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war, daß nach Georgs. II. Tode im October 1760 auch sein einziger treuer Bundesgenosse, der Minister, der das englische Kabinet leitete, seinen Einfluß verlieren werde.

Wir verlassen hier eine Zeitlang den Krieg in Deutschland, und kommen auf die europäischen Angelegenheiten zurück.

In Deutschland ging Bürger und Bauer zu Grunde, Fürften und Beamte wurden reich, denn sie benugten für ihre egoistischen Zwecke auch sogar das allgemeine Elend. Neben den unzähligen kleinen Tyrannen, ihrem Hofgesinde, ihren Schranzen und Knechten steht nur ein einziger Fürst, der ahnet, was wahre Größe ist. Friedrich allein konnte sagen, er repräsentire das Volk, dem er freilich keinen Antheil an der Regierung gebe, für dessen Wohl er aber arbeite und welches er gegen gierige Casten und beschränkte Pfaffen in Schuß nehme, Auch Friedrich übte freilich Gewalt und Bedrückungen; aber er stand auch ganz allein gegen halb Europa; er führte blutigen Krieg, aber er theilte auch alle Gefahren, alle Mühseligkeiten, alle Noth der geworbenen Soldaten, die nur er allein zu begeistern und mit einem Geist, der in Preußen Patriotismus heißt und damals auch dafür gelten fonnte, zu erfüllen verstand. Maria Theresia und ihr hoher Adel folgten dem Grundsage, dem Desterreich seine Größe verdankt, sie zögerten, sie zauderten, sie ließen das Elend des Krieges sich verlängern, fest überzeugt, daß der legte Fischzug um so reichlicher ausfallen werde, je trüber das Wasser geworden sei. Der gute Kaiser wucherte und spielte eine Nebenrolle in Wien, wie seine Reichsarmee in Deutschland; die Franzosen lagen indessen als Hülfe deutscher Gesezvollstreckung noch im Frühjahr (April 1761) von Frankfurt bis Gotha vertheilt. und Dörfer des Reichs verödeten, Getreide, Rindvich, Pferde waren kaum mehr in Mitteldeutschland anzutreffen. Das Elend hatte den höchsten Grad erreicht, die immer mehr wachsenden Schulden fast aller Gemeinden von Westphalen, Hessen, Gotha raubten auch sogar die Hoffnung einer besseren Zukunft. Während das Volk in Elend unterging, flossen reichliche französische oder englische Subsidien in die Schatullen der Fürsten, und diese zogen sogar von den Engländern für jedes Glied ihrer

Städte

verstümmelten Soldaten ein bestimmtes Geld; die Verstümmelten selbst bettelten hernach als Invaliden bei ihren verarmten Mitbürgern.

S. 5.

England, Frankreich, Spanien, deutscher Krieg bis auf Pitt's Austritt aus dem englischen Ministertum.

Pitt hatte, als er große Summen für den Krieg in Deutschland hergab, ganz richtig berechnet, daß diese ihm in Ostindien und in Amerika wuchern würden, wir müssen daher der indischen und amerikanischen Angelegenheiten im Vorbeigehen erwähnen; ohne jedoch der einzelnen Ereignisse eines Seekrieges, noch der verschiedenen Unternehmungen in Indien, Kanada und den Antillen, oder der unfruchtbaren Landungen und Verheerungen der Engländer an den französischen Seeküften besonders zu gedenken. Wer auch nicht geneigt ist, gleich den Staatsökonomen, Statistikern und Bewunderern des Reichthums und der Behaglichkeiten, die er verschafft, die Früchte der Gewerbsamfeit und der mit ihr verbundenen Civilisation unbedingt zu preisen, wird doch gern eingestehen, daß während Georg's II. Regierung Frankreich aus der Stellung, die es seit Ludwig XIV. an der Spige der europäischen Civilisation eingenommen hatte, durch England verdrängt ward. Die Bewunderung des steigenden englischen Wohlstandes, des Reichthums, der Bequemlichkeiten des Lebens und der Verfassung der Engländer, welche seit Montesquieu Mode ward, hatte wenigstens einen moralischen Vortheil für Europa. Man ward nach und nach überzeugt, daß Freiheit, Licht, rege Bewegung auch äußere Vortheile für die Völker, daß sie einen Geldwerth haben, den unsere Zeit als den einzigen Maßstab des Glücks anerkennt.

