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Die höheren Unterrichts-Anstalten in Deutschland.

Vom Gymnasialprorektor Dr. O. Henke in Höxter.

(Mit 1 Übersichtskarte, s. Tafel 9.)

Vor nicht langer Zeit brachten die ,,Geogr. Mittheilungen" eine Übersichtskarte der Seminarien im Deutschen Reiche nebst einigen statistischen Notizen derselben. So lohnend nun auch eine ausführliche statistische Arbeit über sie wie auch die übrigen höheren Unterrichts-Anstalten im Deutschen Reiche wäre, es muss vorläufig darauf noch verzichtet werden, da das höhere Unterrichtswesen augenblicklich stark im Flusse begriffen ist und voraussichtlich bedeutenden Veränderungen entgegen geht. Auch machen die bunte Musterkarte von Benennungen, Einrichtungen, Lehrplänen &c., die oft recht mangelhaften Nachrichten aus manchen Einzelstaaten die Arbeit überaus schwierig und das Resultat der statistischen Rechnung in mehr als einem Punkte zweifelhaft. Nur in Preussen giebt es in der Wiese'schen historisch-statistischen Darstellung des höheren Unterrichtswesens eine zuverlässige und allgemein zugängliche periodische Veröffentlichung der einschlägigen Daten (I. Bd. 1864, II. 1869, III. 1874). Und in diesem umfangreichsten der Deutschen Staaten ist der Begriff der „höheren Schule' nicht einmal gesetzlich festgestellt (s. Wiese, Verordnungen und Gesetze am Anfang). Bald zählen Blinden-, Taubstummen-Anstalten, höhere Mädchenschulen u. ä. dazu, bald nicht.

Zur Erläuterung der beifolgenden Karte diene darum nur Folgendes: Unter dem Begriff der „höheren Unterrichts- Anstalten" haben wir alle Schulen befasst, welche mindestens das Recht zur Ausstellung von Zeugnissen für den einjährigen freiwilligen Militärdienst haben und dabei allgemeine Bildung als ihr Ziel setzen, nicht auch Fachschulen (gewerbliche, landwirthschaftliche u. dgl. LehrAnstalten) sind.

Von solchen Anstalten giebt es im Deutschen Reich im Wesentlichen vier Klassen:

1. Das (humanistische) Gymnasium (in Bayern: StudienAnstalt mit Lateinschule), welches allgemeine Geistesausbildung seiner Schüler erstrebt, welche dieselben befähigt, in selbstständigem Studium sich zu Mitgliedern der leitenden Kreise des Volkes auszubilden. Mittel der Ausbildung sind in erster Linie das Studium der alten Sprachen und des klassischen Alterthums.

Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1876, Heft V.

2. Das Real - Gymnasium (Realschule I. Ordnung) mit dem gleichen Ziel. Mittel der Ausbildung sind vorwiegend das Studium der neueren Sprachen und eingehendere Bekanntschaft mit den modernen Kulturvölkern, dann das Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften. Den Zusammenhang mit dem Alterthum vermittelt die lateinische Sprache, welche in reicher Stundenzahl noch gelehrt wird. Für das Studium der neueren Sprachen, der Mathematik und der Naturwissenschaften ist ihren Abiturienten die Universität geöffnet.

3. Das Progymnasium (Lyceum; in Bayern: vollständige Lateinschule) ist ein Gymnasium ohne Prima.

4. Die Realschule (auch Realschule II. Ordnung, höhere Gewerbeschule, höhere Bürgerschule, Bürgerschule genannt) zeigt die grösste Mannigfaltigkeit. Es giebt

a) Realschulen II. Ordnung mit neun Jahreskursen gleich dem Real-Gymnasium, doch ohne Latein. Dafür grössere Stundenzahl für Deutsche, Englische, Französische Sprache, Naturwissenschaften, Geographie (so die zwei sogenannten höheren Gewerbeschulen in Berlin).

b) Realschulen II. Ordnung mit Latein, doch nur sieben Jahreskursen (Spremberg, Lübben).

