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Abbé Armand David.

Von Dr. G. Hartlaub.

Das ganz kürzlich bei Hachette in Paris erschienene zweibändige Werk:,,Journal de mon troisième voyage d'exploration dans l'Empire Chinois, par M. l'Abbé Armand David", bietet eine erwünschte Veranlassung dar, dem Deutschen Leser der ,,Geographischen Mittheilungen" die bescheidene Gestalt eines Mannes vorzuführen, der, obgleich zu den ausgezeichnetsten Reisenden und Naturforschern aller Zeiten zählend, bei uns bis jetzt nur in den engsten Kreisen und selbst in diesen nur unvollkommen bekannt ist. Es ist diess der Französische Lazaristen - Missionar Abbé Armand David.

Wenn, was dieser Mann an streng geographischem Detail unserer Kunde von China und den benachbarten Ländern im Norden und Westen hinzugefügt hat, ein nicht gerade Bedeutendes zu nennen ist, so steht derselbe als Beobachter und Sammler auf den Gebieten der Zoologie, Botanik und Geologie des Reichs der Mitte unübertroffen da, sowohl durch die Vielseitigkeit seines Wissens als durch die materielle Grossartigkeit seiner Erfolge. Zahlreiche Höhenbestimmungen mittelst des Barometers bilden ein werthvolles Material für die Topographie China's; eben so die geologischen Aufzeichnungen des Reisenden, welche neben dem von Richthofen, Bickmore, Pumpelly und Anderen Geleisteten ihre Bedeutung behalten.

Abbé Armand David stammt aus der Umgegend von Bayonne und ist Mitglied der Missionszwecke verfolgenden Congregation der Lazaristen. Nachdem er im Colleg der kleinen Stadt Savona einige Jahre hindurch naturgeschichtlichen Unterricht ertheilt hatte, ging er 1861 nach China in der Absicht, in Peking ein Französisches Colleg für junge Chinesen zu begründen. Hier sollte gar bald sein Vergnügen an Beobachten und Sammeln von Thieren, Pflanzen und Fossilien die vielseitigste Befriedigung finden. Die Umgebung des Golfs von Petscheli war das nächste und erste Feld seiner Thätigkeit. Dann wurden verschiedene kleinere und grössere Exkursionen unternommen. So 1861 nach Siwan, einem christlichen inmitten Bergen von bis 6000 Fuss Höhe gelegenen Dorfe der Mongolei; dann 1863 zu mehrmonatlichem Aufenthalt nach den grossen Gebirgsmassen von Sichan und 1864 nach Jehol, einem etwa 50 Meilen nördlich von Peking entfernten Berggebiete der östlichen Tartarei. Hier verweilte, fleissigst sammelnd und beobachtend, der Abbé etwa 5 Monate und die Distanz, welche er innerhalb dieses Zeitraumes auf seinen Fuss wanderungen zurücklegte, würde ausgereicht haben, ihn von Peking nach Moskau zu befördern. Ein Hauptanziehungspunkt war hier

den ge

der berühmte, von einer hohen Mauer umgebene Park der Kaiserlichen Sommerresidenz, ein prachtvoller, etwa 12 Meilen im Umfang haltender Wald, von dem die indiscrete Raubsucht der Chinesen heute nicht mehr viel übergelassen hat. Die Geheimnisse dieses jedem Besucher mit unerbittlicher Strenge verschlossenen Parks zu ergründen, war eben so lockend als schwierig. Und so sehen wir denn eines Tages der Augenblick schien günstig lehrten Lazaristen die Mauer erklimmen, und, spähenden Blicks die vor ihm ausgebreiteten Waldmassen durchdringend, unterscheidet er in einiger Entfernung eine ganze Heerde grosser hirschartiger Thiere von höchst fremdartigem Bau und offenbar einer ganz neuen Form angehörig. Das war eine Entdeckung, die alle überstandenen Beschwerden reichlich lohnte. Durch Bestechung der Tartarischen Parkwächter gelang es David alsdann später, verschiedene Exemplare des,,Milou", wie die Chinesen diesen Hirsch nennen, zu erlangen, die nebst den inzwischen massenhaft angewachsenen übrigen Sammlungen nach Paris geschickt wurden. Hier erregten dieselben das grösseste Aufsehen. Der „Milou" wurde von dem berühmten Zoologen, Professor Alphonse Milne-Edwards, unter dem Namen Elaphurus davidianus in die Wissenschaft eingeführt und in richtiger Würdigung der ungewöhnlichen Eigenschaften und Interessen des Père David wurde von dem Vorstande der Congregation, Herrn Etienne, die Erlaubniss nachgesucht und erlangt, dass derselbe nunmehr zu ausschliesslich wissenschaftlichen Zwecken China bereisen und durchforschen dürfe.

