berlin, D. Reimer (E. Vohsen), 1907. Beide Teile # 85.

und Tourist geleistet hat, hängt auch kausal eng zusammen mit den Leistungen, die eigentlich den Schwerpunkt des Buches bilden, mit den wissenschaftlichen Resultaten, die ja eben durch die unerschrockene, energische Durchforschung der Hochgebirgsregion Ecuadors bis zu den höchsten Gipfeln so außerordentlich erfolgreich und so hochbedeutsam geworden sind. So wie die wissenschaftlichen Resultate in dem Buche erscheinen, im engsten Zusammenhang mit der eigentlichen Reise, ergeben sie sich als notwendige Frucht derselben. Das Verständnis der Ausführungen, auch der rein wissenschaftlichen, hat durch diese Anordnung des Stoffs entschieden gewonnen und ist gerade für weitere Kreise bedeutend erleichtert worden.

Für diejenigen Leser, welche die rein wissenschaftlichen Resultate der Reise im Zusammenhang studieren wollen, ist ja in dem 15. Kapitel alles das zusammengefaßt, was wir, namentlich infolge der Meyerschen Untersuchungen, über die heutige und einstige Vergletscherung Ecuadors und die Eiszeit in den Tropen wissen; aber auf der andern Seite trägt die Verflechtung der wissenschaftlichen Ergebnisse mit der eigentlichen Reiseschilderung dazu bei, daß das Wissenschaftliche in dem Buche auch den Lesern nahegebracht wird, die sonst nur die touristischen Schilderungen lesen würden. Letztere sind ja für das weitere Publikum von größerm Interesse, namentlich wenn sie in so vollendeter Meisterschaft dargestellt sind, wie es der Autor vermag. Hans Meyer offenbart sich hier noch mehr als in seinem Kilimandscharo-Werk als ein feinfühliger Empfinder all der eigenartigen Ausgestaltungen, in denen die Natur und das Leben in jenen für uns so entlegenen Ländern oft so befremdend sich zeigt.

Die Betonung des durch die ganze Anordnung des Buches hindurchleuchtenden genetischen Momentes, des notwendigen Herauswachsens der einen Erscheinung aus der andern, macht ihre Vorteile auch in den Einzelschilderungen geltend. Es ist Hans Meyer voll gelungen, überall den ursächlichen Zusammenhang der Einzelerscheinungen, deren Gesamtheit ja doch das Landschaftsbild ausmacht, klar zu erfassen, die einzelnen Beobachtungen nicht nur zu einem fertigen, stimmungsvollen Bilde der in ihrer Eigenart fein und scharf empfundenen Landschaft zusammenzufügen, sondern, was noch höher steht, die einzelnen Landschaftsbilder aus dem großen, kausalen Zusammenhang der Gesamtbeobachtungen heraus genetisch als reife, notwendige Frucht derselben erstehen zu lassen. Um das zu können, um die natürlichen geographischen Einheiten, wie z. B. einen großen Berg in seinem Entstehen und Vergehen, in seinem Werdegang als ein individuelles Ganzes aufzufassen und zu verstehen, dazu bedarf es nicht nur einer wissenschaftlich geschulten, scharfen Beobachtungsgabe, sondern auch eines fein empfindenden Gemüts, das gerade auf das Individuelle in den großen Erscheinungen abgestimmt ist. Es will mich bedünken, als wenn gerade in dieser Eigenart, das Individuelle in den großen Erscheinungen zu betonen, eine neue Richtung der geographischen Schilderung sich anbahnt.

Es zieht etwas wie Rousseausche Natursehnsucht durch das Buch, eine Sehnsucht, die ohne weiteres allen denen verständlich ist, denen es vergönnt war, jungfräuliche Natur zu schauen, und die allen denen begreiflich werden wird, die mit ähnlichem Empfinden das Buch studieren. Es ist bewundernswert, wie scharf und umfassend der Autor auf den verschiedensten Gebieten des menschlichen Lebens beobachtet; Ackerbau, Viehzucht, das Leben in den Städten wie Guayaquil und Quito, in den Dörfern, in den entlegensten Hütten, sowie auf der Landstraße selber schildert Meyer oft mit köstlichem Humor, überall treffende Bemerkungen anfügend, so daß nicht nur der Geograph, sondern auch der Ethnograph und Nationalökonom wertvolles Material findet.