c) vollberechtigte höhere Bürgerschulen sind Real-Gymnasien ohne Prima und ertheilen das Zeugniss für den einjährigen Militärdienst nach Absolvirung der Untersecunda ohne Weiteres (Militär-Ersatz-Instruktion 26. März 1868, §. 154, 2. d.).

d) anerkannte höhere Bürgerschulen sind entweder RealGymnasien ohne Prima und Obersecunda (haben also lateinischen Unterricht) oder Realschulen II. Ordnung ohne Prima. Sie ertheilen das Reifezeugniss für den einjährig freiwilligen Militärdienst erst nach Absolvirung einer Abiturienten-Prüfung (Militär-Ersatz-Instruktion §. 154, 2. f.).

Mit den Kategorien 4. a) und b) sind noch besondere Berechtigungen für das Studium auf polytechnischen Hochschulen, den Eintritt in die Post- und Telegraphen-Verwaltung &c. für die Abiturienten verbunden.

Die Zahlenverhältnisse der einzelnen Anstalts-Kategorien ergeben sich aus der folgenden Tabelle:

21

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41

11

24

10

15

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44

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: 1,48

9

6

38

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Nordd. Kleinstaaten

3

20

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2

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1,33:1

Preussen

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Baden

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1,44: 1

36

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23

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Dabei ist für Bayern zu bemerken, dass das Verhältniss von 11,43:1 durch das Fehlen der sonst so stark vertretenen höheren Bürgerschulen hervorgebracht wird. Dafür aber sorgt Bayern trefflich für seine Bevölkerung durch Fachschulen. Während z. B. in Preussen die höheren Gewerbeschulen des Handels- Ministeriums (nicht zu verwechseln mit den hie und da eben so genannten Realschulen) erst seit Kurzem in der Reorganisation begriffen sind, nach deren Vollendung ihnen das Recht zur Ausstellung von Freiwilligen-Zeugnissen zu Theil werden wird, während mittlere Landwirthschaftsschulen mit diesem Rechte nach einem Beschluss des Landtags vom Jahre 1875 erst eingerichtet werden sollen, hat Bayern 36 mit diesem Rechte ausgestattete Gewerbe-, Landwirthschafts- und Industrieschulen. Zählen wir diese zu den sechs Real-Gymnasien hinzu, so ergäbe sich ein Verhältniss der humanistischen Anstalten zu den realen wie 1,69: 1.

Auffallend reich ist Bayern an Progymnasien (Lateinschulen). In dieser Hinsicht steht ihm die Preussische Rheinprovinz mit 15 Progymnasien nahe, während sonst in Preussen die Progymnasien selten und meist nur Übergangsformen zu vollständigen Gymnasien sind.

Wir lassen in einer zweiten Tabelle das Verhältniss der Zahl der Anstalten zum Flächenraum und der Bevölkerungsziffer anschaulich werden:

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1,20: 1 1,40: 1

Württemberg

2 : 1

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1 Gymnasium auf 1 Progymnas. auf 1 Realgymnas. auf 1 höh. Bürgersch. auf 1 höh. Schule auf Q.-Mln. Einwohner." Q-Mln. Einwohner. Q.-Mln. Einwohner. Q.-Mln. Einwohner. Einwohner. Q.-Mln. Einwohner. 6326,17 24.693.066 27,27 106.435 197,69 771.658 79,08 308.663 60,25 235.172 14,09 54.995 1134,30 3.137.545 45,37 125.502 1134,30 3.137.545 126,03 283,57 784.386 29,08 80.449 724,50 2.863.229 24,15 95.440 55,73 220.247 12,72 574,00 1.431.633 33,76 84.214 143,50 357.908 21,25 53.032 525,79 1.583.844 40,44 121.834 26,29 79.192 731,69 3.707.167 20,32 102.976 741.433 14,34 72.689 458,40 2.103.174 19,10 87.632 233.771 11,38 51.297 318,23 995.873 31,82 99.587 698,81 1.963.618 38,82 109.089 366,83 1.775.175 18,34 88.758

Q.-Min.

