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chada, d. h. Gelber Gebirgsrücken, nennen. Dieses Gebirge steigt fast senkrecht vom Thale des See's Kürü-nor auf und erhebt sich gegen 1000 Fuss über dasselbe. Sein Rücken bildet ein 27 Werst breites hügeliges Plateau mit vorzüglichen Steppenweiden, auf welchem sich auch Mongolische Antilopen (Antilope gutturosa) zeigten. Der westliche Abhang ist nicht ganz so steil wie der östliche, obgleich immer noch abschüssig genug.

Parallel mit dem Schara - chada läuft ein anderer Gebirgszug, der Suma-chada,, der ca. 50 Werst von jenem entfernt ist und einen wilderen Charakter hat. Übrigens sind auch bei diesem Gebirge die Alpenformen nur in den Randketten entwickelt, während es im Inneren weichere Linien und sanfte Abhänge hat, die mit prächtigem Grase bewachsen, von den Chinesen sogar stellenweis bebaut sind. Die absolute Höhe des Suma-chada übertrifft die des Scharachada, die relative Erhebung über die anstossenden Ebenen ist aber bei beiden fast gleich 2). Beide sind wahrscheinlich Ausläufer des das Mongolische Hochland umschliessenden Randgebirges, erstrecken sich jedoch nicht weit nach Norden.

Auf dem südöstlichen Rande des Schara-chada und in dem felsigen Gürtel des Suma-chada wuchsen verschiedene Gesträuche, wie Haselbüsche (Ostryopsis Davidiana), gelbe Hagebutten (Rosa pimpinellifolia), Spiräen (Spiraea sp.) u. a. m., im Suma-chada sogar einige Bäume, wie Ulmen, Erlen und Ahorn - Bäume (Acer Ginnala), letztere übrigens ziemlich selten. Bemerkenswerth ist es, dass hier, wie in allen anderen Gebirgen der Mongolei ohne Ausnahme, Gebüsche und Bäume sich ausschliesslich auf den nach Norden gerichteten Abhängen der Gebirge und Schluchten entwickeln.

Auf dem Suma - chada sahen die Reisenden auch zum ersten Mal das bemerkenswertheste Thier des Mittel-Asiatischen Hochlandes, das Argali-Schaf (Ovis Argali). Die Argalis halten sich in den felsigen Theilen des Gebirges, und zwar auf der einmal erwählten Stelle beständig auf. Oft dient ein Felsen einer ganzen Heerde viele Jahre als Aufenthaltsort. Die hier lebenden Mongolen und Chinesen haben fast keine Waffen und sind obendrein noch so schlechte Schützen, dass sie den Argalis nicht gefährlich werden können. Diese haben sich ihrerseits dergestalt an die Menschen gewöhnt, dass sie mit dem Mongolischen Vieh weiden und mit demselben auch an die Jurten zur Tränke kommen. Ein Schuss lähmt sie vor Schreck. Sie laufen dann wohl eine kurze Strecke, aber bleiben bald wieder stehen, um zu sehen, wo die Gefahr steckt.

2) Die absolute Höhe des Fusses des Suma-chada am südöstlichen Rande beträgt 5600 Fuss.

Ausser im Suma-chada finden sich Argalis in der südöstlichen Mongolei noch in dem Gebirge, welches die Nordbiegung des Hoang-ho umsäumt, und im Ala-schan-Gebirge vor.

Das Klima blieb im Mai fast eben so rauh wie im April. Nordwest- und Südwestwinde wütheten beständig, und noch am 5. und 6. Juni stellten sich ganz ordentliche Schneestürme ein.

Nahe am Ostrande des Suma-chada hat das Land der Zacharen ein Ende, und es beginnt das Aimak der Uroten, das sich westwärts bis zum Ala-schan hinzieht; im Süden grenzen die Uroten an die Kuku-choto'schen Tumüten und an Ordos, im Norden an Chalcha. Das Lager des AimakFürsten befindet sich in der Gegend, die den Namen Ulansabo führt.

Die Uroten unterscheiden sich sehr von den halb zu Chinesen gewordenen Zacharen und erinnern mehr an Vollblut-Mongolen; ihr Charakter ist durch Chinesische Einflüsse aber eben so verdorben, wie der der Zacharen. Die nächsten Nachbarn der Uroten sind die westlichen oder Kuku-choto'schen Tumüten, die, eben so wie die Zacharen, unter Chinesischem Einflusse viel von ihrer Nationalität verloren haben, oft auch mit Chinesen in denselben Dörfern, theils in Jurten, theils aber seltener in Fansen leben und ab und zu auch schon von den Chinesen übernommenen Landbau treiben, wenngleich diess in ziemlich trauriger Weise geschieht.

