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nach Hause genommen haben, der Congress war aber ein so gewaltiges geographisches Ereigniss, so grossartig und vielumfassend, dass er einen nahezu unerschöpflichen Stoff abgiebt, und wie jeder der bereits erschienenen Berichte den einen oder anderen Gegenstand berührt, den die anderen unbeachtet gelassen, so möge auch uns erlaubt sein, einige wenige Notizen, die wir an Ort und Stelle oder aus dem Gedächtniss niedergeschrieben haben, zur Veröffentlichung zu bringen.

Die Verhandlungen übergehen wir dabei ganz, weil das Hauptsächlichste davon in zum Theil ziemlich ausführlichen Referaten bereits vorliegt und weil wir wegen des gleichzeitigen Tagens der sieben verschiedenen Sektionen meistens auf andere Berichterstatter uns verlassen müssten. Was in den Verhandlungen vorgebracht wurde, ist zudem grossentheils schon vorher, Einzelnes auch seit dem Congress durch den Druck bekannt geworden, der sachliche Werth auch der später zu erwartenden offiziellen Berichte kann kein bedeutender sein, dagegen lag der Reiz, der Schwerpunkt der Verhandlungen wie des ganzen Congresses in den massenhaft anwesenden bedeutenden und interessanten Persönlichkeiten. Wohl hatte man schon von der Russischen Amu Darja - Expedition gelesen, aber von ihrem Chef, General Stoletow, selbst und von mehreren seiner wissenschaftlichen Begleiter, wie Barbot de Marny und Sewerzow, die wichtigsten Ergebnisse vortragen zu hören, ist denn doch ein ganz anderer Genuss als das Lesen eines Referates, und Auseinandersetzungen darüber, ob Europäer im äquatorialen Afrika allein mit Eingeborenen oder zu mehreren reisen, ob sie Elephanten oder Esel oder Kameele als Transportthiere benutzen sollen, werden im Grunde wenig nützen, denn es wird nach wie vor ein Jeder es seinen Erfahrungen und Ansichten gemäss einrichten, aber die persönliche Diskussion über solche praktische Fragen zwischen Männern wie Rohlfs, Schweinfurth, Nachtigal, Raffray, de Compiègne, Marche, Largeau, Soleillet, die ihre Erfahrungen in den verschiedensten Theilen von Afrika gesammelt haben, bot einen Reiz, der sich unmöglich beschreiben lässt. Und so gab, wie bei anderen derartigen Versammlungen, nicht so sehr das zur Sprache Gebrachte als die Anwesenheit und Persönlichkeit der zahlreichen wissenschaftlichen Reisenden und hervorragenden Fachmänner den Verhandlungen für den Augenblick Bedeutung und Leben, für die Zukunft werden vielleicht weniger die gefassten Beschlüsse als manche dort erhaltene Anregung fördernd auf die fernere Entwickelung der Erdkunde wirken.

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durch die am Schluss angehängten Listen zu zeigen, wie mit Ausnahme von England und Amerika jeder Kulturstaat eine beträchtliche Anzahl von Zierden der geographischen Wissenschaft entsendet hatte. England war zwar glänzend vertreten durch den berühmten Orientalisten Sir R. Alcock, den Präsidenten der Geogr. Gesellschaft Sir Henry Rawlinson, den um die Erforschung des Himalaya und die Entsendung Indischer Geometer (Punditen) nach unzugänglichen Gebieten Inner-Asiens so hoch verdienten Oberst-Lieutenant Montgomery, den berühmten Historiker der Geographie R. H. Major, den eminent sachkundigen Kartographen E. G. Ravenstein und einige andere, aber es fehlten fast alle seine grossen Reisenden und die meisten seiner Geographen. Es war diess so ziemlich der einzige grosse Mangel des Congresses und es wäre sehr zu wünschen, dass künftighin der Vorstand der Londoner Geogr. Gesellschaft auf eine genügendere Betheiligung hinwirkte. Wenn sich der nächste Congress in London versammelt, so würde dort ohne Zweifel Gelegenheit geboten, alle die Träger glorreicher Namen. zu sehen, aber es ist auch die Rede von St. Petersburg. Nur London oder St. Petersburg können wohl nach Paris in Frage kommen, wenn sich nicht etwa der Khedive entschliesst, einen Congress nach Cairo einzuladen.