"

362,25 1.431.614 60,37
287,00 715.816 143,50
175,26 527.948 131,45 395.961
411.907 146,34
350.529
497.936
196.362
197.241

348.616
238.602
357.908

50.232

50,98

28,98

90.534 13,26 41.494

46,58

130.907 15,88 44.627

61,14

295.862 9,60 46.715

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Ziehen wir das Verhältniss zum Flächeninhalt in Betracht, so sind darnach am dichtesten die Gymnasien in den mitteldeutschen Staaten (1 auf 15,69 Quadrat-Meilen), die Progymnasien in Bayern (1 auf 34,44 Q.-Meilen), die RealGymnasien in Sachsen (1 auf 22,68 Q.-Meilen), die höheren Bürgerschulen in Elsass-Lothringen (1 auf 21,93 Q.-Meilen). Am wenigsten dicht sind die Gymnasien in Bayern (1 auf 44,44 Q.-Meilen), die Progymnasien in den norddeutschen Staaten (1 auf 544,41 Q.-Meilen), die Real-Gymnasien in Bayern (1 auf 229,62 Q.-Meilen), die höheren Bürgerschulen in Baden (1 auf 68,44 Q.-Meilen).

Von höheren Lehr-Anstalten überhaupt kommt in Sachsen 1 schon auf 7,56, in den mitteldeutschen Staaten auf 7,62 Q.-Meilen, in Württemberg erst auf 15, in Bayern auf 17,89 Q.-Meilen.

Hinsichtlich der Bevölkerungszahl sind am besten versehen mit Gymnasien die mitteldeutschen Staaten (1 auf 74.758 Einwohner), mit Progymnasien Bayern (1 auf 121.586 Einwohner), mit Real- Gymnasien Hessen (1 auf 171.969 Ew.), mit höheren Bürgerschulen die norddeutschen Kleinstaaten (1 auf 124.773 Ew.). Am ungünstigsten ist das Verhältniss für die Gymnasien in Württemberg (1 auf 227.317 Ew.), für die Progymnasien in den norddeutschen Kleinstaaten (1 auf 1.996.362 Ew.), für die Real-Gymnasien in Bayern (1 auf 810.575 Ew.), für die höheren Bürgerschulen in Baden (1 auf 365.357 Ew.).

Von höheren Lehr- Anstalten überhaupt kommt in den mitteldeutschen Kleinstaaten 1 schon auf 36.311 Einwohner, in Württemberg erst auf 79.066 Ew. Preussen mit 1 auf 54.995 Ew. hält etwa die Mitte.

Am gleichmässigsten vertheilt und ganz dem Bedürfniss der Bevölkerung entsprechend sind die Anstalten im Königreich Sachsen. Hier besteht auch das gesunde Verhältniss, dass, mit sehr wenigen Ausnahmen, die Gymnasien und Real-Gymnasien vom Staate unterhalten werden, den Städten daher Mittel und Kräfte für reiche Ausbildung des Mittelschulwesens (der Realschulen II. Ordnung) bleiben. Daher

in Sachsen neben 13 Gymnasien und 12 Real - Gymnasien noch 11 Realschulen II. Ordnung, welche Zahl binnen Kurzem sich noch stark vergrössern wird.

Ein Schluss von der Zahl und Dichtigkeit der Anstalten auf das Streben der Bevölkerungen nach Bildung und ihre Opferbereitschaft für Bildungszwecke ist nicht ohne Weiteres zu machen. In manchen Theilen Deutschland's sind die meisten Anstalten uralte Stiftungen und die Neuzeit hat herzlich wenig gethan, in manchen Landstrichen hat der Staat alle Anstalten gegründet, ohne dass die Bevölkerung selbst besondere Opfer brachte, andere Bevölkerungen hat der Staat fast ganz im Stiche gelassen und was geschehen ist, verdankt man allein dem regen Bildungssinne des Volkes. Am Klarsten treten diese Verhältnisse in Preussen hervor, weshalb wir auch die einzelnen Provinzen desselben in den Tabellen besonders aufgeführt haben und sie zum Schluss noch einer Betrachtung unterziehen wollen.

