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,,Die Afrikanische Wüste und das Land der Schwarzen am oberen Nil, von d'Escayrac de Lauture", Leipzig 1855; ,,Die Staaten von Central-Amerika, von E. G. Squier", Leipzig 1856; „Buenos Ayres und die Argentinischen Provinzen", Leipzig 1866; ,,Süd-Afrika und Madagaskar geschildert durch die neueren Entdeckungsreisenden, namentlich Livingstone und Ellis", Leipzig 1860; „Burton's Reisen nach Medina und Mekka und in das Somali-Land nach Härrär", Leipzig 1861; „Die Expeditionen Burton's und Speke's von Sansibar bis zum Tanganyika- und NyanzaSee", Leipzig 1861) und verschiedenen Aufsätzen in der ,,Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde" gab er die als „Geographische Wanderungen" (2 Bde, Dresden 1859) gesammelten Abhandlungen und die „Geographie des Welthandels" (2 Bde, Stuttgart 1862-72) heraus, besonders aber begründete er 1861 den ,,Globus", die so populär gewordene geographische Zeitschrift, die er bis zu seinem Tode redigirte.

Wilhelm Heinrich Emanuel Bleek, der Süd-Afrikanische Sprachforscher, starb am 17. August in der Kapstadt. Er war 1827 in Berlin geboren, kam aber schon 1829 nach Bonn, als sein Vater die Professur der Theologie an der dortigen Universität übernahm. Selbst für die Theologie bestimmt, wandte er sich doch bald vorzugsweise der Linguistik zu und suchte schon 1850 in seiner Doktor-Dissertation den Nord-Afrikanischen Ursprung der Hottentotten-Sprache nachzuweisen. Dieses wissenschaftliche Interesse zog ihn 1855 nach Süd-Afrika, wo er Natal und das Kaffernland bereiste (,,Geogr. Mittheil." 1855, S. 361; 1856, S. 362, 373; 1857, S. 49), bevor er sich 1857 in der Kapstadt, anfänglich als Dolmetscher des Gouvernements, dann 1860 als Bibliothekar, niederliess. Dort brachte er, zwei Reisen nach Europa (1859 und 1869) abgerechnet, 18 Jahre mit sprachwissenschaftlichen Arbeiten zu, deren bedeutendste Frucht seine vergleichende Grammatik Süd-Afrikanischer Sprachen ist (,,A comparative grammar of South African languages", Cape Town seit 1862). Ausserdem gab er die von Peters gesammelten Vokabularien der Sprachen von Südost-Afrika heraus (,,The languages of Mozambique", London 1856), eine Sammlung von Märchen und Fabeln der Eingeborenen (,,Reynard the Fox in South Africa, or Hottentot fables and tales", 1864), einen beschreibenden Katalog der linguistischen Bibliothek Sir George Grey's (,,The library of His Excellency Sir George Grey", 2 Bde, London 1858 und 59), nebst einer Reihe von Abhandlungen. Zuletzt war er mit einem Wörterbuch der Buschmannsprache beschäftigt.

Oskar Ferdinand Peschel, Geh. Hofrath Prof. Dr., der berühmte Geograph und Ethnograph, erlag seinen mehrjährigen Leiden am 31. August zu Leipzig. Als Sohn eines

Offiziers wurde er am 17. März 1826 in Dresden geboren, lernte einige Jahre als Kaufmann, studirte dann aber 1845-8 in Heidelberg und Leipzig Jura und wollte in Berlin die juristische Docentenlaufbahn betreten, als er in die Redaktion der Augsburger ,,Allgemeinen Zeitung" berufen wurde. Nach sechsjähriger angestrengtester Thätigkeit in dieser Stellung übernahm er im November 1854 die Redaktion des „Ausland”, die er bis März 1871 in so ausgezeichneter Weise durchführte, dass die Zeitschrift bald den ersten Rang unter den populär - wissenschaftlichen Organen einnahm. Als ordentlicher Professor der Geographie an die Universität Leipzig berufen, begann er dort Ostern 1871 Vorlesungen über Völkerkunde, physische Erdkunde, Europäische Staatenkunde und Geographie des Deutschen Reichs, und leitete ein geographisches Seminar. Ausser einer grossen Anzahl von Aufsätzen im „Ausland", der ,,Deutschen Vierteljahrsschrift", der ,,Österr. Wochenschrift für Wissenschaft und Kunst", der Augsb.,,Allgemeinen Zeitung" schrieb er namentlich die ,,Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen" (Stuttgart 1858), die ,,Geschichte der Erdkunde bis auf Al. v. Humboldt und K. Ritter" (München 1865), „Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde als Versuch einer Morphologie der Erdoberfläche" (Leipzig 1870, 2. Aufl. 1876),,,Völkerkunde" (Leipzig 1874, 2. Aufl. 1875), den Abschnitt über Humboldt's Wirksamkeit auf dem Gebiete der Erd- und Völkerkunde, Staatswirthschaft und Geschichtschreibung in der von Bruhns herausgegebenen wissenschaftlichen Biographie Al. v. Humboldt's (3. Bd., Leipzig 1872), so wie für den Spamer'schen Verlag,,das Buch berühmter Kaufleute". Seine Vorzüge waren: grosse Arbeitskraft, Vielseitigkeit des Wissens, Klarheit, Reichthum der Gedanken, Geschmack und schriftstellerische Gewandtheit.