Ein Verzeichniss der anwesenden Mitglieder mit Angabe ihrer Adressen wurde allgemein vermisst, wirklich haben wir erst nachträglich von der Anwesenheit mehrerer Herren gehört, die wir gern persönlich kennen gelernt hätten, und es ist nicht leicht zu verstehen, warum ein solches Verzeichniss nicht publicirt wurde, denn die Mitglieder hatten nicht nur auf dem Commissariat ihre Karten abstempeln und ihre Namen eintragen zu lassen sondern in den einzelnen Sektionen wurden auch Formulare mit dem Namen, dem Heimathsort und der Adresse in Paris ausgefüllt. Dieses Versehen war ein wesentliches und wird wohl kaum wieder zu befürchten sein, im Übrigen waren die Commissäre mit Baron Reille an der Spitze auf das Eifrigste bemüht gewesen, den vielfachen Bedürfnissen einer so grossen Versammlung gerecht zu werden, und was ihnen vielleicht an Übung abging, ersetzten sie durch aufopfernde Zuvorkommenheit. Eine sehr zweckmässige Einrichtung war u. A. das improvisirte Frühstückslokal im Hofe der Tuilerien, gegenüber dem Pavillon de Flore und dem angrenzenden südlichen Flügel der Tuilerien, welche die Ausstellungs- und Sitzungssäle enthielten. Jener Restaurant gab. zwar nicht gerade ein Muster der feinen Französischen Küche ab, er führte aber seiner günstigen Lage wegen Pariser und fremde Congress-Mitglieder zusammen und unter seinem einfachen Schutzdach sah man oft die interessantesten Gruppen bei einander. An einem der ersten Tage fanden sich dort vier der grössten Asia-Reisenden der Ge

genwart Frhr. v. Richthofen, H. v. Schlagintweit-Sakün

lünski, Sewerzow und Vámbéry zufällig an einem Tische zusammen, ohne dass zuvor Einer den Andern gekannt hätte, und sofort entspann sich eine lebhafte Unterhaltung über die wahrscheinlichen Ursachen der Ermordung Margary's und die politischen Zustände Asiens im Allgemeinen. Dort konnte man am leichtesten die meist mit Geschäften überhäuften Grössen der Pariser Geogr. Gesellschaft, einen Delesse, Malte-Brun, de Quatrefages, Maunoir, Duveyrier &c. sehen und sprechen, dort fanden sich Russen, Holländer, Schweden und andere truppweis ein, während sich am Abend die Nationalitäten mehr trennten. Deutsche und Österreicher nebst einem Theil der Ungarn, Italiener und Engländer hatten ihren geselligen Sammelpunkt in einem Pilsener Bierhaus dicht bei dem Prachtbau der Grossen Oper; dort konnte man sicher sein, spät Abends eine grosse Zahl zu finden, und nach und nach kamen auch einzelne Franzosen dahin, namentlich auch solche, denen die Ruhe zu Haus nach den Anstrengungen des Tages zu gönnen gewesen wäre, wie der General-Sekretär Maunoir, einzelne Commissäre &c. Ein Jeder wird sich mit Freude jenes genussreichen Zusammenseins mit Fachgenossen in dem bezaubernden Paris erinnern und dankbar an die freundliche Aufnahme zurückdenken, durch welche die Franzosen ihren alten Ruf der Höflichkeit und Liebenswürdigkeit aufs Neue bewährten.