Von allen höheren Lehr-Anstalten Preussens stehen die Königlichen und stiftischen zu den städtischen im Verhältniss von 4 : 1

in der Provinz Posen

Schleswig-Holstein

Preussen

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1,66: 1 1,44: 1

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dazu, dass von den Königlichen Anstalten circa 62 Prozent, von den städtischen 74 Prozent evangelisch, von jenen 12 Prozent, von diesen 15 Prozent simultan, von jenen 26 Proz., von diesen nur 11 Proz. katholisch sind, so ergiebt sich, dass die grössere Energie in Errichtung höherer LehrAnstalten auf Seiten der evangelischen Bevölkerung Preussen's ist. Diess tritt noch mehr hervor, wenn man bedenkt, dass, besonders in den Provinzen Preussen, Posen und Pommern, erst in den letzten Nothjahren eine Reihe evangelischer städtischer Anstalten vom Staate übernommen sind, wie denn der Staat überhaupt in den letzten Jahren zum ersten Mal bedeutendere Mittel den Städten hat zuwenden müssen, um ihre Anstalten zeitgemäss auszustatten.

Die Mongolei und das Land der Tanguten. Oberst-Lieutenant Przewalsky's Reisen, 1870-1873.

(Schluss 1).)

Nach einem vierwöchentlichen Aufenthalt in Tschöbsen gingen die Reisenden am 10. Juli in das am mittleren Laufe des Tätung, in der Nähe des Klosters Tschertünton liegende Gebirge zurück, um dasselbe näher zu erforschen.

Herr Przewalsky giebt zunächst eine allgemeine Übersicht über die Gebirge, welche im Norden und Nordwesten des Kuku-nor liegen.

Das nicht sehr breite Kesselthal dieses Alpensee's wird von allen Seiten von Gebirgen umschlossen, welche eine unmittelbare Fortsetzung derjenigen kolossalen Gebirgszüge sind, die den nordöstlichen Winkel Tibet's und das vom oberen Laufe des Gelben Flusses bewässerte Land erfüllen. Von dem oberen Laufe des genannten Stromes ziehen sich die Gebirgsmassen in zwei Zügen im Norden und Süden des See's ungefähr 500 Werst westwärts und bilden eine Art Halbinsel, die im Süden von den Salzmooren Zaidam's und im Norden von den weiten Flächen der Wüste Gobi begrenzt wird. Hinter dieser Gebirgsmasse zieht sich ein hohes Plateau durch Zaidam bis zum Gebirge Burchan-Buda, welches den Nordrand des noch höher sich erhebenden Plateau's von Tibet bildet.

Zur Beschreibung der eigentlichen Gebirge von Gan-su zurückkehrend, bemerkt Herr Przewalsky zunächst, dass sie in dem durchforschten Theile aus drei Parallelketten bestehen, von denen die eine das Hochland von Ala-schan umsäumt, die beiden anderen sich auf diesem Plateau auf

1) Den Anfang dieser Abhandlung und die Karte s. Geogr. Mitth. 1876, Heft I, S. 7 ff. und Tafel 1; Heft III, S. 94 ff.

thürmen und den grössten Fluss dieser Gegend, den Tätunggol, begleiten. Nach Osten zu werden diese Gebirge, je mehr sie sich dem Hoang-ho nähern, immer niedriger; nach Westen hin nimmt ihre Höhe dagegen immer mehr zu, bis sie bei den Quellen der Flüsse Äzsinä-gol und Tolaigol) die Grenze des ewigen Schnee's erreichen. Möglich, dass die Parallelketten sich hier vereinigen oder neue Verzweigungen bilden, so viel ist jedoch gewiss, dass sie von diesem Punkte an immer niedriger werden und zuletzt aufhören oder sich in die allgemeine Bodenanschwellung der Wüste Gobi verlieren.