Aus der großen Fülle der fein durchgeführten, auch stilistisch vollendeten kleinen Genrebilder, die abgestimmt sich so harmonisch den großen Schilderungen anschmiegen, will ich hier nur einige erwähnen, so S. 60, wo er das Verhältnis des Hochlandindianers zum Lama schildert, S. 63 das Straßenleben in Riobamba, S. 65 das erste Erblicken des Chimborazo, S. 105 das Leben in den entlegenen Hirtenhütten, S. 229 die Charakteristik des im Dulden großen Kitchuaindianers usw.

Das Schwergewicht seiner Forschungen verlegte Meyer auf das Studium der vulkanischen und glazialen Erscheinungen. Beide Fragen haben durch seine Untersuchungen hervorragende Förderung erfahren. Gleich auf den ersten Seiten führt uns der Verf., der schon auf Java und in Ostafrika von den vulkanischen Erscheinungen gefesselt worden war, mitten in die brennende Frage des Vulkanismus ein, angeregt durch die typischen Erscheinungsformen, welche hier in Ecuador, im klassischen Lande des Vulkanismus, wo Wolf und später Stübel grundlegende Studien zu ihrer Neuauffassung des Vulkanismus gemacht hatten, sich ihm darboten. Im wesentlichen stimmt Hans Meyer der Stübelschen Theorie bei, er wendet sich aber scharf gegen die einseitige Auffassung, daß die großen südamerikanischen Vulkane, wie überhaupt die Vulkane nicht linear angeordnet seien. Er macht mit Recht auf die von Humboldt, Carsten, Moritz Wagner, Th. Wolf, Rudolf Hauthal in Südamerika nachgewiesenen Vulkanlinien aufmerksam, die den Hauptlinien der andinen Tektonik entsprechen und die in ihrer Richtung an die Leitlinien des riesigen Faltengebirges der Kordillere gebunden sind. Auch hier wieder zeigt sich der großzügige Standpunkt Hans Meyers, der sich nicht auf die in einem Erdteil gemachten Beobachtungen beschränkt, sondern die Beobachtungen in allen maßgebenden Gebieten der Erde berücksichtigt (große Probleme lassen sich eben nicht einseitig lösen), und so führt er mit Recht zur Beleuchtung des Zusammenhangs zwischen Bruchzonen und Vulkanbildungen den Teil Afrikas an, der durch die großen tektonischen Grabenbrüche gekennzeichnet ist, den Ostafrikanischen Graben, der vom Toten Meer bis ins mittlere Deutsch-Ostafrika reicht und dem außer einigen kleinern die beiden größten Vulkane Afrikas, der Kilimandscharo und der Kenia, angehören. Der Zentralafrikanische Graben mit der aktivsten Vulkangruppe des ganzen Erdteils, den Kivuvulkanen, und der

Westafrikanische Graben, der sich über die vulkanische Inselreihe des Guineagolfs und den Kamerunberg bis in den Sudan hinein erstreckt, zeigen gleichfalls den engsten Zusammenhang des Vulkanismus mit Bruchspalten, die dem nach Ausdehnung drängenden Magma der peripherischen Herde den Weg zum Austritt weisen.

Noch in einer andern Beziehung stimmt Meyer nicht mit Stübel überein, welcher glaubte, daß der erodierenden Wirkung des Wassers und des Eises nur eine ganz untergeordnete Bedeutung in der Ausmodellierung der Vulkanformen zukomme. Hans Meyer weist an der Hand seiner Beobachtungen klar nach, daß manche Vulkanformen ohne Berücksichtigung der erodierenden Gletscherwirkung gar nicht zu verstehen seien. Besonders klar tritt das hervor, wenn man die Form der vom Eise bearbeiteten Vulkane mit denjenigen vergleicht, deren Entstehung postglazial ist. Den Beginn der noch andauernden vulkanischen Tätigkeit in Ecuador verlegt Meyer in das obere Diluvium.