Rudolph von Willemoes - Suhm, Dr. phil., Privatdocent der Zoologie an der Universität München, war am 11. September 1847 in Glückstadt, Provinz Schleswig-Holstein, geboren, als Sohn des Kgl. Preuss. Kammerherrn und Landraths in Rendsburg, bezog vom Hamburger Gymnasium 1866 die Universität Bonn, um Jura zu studiren, widmete sich aber seit 1867 der Zoologie, in München und Göttingen. Sein Studium der Seethiere, das er im Herbst 1869 in Spezzia und 1870 in Kiel betrieb, wurde durch den Deutsch-Französischen Krieg unterbrochen, den er im Hessischen Husaren - Regiment Nr. 14 mitmachte; im August 1871 entlassen besuchte er aber Kurland, etablirte sich als Docent und Assistent am Zoologischen Museum in München und studirte im Herbst vier Wochen lang die Natur der Faroer. Auf der Rückreise von dort wurde er in Edinburgh von Prof. Wyville Thomson zur Theilnahme an der wissenschaftlichen Erdumsegelung des ,,Challenger" aufge

fordert und seit Dezember 1872 hat er als Zoolog die Mühen und Arbeiten dieser Expedition getheilt, bis er auf dem Wege von den Sandwich-Inseln nach Tahiti am 13. September der Kopfrose erlag. Während der kurzen Zeit seines hoffnungsreichen Lebens hat er u. A. publicirt:,,Helminthologische Notizen I und II", „Zur Entwickelung von Schistocephalus",,,Biologische Beobachtungen über niedere Thiere", „Über Termatoden und Nemathelminthen". In Verbindung mit der Challenger-Expedition veröffentlichte er während der Reise Abhandlungen in den Annals and Magazine of Natural History und den Linnean Proceedings, Briefe an Prof. v. Siebold in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie und einen Brief über die Arbeiten des Challenger zwischen Australien und Neu-Seeland in den,,Geogr. Mittheilungen" 1874, S. 467. Er hat ein offizielles Journal in zwei starken Bänden und eine schöne Sammlung von zoologischen Zeichnungen mit vollständiger Beschreibung hinterlassen.

Sir John Gardner Wilkinson, der Ägyptologe, starb 78 Jahre alt im November. Er erhielt seine Bildung in Oxford und wohnte viele Jahre in Ägypten. Nachdem er 1830 im Journal der Londoner Geogr. Gesellschaft (1832, p. 28-59),,Notes on a part of the Eastern desert of Upper Egypt" veröffentlicht hatte, erschien 1838 sein erstes bedeutendes Werk über dieses Land,,,Manners and customs of the ancient Egyptiens, derived from a comparison of the painting, sculpture, and monuments still existing, with the accounts of ancient authors", und erwarb ihm grosses Ansehen. Im Journal der Londoner Geogr. Gesellschaft erschien 1839 (p. 431-440) sein Aufsatz,,On the Nile, and the present and former levels of Egypt", 1843 (p. 113 -117),,Som account of the Natron Lakes of Egypt", 1851 (p. 154-160) ,,Remarks on the country between Wady Halfeh and Gebel Berkel, in Ethiopia, with observations on the level of the Nile", und 1855 (p. 206-214) ,,Account of the Jimma country". Ferner gab er 1844 ein Buch über ,,Modern Egypt and Thebes" heraus, 1854 in 2 illustr. Bänden einen „Popular Account of the ancient Egyptians" und 1857 ,,Egypt in the times of the Pharaohs". Eine Reise in die Slavischen Provinzen der Türkei lieferte ihm den Stoff zu seinem Buche ,,Dalmatia and Montenegro, with a journey to Mostar in Herzegovina" (1848).