Alle diese Gebirge benennen die Chinesen mit dem allgemeinen Namen Süä-schan oder Nan-schan; Behufs ihrer Unterscheidung bezeichnet sie Herr Przewalsky als das nördliche, auf dem linken, das südliche, auf dem rechten Ufer des Tätung, und das Randgebirge, nach der Seite von Ala-schan hin belegen. Die nördliche und die südliche Gebirgskette sind in ihrem wilden Alpen-Charakter, der sich in engen und tiefen Schluchten, schroffen Felskolossen und steilen Abhängen darstellt, einander sehr ähnlich. Einzelne Gipfel der nördlichen Kette wie der Gadschur erheben sich am mittleren Tätung bis zu 14.000 Fuss, erreichen jedoch nicht die Schneegrenze. Die Schneegipfel liegen, wie bereits bemerkt, weiter im Westen bei den Städten Lan-tscheu und Gan-tscheu und auch an den oberen

1) Der Äzsinä-gol und dessen linker Nebenfluss Tolai-gol bewässern Anfangs die angebauten Ländereien in der Nähe der Städte Gantscheu und Su - tscheu, treten dann in die Wüste und münden in den See Soho-nor.

Läufen des Tätung und Äzsinä, wie der in der nördlichen Kette befindliche Konkür in der Nähe der Stadt Jü-nantschen. Auch hinter Sining erhebt sich ein schneebedeckter Kamm. Im übrigen Gebirgslande von Gan-su, westlich vom Hoang-ho und im Bassin des Kuku - nor giebt es keine Schneeberge mehr.

Obgleich der Pass über den nördlichen Gebirgszug niedriger und weniger schwierig als über den südlichen ist, hat ersterer doch höhere Gipfel. Übrigens werden 13 hohe Berge von den Tanguten für heilig gehalten und „Amnä”, d. h. Stammväter, genannt. Es sind diess der Ttschaleb, Bsägar und Gumbum-damar in der südlichen und der Mäla, Konkür, Namrki, Tschokar, Rargut, Rtachzü, Schorun-dsun, Marntu, Dschagüri und Senbu in der nördlichen Kette. Die in letzterer belegenen beiden hohen Berge Gadschur und Sodi-soruksum erfreuen sich nicht des Rufes von Heiligen. Der Gipfel des Gadschur besteht aus kolossalen unzugänglichen Felsen, die den kleinen See Demtschuk von ungefähr 100 Faden Länge, 35 Faden Breite und 13.100 Fuss absoluter Höhe einschliessen und diesen noch um ungefähr 1000 Fuss überragen. Der Sodi-soruksum erhebt sich 13.600 F. über den Meeresspiegel, und in der Nähe seines Gipfels befindet sich gleichfalls ein von Gebirgsquellen gebildeter See, Namens Kosin.

In den Gebirgen von Gan-su herrschen Thon- und Chloritschiefer, Kalkstein, Felsit, Gneiss und zum Theil Diorit vor. Von mineralischen Reichthümern sind Steinkohlen und Gold zu erwähnen; letzteres soll nach Aussage der Eingeborenen fast in allen Gebirgsbächen vorkommen, erstere werden von den Chinesen in der Nähe des Klosters Tschertünton ausgebeutet. Es kommen in dem gebirgigen Theile von Gan-su Erdbeben vor, die oft recht stark sein sollen.