mittlern

Neben den vulkanologischen Erörterungen nehmen die morphologischen Ausführungen und unter diesen diejenigen, welche glazialen Charakters sind, den hervorragendsten Teil des Buches in Anspruch. Außer den Ausführungen, welche in die Reiseschilderung selber verflochten sind, ist diesen glazialen Erörterungen ein besonderes 15. Kapitel gewidmet, in welchem (S. 427-84) alle neuen Beobachtungen des Autors klar und verständlich dargestellt und alle einschlägigen Fragen tiefgründig erörtert werden. Unter den neuen Beobachtungen glazialer Natur ist für den Referenten naturgemäß diejenige von ganz besonderm Interesse, welche Hans Meyer in bezug auf die eigenartigen Schmelzformen des Firnes auf dem Chimborazo in einer Höhe über 5000 m gemacht hat. Aus den argentinischen Anden waren ja schon durch Brackebusch, Güßfeldt, Hauthal eigenartige Firnschmelzformen unter dem Namen »Nieve penitente« oder »>Büßerschnee bekannt geworden, deren Entstehung von einigen Autoren auf die Wirkung des Windes und der Sonne, von Hauthal lediglich auf die Sonne zurückgeführt wird. Hans Meyer beobachtete nun am Kilimandscharo im windstillen Kibokrater ähnliche Formen, die er gleichfalls lediglich als Schmelzwirkung der Sonnenstrahlen erklärt und über die er in seinem Kilimandscharowerk ausführlich berichtet. Zu seiner großen Überraschung sah er nun auf dem Südwestgrat des Chimborazo in einer Höhe über 5000 m das Firnfeld, welches einige Wochen vorher nur eine leichtgewellte Oberfläche gezeigt hatte, aufgelöst in reihenweise angeordnete Zacken und Spitzen, die in ihrem ganzen Habitus lebhaft an den Büßerschnee erinnerten, die aber ihrer Entstehung nach auf eine ganz andere Ursache als die Sonne hinwiesen, denn sie hatten sich hier in einer Zeit gebildet, während welcher der Gipfel ständig in eine dichte Nebelkappe gehüllt war, die es den Sonnenstrahlen unmöglich. machte, bis auf das Firnfeld durchzudringen. Wohl aber war hier ein ständig in 0-W-Richtung wehender, aus den warmen östlichen Tiefebenen aufsteigender mit Feuchtigkeit beladener Wind wochenlang über das Firnfeld hinweggestrichen. Aus diesen Tatsachen folgert nun Meyer, daß hier nur der Wind als Ursache dieser Firnschmelzformen

angesprochen werden kann. Er stellt so den Sonnenpenitentes, dem Büßerschnee, die Windpenitentes gegenüber und schlägt den Namen »Zacken firn« für beide Formen vor. Dieser, schon von Thielmann 1875 gebrauchte, sehr bezeichnende Name ist ja gewiß verständlicher als Büßerschnee, und Referent akzeptiert diesen Namen gerne, nur mit der Einschränkung, daß derselbe auf die von Meyer nachgewiesenen Windformen beschränkt bleibt, während der Name Büßerschnee, der ja auch schon eine größere Verbreitung gefunden hat, den Sonnenformen vorbehalten bleibt; so hätten wir auch im Namen schon den Unterschied bezeichnet 1). Der Erklärung Hans Meyers, daß hier lediglich der Wind, zwar nicht als mechanisch erodierende, sondern mehr als chemisch anschmelzende Ursache anzusprechen sei, stimme ich bei, aber ich kann mich damit nicht einverstanden erklären, daß für die Herausmodellierung sowohl des Zackenfirnes, als auch des Büßerschnees eine primäre senkrecht stehende Schichtung der Firnfelder (auch von Hans Meyer) als notwendig angenommen wird. Abgesehen davon, daß die Erklärung dieser hypothetischen Schichtung auf große Schwierigkeiten stößt, möchte ich bemerken, daß sie in der Natur noch nicht beobachtet worden ist. Conway nimmt diese Struktur für Lawinenschnee an, auf welchem er Büßerschnee beobachtet hat. Bisher ist doch durchweg an den Lawinen eine knollige Struktur beobachtet worden; das Vorkommen von Büßerschneeformen auf Lawinenschnee würde meiner Ansicht nach sowohl gegen die Notwendigkeit einer primären Schichtung wie. überhaupt gegen die Abhängigkeit der Penitentesfiguren von irgendwelcher Struktur des Firnfeldes sprechen. In knolligem Lawinenschnee und horizontal geschichteten ebenen Firnfeldern sind die Figuren in gleicher Weise scharf herausmodelliert. Beiläufig möchte ich hier noch erwähnen, daß Hans Meyer nun auch die Karrenformen der Gletscheroberfläche scharf trennt von den Schmelzformen der Firnschneefelder, was im Kilimandscharowerk noch nicht so deutlich hervortrat.