Die Ausstellung war sehr günstig in den geräumigen, hellen Sälen der Tuilerien untergebracht. Wer sie in der Kaiserzeit gesehen hat, diese Residenz der Französischen Monarchen, konnte die Reste des gewaltigen Baues nicht betrachten, ohne von der tragischen Grösse der Ereignisse betroffen zu werden, die solche Veränderungen herbeigeführt haben. Der ganze westliche Mittelbau ist ausgebrannt, kahle Mauern, leere Fensterhöhlen, kein Dach, keine Zwischendecke eine grossartige Ruine. Seine beiden Enden, nach den Eckpavillons hin, sind gänzlich zerstört, aus dem zur Kaiserzeit reservirten Theil des Gartens geht man durch breite Lücken ungehindert in den Hof, den nicht mehr Gardesoldaten und goldstrotzende Hofdiener beleben, der vielmehr gewöhnlich recht öde und still zu der Ruine passen mag, wo sich aber durch die Ausstellung und den Congress ein hier selten gesehenes buntes Volksleben entwickelte. Von ihm aus betrat man die Ausstellungsräume des Pavillon de Flore und des angrenzengen Tuilerienflügels, die durchschnittliche tägliche Zahl der Besucher überstieg 1200; an einzelnen Tagen, wo der Eintrittspreis, der gewöhnlich 2 fres. betrug, auf 1 oder sogar 1⁄2 fr. herabgesetzt war, oder vollends an solchen Tagen, wo die Schulkinder in langen Reihen, von ihren Lehrern geleitet, dem Eingang zuströmten, gab der Hof den beleb

testen Strassen der Stadt nichts nach. Und dem entsprechend waren die zahlreichen, weitläufigen Säle und Galerien des Innern an manchen Tagen geradezu überfüllt und auch an den Tagen des höheren Eintrittspreises genügte der Besuch, um die Räume nicht öde erscheinen zu lassen.

Jedes Land hatte einen oder mehrere Räume für sich allein, eine Anordnung, die Vieles für sich hat und wohl auch künftig befolgt werden wird. Eben so möchten wir nicht, wie es von anderer Seite geschehen, eine Gruppirung der auszustellenden Objekte nach sachlichen Kategorien innerhalb der Landes-Abtheilungen befürworten. Eine strenge Durchführung der Trennung nach dem Gegenstand würde allerdings die Vergleichung der Objekte erleichtern, indess hatte es selbst in der reichhaltigen Französischen Abtheilung keine Schwierigkeit, mit Hülfe des Katalogs die zu einer bestimmten Gruppe gehörenden Objekte zu finden, und es hat doch auch seinen Werth und sein nicht geringes Interesse, die Ausstellung grösserer Anstalten und Firmen unzerstückelt bei einander zu sehen. Die imposante Collektion des Hauses Hachette z. B., die eine Zierde der grossen Französischen Galerie bildete, hätte sich, in sieben Gruppen vertheilt, unter den übrigen Massen verloren und die Produktionskraft dieses Hauses und sein grosses Verdienst um die Geographie wäre nicht hervorgetreten. Oder man denke sich die Ausstellung der Englischen Gesellschaft zur Erforschung Palästina's in die topographische, historische und Reise-Abtheilung zersplittert und Niemand würde einen Gesammteindruck von ihrer Thätigkeit erhalten haben, wie auch für uns Deutsche die Nebeneinanderstellung des J. Perthes'schen und D. Reimer'schen Verlages von In

teresse war.

Für eine passende, freundliche Ausschmückung mit Wappen und Fahnen hatten die Commissäre gesorgt. Einen prachtvollen Prospekt gewährte die grosse Galerie des Fastes, wo die Italienischen, ein Theil der Schweizer, besonders aber ein wesentlicher Theil der Französischen Ausstellungsgegenstände die Wände und Tische bedeckten, und an ihrem Ende führte ein, zu beiden Seiten mit orientalischen Kunstprodukten geschmücktes, durch einen Vorhang geschlossenes Portal in den Hauptsitzungssaal, die frühere Salle des États. Dieser mächtige, reich dekorirte Raum, der bei den Nachmittags-Sitzungen des Congresses oder bei den Vorträgen einzelner Reisenden in den Mittagsstunden kaum zum vierten Theil gefüllt war, barg bei den Feierlichkeiten des Eröffnungs- und Schlusstages Tausende von Menschen aus den verschiedensten Ständen, vom Oberhaupt des Französischen Staates und kaiserlichen Hoheiten, von reich besternten Stabsoffizieren und Excellenzen bis zum bescheidenen Schriftsteller und Lehrer. So viel Ehre war der Geographie, die ja von den Fakultäten immer noch als

eine untergeordnete Magd betrachtet wird, noch niemals widerfahren.