Pekuniär unterstützt vom National - Museum zu Paris drang David 1866 nach den etwa 20 Tagereisen von Peking entfernten Hochplateaux der Mongolei vor, die man unter den Namen Tumet, Urato, Ordos und Maomingan kennt. Den Mittelpunkt seiner Exkursionen daselbst bildete Sartschi, eine längs des Hoangho erbaute und zwischen diesem und dem von den Chinesen Ula - Chan genannten Berglande Urato gelegene halb Chinesische halb Mongolisirte befestigte Station, von welcher aus er fast 10 Monate lang die Umgegend weit und breit für seine Sammlungen auszubeuten suchte, und zwar mit dem glänzendsten Erfolge.

Im Mai 1868 brach Abbé David zu einer neuen Reiseunternehmung auf, die ihn bei einer Dauer von 25 Monaten bis in die entlegensten westlichen Grenzgebiete des ungeheueren Reiches und noch über diese hinaus nach Tibet und dem Kukunoor führte.

Von Shanghai aus den Blauen Fluss hinauffahrend, und zwar bis Kiu - Kiang, machte Abbé David zunächst die

centrale Provinz Kiangsi zum Schauplatz der umfassendsten Forschungen. Nach viermonatlichem Aufenthalt daselbst verfolgte er den Yangtzsekiang oder Ta-Kiang, wie er bei den Chinesen des Innern heisst, bis Tschongkin. Dann wurde zu Lande eine nordwestliche Richtung eingeschlagen und die grosse und schöne Provinz Setschuan erreicht, wo ergiebige Ernten auf allen Gebieten die lange und eifrig fortgesetzte Thätigkeit unseres Lazaristen lohnten. Der grössere Theil dieser Provinz besteht aus kleinen Hügeln von gleicher Höhe, die durch Erosions-Thäler von einander getrennt und bis zum Gipfel kultivirt sind. Aber das heiss ersehnte Ziel blieb jenes unbekannte, von den barbarischen ,,Mantze" bewohnte, independente Grenzgebiet zwischen China und Tibet, wo David nach Allem, was er hörte, des Neuen und Wunderbaren die Fülle erwarten durfte und wohin bis jetzt der Fuss des Naturforschers nicht gedrungen war. Eine Reihe von Bergketten und von Flüssen, die von Norden nach Süden laufen, bildet die eigentliche Grenze zwischen China und den Mantze-Ländern, und zwar von Kansu bis Yünnan. Die Entfernung von Tschingtu, der prachtvollen Hauptstadt Setschuan's, aus bis nach Mupin, einem der Kleinstaaten der ,,Mantze", ist nicht beträchtlich Père David brauchte dazu acht Tage aber der Weg ist ein stellenweis äusserst beschwerlicher. Diess gilt namentlich für den zweiten Theil desselben, wo eisbedeckte Höhen von mehr als 3000 Meter Höhe zu passiren waren.

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Das mysteriöse Volk, welches diese ausgedehnte durchweg hochgebirgige Grenzwildniss zwischen China, Tibet und der Mongolei bewohnt, steht dem Tibetanischen Typus bedeutend näher als dem Chinesischen. Weder die Sprache ist bei den Mantze überall dieselbe noch ist es die Gesetzgebung. Ihre Religion ist der Buddhismus der Tibetanischen Lamas und sie halten ihr Land eifersüchtig verschlossen für fremde Eindringlinge. Nur dadurch wird es erklärlich, dass Urwaldung Berg und Thal bedeckt und dass unter dem Schutz Buddhistischer Dogmen eine einheimische und höchst originelle Thierwelt unverändert fortbesteht. Im Gegensatz dazu wird jeder den Chinesen zugängliche Landstrich binnen Kurzem entwaldet und vollständig kahl.

