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graphischem Gebiete, dass die meisten Besucher zunächst gewiss die Behauptung mancher Französischer Schriftsteller, Frankreich habe seine Misserfolge im letzten Kriege hauptsächlich der Vernachlässigung der geographischen Disziplinen zu verdanken, mit einem gelinden Zweifel zurückgewiesen haben. Eine solche Fülle geographischer Produktionen und Lehrmittel verlangt mehr als vierjährige Arbeit. Freilich bei näherer Betrachtung konnte man sich der Überzeugung nicht verschliessen, dass in Frankreich nur jene grundlegenden Original - Arbeiten, wie sie in den topographischen Landesaufnahmen gipfeln, eine längere und ruhmreiche Geschichte aufzuweisen haben, dass dagegen auf dem weiten Felde der Reproduktionen erst die letzten Jahre einen so wesentlichen Fortschritt dokumentiren und ein sehr beträchtlicher Theil der älteren, wenn auch etwas aufgefrischten Publikationen ruhig der Vergessenheit anheim fallen darf. Unter diesen Umständen hält der Gesammtwerth der Französischen Ausstellung mit der Gesammtzahl der Nummern 2080 nicht gleichen Schritt.

Den imposantesten Eindruck - die gesammte Ausstellung in's Auge fassend machte unstreitig die, fast die ganze Rückwand der ansehnlichen ,,Salle des États" ausfüllende Generalstabskarte des Festlandes von Frankreich, in ca. 260 Sektionen stattlicher Grösse, ein wahres Kunstwerk in der Zusammensetzung 1). Wenngleich diese Karte, schon im Jahre 1833 begonnen, in ihren älteren Theilen nicht die Eleganz des neueren Kupferstichs aufweisen konnte, so gewann der Beschauer doch ein überraschendes Gesammtbild der Oberflächen - Gestaltung, ein Umstand, der für treffliche einheitliche Bearbeitung spricht. Er erblickte nicht eine Sammlung zusammengesetzter Karten, sondern eine einzige! Mit Recht kann Frankreich stolz sein auf diese Karte, denn kein anderes grosses Land kann sich einer fertigen Aufnahme im einheitlichen Maassstab rüh men. Sie bildete den denkbar passendsten Schmuck des grossen Sitzungssaales.

Recht lehrreich, und den ungemeinen Fortschritt unseres Jahrhunderts illustrirend, war der Vergleich zwischen dem Blatt Clermont der Karte von Cassini, im Maassstab von 1:86.000 und dem correspondirenden Blatte der Generalstabsaufnahme in 1:80.000; obgleich nur ein Zeitraum von 70 Jahren zwischen der Herstellung beider Karten liegt, kann man sich doch kaum einen grösseren Unterschied in der Aufnahme und Darstellung ein und desselben Stückchens Erde vorstellen.

Durch besonders geschmackvolle Ausführung und wirklich exakte Bearbeitung fiel zunächst die, vorzüglich mili

1) Die vollständige Karte besteht einschliesslich der 7 Blätter von Corsica aus 274 Sektionen.

tärischen Zwecken dienende, 15blättrige Karte Frankreich's, im Maassstab von 1:500.000 in's Auge. Dieselbe erstreckt sich von der Insel Ouessant im Westen bis Frankfurt im Osten und von Haag und Utrecht im Norden bis zur EbroMündung im Süden und lagen die westlichen und nördlichen Sektionen bereits vollendet vor. Durch Anwendung verschiedener Farben ist ein klares Kartenbild erreicht worden, das Terrain ist in braunen Schraffen ausgeführt und in einem grünen Farbenton treten von den Waldungen namentlich diejenigen hervor, welche bei der Kriegsführung von Bedeutung werden können.

Unter den Karten, welche das Dépôt de la guerre ausstellte, möchten wir noch auf eine 1799 von Dupain Trièl (nicht Treil) entworfene hypsometrische Karte von Frankreich aufmerksam machen, indem diese zum ersten Mal Horizontal-Kurven zur Anwendung brachte; freilich, wie nicht anders zu erwarten sind dieselben mit solchen auf heuti gen Karten gar nicht mehr zu identificiren. Der Verfasser kennt ganze Gebirgssysteme seines eigenen Vaterlandes noch gar nicht. Es verlohnte sich wohl, dieselbe einmal in einfacher Weise zu reproduciren.

