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wollten, wie die herrschende Mode war, ohne darum ernster zu werden, ungemein empfahl, erbitterte die neue Generation unserer besseren, damals im jugendlichen Feuer, oft etwas burschenhaft, brausenden Dichter heftig gegen Wieland. Sie beschuldigten ihn nicht blos der Lüfternheit und Leichtfertigkeit, sondern warfen ihm ganz besonders vor, daß er die Deutschen, die endlich einmal wieder von Begeisterung erfüllt seien, gleich wieder mit französischer dürrer Wirklichkeit nüchtern machen wolle.

Von Idris und Zenide und vom neuen Amadis muß man allerdings eingestehen, daß sie nur für ein an dergleichen leichte französische Waare gewöhntes Publikum passend waren. Sie enthalten ein bloßes Spiel mit der romantischen Gattung und beleidigen an gar zu vielen Stellen ächte Kunst und reinen Geschmack. Wie schnell unsere Sprache im Laufe von zehn Jahren ausgebildet ward, kann man nicht deutlicher sehen, als an Leffings und Herders und Wielands gleichzeitiger Prosa, man wird finden, wie innerhalb zehn Jahren sich aus der langweiligen, schleppenden, pedantischen Sprache drei neue gebildet haben, Herder ist reich an Wendungen und Bildern, Lessing hat gewaltige Kraft und gedrängte Logik, Wieland Leichtigkeit und lose Lieblichkeit. In dieser Beziehung sind besonders die Grazien merkwürdig, weil hier rhytmische Prosa und leichte Verse abwechseln und so an einander grenzen, daß man faß unmerklich von der Prosa zu den Versen und zwar an den passenden Stellen hinübergleitet. Daß Wieland, dabei wieder seine Franzosen, besonders die bekannte Reise von Bachaumont und Lachapelle vor Augen hatte, raubt ihm nichts von seinem Ruhme, da er eigenthümlich genug in seiner Art bleibt. Er bewies den Ausländern wenigstens, daß unsere Sprache auch zu diesem Spiele geeignet sei.

Noch bis in die Mitte des Jahrhunderts hatte man es unserer Sprache angemerkt, daß sie einem Volfe angehöre, dessen Leben und ganzes Staatswesen von Juristen, Pedanten oder vom Korporalstock regiert wurde; schon um 1767 hatte die Sprache und die literarische Bildung sich durchaus verändert. Wie schnell unsere Sprache hoffähig, um einen ächt

deutschen Ausdruck zu gebrauchen, geworden war, sehen wir besonders aus einem kleinen Buche, welches von einem Manne verfaßt ward, der weder Universitätsgelehrter, noch wie Wieland Schriftsteller von Profession war. Wir meinen die idyllische Erzählung Wilhelmine, in welcher von Thümmel den Deutschen zeigte, daß sich auch dem prosaischen Leben deutscher Subordinationsverhältnisse eine poetische Seite abgewinnen lasse, die am Ende doch noch spaßhafter sei, als, die fade Geßnersche Schäferwelt. Diese in Prosa geschriebene, in feiner Ironie und zartem Scherz gehaltene Dichtung hat befanntlich bis auf unsere Tage, obgleich als einer ganz verschiedenen Gattung angehörend, neben Göthes Hermann und Dorothea und neben Vossens Luise ihren Plag behauptet. Wir dürfen das historische Feld, innerhalb dessen wir uns einzig und allein bewegen wollen, nicht so weit verlassen, daß wir in eine Charakteristik oder in eine ästhetische Prüfung der Wilhelmine eingingen, wir deuten daher nur im Vorbeigehen einige Punkte an, die uns in Beziehung auf den geselligen Zustand der Deutschen des siebenten Jahrzehnts des achtzehnten Jahrhunderts, wie er sich darin zeigt, wichtig scheinen.

