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Habsucht, die ihn von Hause aus misstrauisch gegen seine Vorgesetzten macht und die vielleicht in der MerkantilMarine auch eine gewisse Berechtigung hat. Ist aber dieses Gefühl des Misstrauens einmal überwunden und hat er die Überzeugung gewonnen, dass sein Vorgesetzter sein Bestes will und es wohl mit ihm meint, so ist er treu wie ein Hund und aufopferungsfähig in seltenem Grade. Man kann dann mit ihm machen, was immer man will, und hierin liegt das ganze Geheimniss seiner Behandlung. Ein zürnendes Wort, ein Appell an sein Ehrgefühl werden dann stets genügen, ihn zur Pflicht zurückzuführen, wenn er davon abgewichen ist, und in ihm das Bewusstsein der Schuld wachzurufen, sobald ein Vergehen auf ihm lastet. Die Misshandlung und das rohe unnöthige Schimpfen, denen er so häufig in seinem Gewerbe ausgesetzt ist, die ihn verbittern und die sein Ehrgefühl systematisch untergraben, sind allein die Ursache, wenn unser Matrose beginnt, störrisch zu werden.

Sein warmes Temperament macht ihn leicht zu behandeln, aber in Einer Beziehung wirkt es auch nachtheiliger. Er wird dadurch leichter zum Streite verführt, als der ruhigere Nordländer. Steigen ihm die Getränke zum Kopfe, so sind Streitigkeiten fast unvermeidlich. An den grossen Feiertagen, zu Weihnachten, Neujahr und am Geburtstag des Kaisers, wo Extra-Rationen vertheilt wurden, herrschte fast jedes Mal eine Tendenz zu Zwistigkeiten. Der Streit ist aber fast in allen Fällen mehr ein momentaner Ausbruch der aufgeregten Leidenschaft, als die Folge nachtragender Feindschaft. Mit dem Kameraden, mit welchem er heute gestritten, wird er morgen brüderlich sein Glas Grog theilen.

Während unserer Rückreise in den Booten ging Allen nach einiger Zeit der Tabak aus, den Prassern etwas früher, den Sparsamen etwas später. Die Noth war gross, und es herrschte allgemeine Niedergeschlagenheit, namentlich in der ersten Zeit der gezwungenen Enthaltsamkeit. Fast Alle hätten mit Vergnügen um etwas Tabak auf einen Theil der täglichen Ration verzichtet, obwohl ja auch diese kaum genügte, um den ewig knurrenden Magen zu befriedigen. Wer noch Tabak für einige Cigaretten besass, dünkte sich ein reicher Mann; er wurde von den anderen armen Schluckern beneidet, und um ihn schaarte sich zur Raststunde das bettelnde Volk. Und meistens schlug die Bitte nicht fehl. Von den paar Brosamen Tabak, die sich noch im Beutel befanden und die wie ein Schatz gehütet waren, wurde immer noch einer oder der andere der ärmeren Kameraden bedacht. Solche Akte der Entsagung legt sich der Gebildete nur sehr schwer auf; sie fallen aber mehr in das Gewicht, als die Tausende, welche der Reiche dem Armen spendet. Es war nur Einer, der fast

bis zum letzten Augenblicke rauchte, und gerade dieser Eine gehörte nicht zur Matrosenmannschaft. Als Zeichen seiner Dankbarkeit brachte einer der Matrosen dem Arzte, der auch unter die Prasser gehörte und der ihn kurirt hatte, sein letztes Restchen Tabak, mit einer Entschuldigung, dass er nicht mehr besitze.

Dort, wo es der hochnordische Matrose, Dank seinem kalten Blute, Allen zuvorthut in der Jagd —, wird aber der unsrige in den meisten Fällen immer ein Stümper bleiben. Hierzu ist er zu hitzig. Der Anblick des Wildes genügt, um ihn in Aufregung zu versetzen; er schiesst übereilt und trifft in Folge dessen selten, wenn er auch nach der Scheibe ein guter Schütze ist. Es befand sich ein Matrose an Bord, den das Jagdfieber in höchstem Grade befiel, so oft ein Bär in Sicht kam, der aber niemals etwas traf, obwohl er meistens der Erste auf Deck war, sobald ein solcher angesagt wurde. Einen Bären zu erlegen, war sein höchstes Ziel, der blosse Gedanke daran machte ihn aber blind, er zitterte vor innerer Aufregung und schoss einfach in die Luft.