Der Krieg hatte anfangs nicht gerade günstig für England begonnen; Minorca ward von den Franzosen erobert, Byng wich bei einer gleichen Anzahl von Schiffen dem Treffen mit der französischen Flotte aus, ward verurtheilt und hingerichtet, und in Amerika wurden die in Acadien und auf der See erhaltenen Vortheile durch Braddock's Niederlage und durch den

Verlust des Forts Oswego am See Ontario aufgewogen. In Ostindien gab der Verlust der damals ganz unbedeutenden englischen Factorei zu Calcutta in Bengalen die Veranlassung zur ersten Gründung ihres ungeheuren Reichs im Osten, welches gegenwärtig fast siebenzig Millionen Einwohner zählt. Die Engländer hatten sich gerüstet, einen Angriff der Franzosen, mit dem sie bedroht waren, abzuwehren, dies gab dem Nabob einen Vorwand, ihr Fort zu zerstören und er verfuhr bei dieser Gelegenheit mit einer Grausamkeit, welche in den englischen Reden und Zeitungen lebhaft dargestellt, dem Ministerium vortrefflich für seine besonderen Zwecke diente. Die englischen Beamten und Kaufleute wurden nämlich auf eine grausame Weise gequält, sie verloren unter unerhörten Qualen durch Hige und Durst ihr Leben (Juni 1756), die Einwohner wurden auf die Schiffe getrieben oder verjagt. Die Qualen der sogenannten schwarzen Höhle erfüllten die Engländer mit Durst nach Rache, “) und Clive, der mit zweitausend vierhundert

66) Bekanntlich hatten die Engländer etwas über hundert Jahre vorher Aehnliches von den Holländern auf Amboina erlitten, wir wollen deshalb die genauere Nachricht von der Grausamkeit des Nabob hier beifügen: Es war bei der Einnahme von Calcutta ein Theil der Gebäude vom Feuer verzehrt worden, die Beamten des Nabob sperrten daher 146 Gefangene, Kaufleute, Soldaten, Matrosen und eine Frau in ein enges Loch, das nur eilf Fuß lang und 18 breit war, ein Gefängniß, welches bis dahin nur für einen Mann gebraucht war. Gegen die Außenseite, wo sich eine Veranda oder bedeckter Gang fand, waren zwei ganz kleine stark vergitterte Fenster. In diesem Raume mußten alle jene Menschen in einem heißen Lande in der heißen Jahreszeit eine ganze Nacht zubringen, weil man den Nabob nicht zu wecken wagte. Durst, unerträgliche Hize, verpestete Luft quälte die Mehrsten bis fie in langsamer Ermattung den Geist aufgaben. Das wenige Wasser, das der engen Gitter wegen kaum gereicht werden konnte, erquidte nur wenige. Holwell, der die Qualen überlebte, kann keine Worte finden, die Qual des Durstes und der Hize, den Wunsch, ein Ende durch den Tod zu finden, zu beschreiben. Nach langem Todeskampfe waren die Schwächsten zertreten, erstickt, oder vor Durst und Hiße in rasender Verzweiflung umgekommen. Drets undzwanzig sahen nur am andern Morgen das Tageslicht wieder, als der Nabob auf die Nachricht, die mehrsten Gefangenen wären in threm Kerker verschmachtet, die schwarze Höhle zu öffnen befahl, damit die Ueberlebenden sagen könnten, wo die Schäße der Factoret vergraben wären.

Mann aus Madras nach Bengalen geschickt ward, verrichtete Kriegsthaten, welche an die Zeiten eines Cortez und Pizarro, eines Albuquerque und anderer portugiesischen Helden erinner ten. Clive eroberte und befestigte Calcutta und führte (seit März 1757) zugleich mit dem Nabob und mit den Franzosen Krieg. In diesem Kriege ward hernach Clive als großer Kriegsheld, zugleich aber, gleich seinen spanischen Vorbildern, als gieriger Räuber auf ähnliche Weise berühmt, wie in unsern Tagen Massena und Soult und andere französische Marschälle. Clive gewann der ostindischen Gesellschaft ein Kaiserthum; unzählige Engländer fanden Unterkunft, Fortkommen, Mittel unermeßliche Reichthümer zu erwerben, ihre Verwandten, Freunde, Bekannten zu versorgen; Englands Betriebsamkeit erhielt unbegränzte Aussichten. Niemand ahnete damals, daß das, was die Nation an äußerem Wohlstande dadurch gewann, für den Verlust, den der Nationalcharakter an innerem Gehalte erleiden werde, nimmer ein hinreichender Ersatz sein könne.