Von allgemeinerer Bedeutung als die hochinteressanten Ausführungen über die Schmelzformen des Firnes sind die erschöpfenden Ausführungen über die Gletscher im allgemeinen, ihre Bedeutung in morphologischer Hinsicht und über die Eiszeit. Ich muß es mir versagen, hier auf alle die Punkte einzugehen, die Hans Meyer zum Objekt seiner Studien gemacht hat. Keine der mit der Gletscherforschung zusammenhängenden Fragen bleibt unberührt: Spaltenbildung, Blaubänderstruktur, Gletscherkorn, das Bewegungsproblem usw. Zu allen Fragen bringt Meyer nicht nur neues Material hinzu, er weiß auch in selbständiger Weise durch das neu Beobachtete die alten Probleme neu zu beleuchten, so daß auch die Detailfragen der Gletscherforschung eine wesentliche Förderung erfahren. Nur gegen die Aufrechterhaltung des schon im Kilimandscharowerk aufgestellten »tropischen Gletscherty pus« habe ich Bedenken. Diese Aufstellung betrifft die Formen, in

1) Wir können uns mit diesem Vorschlag nicht befreunden, denn er setzt voraus, daß man in jedem einzelnen Falle genau bebestimmen kann, welcher Ursache die Firnform zuzuschreiben sei. D. H.

welche die Oberfläche zurückweichender Gletscher in den Tropen durch die Schmelzwirkung der Sonne und des Wassers ausgearbeitet wird. Das ist aber nichts Feststehendes, sondern je nach den besondern Umständen, ja auch nach der Jahreszeit Wechselndes. Ein gut ernährter, vorschreitender Gletscher wird auch in den Tropen Oberflächenformen zeigen, die von den in unsern Breiten gewöhnlichen Formen wenig oder gar nicht abweichen. Die Form des Gletschers überhaupt ist ebensowohl in den Tropen wie in der gemäßigten und kalten Zone nur abhängig von der Form des Geländes, d. h. gleiche Bodenformen bedingen auch gleiche Gletscherformen. Gegen eine Klassifizierung der Gletscher nach den Zonen möchte ich deswegen meine Bedenken geltend machen. Wechselnde und vergängliche Oberflächenformen sind doch nicht gut für die Aufstellung von besondern Typen verwendbar.

Hans

Die so außerordentlich wichtige Frage der Gletschererosion findet durch die vielseitigen scharfen Beobachtungen von Hans Meyer eine ganz bedeutende Förderung. Meyer ist durch seine Beobachtungen ein überzeugter Anhänger der wirksamen Ausmodellierung des Bodens durch die Gletscher geworden. Gerade die so charakteristischen glazialen Erosionsformen sind es ja, die uns vorzugsweise Kunde geben von der frühern größern Ausdehnung der Gletscher, von den Eiszeiten; es war aber immer noch eine vielumstrittene Frage, wie man sich die erodierende Tätigkeit der Gletscher vorzustellen habe. Hans Meyer betont da mit Nachdruck die neuerdings von Chamberlin vertretene Auffassung, daß »ein Gletscher als eine starre kristallinische Masse angesehen werden muß, als ein festes kristallinisches Gestein von reinstem Typus, das sich nicht bewegen kann, wenn es nicht durch parzielle innere Schmelzung gelockert wird. Ein Gletscher ist kein zähflüssiger Körper, wie etwa ein Lavastrom oder wie eine Wachsmasse«. Damit stellt er sich in scharfen Widerspruch zu der weitverbreiteten Ansicht, die den Gletscher als zähflüssige Masse anspricht. Meyer, der in mehreren Erdteilen die so charakteristischen glazialen Erosions- und Oberflächenformen in großartigster Ausbildung beobachtet hat, muß dem Gletscher erodierende Kraft zuweisen. Der Gletscher kann aber nur erodieren, wenn er eine feste Masse ist, die so mit den Geschieben das Gestein bearbeitet, wie die Hand des Menschen mit dem Meißel. Dieser Vergleich ist auch dem Referenten oft beim Anblick der patagonischen glazialen Oberflächenformen gekommen. Mit dieser Auffassung des Gletschers als starre, kristallinische Masse hängt eng zusammen Meyers Theorie über die Bewegung der Gletscher. Er ist Anhänger der »ThermalTheorie, die annimmt, daß sich infolge des Druckes durch parzielle innere Schmelzung oder momentane Verflüssigung Flächen bilden, die den auflagernden Eismassen als Gleitflächen dienen.