Wie reich die Ausstellung war, geht schon daraus hervor, dass sie in den 40 meist grossen Räumen des südwestlichen Theiles der Tuilerien nicht Platz fand, sondern noch die lang gestreckte südliche Terrasse des anstossenden Gartens einnahm, wo Russland und Österreich-Ungarn Pavillons errichtet und die Société de géographie commerciale die Orangerie mit einer besonderen Ausstellung angefüllt hatte, wie denn auch die Bibliothèque nationale in ihrem eigenen Gebäude ihre reichen Schätze an alten Karten und seltenen geographischen Originalwerken (514 Nummern) zur bequemen Besichtigung separat ausgestellt hatte. Abgesehen davon waren nach Ausweis des Katalogs 4877 Nummern, bald nur einzelne, bald ganze Gruppen von Gegenständen umfassend, zur Stelle, und es hatten sich einige zwanzig Staaten und in diesen 843 verschiedene Aussteller betheiligt, wie die folgende Tabelle im Einzelnen nachweist ').

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das Deutsche Reich, England und die Vereinigten Staaten, rangirten nicht nur hinter Frankreich, Russland, ÖsterreichUngarn, sondern hinter Holland, Skandinavien, Schweiz und anderen kleineren Ländern, alle drei aus demselben Grund, weil nämlich ihre Regierungen Anfangs von dem Pariser Congress überhaupt keine Notiz nehmen wollten und dann im letzten Augenblick Commissäre ernannten und dadurch eine Betheiligung der betreffenden Länder, viel zu spät für die so nothwendige Vorbereitung, ermöglichten. Es war, zur Vereinfachung der Geschäfte, von dem Pariser General-Commissariat die Bestimmung getroffen, dass jeder Staat einen Commissär ernennen und die Ausstellung nur mittelst dieser Commissäre zu beschicken sein sollte. Hoffentlich wird man bei Wiederholung der Congresse diese Einrichtung fallen lassen. Es ist durchaus nicht abzusehen, warum die Regierungen als solche sich bei derartigen wissenschaftlichen Versammlungen und Ausstellungen vertreten lassen sollen und warum nur durch Regierungs-Commissäre eine Betheiligung an der Ausstellung möglich sein soll. Gewiss werden viele Congress - Mitglieder gleich uns mit lebhafter Dankbarkeit der aufopfernden Gefälligkeit und Liebenswürdigkeit der Regierungs - Commissäre gedenken, gerade wir Deutschen hatten unseren Commissären, Herrn R. Lindau und J. Stuht von der Deutschen Botschaft, die eigenhändig unsere Ausstellung, so gut es das wenige Material zuliess, arrangirt und durch geschickte Benutzung des Raumes einigermaassen zu retten gesucht hatten, die sich uns persönlich mit gänzlicher Aufopferung ihrer Privatinteressen stets zur Verfügung stellten, unendlich viel zu verdanken; aber es liegt bei einer solchen Einrichtung ganz in der Hand der Regierung, ob sich ein Land betheiligen kann oder nicht, und das sollte doch billig dem freien Ermessen der Producenten überlassen werden, die auch ihre Commissäre ernennen könnten. Wenn die Ausstellung eines Landes einigermaassen ein Bild von der Produktion desselben abgeben soll, so müssen die Vorstände der Geographischen Gesellschaften in Gemeinsamkeit mit Staatsanstalten und Privaten durch Bildung eines Comité's die Vorbereitungen in die Hand nehmen, wie diess auch in verschiedenen Ländern vor dem Pariser Congress geschehen ist, und das Comité müsste die Commissäre bestimmen. Die dankenswerthen Bestrebungen der von der Berliner Gesellschaft für Erdkunde eingesetzten Commission 1), welche wesentlich mit zu der starken persönlichen Betheiligung Deutscher Geographen &c. an dem Congress beigetragen haben, würden auch für die Ausstellung von günstigerem Erfolg gewesen sein, wenn die Reichsregierung rechtzeitig.