Das Klima zeichnet sich hier durch seinen grossen Reichthum an Niederschlägen aus, die besonders stark im Sommer sind; der Winter soll dafür grösstentheils heiter und an windigen Tagen recht kalt, bei ruhigen aber ziemlich gelinde sein. Herr Przewalsky zählte im Juli 22, im August 27 Regentage und im September 11 Regen- und 12 Schneetage. Vom 16. September an fiel der Schnee überall, auch in den Thälern. Die Folge dieses reichlichen Niederschlages sind die vielen Gebirgsbäche, die in jeder Schlucht brausen. Die Temperatur ist im Sommer für den 38. Breitengrad ziemlich niedrig, und im Gebirge bedeckte sich das Gras Nachts schon im Juli mit Reif und fiel im August schon in den höheren Theilen Schnee. Die höchste Wärme (+31,6° C.) wurde im Juli im tiefen Thale des Tätung bemerkt. Gewitter waren oft, besonders im Juli und September, in letzterem Monat zuweilen bei Schnee und sogar bei Schneetreiben.

Die Flora der Gebirge von Gan-su ist bei der grossen Feuchtigkeit, dem vorzüglichen Humusboden und der Mannigfaltigkeit der physischen Bedingungen sehr entwickelt. An eigentlichen Wäldern ist jedoch nur der südliche Gebirgszug und auch da nur auf den Nordabhängen reich; sie reichen bis zu einer Höhe von 9500 bis 10.000 Fuss hinauf. Die Sträucher entwickeln sich besonders prächtig in den Schluchten an den Ufern der Bäche. Von den Kräutern und Gräsern, die in üppiger Mannigfaltigkeit vorhanden sind, ist der Gänserich (Potentilla anserina), dessen Wurzeln von Tanguten und Chinesen gegessen werden, vor Allem aber der offizinelle Rhabarber (Rheum palmatum), von den Mongolen Schara-moto und von den Tanguten Dschumza genannt, zu merken. Die Wurzel hat eine länglich abgerundete Form, die bei ausgewachsenen Exemplaren 1 Fuss lang und fast eben so dick ist und von den Wurzelfasern ausgehen, welche zuweilen 21 Zoll lang werden. Diese sowohl wie die die Wurzel umgebende dunkelbraune rauhe Rinde werden beim Trocknen abgeschnitten. Das Trocknen muss in einem luftigen, aber schattigen Raume erfolgen, weil die Sonne den Rhabarber verdirbt. Die Wurzeln werden im September und Oktober von den Tanguten und zum Theil auch von den Chinesen gesammelt und nach Sining, dem Hauptpunkt für den Rhabarber-Handel, schickt, von wo sie nach Peking, Tien - tsin und anderen Chinesischen Hafenstädten gehen, um daselbst zum 6- bis 10fachen Preise an Europäer abgesetzt zu werden. Die Rhabarber-Industrie wurde früher so schwunghaft betrieben, dass nur die schwer zugänglichen Gebirgswälder die Pflanze vor gänzlicher Ausrottung bewahrt haben; seit dem Dunganen - Aufstande ist das Geschäft jedoch in's Stocken gerathen und hat stellenweis ganz aufgehört. An den oberen Läufen des Tätung und Äzsinä soll noch viel Rhabarber vorkommen. Er wächst vorzugsweis im schwarzen Boden der Schluchten von der Sohle der tiefen Thäler bis zur Grenze des Baumwuchses, d. h. bis zu einer Höhe von 10.000 F., aber fast ausschliesslich auf der Nordseite des Gebirges. Die Tanguten säen auch den Rhabarber in Gärten neben ihren Wohnungen, jedoch nur zum eigenen Gebrauche für sich und ihr Vieh. Die aus dem Samen gezogenen Pflanzen haben im dritten Jahre eine faustgrosse Wurzel; ihre volle Grösse erreichen sie erst in 8, 10 und mehr Jahren. Ausser auf den im Norden des Kuku-nor belegenen Gebirgen von Gan - su soll der Rhabarber auch noch auf den im Süden dieses See's befindlichen, in dem Schneegebirge südlich von Sining und in der Kette Jörgaiula in der Nähe der Hoang-ho-Quellen gedeihen.

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Die Alpenwiesen sind bis zu einer Höhe von 12.000 F. über dem Meere ganz vorzüglich; weiter hinauf leiden sie vom Winde und von der Kälte, bis auch der kärglichste

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