Hoch oben in einem der Hauptthäler Mupin's, in der Höhe von 2129 Meter über dem Meere, sehen wir nun den Abbé für 10 Monate einquartiert, und hier ist es, wo der grösste Theil der unvergleichlichen Sammlungen zu Stande gekommen ist, die man in Paris bewundern kann. Das Jagdverbot aus Gründen der Seelenwanderung konnte und sollte durch Geld aufgewogen werden.

Nur etwa eine Tagereise von der Hütte David's entfernt erhebt sich der Hong-schan-tin bis zur Höhe von 5000 Meter. Als derselbe im Juli 1869 auf diesem Gipfel

stand, erblickte er im Norden und Südwesten Erhebungen, im Vergleich zu welchen der eigene Standpunkt ihm wie ein Hügel erschien. Die Eingeborenen nannten diese riesigen Erhebungen Ta-sué-schan, was grosse Schneeberge bedeutet. Bis zu ihnen vorzudringen, musste sich David, so schwer es ihm auch wurde, versagen.

Obgleich zwischen dem 31. und 32° N. Br. gelegen ist das Klima Mupin's ein verhältnissmässig rauhes und in dem von Abbé David bewohnten Thale brachten die Wintermonate andauernd Schnee und Eis. Während im Sommer und in der mittleren Jahreszeit Schnee den Gipfel des Hong-schan-tin bedeckt, ist derselbe merkwürdigerweise im Winter völlig schneefrei. Es scheint wohl, dass die Wälder, welche die Thäler und die niederen Berge bedecken, es verursachen, dass sich hier in der kalten Jahreszeit die Wolken sammeln und sich weiter unten entladen, ein willkommener Umstand für die Budorkas, die Wildschafe, die Moschusthiere, die Lophophorus und andere an grosse Höhen gewöhnte Thiere, die dahinauf flüchtend in dem hohen Krautwuchs dieser vertrockneten Prairien ihren Unterhalt finden. Fast das ganze Jahr hindurch schneit es oder regnet es fast täglich und der Nebel ist ein beinahe unaufhörlicher. Die Atmosphäre ist zu Zeiten dergestalt mit Feuchtigkeit überladen, dass gleichzeitiges Geschrei mehrerer Personen oder gleichzeitiges Abfeuern mehrerer Gewehre Regenfall verursacht.

Das eruptive Gestein von Mupin ist porphyritisch und von grüner Färbung. Doch finden sich auch Granit, Glimmerschiefer und amphibolitische Massen. Der Sand der Bäche ist goldhaltig. Einzeln Kupfer und silberhaltiges Galen.

Die Baumgrenze schwankt zwischen 3000 und 3500 Meter, je nach der mehr oder weniger exponirten Lage. Die Hauptbäume sind zwei Ceder - Arten, Rhododendron, von welcher Form David 16 Arten unterschied, und drei Arten weissblühender Magnolien, dann Laurus quercus und Chamaerops excelsa. Im Allgemeinen ist die Flora Mupin's eine sehr reiche. Sie zählt z. B. mehr als 50 Ericaceen. Abbé David konnte, überbürdet mit anderweitigen Arbeiten wie er war und zum Theil auch in Folge der übermässigen Feuchtigkeit der Atmosphäre nur einen Theil der ihn umgebenden Pflanzenwelt sammeln und trocknen. Viel bleibt hier zu thun übrig.