Die geographischen Gesammtresultate der Französischen Militär-Expeditionen in Mexiko sind von dem GeneralstabsKapitän N. Niox in einem sauber lithographirten Blatt, im Maassstabe von 1:3.000.000 zusammengestellt worden. Ein zweites Exemplar dieser Karte, neben dem ersten aufgehängt, zeigte den gelungenen Versuch einer Reproduktion durch Typographie. Als interessante Neuigkeit zog eine grosse Manuskriptkarte (in 1:100.000) die kundigen Besucher an, das Resultat der Nivellements-Expedition durch die Schott-Gegend der Algerischen Sahara unter Capitaine Roudaire. Zwar stellen sich der Ausführung des genialen Projektes, die Depression südlich des Djebel Aures in ein Binnenmeer zu verwandeln, nach den Untersuchungen des Landstrichs zwischen ihr und dem Golf von Gabes durch die Geologen Fuchs und Stache, so wie durch die Italienische Expedition unter Antinori so ungünstige Verhältnisse entgegen, dass die Kosten unverhältnissmässig hoch sein wü den, aber die genaue Bestimmung des Betrags und Umfangs jener Depression ist in geographischem Sinne von ungewöhnlichem Werthe. Es hat sich herausgestellt, dass sie auf Algerischem Boden ein Areal von 6000 Q.-Kilometer einnimmt, wozu nach Roudaire's Meinung noch etwa 10.000 Q.-Kilometer in der Tunesischen Sahara kommen; die Tiefe unter dem Meeresspiegel beträgt im Maximum 20 bis 27 Meter. Eine Reduktion der Karte auf 1:800.000 ist seitdem im Augusthefte des Bulletin der Pariser Geogr. Gesellschaft erschienen, dagegen harrt eine unfern der Roudaire'schen Karte ausgestellte Serie statistischer Karten noch grösstentheils der Publikation. Es sind diess die schönen,

auf einheitlich über ganz Frankreich ausgedehnten Untersuchungen und Erhebungen basirten Karten von dem berühmten Geologen Delesse, dem Präsidenten der CentralCommission der Pariser Geogr. Gesellschaft, über die Beschaffenheit der Ackerkrume und ihre Ernteerträge. Eine kleine Probe davon, die als „,Carte agricole de la France" in 1:4.000.000 das Oktoberheft des Bulletin von 1874 zierte, hat bereits die allgemeinste Aufmerksamkeit erregt, sowohl wegen der Fülle der in ihr enthaltenen Information als wegen der sinnreichen Anwendung des Kurven-Systems zur Darstellung des Bodenertrags. Eine zweite Probe hoffen wir binnen Kurzem in den ,,Geogr. Mittheilungen" vorlegen zu können.

Das Ministerium der Marine und Kolonien hatte eine ausgewählte Reihe seiner hydrographischen Karten, deren technische Ausführung eine mustergültige ist, ausgestellt. Dieselben erstrecken sich nicht nur auf Frankreich's Küsten, sondern auch über seine überseeischen Besitzungen und fremde Küsten, und von den neueren Arbeiten sei hier nur einer Abtheilung von Manuskriptkarten über die Küste von Algier, nach Kapitän Mouchez' Aufnahmen 1867 bis 1873, gedacht.

Von Französischen geographischen Anstalten und Privaten seien nur erwähnt: Hachette & Co., deren reicher Verlag das Vorzüglichste an Karten, Reisewerken &c. darbot. Hachette besitzt keine technische Anstalt, sondern die Firma verlegt nur eine Menge geographischer Artikel und vermittelt in grossartigem Maassstabe die Verbreitung derselben so wie fremder Artikel über ganz Frankreich. So umfangreich wie es auf den ersten Blick erschien, ist die Produktion von Hachette jedoch nicht. Denn beispielsweise denselben Blättern des in Herstellung begriffenen, unter Vivien de Saint-Martin's Leitung bearbeiteten,,Atlas universel de géographie moderne, ancienne et du moyen âge" begegnete man vier- bis fünfmal in der Ausstellung, bald gebunden, bald lose, bald einzeln, bald zusammengesetzt oder unter Glas und Rahmen. Hier zeigte sich die Kunst des Ausstellens. Der genannte Atlas in 95 Blättern stattlichen Formates wird ein Meisterwerk einheitlicher und technisch-künstlerischer Ausführung werden und der Name des Bearbeiters bürgt für den wissenschaftlichen Werth desselben. Freilich werden zahlreiche, namentlich ausserEuropäische Blätter vor ihrer Publikation wieder gründlicher Correkturen bedürfen, welche die heut zu Tage so rasch fortschreitende Kenntniss der Erdoberfläche bedingt, doch wenn diess in gründlicher Weise geschehen, darf dieses Werk gleich dem in demselben Verlage erscheinenden ,,Atlas - Manuel de géographie classique ancienne et moderne", gleichfalls von Vivien de Saint-Martin, als die beste derartige Leistung in Frankreich bezeichnet werden.