A. M. von Thümmel scheint uns in seiner berühmten Erzählung den geselligen Zustand der Zeiten des fiebenjährigen Krieges, wo Adel und Hofleute glänzten, Pfarrer und Beamte frochen, der Bauer duldete, eben so gut geschildert zu haben, als Voß und selbst Göthe den Zustand der Revolutionszeit, wo der Bürger sich auf eine kurze Zeit einmal fühlte und der Lurus und Uebermuth der Reichen gedämpft war. Wie sehen wir bei von Thümmel, gleich als wenn wir an einem kleinen Hofe wären, den Pfarrer so verlegen in tiefer Submission, den gnädigen Herrn so herablassend im Bewußtsein seines angebornen und in der Welt erlangten Vorzugs! Welcher Glanz des Adels, welche Ehre seines Besuchs, welche Equipagen! Wie hündisch demüthig der Bürgerliche, wie angedonnert und durch den glänzenden Zug der Herrschaften ganz niedergeworfen der Bauer! Welchen Abstand zwischen der adlichen Küche, den Köchen, den Speisen und dem Pfarrhaus und seinen Einrichtungen! Wer sollte nicht den weiten Abstand

der Leute am Hofe von andern Leuten tief empfinden und aus lauter Respect vergessen, wer eigentlich zu dem Allen das Geld gibt! Die Ironie, die durch das Ganze hindurch geht, stellt nur das Bürgerliche und Gemeine in Schatten, der Hof und was ihm angehört, erscheint in der Ferne im göttlichen Nimbus. Der arme Pfarrer, um den sich Alles dreht, kommt sogar in Versuchung, dem Hofmarschall den Schlafrock zu küssen, eine Versuchung, die gegenwärtig doch auch wohl den ärmsten deutschen Schlucker nicht anwandelt. Selbst das Verhältniß der Wilhelmine beim Hofmarschall ist bei der Art, wie damals die Pfarrer zu Stellen und zu Weibern kamen, wenigstens höchst zweideutig.

Daß die Ansicht dieses Gedichts, nach welcher der Dichter sich zum Sänger der Höfe und der bestehenden Rangordnung und des Glanzes hätte machen wollen, nicht blos ein flüchtiger Einfall sei, sondern daß sie aus dem Buche selbst hervorgeht, wird man schon aus dem scharfen Hiebe sehen, den Mosers Herr und Diener erhält, und aus dem Glanz, mit dem die adlige Liebschaft die bürgerliche Hochzeit überstrahlt. Von welcher Gattung die Moral ist, welche von Thümmel dieser Hofidylle beifügt, wird man beurtheilen können, wenn man Thümmels Reisen ins mittägliche Frankreich lieset, die Schiller in einem Xenion vortrefflich characterisirt. 32)

Nicolais Gemeinheit und Plattheit wählte hernach sonder barer Weise diese Wilhelmine, um seinen platten Roman Sebaldus Nothanker als Fortsetzung daran zu knüpfen.

S. 3.

Lavater, Basedow.

Das Licht, welches Männer, wie Wieland in die Literatur bringen wollten, versuchte zu gleicher Zeit mit ihnen Basedow über Erziehung und Unterricht zu verbreiten und sogar ein Schwärmer wie Lavater erhob sich gegen das Veraltete.

32) Gerne plagt ich auch dich, doch es will mir mit dir nicht gelingen, Du bist zum Ernst mir zu leicht, bift für den Scherz mir zu plump.

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Lavater und die Partei, deren Prophet und Apostel er sein ganzes Leben hindurch blieb, waren zwar Schwärmer, aber sie widersegten sich dem Streben und der freien Bewegung, welche nach und nach allgemein ward, keineswegs, sie hüllten vielmehr den Wunderglauben und die krassen Vorstellungen der Väter in ein neues Gewand, oder verkündeten wenigstens die veralteten Vorstellungen und Grillen in der neuen Sprache und in der Manier der neuen klassischen Schriftsteller.