Die Jagd auf Seehunde im zweiten Herbste wurde von Allen mit wahrer Wuth betrieben, aber von den Meisten mit schlechtem Erfolge. Sie war die einzige Unterhaltung, welche die armen Teufel hatten, und da wir über genügende Munition verfügten und die anhaltende kräftigende Bewegung Allen zuträglich war, so wurde dem allgemeinen nutzlosen Eifer möglichst Vorschub geleistet.

Das gerade Gegentheil war einer der beiden Tiroler. Ein ganz vorzüglicher kaltblütiger Schütze und Jäger von Hause aus, kam er aber meistens erst auf Deck, wenn der Bär schon erlegt war. Er beklagte sich einst, dass man ihm kein Gewehr gebracht habe, während diese stets zum Greifen bereit lagen.

Wenn ich in dem Vorhergehenden den allgemeinen Charakter unseres Matrosen im Gegensatze zu dem des Nordländers zu schildern versucht habe, so liegt es mir ferne, den Werth des Letzteren herabsetzen zu wollen. Indem ich die vielen guten Eigenschaften unseres Matrosen und seine Verwendbarkeit in allen Lagen hervorhebe, trage ich nur eine Schuld der Dankbarkeit ab für das wahrhaft musterhafte Benehmen der Mannschaft des „Tegetthoff" unter Verhältnissen, wie sie eine Schiffsbemannung nur selten schwieriger getroffen hat. Wie sehr das Ausland unsere Seeleute zu schätzen weiss, beweisen die vielen Tausende Österreichischer Merkantil-Matrosen, die unter fremder Flagge das karge Brod suchen, welches ihnen der von der Natur nur stiefmütterlich bedachte heimathliche Boden verweigert.

Man glaube ja nicht, dass unsere Mannschaft die Elite der Seebevölkerung unserer Küste gewesen sei. Der grösste

Theil wurde in Fiume an einem einzigen Tage und innerhalb einer Stunde nach dem blossen Augenscheine aus einer Anzahl Competenten ausgewählt und, nachdem sie vorher durch den Arzt untersucht worden waren, fest engagirt. Die Übrigen waren Freiwillige, die sich von da und dort anboten, theils ausgediente, theils aktive Matrosen der KriegsMarine, theils Angehörige der Merkantil-Marine, die niemals von Kriegsschiffs-Disciplin etwas gesehen hatten. Jedem waren der Zweck der Reise und die bevorstehenden Gefahren in möglichst grellen Farben klar gemacht worden. Die Matrosenmannschaft des „Tegethoff" repräsentirte in ihrer Gesammtheit den Typus der seefahrenden Bevölkerung unserer ganzen Küste und speciell des Quarnero.

Mit dem gleichen Schlage Matrosen, die zwei Winter den arktischen Einflüssen mit dem besten Erfolge widerstanden, habe ich ein Jahr in einem der berüchtigtesten Fieberlöcher der Tropen zugebracht, zu einer Zeit, als die Verhältnisse derart waren, dass den primitivsten sanitären Vorschriften jener Gegenden geradezu in das Gesicht geschlagen werden musste. Und trotzdem widerstanden sie auch dort, und das gelbe Fieber trat erst auf, als es durch Kranke vom Lande direkt eingeschleppt worden war, und verschwand wieder, als wir uns nur wenige Tage in See begeben hatten, während unter ähnlichen Verhältnissen den Engländern und Franzosen ihre Mannschaften wie die Mücken dahinstarben.

Der gleiche Schlag Matrosen ist es wiederum, der bei Helgoland und Lissa gegen Übermacht gekämpft und gesiegt und einen unvergänglichen Lorbeerkranz um unsere Flagge gewunden hat.