Der charakteristische Zug der Mongolen dieser Gegend, wie aller Nomaden, ist die Geldgier, in der sie durchaus nicht den Chinesen nachstehen. Dann zeichnet sie eine unendliche Neugier aus. Sobald die Reisenden ihr Zelt aufgeschlagen hatten, erschienen die in der Nähe befindlichen Nomaden, und der Fragen war kein Ende. Unter den Gesprächsgegenständen nehmen Vieh, Arzneimittel und Religion die erste Stelle ein. Das Vieh hat für den Nomaden allerdings ein sehr wesentliches Interesse, da nach demselben sein Wohlstand bemessen wird. Deshalb gilt beim Begegnen die erste Frage dem Wohlergehen des Viehes, dann erst kommt die nach dem Befinden der Menschen. Arzneimittel sind gleichfalls ein häufiges Thema der Unterhaltung, da die Mongolen aus dem Europäer, den sie, wenn auch nicht für einen Halbgott, so doch wenigstens für einen grossen Zauberer halten, den grössten Nutzen ziehen wollen. Die religiösen Überzeugungen endlich erfüllen die ganze innere Welt des Nomaden, und wenn sie ihm in ihrem Wesen auch nicht klar sind, so glaubt er doch mit fanatischer Treue an die Wahrheiten seiner Religion.

Auf dem Wege zum Gelben Flusse hatten die Reisenden bei dem Mangel eines ortskundigen Führers, bei der

Unkenntniss der Chinesischen Sprache und der misstrauischen und feindseligen Bevölkerung grosse Schwierigkeiten zu überwinden, die besonders störend in den dicht mit Chinesen bevölkerten Gegenden wurden.

Die vorzüglichen Weiden hatten mit dem Suma-chada

ein Ende, und bei dem schlechten Futter magerten Pferde und Kameele stark ab; letztere hatten auch lange kein Salz gehabt, und erst an dem Salzsee Dabasun-nor konnten sie sich wieder an ihrem geliebten Salze erquicken.

(Fortsetzung folgt.)

Dampfschiff-Verbindung zwischen Brasilien und Columbien.

Von Raphael Reyes, Pará 31. Mai 1875.

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Maximilian Emerich, Kaiserl. Brasil. Ingenieur-Major in Rio de Janeiro.

Der Columbianische Bürger Herr Raphael Reyes hat an die Brasilische Regierung folgende Denkschrift eingereicht, die wohl auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdient: Das Thal des Amazonen-Stroms und die in demselben liegenden Republiken.

Sohn der Republik Columbien und, ich kann es wohl sagen, Repräsentant ihres Handels, bin ich aus der Hauptstadt dieses Staates in der ausschliesslichen Absicht nach hier gekommen, die beste Verbindung mit dem AmazonenStrom aufzufinden, mittelst eines, bis zu einer gewissen Entfernung von den Ortschaften im Süden schiffbaren, Nebenflusses, um von dort aus eine Strasse zu bauen.

Vor vier Monaten bin ich in die Wälder eingedrungen, die sich vom Atlantischen Ocean über 50 Grad weit nach Westen erstrecken. Vor drei Monaten schiffte ich mich auf dem Rio Icá oder Potumayo ein, den ich sorgfältig erforscht habe.

Dieser Fluss entspringt auf den Anden in der Provinz Pasto unter 2° N. Br. In seinem ganzen Laufe nimmt er 36 Flüsse auf, von denen einige schiffbar sind, und 25 grosse Zuflüsse. Seine Ausdehnung von der Quelle bis zur Mündung in den Amazonen-Strom beträgt 150 Myriameter. Seine ersten 15 Zuflüsse sind für Dampfer unfahrbar, die übrigen von dem auf dem rechten Ufer einmündenden Guamués an sind schiffbar. Fast eben so wasserreich wie der Hauptfluss bietet er dem Befahren mit Dampfern, deren Tiefgang im Verhältniss zur Tiefe steht, nicht die geringste Schwierigkeit. Seine Tiefe beträgt auf den ersten 20 Myriametern 1,5 Meter und weiter unterhalb 2 bis 10 Meter; diese Maasse sind beim niedrigsten Wasserstande, der vom Dezember bis Mitte April dauert, genommen worden. Beim hohen Wasserstande ist er doppelt so tief. Sein Bett besteht aus Sand und seine Geschwindigkeit beträgt 3 bis 4 Seemeilen in der Stunde. An einigen Stellen erreicht er eine Breite von 400 Meter.

Die seine Ufer bedeckenden Wälder sind im Thale

überreich an Gummi elasticum, Sassaparilla, Kakao und Nutzholz, in der höheren, also kälteren, Region an China, Goldminen und dem sehr geschätzten Pasto-Harze. Das Klima wechselt zwischen 20 und 22 Grad und ist eben so gesund wie am Amazonen - Strome. Die an seinem Ufer wohnenden wilden Indianer-Stämme sind friedfertig, gastfrei und leicht zu zähmen, wie ich bemerken konnte, als ich mich auf meiner Reise nach dem Amazonen - Strom unter drei Stämmen aufhielt.