Wir werden Lavater für den Repräsentanten und Wortführer der mystischen Partei durch den ganzen Zeitraum der lezten Jahrzehnte des achtzehnten Jahrhunderts betrachten müssen, da er (geboren 1741) auf der einen Seite fromm und gläubig, wie Bodmer und seine Freunde, auf der andern Seite jedoch fein auf Bekenntnißschriften des sechzehnten Jahrhunderts festhaltender Kegerfeind, kein Symbolgläubiger, sondern tolerant war. Er war ein enthusiastischer Verehrer Klopstocks und fest überzeugt, daß Wunder thun und Wunder glauben, das Wesen des Christenthums ausmache, und doch war er Schüler und Apostel der Freiheitslehre Rousseaus, aufrichtiger Freund demokratischer Freiheit und der Ideen von einer einfachen und naturgemäßer Bildung, welche dieser verkündigte.

Lavaters freimüthiger, aber heftiger Angriff auf einen mächtigen Landvogt, ein Mitglied der damaligen Züricher Aristokratie, machte es rathsam für ihn, auf einige Zeit nach Berlin zu gehen, wo er durch Sulzer mit Spalding, mit Mendelssohn und mit dem ganzen neuen geistigen Leben in Norddeutschland bekannt ward, und sich durch seine Anlagen, Talente, Kenntnisse und durch seinen Character auch in Deutschland Freunde und Ruf erwarb. Diesen Ruf vermehrte er hernach durch seine in Musik gesegten, viel gesungenen Schweizerlieder (1767) und durch seine Aussichten in die Ewigkeit. (1768). Die Schweizerlieder werden wahrscheinlich fortleben, wenn alle andern Schriften Lavaters längst vergessen sein wer den. Die günstige Aufnahme der Aussichten in die Ewigkeit und ihres Schwulsts klopstockscher Schwärmerei in poetischer Prosa gründete Lavaters Ruhm als Schriftsteller der neuen Epoche unserer Literatur. Gleich anfangs trat er also als Prophet

und Apostel eines ganz eigenthümlichen, empfindsamen und überschwänglichen Glaubens vor dem Publikum auf.

Gleich darauf begann er den Krieg, den er sein ganzes Leben hindurch mit der Berliner Schule geführt hat, auf eine ganz wunderliche Weise gerade mit dem mildesten und tüchtigsten Verfechter einer natürlichen, auf den Glauben an Gott und Unsterblichkeit gegründeten Religion, mit Moses Mendelssohn. Dieser von allen Parteien geachtete, wenn gleich von manchen angefeindete und als Jude verdächtig gemachte Denker hatte gerade die Höhe seines Ruhms erreicht, als ihn Lavater aufforderte, entweder Bonnets Grillen, die Lavater für hohe Weisheit hielt, zu widerlegen, oder zum Christenthum überzutreten. Ueber diese Zumuthung entstand ein Streit, der in einer Zeit, wo das ganze gebildete Publikum an Allem, was irgend ein Mann herausgab, der zu den Reformatoren der Literatur gehörte, den lebhaftesten Antheil nahm, das größte Aufsehen erregte.

Mendelssohn hatte zuerst durch die in Verbindung mit Leffing (1755) ausgearbeitete Schrift, Pope ein Metaphysiker, dann durch seine Recensionen in der allgemeinen Bibliothek der schönen Wissenschaften und durch seinen Antheil an den Literaturbriefen einen großen und verdienten Ruhm erworben, weil er die Philosophie aus der Schule ins Leben gebracht und sie in einer würdigen, aber zugleich verständlichen Sprache vorgetragen hatte. Mendelssohn war ebenso bescheiden als unermüdet fleißig, er unterwarf daher selbst seine Briefe über die Empfindungen, denen er einen großen Theil seines Ruhms verdankte, einer neuen Bearbeitung und gab sie (1761) im ersten Theile der philosophischen Schriften durchaus verbessert heraus. Zugleich mit diesen längst anerkannten ästhetischen Aufsägen machte er unter seinen philosophischen Schriften. Auffäge bekannt, wodurch er bewies, daß er dunkle und schwere Spekulationen der Metaphysiker allen Gebildeten verständlich zu machen verstehe.

Diese Auffäge, vier an der Zahl, sind dem ersten Theil der philosophischen Schriften angehängt. Es sind kurze, aber platonisch belehrende Gespräche über Säge der spekulativen Philosophie. In den drei erßten werden Spinoza und Leibniz

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