Im Binnenlande kennt man unsern Kriegs-Matrosen nur wenig und unsern Merkantil-Matrosen gar nicht. Man kennt von der Bühne und aus den Romanen einen rohen betrunkenen Gesellen mit blauer Schärpe und rundem Hute, aber den wahren Arbeits-Matrosen und seine lebenslängliche Leidensgeschichte, die aufopfernden Thaten, die er verrichtet und die man bei ihm als blosse Pflicht und Schuldigkeit betrachtet, während sie als Heroismus in die Welt hinaus

posaunt würden, wenn sie vor den Augen des grossen Publikums geschähen, die kennt nur der, welcher Jahre lang mit ihm gefahren ist und der unter den widrigsten Verhältnissen Freud' und Leid mit ihm getheilt hat. Und auch dieser versteht gar manchmal nicht, ihn zu schätzen, wie die Ansicht eines Kapitäns unserer eigenen MerkantilMarine beweist, der kurze Zeit vor der Abfahrt in Bremerhaven äusserte, die Mannschaft würde muthlos werden und Alles im Stiche lassen.

Armer Matrose! Sein Gewerbe verurtheilt ihn zum Leichtsinn -er ist unglücklich von dem Augenblicke an, wo er aufhört, es zu sein, und sich der trostlosen Zukunft bewusst wird, die ihm bevorsteht. Für den echten Gewerbs-Matrosen giebt es kein Heim; er verheirathet sich vielleicht, aber dann ist er dazu verurtheilt, nur die Lasten der Familie zu tragen, ohne ihre Annehmlichkeiten geniessen zu können, und die Eier mit in den Kauf zu nehmen, die ihm der Kukuk vielleicht in das Nest legt. In der zartesten Jugend ist schon sein Leben ein Kampf gegen Alles, was ihn umgiebt, gegen die Elemente und gegen die Menschen. Gebrochen vor der Zeit durch die Strapazen seines Gewerbes, muss er froh sein, wenn ihm im Alter ein Almosen aus der Kasse winkt, deren Fonds er zum grössten Theile selbst geschaffen hat. An ihn denkt Niemand. Der reiche Rheder stirbt, er erinnert sich seiner Köchin, seines Pferdes und seines Hundes, er stiftet Tausende für Museen, für ein Monument, für eine Schule, aber der arme Seemann, der diesem Reichthume sein Leben, seine Gesundheit, sein Alles zum Opfer gebracht hat, der ist so gänzlich vergessen wie der alte Rock, den der reiche Mann einmal getragen und den er abgelegt hat, als er fadenscheinig wurde.

Für andere Gewerbe giebt es Vereine, Sparkassen und Associationen, aber den Matrosen macht Niemand darauf aufmerksam. Er weiss kaum, dass solche existiren, denn er ist ja der Vagabund unter den Menschen. Armer Matrose!

Die Süd-Amerikanische Pacific - Eisenbahn.

Von Maximilian Emerich, Kaiserl. Brasilianischer Ingenieur-Major, Rio de Janeiro, 5. Juni 1876.

Schon seit 11 Jahren, seit dem Ausbruche des Krieges zwischen Brasilien und Paraguay, geht man mit dem Plane um, die Brasilianische Provinz Matto Grosso mit den östlichen Küsten-Provinzen durch eine Eisenbahn in Verbindung zu setzen, um die weitläufige Communikation zu Wasser, nach dem La Plata, auf dem Paraná und Para

guay, die sogar im Falle eines Krieges mit den südlichen und westlichen Nachbarn ganz abgeschnitten sein würde, zu vermeiden und bedeutend abzukürzen. Während des Krieges, als die Schifffahrt auf dem Paraguay gesperrt war, gelangten Nachrichten aus Matto Grosso auf dem Wege über Land erst nach Monaten nach Rio de Janeiro und

umgekehrt von hier dahin, namentlich in der Regenzeit, | wenn die zahllosen, zu überschreitenden Flüsse und Ströme stark anschwellen und die Ufer Meilen weit überschwemmen. Der Gedanke lag daher nahe, Matto Grosso, diese an Naturschätzen überreiche Provinz durch eine Eisenbahn mit der Ostküste zu verbinden und dadurch dem Weltverkehre zu eröffnen. Früher war man vor der Grossartigkeit des Planes, eine Eisenbahn von mehr als 4500 Kilometer Länge mitten durch, nur von wilden Indianern bewohnte Gegenden, auf welcher viele mächtige Ströme überbrückt werden mussten, zu bauen, zurückgeschreckt. Seit

