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Sich noch verbluten foll. Nicht mit dem Licht befchenkt,
Durch das wir heller fehn, befchaut es ungekränkt

Das Gegenwärtige; und weiter nicht gerühret,
Liebkofet es der Hand, die schon den Streich vollführet. 130
O, du des Künftigen glückfelge Dunkelheit!
Aus Güte gab dich Gott; auf daß, voll Thätigkeit,
Den angewiefnen Kreis ein jedes Ding erfülle.
Er, aller Wefen Gott, fieht in der tiefften Stille

Mit immer gleichem Blick, wie dorten bald der Held 135
Die Tage blutig schließt, bald hier der Sperling fällt.
Ob dort in ihrem Flug die Stäubchen fich verwirren,
Und ob die Sonnen hier in ihrer Wendung irren;
Ob in der Himmel Schoos, ob in dem Schaum der Flut
Welt oder Blafe fpringt; Er fiehet es, und ruht,

140

In Demuth hoffe du, erhebe dich mit Zagen. Dir wird dereinft der Tod, dein großer Lehrer, fagen, Was Gott dir aufbehält. Im Staube beth Ihn an, Ihn, deines Schickfals HErrn. Er hat nicht kund gethan, Welch künftig Glück dich dort erwartet, Doch das Hoffen, 145 Ein gegenwärtig Glück für dich, ließ Er dir offen. Ein ewig Hoffen blüht in deiner öden Bruft;

Und nie begnügt, und doch beftimmt zu fteter Luft, Schickt dein hier fremder Geist weit über diefe Schranken Den in der Zukunft nur befriedigten Gedanken.

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Gieb auf den Neger acht, der durch fich felbft belehrt Gott in der Wolke fieht, Gott in dem Sturmwind hört! Nicht unfre Wiffenfchaft, die nur den Stolz verschlimmert, Lehrt ihn, fich höher noch, als wo die Milchbahn schimmert, Im Sterben zu erhöhn. Auf blaffer Wahrheitsfpur Zeigt ihm indeffen doch die tröftende Natur Ein niedres Himmelreich; In ftillen Götterhaynen, In Auen, deren Raum Gebirge rings umzäunen, Gebirge, deren Haupt mit Wolken fich bedeckt,

155

Ein ewig blühend Feld! ein Feld, das ihn verfteckt, 16.

Wo es auch immer fey! vielleicht an jener Küfte
Im füffen Vaterland, jenfeit der Wafferwüfte,
Bey frommer Schwarzen Volk; weit von der Sklaverey,
Weit von der Feinde Quaal! dort, wo er endlich frey
Ein Eiland finden wird, zu deffen ficherm Sitze 16
Kein weißer Höllengeift bewaffnet mit dem Blitze,
Kein gold-erfoffner Chrift, der auf und nieder irrt,
Sich nahen, oder doch zur Strafe fcheitern wird.
Zu Seyn gnügt der Natur, und gnügt auch ihm auf immer;
Und nicht des Engels Flug und nicht des Seraphs Schimmer 170
Verleiten ihn zum Neid. Er glaubt, daß jene Welt
Für feinen treuen und noch Raum genug enthält.

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IV. Du, der du klüger bift, und fertiger zum Prahlen, Komm her, und wäge doch in deiner Einficht Schaalen. Der Vorsicht großen Plan, den Rath der Ewigkeit. Was unvollkommen fcheint, nenn Unvollkommenheit. Sprich Hier giebt Gott zu viel, zu wenig giebt er dorten, Verwirf und läftere den Theil, der dir geworden.

Der Mitgefchöpfe Reich zerftöre rings um dich,

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Ihr Tod fey deine Koft, dein Spiel; und dennoch sprich: 180
Wenn ich unglücklich bin; wenn ich nicht ganz alleine
Der Vorficht Augenmerk in meinem Punkt vereine;
Wenn Sie, die alles kann, und über alles wacht,
Mich nicht vollkommen hier, und dort unsterblich macht:
So ift Gott ungerecht.,, Reiß ihm des Schickfals Wage 185
Und feinen Scepter weg! Sprich dir in eigner Klage
Vor deinem Richterftuhl mit Frevel und mit Spott

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Das Urtheil wider Ihn! Sey deines Gottes Gott!

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Im Hochmuth liegt der Grund von unfern falschen Sclüffen.

Man will empor, man eilt, von ihm dahingeriffen,
Auf alle Himmel loß; da will der Stolz hinein;

Ein Engel will der Menfch, ein Gott der Engel feyn.
Der Engel fiel: und du, Rebell in deiner Sphäre,
Verlangeft feinen Rang: Er diene dir zur Lehre !

190

Wer jemals dem Gefetz der Ordnung widerftrebt,
Der fündigt gegen den, durch deffen Macht er lebt.

195

V. Man frage, wem zu Dienst in unermeßner Höhe Weit außer unferm Kreis ein Heer von Sonnen stehe? Für wen die Erde fey? Der Hochmuth spricht:,, Für mich! Ich war der Schöpfung Ziel, und jedes andre wich. 200 Für mich treibt die Natur ihr gütiges Geschäfte;

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,, Erwecket überall die regen Zeugungskräfte,

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Und fäuget jeden Keim. Für mich, für mich allein

,, Flößt fie dem Weinstock Geift, der Blüte Balsam ein. Für mich verdüftet fich die aufgeschloßne Rose.