1) Siehe Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, II, 1875, Nr. 6 und 7, S. 156.

ihren Commissär ernannt oder man keines RegierungsCommissärs benöthigt hätte. Es sei fern von uns, ruhmredig die geographischen Leistungen Deutschlands hervorheben zu wollen, aber sicher wäre es für uns Deutsche weniger beschämend gewesen, wenn sich unser Land überhaupt nicht bei der Ausstellung betheiligt hätte. Hoffentlich werden sich die Deutschen Behörden das nächste Mal um so eifriger bemühen, der Wiederholung einer solchen Beschämung vorzubeugen, denn abgesehen von der Bestellung eines Commissärs, muss die Regierung ihren Staatsanstalten wenigstens die Betheiligung erlauben und ihnen die dazu nöthigen Mittel gewähren, wenn eine künftige Ausstellung für Deutschland befriedigend ausfallen soll; unmöglich können wir glauben, dass die Reichsregierung irgend ein Bedenken tragen sollte, die offiziellen Karten in einem anderen Lande auszustellen, ein solcher beschränkter Standpunkt machte sich in längst vergangenen Zeiten allerdings überall geltend, kann aber heut zu Tage nur bei Unkundigen bestehen '), die nicht wissen, dass die offiziellen Karten aller Länder käuflich, mithin in den Händen aller derer sind, die sie brauchen. Von allen Deutschen StaatsAnstalten hatten nur das neue Geologische Institut in Berlin, die Statistischen Bureaux von Preussen und Bayern und die Ministerial-Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der Deutschen Meere ausgestellt; der einzige Vertreter Deutscher topographischer Aufnahme-Karten war ein Band mit Messtischblättern des Königreichs Sachsen, wie sie zum Zweck der geologischen Aufnahme dieses Landes zur lithographischen Vervielfältigung gekommen sind.

Nicht besser, ja im Verhältniss zu seinen thatsächlichen Leistungen noch dürftiger war England auf der Ausstellung vertreten. Neben der glänzenden Französischen und der reichen, interessanten Russischen Abtheilung musste die Englische auf den unkundigen Beschauer den Eindruck machen, als ob die Geographie in dem Weltreiche, das dem Areal nach dem Russischen Länderkoloss gleichstehend, an Bewohnerzahl ihm dreimal überlegen ist, einen höchst kümmerlichen Boden gefunden habe, als hätte sich England um die Erforschung seiner weitläufigen Besitzungen und der übrigen Welt wenig bekümmert; Verlags-Anstalten und Private hatten sich fast gar nicht betheiligt, nur die Anstrengungen des Indischen Amtes, der Gesellschaft zur Erforschung Palästina's, der Londoner Geographischen Gesellschaft und des Hydrographischen Amtes bewahrten die.

1) In einem Artikel der National - Zeitung vom 14. August 1875, der nur die Ansichten des Verfassers, aber schwerlich die irgend eines anderen Congress-Mitgliedes wiedergiebt, heisst es:,,Dass der Deutsche Generalstab mit seinen musterhaften topographischen Aufnahmen auf einer Pariser Ausstellung nicht vertreten sein konnte, liegt allerdings auf der Hand'.'

Englische Abtheilung vor gänzlichem Mangel, denn auch die topographischen Landesaufnahmen waren nur andeutungsweise vertreten. Nun ist es aber bekannt genug, dass England seit lange und immer noch bei weitem die grössten Verdienste um die Erforschung der Erdoberfläche sich erwirbt, seine Vermessung der Küsten und Häfen aller Erdtheile, seine Erforschung der Meere blieben bis in die neueste Zeit fast ohne nennenswerthe Conkurrenz, seine Entdeckungsreisenden haben unbestritten die meisten Erfolge aufzuweisen, seine Geographische Gesellschaft ist das unerreichte Muster für alle anderen, die Anstrengungen zur Erforschung und detaillirten kartographischen Darstellung des Landes in Indien und Hochasien, in Australien, SüdAfrika, Nord-Amerika geben den Russischen, auf ein einheitlicheres Gebiet gerichteten Thaten auch in der Jetztzeit nichts nach, und die Topographie, Geologie, Meteorologie des Mutterlandes werden entsprechend der alten Kultur mit einer eingehenden Sorgfalt gepflegt, wie sie in Russland zur Zeit noch unmöglich ist. Für die wenigen Engländer, die den Congress besucht haben, mochte übrigens das Zurücktreten ihrer Ausstellung gegenüber der anderer Länder weniger schmerzlich sein, als uns Deutschen, die ganze Welt kennt und schätzt Englands unvergleichliche Leistungen auf dem Felde der Geographie, es steht zu hoch, als dass sein Renommée durch eine mangelhafte Betheiligung an einer Ausstellung leiden könnte, während die Leistungen Deutschlands wohl bei den Fachgenossen, aber ungleich weniger allgemein bekannt sind. Englands Seekarten befinden sich in den Händen aller Seefahrer, die Namen Cook, Franklin, Livingstone sind den Schulkindern aller Nationen geläufig.