In zoologischer Beziehung war Mupin für den passionirten Naturforscher, der als der erste hier beobachten und sammeln konnte, geradezu ein Wunderland, und die Masse des hier vorkommenden Neuen und Ausserordentlichen steht nur im Verhältniss zu der riesigen Arbeitskraft, der kolossalen physischen wie geistigen Ausdauer, die es fertig zu bringen wusste, unter einer solchen Fülle von Material der

interessantesten Verschiedenartigkeit nicht zu erliegen, sondern vielmehr schliesslich Alles zu Nutzen und Frommen der Wissenschaft zu verwerthen verstand. Rhinopithekus Roxellanae! Ailuropus melanoleucus! Nemorhedus Edwardsii! Budorcas taxicolor! Lophophorus Lhugsii! Ithaginys Geoffroyi! Sieboldia davidiana! &c. &c. Wer diese herrlichen Entdeckungen und so viele andere in der Pariser Sammlung mit Kenneraugen mustert, der wird eine Ahnung empfinden von dem Vergnügen, welches Abbé Armand David bei ihrem ersten Anblick empfand in der Einsamkeit der ihn umgebenden fremdartigen Wildniss Mupin's. Das sonderbare bärenartige Thier Ailuropus scheint merkwürdigerweise nahe verwandt zu sein mit den fossilen Hyaenarctos des quaternären Terrains in der Argentinischen Republik.

Er

Aber unablässige Anstrengungen, Entbehrungen, Verlegenheiten sollten endlich im Bunde mit Krankheit auch den festesten Mann zum Wanken bringen. Gegen Ende des Jahres fühlte David, dass es nunmehr für ihn gerathen sei, seinen Posten im Lande der Mantze zu verlassen. Obgleich bei seiner Zurückkunft in Tschingtu bereits tief erschüttert, geistig wie körperlich, konnte er dennoch der Versuchung nicht widerstehen, von da noch einen Ausflug nach dem östlichen Winkel des Kukunoor zu machen. beschreibt denselben als sehr befriedigend. Die Mongolische Ibidorhyncha und Cinclus Pallasii, dieser letztere ein vortrefflicher Sänger, belebten die Flussufer am Wege und eine Anzahl sehr interessanter neuer Arten (Crossoptilon caerulescens z. B. !) lohnten Zeit und Mühe völlig. Was David von Kukunoor sah, erinnerte ihn in vieler Beziehung an Mupin. Aber etwas weiter nach Norden und Nordwesten soll ein ausgedehntes, hügeliges, waldarmes Hochplateau sich erstrecken (Tsin-hae ?), dessen Flora und Fauna gänzlich anderer Art wären. Noch immer bleibt die Umgebung des Blauen See's für den Naturforscher ein geheimnissvolles Land der Verheissung.

Zu Ende März 1870 finden wir den Père David wieder in Tschingtu, wo ihn das Ordnen und Verpacken seiner Sammlungen noch einen Monat festhielt und von WO aus er dann, der Wasserstrasse des Yangtzsekiang folgend, am 18. Juni in Shanghai eintraf. Es hatte ihm übrigens dieser letzte Aufenthalt in der Hauptstadt Setschuan's noch mancherlei Neues an Beobachtungen sowohl als auch für seine Sammlungen eingetragen. Von grossem Interesse ist seine Mittheilung, dass hier im April der prachtvolle und noch so wenig bekannte Papagei, Palaeornis Derbyanus, in Masse zum Verkauf angebracht wurde. Man fing diese die Nebenflussthäler des oberen Yangtzsekiang zahlreich bewohnende Art in Sprenkeln auf Wallnuss-Bäumen.

Sie geht im Sommer noch über den 32° N. Br. hinaus und ist ohne

Zweifel der am nördlichsten vorkommende Papagei der Alten Welt.

In Tientsin angelangt erfuhr Abbé David das Blutbad, welches inzwischen eine fanatische Bevölkerung unter den Christen der Stadt angerichtet hatte. Er verdankte die eigene Rettung nur dem verspäteten Abgehen des Schiffes, das ihn trug. Aber ein längerer Aufenthalt in China war dadurch unmöglich geworden und zudem mahnte die tieferschütterte Gesundheit unseren Forscher zur Rückkehr nach Europa.