Bei der splendiden Ausführung erscheint uns eine gewisse Sparsamkeit jedoch nicht am Platze, welche sich besonders bei dem Blatte von der Schweiz bemerklich macht, indem nämlich die Terrain-Schraffirung mit der Landesgrenze abbricht und das Gesammtbild jenes Alpen-Gebietes unvollendet lässt. Der gleiche Verleger hatte auch die, namentlich für Frankreich vortrefflichen Reisewerke A. Joanne's, deren Reihe bereits 103 Bände umfasst, so wie dessen ,,Dictionnaire géogr., administr. &c. de la France" ausgestellt, ein Werk, um welches bekanntlich die meisten anderen Nationen Frankreich beneiden können.

Gleich reichhaltig war die Ausstellung des „,Institut géographique de Paris", welches, obwohl erst nach dem Kriege von 1870 von Ch. Delagrave gegründet,,,nach dem Muster der Geographischen Anstalt, welche in Gotha blüht", wie die Vorrede zum Verlags-Katalog ausspricht doch schon eine ansehnliche Reihe geographischer Publikationen hervorgebracht hat. Da dieselben jedoch fast ausschliesslich dem Unterrichte gewidmet sind, so erstatten wir lieber im Schlussartikel darüber näheren Be. richt.

Als selbstständiger Aussteller trat auch der meist für fremde Firmen arbeitende graveur-géographe, Herr Erhard Schieble, in Frankreich meist nur ,,Mr. Erhard" genannt, auf, in dessen lithographischer Anstalt eine grosse Reihe von Künstlern beschäftigt werden. In der That sind die aus derselben hervorgegangenen Karten grösstentheils Meisterwerke der Technik, wie z. B. das ,,Massif du Montblanc" 1:40.000 (schon 1865 erschienen), Mont Pelvoux 1:40.000, die, in Farbendruck hergestellt, die Vorzüge der Karte fast mit der Schönheit eines Landschaftsgemäldes zu vereinigen wissen. Neuerdings sind von ihm zahlreiche Wandkarten Frankreich's publicirt, welche die Aufmerksamkeit der Besucher der Ausstellung auf sich lenken mussten, da sie an vielen Stellen derselben, namentlich im Treppenhause zur dekorativen Ausstattung der kahlen Flächen Verwendung gefunden hatten. Wir kommen auf dieselben zurück.

Die Archives nationales" und die ,,Bibliothèque nationale" boten eine ausserordentlich werthvolle Sammlung historischer Kartenwerke dar, namentlich das letztere Institut hatte sich, obwohl an neueren geographischen Materialien reich, fast ausschliesslich auf alte, seltene oder unveröffentlichte Objekte beschränkt und bot so eine Entwickelungsgeschichte der Kartographie, von den ersten Anfängen beginnend, dar.

Das Ministerium des öffentlichen Unterrichts hatte in einem besonderen Saal der vierten Etage (Salle 35) die Arbeiten der von Napoleon III. in's Leben gerufenen ,,Commission de la Topographie des Gaules" zu einer für den Historiker höchst instruktiven und werthvollen Samm