Eben so würde man den Vereinigten Staaten von NordAmerika sehr unrecht thun, wollte man ihre geographischen Leistungen nach den wenigen Publikationen beurtheilen, die sie zu der Pariser Ausstellung entsendet hatten. Das Signal Office als ein noch junges Institut legte seine schönen meteorologischen Arbeiten vollständig vor, einige ältere Staats-Anstalten begnügten sich mit Proben ihrer Thätigkeit, Private waren nur durch Walker's bewundernswerthen statistischen Atlas und eine Übersichtskarte der Vereinigten Staaten vertreten, die Lücken an den Wänden des kleinen Zimmers mussten deshalb mit Abbildungen des Kapitols von Washington, von Postgebäuden und dergleichen ausgefüllt werden. Hätte Amerika seine grossartigen topographischen und geologischen Staatsaufnahmen, die prachtvollen Publikationen über die Rekognoscirungs-, Nivellirungs-, geologischen und naturhistorischen Expeditionen im Westen seines Gebietes, die seit einer langen Reihe von Jahren alljährlich dort mit grossem Aufwand an Kräften und Geld thätig sind, in annähernder Vollständigkeit ausgestellt, seine Ab

theilung würde der Russischen Nichts nachgegeben haben. Fort und fort erhält die Perthes'sche Anstalt aus den Vereinigten Staaten eine stets mehr anschwellende Fülle des vorzüglichsten Kartenmaterials, und wir sind überzeugt, dass wenn sich Amerika bei einer späteren Geogr. Ausstellung in würdiger Weise repräsentirt, man eben so über die ungeahnte Höhe seines geographischen Standpunktes staunen wird, wie in Paris über Russland.

Wir nehmen Russland zum Vergleich sicherlich nicht, um den Werth seiner Ausstellung herabzusetzen, sondern weil es nächst Frankreich nach allgemeinem Urtheil den ersten Rang auf der Ausstellung einnahm und weil in verschiedenen Berichten die Überraschung, das Erstaunen über seine geographischen Leistungen ausgesprochen wird. Dieses Erstaunen bekundet, dass die Berichterstatter vorher wenig Gelegenheit gehabt hatten, die grossartigen Anstrengungen, die Russland in neuester Zeit für die Erforschung des eigenen Landes und der angrenzenden Gebiete Asiens gemacht hat und fortdauernd macht, kennen zu lernen. Dank der Gefälligkeit Russischer Behörden und Privaten, die seit lange viele ihrer Kartenwerke an die Perthes'sche Anstalt schenken, war uns die grosse Produktivität Russlands schon bekannt und es konnte uns nicht verwundern, mehr auch für uns Neues in der Russischen Abtheilung zu finden als in jeder anderen, und obwohl manches Alte, sofern es nicht von speziellem Interesse für die Geschichte der Geographie war, ohne Schaden hätte wegbleiben können, so muss doch im Allgemeinen die Art, wie Russland ausgestellt hat, als Muster bezeichnet werden. Namentlich ist auch anderen Ländern für künftighin zu empfehlen, werthvolle Neuigkeiten schon im Manuskript vorzulegen, ihre Karten nicht in Atlanten zusammen zu binden, sondern so viel als möglich an die Wand zu hängen und bei den Vorbereitungen wie beim Aufstellen eben so wenig mit Geld zu sparen wie Russland und Frankreich.

