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lung Folge zu leisten und eine neue Bearbeitung der von Tischer besorgten Ausgabe zu unternehmen. Im Laufe der Arbeit ergab sich jedoch bald die Nothwendigkeit einer so durchgreifenden Umgestaltung der früheren Bearbeitung, wobei die gründliche Recension der Tischerschen Ausgabe von Sorof besten Vorschub leistete, dass ich mich wohl berechtigt glaubte den Namen des ersten Herausgebers ganz zu beseitigen. Solche die mit dem Stande der Kritik der Rede bekannt sind, werden zugeben, dass ihre Bearbeitung für die Schule mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft ist; nicht wenige arg verderbte Stellen setzten in Verlegenheit, welche von den verschiedenen Emendationsversuchen in den Text aufzunehmen seien; überhaupt liess sich das Geschäft der Textesrecension nicht ohne eine gewisse Kühnheit abthun, wollte man nicht zu viele Verstösse gegen Sinn und Ausdruck unberührt lassen; im Ganzen jedoch glaube ich einen solchen Text hergestellt zu haben, dass die Rede für die Schule gut leserlich geworden ist. Kann ein anderer die Sache besser machen, so werde ich der erste sein, der ihm vollen Beifall zollen wird.

Bei der zweiten Auffage wurden die kritischen Beiträge von J. F. C. Campe (Jahrb. für classische Philol. 1866, 179 ff.), Muther's eingehende Recension der Ausgabe von Adolf Koch (Zeitschr. für das Gymnasialwesen 1868, 108 ff.) und sonstige in Zeitschriften zerstreute Beiträge mit aller Sorgfalt benützt.

Wie schon in der so eben erschienenen zehnten Auflage der Catilinarischen Reden bemerkt ist, wurde die bisher mit diesen gedruckte Rede für Sulla von dem dritten Bändchen abgetrennt und ihr ein passenderer Platz neben der für Murena eingeräumt. Zur letzteren Rede lagen bei der neuen Ausgabe zur Benützung vor einzelne Beiträge von W. Teuffel in den Jahrbüchern für classische Philologie und eine grössere Abhandlung des Holländers C. M. Francken in der Mnemosyne V, p. 295 sqq. (1877).

München 1865. 1872. 1878.

Karl Halm.

M. TULLII CICERONIS
ORATIO PRO L. MURENA

AD IUDICES.

EINLEITUNG.

Was wir von den Lebensverhältnissen des L. Licinius 1 Murena wissen, beruht fast ausschliesslich auf den Nachrichten, die uns sein Vertheidiger Cicero erhalten hat. Das plebejische Geschlecht der Murenae stammte aus Lanuvium und gehörte zur jüngeren Nobilität 1): sie zählten noch keinen Consularen in ihren Reihen; erst der Aeltervater und Grossvater unseres Lucius hatten es zur Prätur gebracht.2) Der berühmteste des Geschlechts 2 war der Vater, gleichfalls mit dem Vornamen Lucius, der, nachdem er die Prätur verwaltet hatte, als Sulla's Legat mit Auszeichnung in Griechenland und Asien diente und von diesem nach dem Friedensschlusse mit Mithridates mit dem Commando der in Asien zurückgelassenen Legionen betraut wurde. In dieser Stellung gerieth Murena mit Mithridates in neue Verwicklungen3); seine Erfolge waren nicht bedeutend und gingen durch eine empfindliche Niederlage, die er beim Ueberschreiten des Halys erlitt, wieder verloren. Den Feindseligkeiten machte Sulla durch Murenas Abberufung ein Ende, gewährte ihm aber die Ehre eines Triumphes), als hätte er in Asien bedeutende Erfolge errungen. In diesem Kriege, den man gewöhnlich den zweiten Mithridatischen nennt, machte der Sohn unter dem Commando seines Vaters sein militärisches Tirocinium 5). Wie seine Ankläger be

15.

1) Cic. p. Mur. § 15: ampla et honesta familia plebeia.
3) c. 15 § 32; vgl. Mommsen R. G. II, 338 (3).
5) § 11.

Cic. Reden VII.

2) ib. 4) §§ 11. 15. 1

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haupteten, genoss der junge Officier weidlich das üppige Leben in Asien) und verletzte die römische Würde sogar so weit, dass er unter seinen lockeren Jugendgenossen auch als pantomimischer Tänzer glänzte), Beschuldigungen die freilich sein Vertheidiger als völlig unbegründet hinstellt.