lung zusammengestellt. Die interessantesten Funde wie Waf

fen, Geräthe, Inschriften auf Stein oder Metall, Altäre &c. waren da zu sehen und eine Reihe von Karten zeigte die Resultate der bisherigen geographisch-historischen Studien, welche mit den Uranfängen des Gallischen Volksstammes, im Steinalter beginnen und sich bis auf das merowingische Zeitalter erstrecken. Besonders lehrreich für die Methode und die Gründlichkeit, mit welcher die Französischen Gelehrten dieser Commission zu Werke gehen, war eine Auswahl der von General Creuly copirten historischgeographischen Inschriften, im halben Maassstabe der Originale, welche sich auf die Römischen Strassen, Ortschaften, Kolonien und Gaue des alten Gallien beziehen und in dem grossartigen Gallo-Römischen Museum zu St. Germain autbewahrt werden. Ein anderer Saal derselben Etage (Salle 40) enthielt eine reiche Sammlung von Originalplänen der Stadt Paris und Umgebung oder darauf bezüglichen Werken (Belgrand: Le bassin parisien, aux âges antéhistoriques, 3 Bde, und Berty: Topographie historique du vieux Paris, 2 Bde). Die Pläne führten, in grössten Maassstäben und schönster Ausführung, die historische Entwickelung der Stadt seit der Römischen Eroberung bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts vor, und trugen Daten von 1530, 1540, 1552, 1609, 1652, 1739. 1791 &c. Derartige Pläne waren übrigens noch in grosser Menge in den ausgedehnten Räumlichkeiten der Französischen Abtheilung zerstreut, und es würde einen den Umfang dieses Berichts weit überschreitenden Raum beanspruchen, wollten wir auch nur eine Liste derselben geben. Der Katalog erleichtert in seiner Eintheilung nach Gruppen und hier hätten wir es speziell mit der vierten, der historischen, Gruppe zu thun eine Zusammenstellung sehr und müssen wir deshalb auf denselben oder auf die später über den Congress zu publicirenden Listen verweisen. Eben so waren Übersichtsund Spezialkarten von Frankreich oder einzelnen Gouvernements aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert in grosser Anzahl vorhanden, aber zum grössten Theil in zusammengebundenen Kartensammlungen versteckt; so fanden wir beim Durchblättern eines solchen von einem Herrn Paul Rohart unter dem bescheidenen Titel „,Recueil de cartes géographiques" ausgestellten Convoluts von 135 Nummern alte Karten von Nolin, de Fer, de l'Isle, Faillot u. A., viele in Deutschen Privatsammlungen wohl äusserst seltene Spezialkarten, welche für die Reconstruktion der alten Gebiets- und Diocesen-Grenzen bei kritischer Behandlung von unschätzbarem Werthe sein würden. Man sieht schon bei einer Musterung des Katalogs, dass es an Karten-Material zu einem geographischen Atlas zur Geschichte Frankreichs in weitestem Umfang und gründlichster Spezialität durchaus nicht fehlt und dass es gewiss eine äusserst dankbare,

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geradezu beneidenswerthe Aufgabe für denjenigen Gelehrten wäre, welcher Musse dazu fände, diese Schätze für einen solchen Atlas zu heben. Denn wenngleich dem allgemeinen Unterrichts-Bedürfniss durch die von Barbaret und Perigot gezeichneten, in Delagrave's Institut herausgegebenen SchulAtlanten wie den Atlas de la Géographie historique in 50 Karten (Preis 10 Fr.) in ausreichender Weise entgegengekommen ist, so muss doch der allzu kleine Maassstab derselben und die geringe Zahl der Blätter für die Abtheilung Frankreich als ganz ungenügend erscheinen, um eine so reiche Detaillirung der Grenzen, Ortsangaben, Differenzirung der Signaturen und der historisch-geographischen Nomenklatur geben zu können, wie es ein HandAtlas zum Studium der gesammten Geschichte des Landes und Volkes erfordert. Erwähnenswerth, weil in ihrer Vollständigkeit vielleicht einzig, ist ferner eine von einem Docteur Antoine Mattei ausgestellte Collektion von Dokumenten über die Insel Corsica. Dieselbe umfasste in vielen Convoluten aller Formate, systematisch geordnet, alle vorhandenen Atlanten, Land- und Seekarten, Albums von Ansichten, archäologischen und ethnographischen Bildern, Reisetagebüchern in Manuskript und Druck, und eine Unzahl von Broschüren und fliegenden Blättern, welche auf die Naturgeschichte, physikalische Geographie, Geschichte, Industrie &c. &c. dieser Insel Bezug haben.

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sich vereinigt, nach jeder Richtung hin den Fortschritt der Arbeit auf dem weiten Felde der Erdkunde vor Augen zu führen, und mancher Besucher mag wohl den Reichthum, der sich da zeigte, nicht erwartet haben.