Werner Munzinger Pascha fiel auf einem Ende Oktober 1875 unternommenen Kriegszuge von Tadjurra landeinwärts durch Mörderhände. So schloss das reiche Leben dieses hochgebildeten und vielfach verdienten Mannes so romantisch wie es verlaufen war. Geboren 1832 zu Olten in der Schweiz, studirte er in Bern, München und Paris Geschichte, Naturwissenschaften und Orientalia, ging

1852 nach Ägypten, trat in Alexandria in ein Handelsgeschäft, machte 1854 eine Handelsreise auf dem Rothen Meere, besuchte dabei von Massaua aus die Bogos-Länder und liess sich 1855 dort in Keren nieder. Während seines zurückgezogenen Lebens in diesem Dorfe eignete er sich die gründliche Kenntniss der Sitten und Sprachen an, die ihm zu seiner späteren Laufbahn nöthig war und als deren literarische Frucht 1859 in Winterthur die werthvolle Schrift über,,Sitten und Recht der Bogos" erschien. Erst 1861 verliess Munzinger Keren wieder, um sich der ,,Deutschen Expedition nach Inner - Afrika" anzuschliessen. Während v. Heuglin und Steudner nach Abessinien gingen, begab er sich mit Kinzelbach über Chartum nach Kordofan, die Geographie der nördlich an Abessinien. grenzenden Landschaften wesentlich bereichernd (Ergänzungsheft Nr. 13 der,,Geogr. Mittheilungen"). Nach Beendigung dieser Expedition kam Munzinger 1863 nach Europa, wo er sein vortreffliches Werk ,,Ost-Afrikanische Studien" (Schaffhausen 1864) herausgab, kehrte aber schon 1864 nach Massaua zurück, war dort seit 1865 Englischer Consulatsverweser und leistete den Engländern bei dem Abessinischen Feldzug 1867-8, sowohl bei den Vorbereitungen als im Verlauf desselben, hervorragende Dienste. Seit 1868 bekleidete er das Amt eines Französischen ViceConsuls in Massaua, bereiste 1870 von Aden aus mit Capt. Miles die südöstlichen Küstenländer Arabien's, wurde 1871 zum Ägyptischen Bey und Gouverneur von Massaua ernannt und annektirte einen Theil der Nord - Abessinischen Grenzländer, die er wiederholt bereiste (s.,,Geogr. Mitth." 1872, Tafel 12 und Seite 201), an Ägypten. Zugleich versorgte er Massaua durch Herstellung einer Wasserleitung mit gutem Trinkwasser. Im Jahre 1872 wurde er Pascha und General - Gouverneur des östlichen Sudan von Suakin bis Berbera und landeinwärts bis Kassala und Taka. In dieser Eigenschaft hat er die Herrschaft Ägypten's am Rothen Meere entlang und an der Somali-Küste beträchtlich erweitert, auch war er wohl die Seele der jüngsten kriegerischen Unternehmungen gegen Abessinien, denen er selbst zum Opfer fallen sollte. Mit ihm scheint seine Frau, eine Abessinierin, umgekommen zu sein.

Gustav Adolf Haggenmacher, Begleiter und Gehülfe W. Munzinger's, wurde zugleich mit diesem Ende Oktober eine kurze Strecke landeinwärts von Tadjurra von den Gallas ermordet. Auf der Insel Limatau bei Brugg, Canton Aargau, am 3. Mai 1845 geboren, lernte er nach Absolvirung der Bezirks- und Cantonsschule in einem Baseler Handlungshaus, ging 1865 als Kaufmann nach Ägypten, begleitete 1866 eine Karawane nach Chartum und blieb dort, abgesehen von verschiedenen Handelsreisen im Ägyptischen Sudan, bis 1869, WO er durch Abessinien nach