dem aber die Nord-Amerikanische Pacific-Bahn wirklich ausgeführt worden und Brücken über Ströme, wie der Niagara existiren, erscheint auch der Bau einer Süd-Amerikanischen, von der Ost- nach der Westküste, keine unüberwindlichen Schwierigkeiten zu bieten, indem von Matto Grosso aus die Bahn durch Bolivia weiter fortgesetzt werden könnte.

Verschiedene Pläne dazu sind den Regierungen von Brasilien und Bolivia vorgelegt worden, und es dürfte auch für Europäer nicht uninteressant sein, diese Vorschläge zu erfahren, um sie einer wissenschaftlichen Kritik unterwerfen zu können.

Der erste Plan rührt von dem Ingenieur William Lloyd her, reicht jedoch nur bis Miranda in der Provinz Matto Grosso, von Curitiba, der Hauptstadt der Provinz Paraná, die bald durch eine etwa 107 Kilometer lange Bahn mit dem Hafen Paranaguá verbunden sein wird, ausgehend. Er benutzt die schiffbaren Ströme Ivahy, Paraná, Ivinheima und Brilhante, um den Bau der Bahn wesentlich zu verkürzen. Diese theilt er in drei Strecken, von Curitiba bis zur Kolonie Theresa (296.120 Meter), von Theresa bis Pari dos Corvados (286.224 Meter) und vom Hafenplatz Das sete Voltas bis zum Flecken Miranda (269.885 Meter). Die drei Strecken würden demnach 852.229 Meter lang werden, zu welcher Länge aber noch 733 Kilometer Dampfschifffahrt kommen; die Entfernung von Curitiba bis Miranda beträgt daher 1.585.229 Meter.

Der Bericht Lloyd's enthält folgende bemerkenswerthe Stelle:

,,Man kann mit Entschiedenheit behaupten, dass in einer gewissen Entfernung von den Mündungen des Ivahy und Ivinheima in den majestätischen Paraná und noch im Bereiche des Rauschens der Sieben Fälle, „des Niagara's Brasiliens", früher oder später eine der bedeutendsten Centralstädte des Reiches, unter dem Einflusse der Eisenbahn, welche die Provinzen Paraná und Matto Grosso verbinden wird, gegründet werden wird. Diese Stadt wird Alles, was sie zur Subsistenz gebraucht, besitzen: Fische und Wildpret finden sich in unendlicher Menge, das Klima ist köstlich ihr Wohlstand und Wachsthum in der Zukunft, so

wohl in administrativer als in strategischer Hinsicht, werden sicher sein."

,,Diese Gedanken sind keine Utopie oder Ausschweifung der Einbildungskraft. Um diese Überzeugung zu gewinnen, braucht man nur die Karte von Brasilien zu studiren, um zu ersehen, dass der von uns in's Auge gefasste Punkt, fast gleich weit von Curitiba, Miranda und der Hauptstadt von Paraguay, Assuncion, entfernt ist".

,,Von der Stelle an, wo wir uns die künftige Stadt denken, ist der Ivahy schiffbar auf eine Länge von 250, der Paraná von 600, der Tieté von 500, der Ivinheima und der Brilhante von 430, der Paranapanema und der Tibagy von 300 Kilometer. Dieser vorausbestimmte Ort wird daher das Centrum einer Flussschifffahrt von einer Totalausdehnung von 2080 Kilometer sein!"