Von Asien zurückgekehrt bewarb sich L. Murena mit Ser. Sulpicius, seinem späteren Ankläger und Mitbewerber für das Consulat, um die Quästur, fand jedoch bei der Verwaltung des Amtes keine Gelegenheit sich besonders hervorzuthun). Der Wiederausbruch des Kriegs mit Mithridates führte Murena von neuem nach Asien zum Heere des L. Lucullus 9). Von den grossen Diensten, die er als Legat in dem siegreichen Feldzug geleistet, gaben die amtlichen Berichte des Oberfeldherrn rühmliches Zeugniss.

Ohne die Aedilität bekleidet zu haben 10), erlangte Murena im J. 65 die Prätur, bei der er wieder den Ser. Sulpicius zum Amtsgenossen hatte"), aber durch die Entscheidung des Looses besser als dieser begünstigt worden war. Denn während er selbst die Handhabung der iuris dictio urbana erlangt hatte, war dem Sulpicius das verdriessliche Geschäft der Vorstandschaft in den Untersuchungen de peculatu zugefallen 12). Schon damals von dem Wunsche beseelt, in seine Familie das höchste Ehrenamt, das Consulat, zu bringen, feierte Murena die apollinarischen Spiele, deren Leitung dem praetor urbanus zustand, mit um so grösserer Pracht 13), als er durch die Umgehung der Aedilität keine Gelegenheit gefunden hatte sich durch glänzende Spiele der Volksgunst zu versichern. Nach der Prätur übernahm er im J. 64 als Proprätor die Verwaltung der Provinz Gallia Transalpina 14), aus der er vor Ablauf des zweiten Jahres, nachdem er seinen Bruder und Legaten Gaius Murena als Amtsverweser zurückgelassen hatte 15), nach Rom zurückkehrte, um sich um das Consulat zu bewerben.

Ausser Murena waren im Jahre 63 als Bewerber L. Sergius Catilina, D. Iunius Silanus und Ser. Sulpicius Rufus 16), der berühmteste Rechtsgelehrte seiner Zeit, aufgetreten.

7) § 13. 8) § 18.

6) § 11 sq. 9) $ 20. 10) daher heisst es § 37: duae res vehementer in praetura (i. e. in praeturae petitione) desideratae sunt una, exspectatio muneris etc. 11) § 35 ff. 12) c. 20. 13) § 37 a. E. c. 19, § 38. 14) § 42.

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15) § 89. Von C. Murena erwähnt Sallustius Cat. 42. dass er als Verweser der Provinz mehrere Sendlinge Catilina's verhaftete : item in ulteriore_Gallia C. Murena (complures in vincula coniecit), qui ei provinciae legatus praeerat. 16 Er gelangte erst im J. 51 zum Consulat; in seiner

Da Catilina kurz vor der Zeit der Comitien, die gewöhnlich im Monat Juli stattfanden, in einer Privatversammlung eine sehr aufregende Rede gehalten und sein sociales Programm dargelegt hatte 17), brachte der Consul Cicero am Tage vor den Comitien im Senat die gefährliche Lage der Republik zur Sprache. Der Senat fasste den Beschluss am folgenden Tage, statt die Consularcomitien vorzunehmen, über die allgemeine Lage Berathung zu treffen. Es kam zu keinen energischen Beschlüssen, wohl aber zu einer Vertagung der Wahl, welche Zwischenzeit der Consul benutzte, um sich aus jüngeren Männern eine starke Bedeckung zu bilden, unter deren Schutz die Wahl ohne Störung vor sich ging 18). Sie entschied für L. Murena und D. Silanus.

Nach dieser neuen Demüthigung (denn auch frühere Ver- 6 suche Catilina's zum Consultat zu gelangen waren gescheitert) beschloss Catilina, der schon längst Gleichgesinnte für seine Umsturzpläne geworben hatte, zum offenen Aufstand zu schreiten. In Rom selbst konnte er sich nicht länger halten, sondern begab sich am 8. Nov. nach Etrurien, wo sein Anhänger Gaius Manlius bereits am 27. Oct. die Fahne der offenen Empörung aufgepflanzt hatte. Sulpicius hingegen beschloss sich für seine Zurücksetzung durch eine Anklage gegen Murena de ambitu zu rächen, da er seinem Gegner durch Geburt und Verdienste überlegen zu sein glaubte 19), und im Falle seiner Verurtheilung alle Chancen für sich hatte, an dessen Stelle zum Consul gewählt zu werden. Dass er nicht auch des Silanus Wahl anfocht, geschah vielleicht aus Rücksicht gegen den designirten Volkstribunen M. Porcius Cato, der sich dem Sulpicius nebst dem Ritter Postumus und einem jüngeren Ser. Sulpicius als Mitankläger (subscriptor) angeschlossen hatte; denn Silanus war ein Schwager des Cato. Dass aber auch seine Wahl, ebenso wie die des Murena, durch Geld erkauft war, lässt sich aus einer Andeutung bei Plutarch mit ziemlicher Sicherheit schliessen 20).