Suakin kam. In Massaua fand er an Consul Munzinger einen mächtigen und treuen Gönner, dem er bis zum Tod zur Seite stand. Im J. 1872 erhielt er den Auftrag, eine Sammlung inländischer Produkte für die Wiener Ausstellung anzulegen, bei der er auch als Commissär fungirte. Im September nach Cairo zurückgekehrt, blieb er dort mit Munzinger bis Februar 1874, begleitete ihn nach Massaua und Kassala, wo er als sein Stellvertreter eingesetzt wurde, und unternahm noch 1874 im Auftrag des Khedive eine Reise in die Somali-Länder, über die er einen ausführlichen, in einem Ergänzungsheft der „Geogr. Mittheil." zu veröffentlichenden Bericht hinterlassen hat. Über eine 1875 unternommene Wanderung nach Galabat ist dagegen wenig Material vorhanden. Auf dem Kriegszug von Tadjurra in das Galla-Land war er, wie Munzinger, von seiner Frau begleitet, die nebst zwei kleinen Kindern gleichfalls umgekommen oder in Gefangenschaft gerathen ist.

Charles Joseph La Trobe, ein seiner Zeit beliebter Reiseschriftsteller, geb. als Sohn des Herrnhuter-Missionärs Rev. C. J. La Trobe am 20. März 1801 in London, starb am 4. Dezember zu Clapham House in der Englischen Grafschaft Sussex. Als einer der ersten erforschte er 1825 30 die höchsten Regionen der Alpen (,,The Alpine Stock" 1829, „Pedestrial Ramble in Tyrol" 1832), ging 1832 nach Amerika, wo er die Vereinigten Staaten bereiste und mit Washington Irving durch die Prairien nach Mexiko wanderte (,,The Rambler in North America", 2 Bde, 1835, ,,The Rambler in Mexico" 1836) und begab sich nach Australien, wo er 1839 Superintendent von Port Philip und 1851 Gouverneur der Kolonie Victoria wurde.

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Aus dem Jahre 1874 sind nachzutragen: C. G. C. F. Greiner, ein gründlicher Kenner des Indischen Archipels, starb im Oktober 1874 im Haag. Um 1823 in Thüringen geboren, trat er nach Beendigung seiner medicinischen Studien 1845 als Arzt in die Niederländische Marine. Seine erste Seereise führte ihn 1846 nach New York, aber schon am Ende desselben Jahres wurde er nach Batavia beordert. Nach längerem Aufenthalt dort und in Soerabaja nahm er 1848 an der zweiten Expedition gegen Bali Theil, machte 1849 auf der „Aruba”

eine Reise nach Menado und den Sulu-Inseln, kreuzte 1850 an der Westküste von Sumatra, wurde alsdann nach einem Besuch in Europa als Arzt zur Landarmee versetzt, brachte 1852 bis 1855 im Gebiet von Martapura auf Borneo zu, war noch einige Jahre auf Java thätig, wo er u. A. 1858 das Militärspital zu Malang dirigirte, musste aber 1863 wegen zerrütteter Gesundheit nach Europa zurückkehren. Hier lebte er im Haag und schrieb seine Erlebnisse und Beobachtungen nieder, die erst als einzelne Abschnitte in den Jahrgängen 1872 und 1873 der Tijdschrift van Nederlandsch Indië, dann 1874 zu Zalt-Bommel als ein Ganzes in Buchform unter dem Titel „Over land en zee, herinneringen uit mijn verblijf in Indie" erschienen sind.

Ludwig v. Wildenbruch, Königl. Preuss. General-Lieutenant, geb. den 28. März 1803 als Sohn des Prinzen Louis Ferdinand von Preussen in Berlin, starb daselbst am 29. November 1874. In der Fürstlich Radziwill'schen Familie aufgewachsen, bildete er sich im Cadettenhause zu Berlin zum Offizier heran, trat 1821 beim Garde-Kürassier-Regiment ein und gehörte demselben bis 1842 aktiv an, durchlief auch später à la suite desselben die höheren Offiziersgrade. Im Jahre 1842 ging er, nachdem er schon 1828 eine diplomatische Mission nach Konstantinopel erhalten hatte, ganz zur diplomatischen Laufbahn über, mit der Stelle eines Generalconsul in Beiruth beginnend. Von dort unternahm er Reisen durch Syrien und Palästina, welche durch Winkel- und Höhenmessungen und mannigfaltige Beobachtungen ihrer Zeit schätzbare Beiträge zur Kenntniss jener Länder brachten (,,Über die Monumente des Nahr el Kelb bei Beiruth, so wie über physische und politische Zustände Syrien's" in Monatsberichte der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, I, 1844, S. 85-94; „,Winkelmessungen in Syrien", ebenda III, 1846, S. 73-83; ,,Über die Schwierigkeiten, welche sich der Ausführung einer Kanalverbindung zwischen dem Mittelländischen und Rothen Meere entgegenstellen dürften", ebenda VI, 1849, S. 29-43;,,Notes on the physical geography of Palestine", im Journal of the R. Geogr. Soc. of London, XX, 1850, p. 227-231). Im Jahre 1847 nach Berlin zurückgekehrt, ging er 1849 als diplomatischer Bevollmächtigter nach Malmöe, später als Preussischer Gesandter nach Bern, Athen und Constantinopel und trat 1860 in den Ruhestand.