Seine Ankunft in Marseille fällt in die Zeit der Belagerung von Paris durch unsere Armeen; dahin zu gelangen war also zunächst unmöglich. Bis zum Sturz der Commune blieb daher David in Italien und zumeist in Genua, wo er in dem Marquis Doria einen alten Freund und passionirten Zoologen wiederfand. In Paris hatte man inzwischen die Sammlungen des Abbé David beträchtlich und interessant genug gefunden, um davon eine eigene Ausstellung zu veranstalten. Die verödeten Säle des Museums

man hatte allein 65.000 Gläser mit Spirituosen im sicheren Schutz der Kellergewölbe geborgen - boten dazu den nöthigen Raum. Abbé David selbst aber gab ein kurzer Aufenthalt in der Baskischen Heimath zurück, was er an Gesundheit und Kräften eingebüsst hatte, und so konnte er 1872 zu erneuter wissenschaftlicher Durchforschung

China's aufbrechen. Nachdem er die schöne Provinz Tschekiang besucht, begab er sich nach Peking, um daselbst seine grosse und letzte Reise in's Innere zu organisiren. Das erste Ziel derselben war Si-ngan-fu, die Hauptstadt der Provinz Schensi. Eine monotone Wagenreise durch die Ebene von Tscheli führte ihn nach der Provinz Honan. Nach einer schwierigen Passage des Gelben Flusses wurde Si-ngan-fu erreicht und von dort das interessante Tsing-ling genannte Berggebiet der Provinz durchforscht, geologisch, zoologisch und botanisch. Den Ausgangspunkt

seiner Exkursionen fand David bei einigen Christen des Hochthales von Lao-yu. Ein 8tägiger Marsch führte ihn dann quer durch die Kette des Tsing-ling und nach Uangkia - uan, von WO aus die Durchforschung des geologisch

SO

interessanten fossilienreichen Gebirges Lé-ang-schan bewerkstelligt wurde. (Orthoceres, Spinifer, Productus!) Der Aufstand der Mohammedaner verhinderte ein weiteres Vordringen gen Westen und nach einer sehr gefahrvollen Schifffahrt von 20 Tagen auf dem Han-kiang erreichte David im Mai 1873 Hankeu. Schon im Juni treffen wir ihn dann wieder in der Provinz Kiang-si, und zwar stationirt zu längerem Aufenthalt in Tsitu, nahe der westlichen Grenze des Fokien. Schwer ergriffen von gefährlichen Fiebern und von diesen erst unvollständig genesen, wagte er es dennoch, in die grossen Gebirgsmassen dieser Provinz

auf

einzudringen, eine Tollkühnheit, welche er mit der ernsthaften Erkrankung seiner Lungen bezahlen musste, deren seine eiserne Constitution nie wieder völlig Herr geworden ist und die in Verbindung mit perniziösen Sumpffiebern den bis zum Äussersten Geschwächten zwang, weitere Unternehmungen zunächst zu verzichten. Eine 15tägige höchst beschwerliche Flussreise in einer Chinesischen Barke brachte ihn wieder nach Kiu - kiang, und am 3. April 1874 konnte er sich in Shanghai nach Frankreich einschiffen, nach einer nahezu zweijährigen unter den schwersten, aber auch erfolgreichsten Anstrengungen verbrachten. Thätigkeit des reisenden Naturforschers, in einem Lande, um dessen naturgeschichtliche Aufhellung sein Verdienst das eminenteste bleibt.

Armand David hat also diese seine letzte Reise in einem zweibändigen so eben erschienenen, höchst interessanten Buche beschrieben. Den nach seinen Tagebüchern zusammengestellten Bericht über die früheren findet man in den ,,Nouvelles Archives du Muséum d'histoire naturelle de Paris publiées par M. M. les Professeurs-administrateurs" &c., einem leider bei uns viel zu wenig bekannten Werke. In sehr ansprechender Form hat überdiess in den während der Belagerung erschienenen Bänden der Revue des deux Mondes Herr Blanchard vom Institut de France die Reisen David's beschrieben. Wichtig ist noch der im Bulletin de la Soc. de Géographie für 1871 publicirte Brief David's an den General-Sekretär der Gesellschaft.