Jene Gegenden waren schon einmal bevölkert und kultivirt, und zwar durch, von den Jesuiten bekehrte Indianer vom Stamme der Guaranys. Fortwährend beunruhigt jedoch durch die sogenannten ,,Mameluken" die Mestizen der Provinzen S. Paulo und Paraná, die alljährlich Raubzüge unternahmen, um Indianer in die Sklaverei fortzuführen, verliess der Pater Montoya mit den Indianern im Jahre 1631 Villa Rica am Ivahy, Ciudad Real und sämmtliche Niederlassungen oberhalb der ,,Sieben Fälle". Seit diesem Auszuge der Indianer, auf welchem Tausende im Paraná ertranken und in den Wäldern am Ufer dieses Stromes vor Hunger und Kälte umkamen, hat kein civilisirter Mensch mehr, ausser dem bekannten Spanischen Reisenden Azara, dieses überreiche Thal betreten.

Sicherlich würden Erforschungsreisen in diese, einst kultivirten, jetzt für die Menschheit wieder verloren gegangenen Länder von unschätzbarem Nutzen sein. Es steht geschicht lich fest, dass die Bewohner der Theokantischen Republik Guayna am Paraná, von deren Hauptstadt noch die Ruinen vorhanden sind, glücklich und im Überfluss lebten, bis sie vertrieben wurden. Brasilianische Offiziere, welche bei der Feststellung der Grenzen zwischen Brasilien und Paraguay beschäftigt waren und bei dieser Gelegenheit die Sieben Fälle des Paraná besuchten, schildern die Ufer des Stromes als überaus schön und der Anblick der Fälle machte auf sie einen gradezu überwältigenden Eindruck. Ich selber, der ich ihn weit unterhalb der Fälle zum ersten Male in Itapúa zu Gesicht bekam, war entzückt über die Majestät des Stromes und des seine Ufer bedeckenden Urwaldes, und ich bin überzeugt, dass Tausende von Reisenden, wenn sie leicht und bequem mittels einer Eisenbahn diesen Anblick geniessen könnten, ihn sicherlich aufsuchen würden.

Das zweite, vom verstorbenen Kapitän Christian Palm ausgearbeitete Projekt erreicht Bolivia und den südlichen Theil von Peru, und umfasst eine ununterbrochene Eisen

bahn von der Küste des Atlantischen bis zu der des Stillen Oceans.

In seinem Bericht an den Präsidenten der Republik Bolivia sagt Palm:,,Den Zweck der Eisenbahn nach Matto Grosso durch die Provinz Paraná richtig erwägend, kann dieselbe keine bessere Richtung bekommen, als vom Hafen Antonina ausgehend über die Serra do Mar nach Curitiba; von hier muss sie in nordöstlicher Richtung Campo Largo und Palmeira durchschneiden bis an's Thal des Ivahy, und in diesem von seinem oberen Theile (wo der Fluss noch Rio dos Patos heisst) an fortlaufen bis an den Paraná. Nach Überschreitung dieses mächtigen Stromes muss die Bahn die weiten Prairien der Serra de Maracajú, die sich zum Bau einer Eisenbahn eignen, durchschneiden, dann das Paraná-Thal verlassen und in das Thal des Paraguay übergehen, um nach Miranda zu gelangen. Von hier an muss sich die Bahn nach Cuyabá nördlich wenden, dann wieder südwestlich nach dem Paraguay, der Bolivianischen Stadt Capaō d'Oqueima gegenüber. Hier setzt die Bahn nach Bolivia über und verfolgt dieselbe Richtung bis an die äusserste Grenze von Pirapeti, wobei sie fast nur von Indianern bewohnte Gegenden passirt. Von Pirapeti an wendet sie sich nach dem Departement Chuquisaca und durchläuft die reichsten und bevölkertsten Departements Bolivia's bis zur ehemaligen Hauptstadt Chuquisaca oder Sucre; von hier geht sie im Thale des Pariá-See's bis zur Stadt Oruro und über die Dörfer Sicasica und Catamarca bis Carocaro. Hier schliesst sie sich an die schon im Bau begriffene Bahn von Islay am Stillen Ocean über Arequipa und Puno nach der Stadt La Paz an."