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Reise an den Araguaya von Dr. Couto de Magalhães (Expräsident von Goyaz) im Januar 1865. (Fortsetzung 1).)

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Der Canoeiro ist tapferer und zugleich listiger und vorsichtiger wie jeder andere Indianer. Wenn er losschlägt, ist Vernichtung sicher, weil es nie anders als bei ganz günstiger Gelegenheit geschieht, auf welche sie oft viele Monate unaufhörlich lauern. Gewöhnlich morden sie und rauben Alles, was von Eisen, Leder oder Zeug ist, während Gold und andere kostbare Objekte in ihren Augen ohne Werth sind. In dem ganzen nördlichen Theile der Provinz findet man die durch Zerstörung bezeichneten Spuren dieses vernichtenden Stammes. Wenige Meilen von dem Orte, wo ich mich befinde, liegen die Trümmer des Ortes Thesouras, dessen Bewohner sie ohne das geringste Erbarmen tödteten, dessen Wohnungen sie den Flammen übergaben, so dass nur noch Wände und Mauern von Stein die frühere Lage bezeichnen. Ausserdem sind die Kirchspiele São Feliz, Cocal, Aqua-quente, Amaro Leite, deren Gründe am volk- und viehreichsten waren, durch sie gänzlich zerstört worden, ausser Crixas und Villa Pilar, welche nur schwer geschädigt wurden. Sie haben vollkommenere Waffen als die anderen Stämme, bedienen sich auch ausser der Pfeile mit eisernen Spitzen, welche man an den von ihnen verheerten Orten immer in Menge findet, der Dolche, Säbel und Bajonette. In unserem Gefolge ist der Lieutenant José Rodrigo de Moraes, welcher 1859 einen Streifzug gegen diese Wilden befehligte, welche Santa Rita angriffen. Noch zu erwähnen ist, dass ihre furchtbarste Waffe in dem porrete (Portugiesisch: Knüttel), einer aus dem festesten Holze gefertigten und an einem Stricke befestigten Keule besteht, womit sie mit nie fehlender Sicherheit ihr Opfer durch einen Wurf tödten oder mindestens kampfunfähig machen. Hier in Crixas lebt der Lieutenant Antonio Xavier, welcher aus einer Entfernung von 60 Schritt durch eine solche Keule vom Pferde geworfen wurde. Die porrete ist 3 palmos lang, der Stiel 4 Zoll gross, das Vordertheil ist breiter und endet in Form eines Wurfspiesses. Alle übrigen Stämme der Indianer haben Furcht vor den Canoeiros und respektiren sie wegen ihres kriegerischen wilden und dabei intelligenten Wesens und wegen ihrer grossen Anzahl. Die Canoeiros stehen unter Häuptlingen, welche sich den Portugiesischen Namen Capitão beilegen und unter sich Hauptleute, Lieutenants, Sergeanten &c. haben. Kriegerischer als die anderen sind sie auch viel mehr disciplinirt. Ihren Häuptlingen gehorchen sie blindlings und greifen in guter Ordnung an. Alle Missionsversuche sind bei ihnen erfolglos gewesen, bis jetzt hat man nicht einmal die im Kampfe Gefangenen zähmen können. Hier ein charakteristischer Zug ihrer Freiheitsliebe, ihres Gehorsams gegen die Häuptlinge und des Hasses gegen uns, von dem viele glaubwürdige Personen Zeuge waren. In einem der zahlreichen Scharmützel in den Wäldern von Amaro Leite wurden einige zu kühne Kämpfer nach tapferer Gegenwehr gefangen. Die Hauptleute Adrião, P. Machado und Major Coelho näherten sich ihnen und sagten: „Geht

1) Den Anfang siehe Geogr. Mitth. 1875, S. 376 ff.