Historisch-geographisches Kartenmaterial. - Eines wichtigen Punktes möchten wir hier nur mit wenigen allgemeinen Worten Erwähnung thun. Wer, wie wir, mit der stillen Hoffnung nach Paris gegangen war, in der Ausstellung neues historisch - geographisches Kartenmaterial, d. h. also: kartographische Darstellungen verschiedener Perioden der Landesgeschichte, und speziell für das Mittelalter und die neuere Zeit, kennen zu lernen, der wird sich bitter getäuscht gesehen haben. Der Mangel an derartigen Erzeugnissen der Kartographie war in der That auffallend und ganz dazu angethan, uns in der, bei Neubearbeitung des grossen v. Spruner'schen histor.-geographischen Hand-Atlas gemachten Erfahrung zu bestärken, dass in dieser Richtung überhaupt, und in fast allen civilisirten Ländern, noch ausserordentlich viel zu thun bleibt. Der oben er

wähnte Atlas ist und war auch auf der Ausstellung der einzige, welcher diese Lücke hisher auszufüllen bemüht war, welcher die Geographie der für die moderne Kultur so ungemein wichtigen Periode des Mittelalters und der neuen Zeit darzustellen versucht. Wenn die Geographie der Alten Welt Feder und Zeichnenstift vieler der bedeutendsten Ge

lehrten in Bewegung gesetzt hat wir erinnern nur an die bewunderungswürdigen sauberen Manuskript-Zeichnungen des Altvaters historischer Geographie d'Anville und die Karten Vivien de St. Martin's in der Französischen, oder an die berühmten Atlanten und Karten Heinrich Kiepert's und Th. Menke's in der Deutschen Abtheilung der Ausstellung, so ist für eine einheitliche kartographische Darstellung zum Studium der erwähnten Perioden eigentlich noch gar nichts geschehen. Ausser Deutschland haben nur die Niederlande, die Schweiz und Schweden gute Original - Atlanten zur Geschichte ihres Volkes aufzuweisen und mit diesen Arbeiten, wie in dem spezielleren Bericht unten gezeigt werden soll, auch die Ausstellung beschickt, die gesammten Romanischen Lande dagegen, ja selbst GrossBritannien und das im Übrigen so glänzend vertretene Russland und Österreich-Ungarn, begnügten sich bisher nur mit Reproduktionen des ,,grossen Spruner" in SchulAtlasform, oder brachten selbstständige Erzeugnisse von untergeordnetem, meist zweifelhaften Werth und waren auf der Ausstellung mit diesen oder ein paar historisch-geographischen Skizzen einzelner kleiner Gebiete und Städte von speziellstem wissenschaftlichen Interesse, vertreten.

Wenn man also nicht laut genug seine Freude darüber äussern kann, dass die Geographie, als Erkenntnisswissenschaft der gesammten Erdoberfläche und des modernen Völkerlebens, sich so ungemein rasch und energisch selbstständig gemacht hat, wie Leporello „nicht länger Diener sein will", so werden doch Viele in unser Bedauern mit einstimmen müssen, dass sie gerade auf dem Gebiet der comparativen Territorial-Geschichte, wo sie immer als Dienerin betrachtet wurde und auch ferner betrachtet werden muss, noch unverhältnissmässig weit hinter den Anforderungen zurückbleibt, welche die gleichfalls so mächtig an Umfang und Tiefe zunehmende Geschichtserforschung des Mittelalters mit Recht an sie stellen kann. Möchten doch nach Vorgang eines Meyer von Knonau in der Schweiz, Mees in Holland, Piot in Belgien, v. Spruner, Menke, Böttger u. A. in Deutschland, so auch in Frankreich, England, Italien und Russland sich bald Gelehrte bereit finden, eine den Grundsätzen der heutigen historischen Kritik und Methode entsprechende kartographische Klarlegung der verwickelten politischen, kirchlichen, dynastischen Veränderungen derselben in den verflossenen Jahrhunderten zu versuchen, möchten sich dem Zweck aber auch und das

zu

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