Vor Allem wurde das Herz des Geographen durch die kostbare Sammlung von Original-Aufnahmen im Manuskript, die sich vorzüglich auf den Asiatischen Theil Russland's bezogen, erfreut. In ansehnlichen Maassstäben, mit äusserster Sorgfalt gezeichnet waren die Aufnahmen des Feldzuges nach Chiwa, die Marschrouten der verschiedenen Abtheilungen von Osten und Westen her und die Spezialaufnahmen im Delta-Gebiet des Amu-Darja, so wie am Westufer des Aral-See's, meist in 1:42.000 und 1:84.000 der natürlichen Grösse. Eine recht nützliche Verarbeitung der Gesammtresultate des Jahres 1873 fand sich in dem sauber lithographirten Blatt:,,Karte des Chanates Chiwa und des unteren Amu-Darja, zusammengestellt in der kartographischen Abtheilung der kriegstopographischen Abtheilung des Generalstabes, nach den Materialien von 1873, Mst. 1:550.000",

welche detaillirt die Bodenbeschaffenheit, Art der Vegetation &c. zeigt, so z. B. auch die Straucharten unterscheidet, welche theils unverwendbar, oder wie der sonst berüchtigte Saksaul, zum Heizen der Dampfer tauglich, mithin für die Schifffahrt von Bedeutung sind.

Die werthvollen wissenschaftlichen Ergebnisse der von der Russischen Geogr. Gesellschaft 1874 ausgesandten AmuDarja-Expedition unter General-Major Stoljetow, welche ein. Nivellement längs zweier Arme des Amu-Darja-Delta's und am Hauptstrome entlang bis zur Bucharischen Grenze, so wie am alten Bett des Janü-Darja ausführte, waren durch eine allgemeine Karte, so wie zahlreiche detaillirte Profile veranschaulicht.

Fassen wir nun die östlicher liegenden Gebiete Russisch-Turkestan's und des Thian-Schan-Systems in's Auge, so finden wir reiche Erweiterung der Kenntniss derselben durch die Arbeiten Aminow's, Krajewski's, Kaulbars' u. A., ihnen schliessen sich im Norden und Nordosten die prachtvollen Aufnahmen des Balchasch - See's und SiebenstromLandes, welche nunmehr in den Karten der letzthin erschienenen Ergänzungshefte der „Geogr. Mittheilungen” No. 42 und 43 (N. Sewerzow's Erforschung des ThianSchan-Gebirgs-Systems) eingehend verarbeitet worden sind, an; die Aufnahmen eines Theiles der Chinesisch-Russischen Grenze von General Babkow; Matussowski's Reisen über Kobdo - Uliassutai und nach dem Emil - Thale, Sosnowski's und Matussowski's Forschungen im Gebiet des Schwarzen Irtysch, so wie zahlreiche andere handschriftliche Kartenblätter entfalten ein so reiches Material, dass man dessen erfahrungsmässig sich bedeutend verzögernde Veröffentlichung in erschöpfender Weise lebhaft bedauern muss. In sauberer technischer Ausführung boten zwei kritisch bearbeitete Höhenschichten-Karten N. Sewerzow's eine vortreffliche Übersicht der gigantischen Inner - Asiatischen Gebirgswelt dar, und zwar stellte ein Blatt in 1:4.200.000 das ganze centrale Gebiet und ein zweites in 1:2.100.000 das Russische Turkestan dar, unter Berücksichtigung der, durch die Höhenlage bedingten Verbreitung des Pflanzen- und Thierlebens.

Von nicht geringerem Werth als die vorerwähnten Spezial-Darstellungen waren die Generalkarten von RussischAsien und an ihre Spitze müssen wir als eines der werthvollsten Werke der Russischen Abtheilung, ja, der ganzen Ausstellung, eine Übersichtskarte dieser Gebiete stellen, welche, als kaum vollendetes Manuskript, eine Verarbeitung von allen neuesten Materialien über Nord- und Mittel-Asien enthält. Von der topographischen Sektion in Petersburg, in 8 Blättern und im Maassstab von 1:4.200.000 bearbeitet, umfasst sie ausser den Russischen Gebieten einen grossen Theil des Asiatischen Continentes bis zum 32. Parallel:

Japan, die grössere Hälfte des Chinesischen Reiches mit einem Theil von Tibet, Jakub-Beg's Reich, die Central-Asiatischen Chanate, Nord-Indien, Afghanistan und die Nordhälfte Persien's. Zum ersten Male erblickten wir hier die Resultate langjähriger Forschungen vollständig zusammengestellt und ordentlich verarbeitet, wie z. B. die bisher nur aus dürftigen Berichten bekannten Ergebnisse von Maidell's Expedition in Nordost - Sibirien, ferner Tschekanowski's im Gebiete der Unteren Tunguska und des Olenek, Fr. Schmidt's am unteren Jenissei, des Chiwensischen Feldzugs und die reichen Beiträge aus dem Thian-Schan u. A. Das ausser-Russische Gebiet kann natürlich nicht das gleiche Vertrauen beanspruchen, allein auch hier finden wir jedes wichtige Ergebniss neuerer Reisen verzeichnet, SO ausser Przewalski's Routiers und den Rekognoscirungen in der Mongolei, die Resultate der Forsyth'schen Gesandtschaft nach Ost-Turkestan, so wie der Englischen Telegraphen-Expeditionen in Persien &c. berücksichtigt. Das Terrain-Bild ist klar, dabei allerdings ein wenig schablonenmässig ausgeführt, doch schmälert dieser Mangel keineswegs das Verdienst der ganzen Arbeit, welcher wir eine recht beschleunigte und ihrer selbst würdige Ausführung wünschen.

Recht schätzbare, die Orientirung erleichternde Arbeiten waren: eine Karte von Central-Asien in 1:420.000 mit einer Übersicht der ausgestellten Detail-Aufnahmen; Blatt von Sibirien mit sämmtlichen, durch farbige Punkte nach den Beobachtern unterschiedenen astronomischen Ortsbestimmungen, so wie eine Übersichtskarte Wenjukow's von den Russischen Forschungen in Sibirien und Central-Asien seit dem Jahre 1843 bis 1875. Eine für die Entdeckungsgeschichte der Polar-Regionen interessante Arbeit war die ,,Karte der Russischen hydrographischen Forschungen im Eismeer seit 1734" im Maassstab 1:6.300.000, die Küste nach den Entdeckern mit Farbenstrichen unterscheidend.

Ehe wir der Asiatischen Abtheilung den Rücken kehren, müssen wir noch einiger topographischer Karten gedenken, und zwar der von Orenburg und der Kirgisen - Steppe in 79 Blättern und dem Maassstabe von 1: 420.000, mit sauber und deutlich lithographirter Situation und Schrift, doch nicht gleich gelungenem Terrain in Schummermanier, und der in Omsk von der topographischen Sektion ausgeführten Specialkarte West-Sibirien's in 125 Blättern und dem Maassstabe von 1:420.000.

Wenden wir uns der Europäischen Abtheilung Russland's zu, so bemerken wir eine ansehnliche Reihe sauber ausgeführter topographischer Karten, meist in den Maassstäben 1:126.000 und 1:420.000, die sich denen anderer Europäischer Staaten würdig anreihen und theilweis vortreffliche Leistungen photo- und heliographischer Vervielfältigungs-Methoden aufweisen. Da es jedoch nicht der

Zweck dieser Notizen sein kann, sie eingehend zu behandeln, so sei hier flüchtig noch einiger anderer hervorragender Leistungen, und zwar zunächst der ethnographischen Karte des Europäischen Russland von A. F. Rittich gedacht. Hauptsächlich mit den Mitteln und unter den Auspicien der Petersburger Geographischen Gesellschaft ausgeführt, ist sie eines der bedeutendsten Werke dieser Richtung, und setzt ihre sämmtlichen Vorgänger, z. B. Köppen's Karte, gänzlich bei Seite. Die neue ethnographische Karte besteht aus 6 Blättern, im Maassstabe von 1:2.400.000, und unterscheidet in ihrer Farbenscala 46 verschiedene Volksstämme. Dank dem reichen bei ihrer Verarbeitung verwendeten Materiale es liegen ihr nicht weniger als 35.000 Daten zu Grunde und der Hinzunahme von Polen und dem Kaukasus, ist das ethnographische Bild ein ganz neues geworden, welches uns namentlich die Thatsache vor Augen führt, dass die Russische Stammbevölkerung, bereits 75 Prozent des Gesammtvolkes umfassend, sich stetig ausbreitet und alle fremden Elemente, die innerhalb seiner Grenzen existiren, sich assimilirt. Eine sehr schätzenswerthe Zugabe dieser Karte ist die Bezeichnung der ganz unbewohnten Regionen. Recht übersichtlich und geschmackvoll ausgeführt war die hypsometrische Karte des Europäischen Russland von M. Musnizki, im Maassstab von 1:2.500.000; das Depressions - Gebiet erschien auf ihr schwarz, die Höhenschichte von 0 bis 250 Fuss dunkelgrün, 250 bis 500 hellgrün, 500 bis 750 blassgrün, 750 bis 1000 weiss, 1- bis 3000 blassbraun, 3- bis 6000 hellbraun, 6- bis 9000 dunkelbraun, die Schichte von über 9000 Fuss wieder schwarz und die Schneeregion weiss mit blauer Punktirung.

