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der

Römischen Litteratur.

Von

G. Bernhardy.

Zweite Bearbeitung.

Halle,

C. A. Schwetschke und Sohn.

1850.

KE 38378

HARVARD UNIVERSITY LIBRARY MAR 6 1962

Indem ich die zweite Bearbeitung dieses Grundrisses abschliefse, bleibt mir übrig in einem kurzen Vorbericht ihr Verhältnifs zur ursprünglichen Gestalt des Werkes*) zu bezeichnen. Zwar wer beide vergleicht, kann schon auf den ersten Blick erkennen dafs von jener wenig mehr als ein leichter Umrifs beibehalten ist; des vergrösserten Umfanges nicht zu gedenken, der kaum auffallen mag, wenn man die Sparsamkeit und Kürze des früheren Buches in Betracht zieht. Aber nicht so schnell und sicher wird man die völlige Verschiedenheit der Absichten und Voraussetzungen herauslesen: eben dieser Punkt ist es der mich nöthigt in einige Erklärungen und gewissermafsen eine Selbstkritik einzugehen.

Als ich vor mehreren Jahren aufgefordert wurde für eine neue Auflage frühzeitig zu sorgen, lag mir kein Buch so fern als dieser Grundrifs. In der Erinnerung war mir von ihm nichts verblieben als ein schlichtes Element der litterarhistorischen Forschung und Kombination, welches hier im engeren Raum die Probe machte, ehe es auf einem fruchtbareren Gebiete zur Anwendung kam. Seiner Form und Ausführung dagegen fühlte ich mich längst entfremdet; auch war das Interesse des fragmentarischen Objektes, bet dem allzu selten aus dem vollen sich schöpfen liefs, bald vor jüngeren Studien in Schatten getreten. Aus letzteren habe ich früh genug den

*) Grundrifs der Römischen Litteratur. Halle 1830. XX. und 347 S.

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begangenen Anachronismus erkannt, und wahrgenommen dafs eine reife Geschichte der Römischen Litteratur nicht vor einer wohlbegründeten Geschichte der Griechischen dargestellt werden kann. Nicht gerade weil jene von den Klassikern der Griechen abhängig gewesen oder die moderne Bildung zu wenig Analogien besäfse, um die uns näher gerückten Römer mit Unbefangenheit zu beurtheilen und auch ungeachtet der unermesslichen Verluste den Umfang ihres Ideenkreises abzuschätzen. Vielmehr enthält die Geschichte der Griechischen Litteratur, da diese den reinsten Organismus ohne Lücken entwickelte, die Physiologie und Elementarlehre aller Litteratur; und mag immerhin eine grofse Zahl ihrer Erscheinungen wegen nationaler und individueller Zusätze nur bedingten und selbst blo's historischen Werth behalten, sie bietet doch die höchsten Standpunkte, von denen man wie von Warten einen weiten Stoff überschaut, sie zeigt die Gliederung und den Platz jeder ächten Redegattung, und soll man nichts anderes rühmen, sie hat einen Reichthum von Mafsstäben für die verschiedensten künstlerischen Gröfsen und belehrt vortrefflich über das Verhältnifs der Formen zu den litterarischen Objekten. Mit ihren Normen werden wir nicht nur das Bruchstück eines Organismus, wie es in der Römischen Litteratur vorliegt, würdigen und sicher auf seinen Platz rücken, sondern auch unparteilich über die Klassiker derselben urtheilen, welche das Herkommen zu überschätzen gewohnt war, die neueste Zeit wegen der dort abnehmenden Idealität und originalen Kraft gering anschlägt und sehr willkürlich an den Griechen abzumessen pflegt.

Dies war die eine Seite der später gemachten Erfahrungen; die andere betraf die gewählte Form und Ausführung des Grundrisses. Er sollte in Ermangelung eines Summariums, das weder trivial noch blofse Chronik wäre, den Gang und Bestand dieser Litteratur, verbunden mit den erheblichsten Belegen aus dem Alterthum und mit bibliographischen Uebersichten, in einer zusammeuhängenden Charakteristik vergegenwärtigen: aufs kürzeste gesagt, die Skizze von Wolfs Leitfaden zweck

mischen Jugend, nicht dem lesenden Publikum bestimmt, um ihr die Grundzüge des Ganzen einzupragen und ein methodisches Studium der Quellen anzuregen. Ihn begleitete der stille Wunsch, er möge wiewohl mehr Umrifs als Lehrbuch, durch stete Nacharbeit und Entwickelung im lebendigen Vortrage berichtigt und fortgeführt, immer bessere Frucht treiben und einen Grad des Ausbaues erlangen, dafs er als Vermächtnifs an ein jüngeres Geschlecht übergehen könne. Dieser Wunsch war keine geringe Täuschung, und man müfste die völlige Veranderung, die das wissenschaftliche Leben auf Universitäten seit Jahren erlitten, mit geringer Aufmerksamkeit beobachtet haben, um von der einst gemütlichen Tradition der Schule mehr zu erwarten als vom Einfluss eines abgeschlossenen Buches. Das Zusammenleben von Meister und Gesellen gehört nun bereits der Vergangenheit an.

Mit einem Worte gedenke ich der Form, welche sich unwillkürlich an die gedrängte Fassung des Stoffes heftete. Die letztere war nicht kurz genug um Aphorismen zu gestatten, und zu wenig ausgedehnt um irgendwo zum gemächlichen Ton einzuladen. Wo nun grofse Massen auf einen beschränkten Raum zu zwängen sind, pflegt weder ein voller Strom der Erzählung sich zu entfalten noch die Stimmung einfach und naiv auszuharren; wo die Charakteristik überwiegt und das Urtheil nicht durch Kompilation eingesammelt wird, kann auch der Ausdruck nicht farblos bleiben und jeder individuellen Beimischung sich entäufsern. Nirgend mochte diese Subjektivität vielleicht mehr in ihrem Rechte sein als in einer Darstellung der Römischen Litteratur, die bisher auf ganzen Strecken und für Reihen von Autoren kaltsinnig mit leeren Worten abgefertigt, ja mit kühler Gleichgültigkeit auch in Epochen abgehandelt wurde, wo die litterarische That ein Bedürfni's des Herzens geworden war. Hiernach dürfte die Form des früheren Grundrisses weniger auffallen. Der Hang alle Grundzüge scharf hervorzuheben und im bündigsten Gesamtbilde zu vereinen trieb auf die Spitze des

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