mit uns nach Hause, da Ihr schwer verwundet seid." ,,Nein", antworteten die Indianer,,,der Capitão will es nicht." „Dann tödten wir Euch." "Ja", sagten die Wilden, „aber tödtet uns nicht mit dem Messer, das thut sehr weh." Diese humanen Leute versuchten sie auf alle mögliche Weise zu überreden, ihnen zu folgen. Die Indianer widerstanden Allem; man musste einen nach dem anderen tödten und auch der letzte, welcher die anderen hatte sterben sehen und nicht auf eine andere Behandlung hoffen konnte, zog den Tod der ihm gebotenen Gastfreundschaft vor. Es starben Alle; aber nach einigen Jahren war die Gegend von Amaro Leite, welche eine Bevölkerung von 3000 Personen hatte, ganz und vollständig verlassen. Die Leute sahen sich durch die Rache der Indianer genöthigt, diese Strecken zu verlassen und wohnen jetzt am Rio Vermelho. Der Hass gegen uns ist so gross, dass sie, sobald ihnen bekannt wird, ein Canoeiro lebe unter den,,Portugiesen", wie sie uns nennen, oft ein und zwei Jahre und noch länger spioniren, bis sie eine Gelegenheit finden, ihn zu tödten. Ein Weib, welches man glücklich gefangen und gezähmt hatte, lebte in beständiger Angst aus diesem Grunde. Die Beschreibung des Canoeiro-Typus, welche ich gab, wurde mir durch ein Pärchen derselben ermöglicht, welches ich im Kirchspiele Entre-rios in dieser Provinz im Dezember 1863 sah. Der Mann nannte sich Tapirica; des Namens der Frau erinnere ich mich nicht mehr.

Bei den Canoeiros wird die Jagd auf den Sucurý militärisch angeordnet wie eine Schlacht. Sie gehen an die dunkeln, schwarzen Tümpel, an welchen sich dieses kolossale Reptil gewöhnlich aufhält, und forschen, ob sie die Schlange oder sichere Spuren ihres Aufenthaltes entdecken können. Sie brüllen und pfeifen, dass der Wald von dem Gegenruf des Thieres wiederhallt. Ist constatirt, dass sich ein solches im Wasser befindet, so stellt der Häuptling am Ufer des Gewässers die mit einem Messer zwischen den Zähnen bewaffneten Krieger in eine Linie auf. Auf einen Schrei des Häuptlings stürzen sich Alle in die schwarze Tiefe, verschwinden und wenn sie wieder an der Oberfläche erscheinen, trägt jeder in der Hand ein Stück der Schlange, deren Fleisch sie sehr schätzen.

Als der Lieutenant Rodrigo de Moraes sie 1857 bei Santa Rita schlug, fand er eine Anzahl kleiner Tornister oder Säcke aus ungegerbten Fellen mit Mais gefüllt; es scheint, als trüge jeder Krieger auf der Reise seine Provision auf dem Rücken, welche ihn bei Mangel an Wild und Fischen unterhalten muss.

Der unzähmbare Muth, die im Vergleich mit anderen Stämmen verhältnissmässig hohe Civilisationsstufe dieser Wilden und andere Anzeichen deuten darauf hin, dass die Canoeiros nichts Anderes sind als der alte und berühmte Stamm der Carijós, welcher São Paulo bewohnte und dessen Sprache die lingua geral oder eine ihr ähnliche ist. Im geographischen Wörterbuche von Brasilien finden wir unter dem Artikel Chavantes Folgendes: „,tapfere, aber räuberische Indianer, welche in den Wäldern des Tocantins