Der Kaukasus erfreute sich vortrefflicher einheitlicher Darstellung durch die topographischen Karten in 1:210.000 und 1:420.000, und die photographische Reproduktion eines Reliefs vom Kaukasus im Maassstabe von 1:840.000 wurde allgemein als ein gelungenes Erzeugniss dieser Spezialität, welche wiederholt in der Ausstellung vertreten war, achtet.

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Den ersten Rang unter den privaten Ausstellern Russland's behauptet ohne Zweifel die bekannte Kartographische Anstalt von Iljin in Petersburg,, welche der ausser-Russischen Welt so manches, sonst schwer zugängliche werthvolle Material durch Publikation erreichbar gemacht und so der Geographie wesentliche Dienste geleistet hat. Die Anstalt wurde durch eine stattliche Sammlung Atlanten, einzelner Kartenblätter, so wie geographischer Werke, unter denen zahlreiche speziellere geologische und ethnographische Karten, statistische und Atlanten für den Schulgebrauch bemerklich waren. Auch die schwierige technische Ausführung der oben erwähnten Rittich'schen Karte ist ein Produkt dieser

Anstalt. Unter den Druckwerken befand sich auch eine Serie des monatlich erscheinenden geographischen Journals ,,Wsjemirnüi puteschest wennik", der,,Weltreisende", dessen Artikel, wenn auch nicht von Originalkarten, so doch zur Orientirung recht brauchbaren Kartenskizzen begleitet waren.

Schweden.

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Die Schwedische Abtheilung erfreute sich einer vorzüglichen einheitlichen Organisation, welche augenscheinlich nicht ohne tüchtige Vorarbeiten zu Stande gekommen war. Ihre Commissäre waren meist an Ort und Stelle zu finden, zu steter liebenswürdiger Auskunft bereit — eine Annehmlichkeit, die verschiedenen Abtheilungen mangelte und ein kleines zur Vertheilung gebrachtes Werkchen 1) enthielt eine Reihe Notizen über Schwedens Geographie, kartographische und geographische Arbeiten und wissenschaftliche Reisen, ein Verzeichniss der ausgestellten Gegenstände &c. und zeigte sich so brauchbar, dass, wenn jedes Land einer ähnlichen Arbeit sich befleissigt hätte, eine werthvolle Sammlung zu schätzenswerther Auskunft geeigneter Werke hätte entstehen können.

Hoch interessant war die Ausstellung von Gegenständen, welche Bezug auf die zahlreichen arktischen Expeditionen der Schweden haben, wie die Instrumente zu Tiefseelothungen, zum Heraufholen von Proben des Meeresbodens, oder Wassers aus verschiedener Tiefe und Beispiele jener Proben selbst; fossile Pflanzen und Thiere von Spitzbergen und der Bären-Insel; Treibprodukte des Golfstromes nach Spitzbergen; Meteorsteine, namentlich ein, allgemeines Aufsehen erregender Gypsabguss des grössten bisher gefundenen Meteorsteines, den Professor Nordenskiöld im Jahre 1870 auf der Insel Disko entdeckte und dessen Gewicht 20.000 Kilogramm beträgt &c. Auch die auf jene Regionen sich beziehenden Karten und Skizzen waren zahlreich vertreten, und in einem dunkeln Raum hatte Prof. Selim Lemström einen Apparat aufgestellt, durch dessen Experimente er nachzuweisen versuchte, dass das Nordlicht ein elektrischer Strom ist. Diese Versuche sind eines der Resultate der physikalischen Untersuchungen der Schwedischen Nordpol-Expedition von 1868, welche auf Kosten Gothenburgischer Bürger, namentlich O. Dickson's, ausgerüstet worden war.

Die weit zurückreichende Geschichte der kartographischen Darstellung und Aufnahme Schwedens war durch eine äusserst interessante Sammlung von Proben aus den verschiedenen Perioden veranschaulicht. Da sah man die älteste Übersichtskarte von Skandinavien aus dem Jahre 1539 von Olaus Magni, die älteste nautische Karte von

1) Notices sur la Suède à l'occasion du Congrès international géographique de Paris, 1875.

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