Die Sammlungen des Französischen Missionars auf den Gebieten der Zoologie, Botanik und Geologie übertreffen an Umfang wie an Masse des Neuen weit Alles, was jemals auf diesem Gebiete durch die Kraft eines einzelnen Menschen erreicht worden ist. Ihre Bedeutung für die Wissenschaft kann gar nicht zu hoch taxirt werden. Erst ein Theil derselben ist in einer dieser Bedeutung entsprechenden Weise systematisch verwerthet worden, so die Säugethiere, unter ihnen mehr als dreissig neue, durch Alphonse Milne-Edwards, die Vögel durch den verstorbenen Jules Verreaux, die Mollusken durch Deshayes &c. Ausserdem aber verdanken wir diesen Reisen eine grosse Anzahl von Beobachtungen und Notizen geographischer, naturgeschichtlicher und anthropologischer Art. Armand David schätzt nach sehr sorgfältiger Berechnung die Zahl der Gesammt-Bevölkerung des intramuralen China auf mindestens 300.000.000. China ist viel weniger reich, als man gewöhnlich annimmt; ja es vermag kaum seine wenn auch noch so genügsame Bevölkerung zu ernähren. Abgesehen von der Kohle findet man erst gegen Yünnan hin metallische Minen von einiger Bedeutung. Mit Ausnahme einzelner höchst unzugänglicher Gebirge ist das ganze ungeheuere Reich von Baumwuchs entblösst und von Nachpflanzen, also von Forstkultur, ist nir

gends eine Spur zu bemerken. Selbst das zum Anfertigen der Särge nöthige Holz wird importirt. Auch Obstbäume findet man nur sehr spärlich kultivirt. Im Allgemeinen ist die Bevölkerung friedlich, arbeitsam, höflich und dem Trunke abgeneigt; dafür aber unter der leidenschaftlichen Hingabe an die Wirkungen des Opiums; die reinen gelben. Racen des Nordens und Ostens China's sind civilisirter, berechnender, zurückhaltender, kälter und weniger für Gefühls - Affekte zugänglich als die gemischten Racen im Westen und Süden. Die Missionäre sind namentlich im Inneren sehr beliebt, haben es verstanden, dem Namen Europa's und namentlich Frankreichs Achtung zu verschaffen und verdienen in China den ihnen anderweitig beigelegten Namen von Pionieren der Civilisation.

Andererseits hält David China weder für vorbereitet noch für geneigt, unsere Europäische Civilisation aufzunehmen. Es bedarf derselben in der That auch nicht, da es die nöthigen Elemente des Gedeihens in sich besitzt und seine Lebensfähigkeit durch einen nur sehr wenig veränderten Zustand von nahezu 5000jähriger Dauer bewiesen hat. Der Tag, wo China anfangen wird, wesentliche Reformen einzuführen, könnte der Anfang vom Ende für das ungeheuere Reich sein. Für wissenschaftliche Belehrung sind. bis jetzt nach Abbé David die Chinesen kaum oder nur sehr schwer zugänglich. Ihr Gedächtniss ist in der Regel besser als das unsere, denn es ist die einzige intellektuelle Fakultät, welche sie kultiviren. Sie fassen daher ausserordentlich leicht auf, wo es sich nicht um Raisonnement handelt, wo nicht tieferes logisches Nachdenken von ihnen gefordert wird. Es erscheint David gefährlich und jedenfalls unvortheilhaft für Europa, bei den Orientalen eine wissenschaftliche Erziehung sehr zu befördern. Er fürchtet die Conkurrenzfähigkeit dieses unerschöpflichen Ameisenhaufens und ist der Ansicht, man könne Asien, Malaiasien, und Afrika immerhin der geduldigen Thätigkeit der gelben Race überlassen, dass man aber die andrängenden Wogen derselben um so energischer von Europa und Amerika abzulenken habe, wenigstens für zunächst.

Es erscheint uns nicht unwichtig, hinzuzufügen, dass Abbé David, wenngleich seiner eigentlich missionarischen Thätigkeit offiziell entbunden, doch den katholischen Geistlichen zu keiner Zeit verleugnet und die vorschriftsmässigen religiösen Übungen seines Ordens auch unter den heterogensten Verhältnissen nicht unbeachtet lässt. Als echter Naturforscher sucht er dagegen bei sogenannten Wundern nur nach ihrer natürlichen Erklärung. Seine Ansicht über den Darwinismus ist interessant genug. Er,,verweigert" es sich, die letzten Consequenzen zuzulassen, aber er ist der Ansicht, dass derartige auf das täglich anwachsende, und schon jetzt wahrhaft ungeheuere Material von That

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