Ein drittes Projekt hat vor Kurzem der Brasilianische Ingenieur-Kapitän Monteiro Tourinho eingereicht. Er trifft die Linie Lloyd's im Thale des Iguassú-Stromes am 79. Kilometer, geht in diesem Thale entlang und wendet sich dann nach Guarapuava und den Quellen des Piquiry, dessen Laufe er bis zu seiner Mündung in den Paraná folgt. An diesem Strome geht er abwärts bis zu den Sieben Fällen, der Mündung des Iguarey - Flusses gegenüber. Den Paraná überbrückt er am Salto Grande, läuft dann durch das Thal des Iguarey und geht von diesem in das des fast dieselbe Richtung verfolgenden Xexuy über, wobei er sich Curuguaty nähert, läuft am Fusse der Serra de Maracajú

entlang bis an den Iponéguassu, den er bis Villa Real begleitet. Hier setzt er über den Paraguay, wendet sich nach dem Thale des Pilcomayo und läuft in diesem bis S. Ignacio de Camullos und von hier über Cachymago nach dem, 3700 Meter über der Meeresfläche gelegenen Chuquisaca. Dann dringt er durch das Thal des Desaguadero in das Departement Oruro ein, geht über Paria und Oruro nach dem Departement La Paz und erreicht, den westlichen Abhang der Anden hinabsteigend, die Stadt Tacua im Peruanischen Departement Arequipa, von wo schon eine Eisenbahn nach dem Hafen Arica führt. Die Hauptrichtungen dieser Linie sind westlich bis an den Paraguay und nordwestlich bis an den Stillen Ocean in der Absicht, die reichsten und bestbevölkertsten Departements Bolivia's zu durchschneiden. Tourinho zieht diese Richtung der nach Cobija, dem einzigen Hafen Bolivia's, vor, Iweil die Bahn in diesem Falle die ärmsten und unbewohntesten Gegenden dieses Landes berühren würde. Um diesen Hafen, der von Chuquisaca über 1000 Kilometer entfernt ist, zu erreichen, müsste die weite Steppe Atacama passirt werden. Aus diesem Grunde ist auch schon seit 1847, in Folge eines Vertrages mit Peru, Arica der Stapelplatz für den Bolivianischen Handel.

Ein viertes Projekt, vom Ingenieur Rebonças, fasst das Thal des Iguassú in's Auge, das in fast gerader Linie westlich bis an den Paraná führt, von wo man in fast eben so gerader Linie bis Assuncion, der Hauptstadt von Paraguay, gelangen kann. Er macht darauf aufmerksam, dass folgende Orte fast unter demselben Breitengrade liegen :

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Deutsche Enclaven in Italien.

Von Dr. Mupperg, Venedig, August 1876.

1. Das Bladner Thal. Manch' einsames Deutsches Dorf im verwälschten SüdTirol, manche von Deutschen Volksgenossen bewohnte Gebirgsschlucht in Italien habe ich besucht, so angeheimelt und doch so wehmüthig hat mich noch keine, wie das Thal von St. Bladen 1) (Sappada von „Zappa" im Wälschen, zu Deutsch Hacken, Roden) in Friaul, nordöstlich von Pieve di Cadore, gestimmt!

Innichen im Puster-Thal, mit seiner uralten Kirche und seinen Römischen (Aguntum), Slavischen und Bajuwarischen (Thassilo II.) Erinnerungen lag hinter mir; das Reiseglück stellte sich von Neuem ein, der Regen hörte auf, immer höher hoben sich die Nebelballen und Schwaden an der Haunoldsspitz hinauf, immer klarer zeigten sich die Wandungen des prächtigen und doch so selten von uns Deutschen besuchten Sexten-Thales, da tauchte zum ersten Mal, wie trotzig den grauen Umhang von sich abschüttelnd, der Schuster und sein Gesell (3160 Meter) in all' seiner Macht und gewaltigen Dolomiten-Schönheit hervor. Dem Schuster folgte die Oberbacher Spitz und Moos gegenüber bot sich der Anblick auf die überraschend hübsche Mulde von Sextenbad dar! Wenn irgendwo, so wäre hier am letzten Hause von Moos der Platz, ein Wirths- und Rasthaus zu errichten zu längerem Aufenthalt. Vorne der weite grüne Wiesengrund (1331 Meter hoch), dann waldbewachsene Hänge und im Hintergrund des Tischlein-Thales (des Seitenthales vom Sexten - Thal) die volle Schönheit all' der mit jedem Vorwärtsschreiten sich verlierenden und doch wieder neu in Sicht tretenden, von der Morgensonne hier und da grell erleuchteten und nebenan mit dicken Nebelstreifen noch umringten Dolomit - Riesen: drei Zinnen, Paternkofel, Eilferkofel, Zwölferkofel (von der Tageszeit und Sonnenuhr so genannt seit alter Zeit)! Die Morgenluft war dem Reisen günstig. Bald hatten wir den Kreuzberg, den Pass in's Wälschland erreicht (1632 Meter). Es war kühl oben, 11° R. im Schatten um 10 Uhr! Das Deutsche Grenzwirthshaus liess uns freundliche Wirthsleute, wenn auch nur den geringsten Comfort, finden. Initiative und Spekulationsgeist sucht man in den meisten Orten Tirols, gerade wo es am schönsten ist, wie oben bei dem trägen Wirth im Sexten-Thale, vergebens. Bald zogen wir hinab vom Deutschen Mauthhaus und auf Italienischem Gebiete dem