Die Klage lautete de ambitu 21), wegen gesetzwidriger oder 7

politischen Laufbahn zeigte er sich ehrenwerth, aber von geringer Entschlossenheit. 17) § 50 sqq. vgl. Einl. zu den Catil. Reden (10. Ausg.)

14. 18) § 52. 19) §§ 18 ff. 20) v. Gat. 21: Αποδειχθεὶς δὲ δήμαρχος σὺν ἑτέροις καὶ τῷ Μετέλλῳ τὰς ὑπατικὰς ἀρχαιρεσίας ὁρῶν ὠνίους οὖσας ἐπετίμησε τῷ δήμῳ· καὶ καταπαύων τὸν λόγον ἐπώμοσε τοῦ δόντος ἀργύριον, ὅστις ἂν ᾖ, κατηγορήσειν, ἕνα Σιλανὸν ὑπεξελόμενος δι' οἰκειότητα· Σερβιλίαν γὰρ ἀδελφὴν Κάτωνος ὁ Σιλανὸς εἶχε. Διὸ τοῦτον μὲν παρῆκε, Λεύκιον δὲ Μουρήναν ἐδίωκεν ἀργυρίῳ διαπραξάμενον ἄρχοντα μετὰ τοῦ Σιλανοῦ γενέσθαι. 21) ambitus (von ambire) bezeichnet seiner Grundbedeutung nach das Herumgehen der

haupteten, genoss der junge Officier weidlich das üppige Leben in Asien) und verletzte die römische Würde sogar so weit, dass er unter seinen lockeren Jugendgenossen auch als pantomimischer Tänzer glänzte), Beschuldigungen die freilich sein Vertheidiger als völlig unbegründet hinstellt.

3 Von Asien zurückgekehrt bewarb sich L. Murena mit Ser. Sulpicius, seinem späteren Ankläger und Mitbewerber für das Consulat, um die Quästur, fand jedoch bei der Verwaltung des Amtes keine Gelegenheit sich besonders hervorzuthun). Der Wiederausbruch des Kriegs mit Mithridates führte Murena von neuem nach Asien zum Heere des L. Lucullus 9). Von den grossen Diensten, die er als Legat in dem siegreichen Feldzug geleistet, gaben die amtlichen Berichte des Oberfeldherrn rühmliches Zeugniss.

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Ohne die Aedilität bekleidet zu haben 10), erlangte Murena im J. 65 die Prätur, bei der er wieder den Ser. Sulpicius zum Amtsgenossen hatte"), aber durch die Entscheidung des Looses besser als dieser begünstigt worden war. Denn während er selbst die Handhabung der iuris dictio urbana erlangt hatte, war dem Sulpicius das verdriessliche Geschäft der Vorstandschaft in den Untersuchungen de peculatu zugefallen 12). Schon damals von dem Wunsche beseelt, in seine Familie das höchste Ehrenamt, das Consulat, zu bringen, feierte Murena die apollinarischen Spiele, deren Leitung dem praetor urbanus zustand, mit um so grösserer Pracht 13), als er durch die Umgehung der Aedilität keine Gelegenheit gefunden hatte sich durch glänzende Spiele der Volksgunst zu versichern. Nach der Prätur übernahm er im J. 64 als Proprätor die Verwaltung der Provinz Gallia Transalpina 14), aus der er vor Ablauf des zweiten Jahres, nachdem er seinen Bruder und Legaten Gaius Murena als Amtsverweser zurückgelassen hatte 15), nach Rom zurückkehrte, um sich um das Consulat zu bewerben.

Ausser Murena waren im Jahre 63 als Bewerber L. Sergius Catilina, D. Iunius Silanus und Ser. Sulpicius Rufus 16), der berühmteste Rechtsgelehrte seiner Zeit, aufgetreten.

6) § 11 sq.

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7) § 13. 8) § 18.

9) § 20. 10) daher heisst es § 37: duae res vehementer in praetura (i. e. in praeturae petitione) desideratae sunt una, exspectatio muneris etc. 11) § 35 ff. 12) c. 20. 13) § 37 a. E. c. 19, § 38. 14) § 42. 15) § 89. Von C. Murena erwähnt Sallustius Cat. 42. dass er als Verweser der Provinz mehrere Sendlinge Catilina's verhaftete: item in ulteriore Gallia C. Murena (complures in vincula coniecit), qui ei provinciae legatus praeerat. 16) Er gelangte erst im J. 51 zum Consulat; in seiner

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