Poetisch schön vergleicht Hans Meyer die Gletscher mit einem brandenden Meere, das, jetzt im Zurücktreten begriffen, in früheren Perioden zweimal über seine Ufer getreten und in mächtigem Anprall seine deutlichen Spuren der Erdoberfläche eingegraben hat. Verfasser weist für Ecuador und das stimmt mit den übrigen Beob

achtungen in Südamerika überein zwei durch eine wärmere Interglazialzeit getrennte Eiszeiten nach. Er stützt sich da namentlich auf die so außerordentlich charakteristischen, durch die glaziale Erosion hervorgebrachten Oberflächenformen, Kare, Grundmoränen, Talriegel, Seenwannen, Talleisten, übertiefte Täler, Talstufen, Schotteranhäufungen usw.; Formenkomplexe, die in zwei übereinander liegenden Zonen als glaziale Grenzsäume sich deutlich zeigen. Der ältere glaziale Grenzsaum liegt in einer Höhe von 3900 bis 4200 m, der jüngere in einer solchen von 4500 bis 4800 m in seinem obern Niveau mit der heutigen Gletschergrenze zusammenfallend. Der Rückzug in der letzten Eiszeit erfolgte in drei durch Endmoränengürtel gekennzeichneten Phasen und das scheint nach den vorliegenden Beobachtungen auch im übrigen Südamerika durchweg der Fall gewesen zu sein. Jetzt sind die Gletscher mit lokalen Ausnahmen in starkem Rückgang begriffen.

Erweitert und ergänzt werden die aus dem Studium der Bodenformen sich ergebenden Resultate durch Beobachtungen über Tier- und Pflanzenwanderungen, die mit dem Vorrücken und Zurückweichen der Gletscher in kausalem Zusammenhang stehen und die, wie z. B. die Neuuntersuchung der schon früher bekannten, in den interglazialen Cangaguatuffen bei Punin enthaltenen Fauna ergab, entschieden auf eine zwischen den beiden Eiszeiten liegende wärmere und trocknere Periode hinweisen, während anderseits boreale Elemente der Pflanzenwelt durch ein kälteres

Klima bedingt waren. Das, was Meyer als feststehendes Resultat in glazialer Beziehung für Ecuador gefunden, vergleicht er dann mit dem, was er und andere Forscher in andern Erdteilen festgestellt haben, und kommt zu dem Schluß, daß wir es in den Eiszeiten mit einer auf der ganzen Erde gleichzeitigen Erscheinung zu tun haben, die auch in ihrer Höchstentwicklung nur eine quantitative Steigerung der heutigen Vergletscherung war, d. h. die lokalen klimatischen Verhältnisse waren dieselben wie jetzt; das allgemeine Klima dagegen war verändert, war kälter und niederschlagsreicher, und zwar auf der ganzen Erde zur gleichen Zeit und in gleichem Ausmaß, so daß wir wohl berechtigt sind, für die Eiszeiten kosmische Ursachen anzunehmen.

Im vorliegenden habe ich versucht, auf die Bedeutung des Meyerschen Buches für die Kenntnis des Landes Ecuador im allgemeinen, sowie besonders auf die gewaltige Förderung hinzuweisen, welche die Hauptprobleme der Oberflächengestaltung (Vulkanismus, Gletscherwirkung usw.) durch dasselbe erfahren haben. Wer das Buch durcharbeitet, dessen Studium durch die prächtigen, so außerordentlich charakteristischen Photographien, sowie durch den von Meyers Begleiter, dem Maler Rudolf Reschreiter, meisterhaft ausgeführten Bilderatlas ganz außerordentlich erleichtert wird, der wird herausfühlen, wie der Stoff während des Schreibens allmählich immer mehr sich erweitert hat und aus dem ursprünglichen Rahmen herausgewachsen ist. Der größte Teil seiner Ausführungen hat sich zu einer Morphologie der Erdoberfläche, speziell zu einer glazialen Morphologie ausgestaltet. Wir sind durch

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