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Padola-Thale zu. Manchmal zogen noch dicke schwere Wolken eilend aus SO. über unseren Häuptern weg und machten uns bange, als wollten sie dem leichten Träufeln einen ausgiebigen Schauer folgen lassen. Allein höher und höher zog die Sonne die Unholde an sich und schickte sie im eiligen Tummeln und Hasten auf die Heimath am Rheine zu! So lag plötzlich der ganze viel schroffere Abfall des Kreuzpasses vor unseren entzückten Augen. Welch' eine Ausschau auf die immer tiefer sich hinabwindenden Schluchten der Padola, der tiefgrünen Vorberge und der bleichen, grauen, zackigen Massengebirge der Padola-Spitze, der Najárnola, des Monte Cornon, drüber hinweg auf den Monte Marmarole (8374 F.) und zu oberst über alle auf den Monte Antelao (10.020 F.) bei Pieve di Cadore. Das ganze Thal bildet Eine politische Gemeinde, Comelico; es zerfällt aber wieder in zahlreiche einzelne (Fraktionen) Weiler.

In Dosoledo, dem ersten derselben, war eben die Kirche aus; St. Annafest. Wohl 100 Gesichter fixirte ich vor dem Gotteshause und auf der langen, vortrefflichen, noch von den Österreichern erbauten Landstrasse; nur wenig Bauersleute fand ich, die nicht physiognomisch vollständig unter unsere Fulder und Poppenreuther gepasst hätten! Römischen Typus schrieb ich etwa 10 Prozent zu! Ist doch ganz Ober-Italien voll von Deutschen Namensresten. An den Bergen haften die, in anderer Sprache von den Vorvätern gegebenen Urbenennungen besser als an den Orten. „Udine ward aus Weiden fabricirt, Tischleinsweiler" ward zu Timau, Schönfeld zu Tolmezzo. Nur Wenige wissen diess! Denn so klar wie Spilimbergo, Sonnimbergo, Laipaeyo &c. tragen nicht alle umgetaufte Flecken ihren Ursprung an der Stirne. Wo sind die Deutschen, denen es bekannt ist, dass bei Cividale, wo der Longobarden-Held, Herzog Gisulf, begraben wurde, noch ganze Burgreihen im Norden und Nordwesten Deutsche Namen tragen? Bei den Bergen lehrt auch den oberflächlichen Forscher des,,Pramper-Gebirge, der Monte Ralf, der Messerberg, der Lamenberg" &c., dass denen, die am Fusse dieser Höhen heute wohnen, dereinst von Deutschen Vordern die Abstammung und den Bergen die Namen gegeben wurden!

In sieben Stunden erreicht man bequem San Stefano, am Zusammenfluss des Padola mit der Pieve gelegen. Girardis hält da ein gutes Wirthshaus; seine Vorfahren mögen auch hochgemuthe Lombarden gewesen sein, wie die Ahnen des Grafenhauses Trasimondi zu Rom, die notorisch von dem Lombarden - Helden Trasimond abstammen. Die Wirthin ist eine Deutsche, eine freundliche Frau,

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