sassen, diesen Fluss mit canôas befuhren, in deren Handhabung sie eine grossartige Geschicklichkeit besassen, weshalb die ersten Portugiesischen Forscher ihnen den Namen der Canoeiros gaben". Das ist ein grober Irrthum. Der Chavante hat nichts mit dem Canoeiro gemein, der Typus ist anders, anders der Charakter, die Gebräuche und Sprache, wie der Leser später sehen wird. Die Tradition in Goyaz ist meines Erachtens rationeller: hier sagt man, bei Gelegenheit eines Zwistes in San Feliz zwischen João Leite Ortiz und Bartholomeo Bueno da Silva, den beiden Entdeckern der Provinz, wandte sich Ortiz nach Norden mit den Carijós, welche sie von San Paulo mitgebracht hatten; bekanntlich machten die Portugiesischen Eroberer oft grossartige Menschenjagden, um sich Sklaven zu verschaffen. Diese flohen bei günstiger Gelegenheit in die Wälder, kehrten zu ihren wilden Sitten zurück und gründeten den Stamm der Canoeiros. Sie haben noch schwache Erinnerungen an einige unserer religiösen Feste; so erwähne ich folgendes vom Padre Luiz Gonzaga de Camargo Fleury (welcher Präsident der Provinz war) erzähltes Factum: Eine Schaar Christen schlug die Canoeiros am Tocantins am 8. September. Während der Metzelei schrie eine alte Indianerin: „O ihr Juden! sogar am Tage der Geburt unserer lieben Frau kommt ihr, uns zu schlachten!" Ein anderes Factum, welches nicht nur ihre Bekanntschaft mit unseren religiösen Gebräuchen, sondern auch die Kühnheit und Klugheit ihres Angriffes beweist, ist folgendes: 1840 war die Bevölkerung von Amaro Leite in der Hauptkirche versammelt und betete eben die Litanei, als sie das Geräusch einer Menge von Stimmen hörte, welche von draussen antworteten: Ora pro nobis. Als einige Ängstliche nachsahen, was das sei, sahen sie die Canoeiros nach Umzingelung der Kirche sich damit belustigen, den Gottesdienst der Christen mitzumachen. Überhaupt behandeln sie uns oft mit Geringschätzung. Häufig haben sie im Norden dieser Provinz die Reisenden in wenn auch nicht gutem, doch verständlichem Portugiesisch verspottet. Ihre Sprache ist für mich ein Hauptbeweis zu der oben ausgesprochenen Ansicht; hier folgen einige Sprachproben, aus welchen der Leser sich ein Urtheil bilden mag. Ich füge hinzu, dass viele dieser Wörter zur Zeit unter den niederen Paulistas, in jener Provinz Caipires') genannt, gebräuchlich sind, unter Anderem Tiguera, avaxi, itanhän, ajuruhý, etá &c 2).

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Name des jetzigen Häuptlings: Ipaze.

Kehren wir nun zu der Beschreibung unserer Reise zurück. Wir sahen zur Rechten einen Strand, an dem ich landete, um Schildkröteneier zu suchen. Die Schildkröte legt ihre Eier im Oktober, zu einer Zeit, in welcher bei dem niedrigen Wasserstande nicht nur grosse Strandflächen trocken gelegt werden, sondern auch die Luft und Boden hinreichend warm sind, um das Ei auszubrüten. Das Thier ist mit einem eigenen Instinkt begabt, welcher es antreibt, bloss solche prayas aufzusuchen, welche durch die ersten Regengüsse des eintretenden Sommers nicht überschwemmt werden können. Ohne diesen Instinkt würden viele Eier zu Grunde gehen, da schon im Oktober das Wasser die flachsten Uferstellen überschwemmt. Die Schildkröte kriecht an das Ufer, gräbt ein 3 bis 4 palmos tiefes Loch, trägt Wasser in seinen Körperhöhlen herbei, befeuchtet den Sand und legt die Eier hinein. Von diesen giebt es zwei Arten, solche, aus welchen Junge kriechen, und andere, welche voll Öl sind, ohne Dotter und von viel grösserem Volumen. Erstere liegen rings um die ölhaltigen. Da ich selbst Gelegenheit hatte, diese Beobachtung zu bestätigen, forschte ich nach dem Grund derselben und erfuhr, dass letztere zur Ernährung der jungen Schildkröten bestimmt sind, welche nach dem Auskriechen nicht stark genug sind, die Sandkruste zu durchbrechen, welche sie bedeckt und schützt, und so Nahrung finden und warten können, bis es Zeit ist. (Fortsetzung folgt.)

1) Man vergleiche damit folgende Worte aus dem Lexikon der Guarani-Sprache von Padre Antonio Ruiz, Madrid vom Jahre 1639: Abá, Mensch, Person. Abá été, tapferer Mensch. Cuňa, Weib. Itá, Stein. Ocá, Haus.

2) Taquara, eine riesenhafte Grasart.

3) Foice ist ein schneidendes grosses Waldmesser gebogener Form an langem Stiel.

4) Mamão, eine Baumfrucht von Grösse und Aussehen einer Melone, essbar.

(Geschlossen am 21. Januar 1876.)

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