Gleich im ersten Jahre des Krieges (1757) nahmen die Engländer am 27. März das der französischen ostindischen Kompagnie gehörende Fort Chaudernagor am Aus fluß des Ganges und von dem Augenblick an konnten die indischen Fürsten die. Franzosen in ihrem Lande nicht mehr schüßen. 67) In Bengalen selbst unterstügte Clive einen Ehrgeizigen, der den Nabob stürzen wollte, in seinem Unternehmen. Der Usurpator siegte mit Hülfe der Engländer, die der Nabob beleidigt hatte, er zahlte ihnen für ihre Hülfe große Summen und trat ihnen drei bedeutende Landstriche in Bengalen ab. Die Zahlungen des neuen Nabob betrugen, an die Kompagnie zwei Millionen Pfund, an Clives Heer sechs Millionen Rupien oder Gulden, wovon

67) Die Engländer führen hier triumphirend die Antwort ihres Admirals an, die er gab, als der Nabob betheuerte, es sei unerhört und unleidlich, daß Franzosen und Engländer als Handelsleute in seinem Lande aufgenommen, sich, ohne ihn zu fragen, bekriegten. Was könnten Türken und Tataren und Cannibalen anders antworten, als was Admiral Wilson antwortete? That if he (der Nabob) protected the king's enemies, he would light up a flame in his country, that all the waters of the Ganges would not be able to extinguish.

Clive allein drittehalb Millionen erhielt. In den folgenden Jahren wurden die Streitigkeiten der eingebornen Fürsten vortrefflich und systematisch benugt, um die Engländer in alle innere Angelegenheiten einzumischen. Das Jahr 1758 besonders war für Pitt's neue Verwaltung um so rühmlicher durch Vortheile in allen Welttheilen, je kostspieliger und vergeblicher alle früheren Anstrengungen gewesen waren.

In Deutschland ward in diesem Jahr eine englische Armee ausgeschifft, an den französischen Küsten wurden die mordbrennerischen Versuche der Engländer, die bis dahin immer gescheitert waren, bei St. Malo und hernach bei Cherbourg mit glänzendem Erfolge gekrönt; doch rächten die Franzosen den Versuch einer zweiten Landung bei St. Malo durch eine Niederlage, die sie den Engländern beibrachten, welche ausgeschifft waren. In Amerika nahmen die Engländer das Fort dü Quesne, die erste Ursache des Kriegs, sie nahmen Louisbourg, den einzigen Hafen der Franzosen für ihre Kaper und Stockfisch-Fänger. Die Engländer litten freilich eine kleine Niederlage bei Ticonderago; da aber Louisbourg, St. Jean, Frontenac, dü Quesne in ihrer Gewalt waren, ließen sie sich durch den kleinen Verlust nicht abhalten, Anstalten zur Eroberung von Canada zu machen, um durch diese Eroberung den damals ungemein bedeutenden Pelz- und Holzhandel ausschließend an sich zu bringen. Im folgenden Jahre ward (1759) zuerst die Niederlage bei Ticonderago gerächt, das Fort erobert und auch das Fort Niagara besegt, dann der Zug nach Canada begonnen.

Der Engländer Wolfe, der gegen Quebec zog, und der Franzose Montcalm, der es vertheidigte, haben sich jeder unter seiner Nation durch die Tapferkeit und Geschicklichkeit, welche sie bewiesen, die Unsterblichkeit erworben. Um dieselbe Zeit, als Canada angegriffen ward, rüstete man in England eine große Unternehmung gegen die französischen Antillen, besonders gegen Martinique und Guadeloupe. Die Flotte der Engländer, die ein nicht unbedeutendes Heer an Bord hatte, erschien am 6. Januar 1759 bei Port Royal auf Martinique, man fand aber bald, daß weder an diesem Punkte noch bei St.

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