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205

Für mich verwahrt fein Erz der Berg in tiefem Schoose. Im dreyfach großen Reich von Thier und Kraut und Stein Ströhmt die Gefundheit aus, zum Heyl mir da zu feyn. ,,Das Weltmeer fchäumt und brauft, ftolz mich einherzutragen. Nur mir zu leuchten fteigt der goldne Sonnenwagen,

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כל

210

» Mein Schemel ift das Land, die Luft mein Himmeldach.,,
Und doch läßt die Natur von diesem Eifer nach,
Wann in dem Sonnenftrahl verderblich hergeführet
Des Todes gelber Pfeil, o Eitler, nun dich rühret ;
Wann durch den Stoß das Land, durch Sturm die Flut fich hebt,
Und Völker hier erfäuft, und Städte dort begräbt:
Unfälle! die dein Wohl nur allzufehr verletzen.

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وو

216

Gott wirkt, antworteft du, nach ganzen Weltgesetzen,' Und nicht nach einzelnen. Ausnahmen. find nicht viel. Seit jenem Anbeginn hat der Verändrung Spiel

220

Schon manches umgekehrt. Kann etwas je auf Erden, Kann das Erfchaffene, gleich Gott, vollkommen werden? Du aber willft es feyn. Ift, Menfch, dein Wohl, dein Glück Der letzte große Zweck vom ordnenden Geschick ? Und kann doch die Natur von diefem Ziel fich trennen: 225 Warum foll nur der Menfch von ihm nicht weichen können? Erfordert diefer Zweck, den fich dein Wunsch erlaß, Nicht in der Witterung ein gleich fo richtig Maaß, T

230

Als in der Leidenschaft? und ftete Frühlingszeiten,
Und einen Horizont, wo keine Wetter ftreiten,
Gleich fo, als einen Sinn, der vom Gewölke frey,
Beruhigt in fich felbft, ftets froh, ftets weife fey?
Wird durch des Aetna Brand, wird durch ergoffne Meere,
Durch Erderschütterung, durch blaffer Seuchen Heere
Des Himmels Abficht nicht verrückt, noch umgewandt: 235
Wie follte diefes Ziel mit feiner fchwachen Hand
Ein fchnöder Borgia, ein Catilin verrücken?

Der, welcher Brand und Tod im Donner niederfchicken,
Den Ocean erhöhn, den Sturm beflügeln kann:

240

245

Bläßt auch in Cäfars Bruft die Glut der Ehrfucht an,
Und fendet Ammons Sohn, den Erdkreis umzukehren.
Aus Hochmuth irreft du. Laß demnach dich belehren,
Daß in dem Sittlichen fowohl, als der Natur,
Ein ähnlich Urtheil gilt. Entfchuldigest du nur
Auf diefer Seite Gott, um dort ihn' anzufechten?
In beyden, kannst du wohl mit deinem Schöpfer rechten?
Vielleicht verlangeft du in der Natur, und dir,
Dort nichts, als Harmonie, und nichts, als Tugend hier;
Und daß, auf immer gleich, im Meer und im Gemüthe
Hier keine Leidenfchaft, und kein Orcan dort wüthe. 250
Allein, gewähret nicht der Elemente Streit

Dem allgemeinen Bau die rege Wirkfamkeit?
Die Leidenfchaften find des Lebens Elemente:
Meynft du, daß ohne fie der Menfch bestehen könnte?
Die Hand der Ordnung maß nach einer gleichen Schnur
Seit allem Anbeginn dich und auch die Natur.

255

VI. Und was will diefer Menfch? Bald klagt er über Mängel,

Und etwas weniges geringer als der Engel,

Verlangt er mehr zu feyn: Bald aber fenket er

Sich unter fich herab, und will den Pelz vom Bär, Vom Stiere die Gewalt, vom Eber Muth und Waffen. Sind alle, wie du sprichft, zu deinem Dienst geschaffen:

260

Und du befäßeft fchon was unter ihnen fich
Vertheilt befinden mag: was nützten fie für dich ?
Freygebig in der That, doch nie bis zum Verschwenden, 265
Giebt ihnen die Natur mit mütterlichen Händen.
Was ihnen nöthig ift., ihr Werkzeug, ihre Kraft,
Und der Beftimmung nach ist keines mangelhaft,
Sie, wachfam und beforgt in Bildung ihrer Werke,
Giebt Schwachen Schnelligkeit und Langfamen die Stärke ; 270
Und, wie das Ebenmaaß zusammen fich vergleicht,
Ift dem von diefer mehr, von jener dem gereicht.
Nichts ift davon zu thun, nichts ift hinzuzufügen;
Das kleinfte Würmgen lebt, und lebt fich zum Vergnügen.
Wer klaget? nur der Menfch. Und follte dem allein 275
Das theilende Gefchick zu karg gewefen feyn?
Wie? oder follte der, den wir vernünftig nennen,
Wenn er nicht alles hat, nichts gut befinden können?
Sein Wohlftand (würde doch vom Hochmuth dieß bemerkt!)
Bestehet nicht, daß er, an Leib und Geist verstärkt, 280
Erhoben aus dem Kreis, der feine Bahn befchränket,
Mit mehr als Menfchenkraft fich reget oder denket.
Der Theil, den er besitzt, ist der, der ihm erfprießt.
Daß feines Auges Bau nicht mikroscopisch ist,

Folgt aus dem guten Grund: der Menfch ift keine Fliege. 285
Und fäh er hundertmal im Kleinern alle Züge

Der feinften Körperwelt, und überfchaute gleich
Im Tropfen eine See und auf dem Blatt ein Reich:
Was wär es, wenn zugleich des Himmels hohe Bögen
Dem abgekürzten Blick auf ewig, fich entzögen ?
Wie wenig nützte dir ein zärteres Gefühl ?

290

Empfinden würdeft du zwar mehr; doch allzuviel,
Wenn jeder kleine Druck dich zu erzittern zwänge,
Und Schmerz und Todesangt durch jedes Schweißloch dränge;
Wenn der vom Rofenftrauch emporgeftiegne Duft
Gefchwungen in dein Hirn aus der durchwürzten Luft

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