Von der Mündung des Içá in den Amazonen-Strom, wo schon die Dampfer der Amazonas-Compagnie vorbeifahren, braucht ein Dampfschiff bis an die Mündung des Guamués 10 Tage. Dieser Hafen ist von der Provinz Pasto etwa 13 bis 15 Myriameter entfernt, die auf einer guten Strasse in 4 Tagen zurückgelegt werden können. Man wird daher vom Amazonen-Strome bis in die Mitte einer sehr zahlreichen und thätigen Bevölkerung, von der man nicht das Geringste weiss, in 14 Tagen gelangen können.

Die Stadt Pasto, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, hat 12.000 Einwohner; von hier aus führen Strassen in 1, 2, 3 und 4 Tagereisen nach den Provinzen Caldas, Popayan, Tuqueres und Obando in Columbien und der Provinz Indabura in Equador. Nach Norden breitet sich die Columbianische Bevölkerung bis an die Grenze von Venezuela, nach Süden die Bevölkerung von Equador bis an die Grenze von Perú aus.

Die erwähnten Provinzen, die ihre Produkte unmittelbar nach dem Amazonen-Strome werden führen können, haben 500.000 fleissige Einwohner, die sich mit Ackerbau, Rindvieh-, Pferde- und Schafzucht beschäftigen, sich aber auch den Gewerben widmen, namentlich der Eisen- und Holzmanufaktur und der Fabrikation von Strohhüten; die Hauptausfuhrprodukte sind: Kaffee, Zucker, Tabak, getrocknetes Fleisch, Talg, Häute und verschiedene Vegetabilien. Alle diese Artikel werden nach dem Stillen Ocean gebracht, bis wohin sie eine sehr grosse Strecke zurückzulegen und den

westlichen Theil der Anden zu übersteigen haben, wo sie von den Arbeitern, die diesen Dienst leisten, auf dem Rücken getragen werden.

Die Schwierigkeiten des Transports sind der Grund, weshalb die Produkte wenig Werth haben und die Tagelöhne sehr gering sein müssen; daraus folgt, dass viele Produkte nicht benutzt werden können und dass die Einwohner beständig nach anderen Provinzen und in's Ausland auswandern.

Die neue Verbindung mit dem Amazonen-Strome bietet grosse Leichtigkeit zur Ausfuhr nach den Märkten von Manaos und Pará, wie auch einen grossen Schauplatz, auf welchem die Kapitalien, die dort nutzlos liegen, Verwendung finden können.

Die Columbianische Bevölkerung erwartet mit Ungeduld, das Resultat meiner Reise zu erfahren; alle wünschen sich auf dieses neue Spekulationsfeld zu werfen, sobald es mir gelingt, die Dampfschifffahrt auf dem Içá herzustellen. Die Vortheile, welche für beide Länder daraus erspriessen werden, sind enorm und sicher, wie leicht vorherzusehen ist. Columbien wird seine Produkte durch die beträchtliche Verminderung der Transportkosten verwerthen

können. Brasilien wird seinen Ackerbau durch freie Arbeiter vergrössern und seine Märkte mit den Produkten, die ihm und der Republik zugeführt werden, versehen können.

Die Auswanderung aus den Columbianischen Provinzen wird ganz von selbst Statt finden, ohne dass Brasilien Ausgaben zu machen genöthigt ist; es wird genügen, sie zu beschützen und zu achten. Die Columbianer sind an dasselbe Klima gewöhnt; ihre Sitten und Gebräuche sind ähnlich, sie ertragen die schwerste Arbeit in der heissen tropischen Sonne; ihre Sprache ist wenig verschieden von der Portugiesischen. Es ist daher keine Frage, dass ihre Einwanderung für Brasilien vortheilhafter als Europäische ist. Das einzige Hinderniss, was der Realisirung meiner Unternehmung noch im Wege steht, ist der Mangel eines Schifffahrts- und Handelsvertrags zwischen Brasilien und meinem Vaterlande. Wenn der Transit von Waaren erlaubt wird, so wird noch vor dem künftigen Monat August der erste Dampfer den Rio Içá oder Potumayo hinauffahren und ich bin fest überzeugt, dass die Schifffahrt von Tag zu Tag belebter und mächtiger werden wird.

Die Ruinen der Stadt Mestorjàn in der Turkomanen - Steppe.
Ins Deutsche übersetzt von General - Lieutenant v. Blaramberg 1).

Im Monat August 1875 wurde von Krasnowodsk aus eine Expedition nach dem Flusse Atrèk unternommen, um den oberen Lauf desselben zu untersuchen und aufzunehmen. Dieselbe bestand aus zwei Truppen-Abtheilungen, von welchen die eine zu Wasser nach Tchikischljar (ohnweit der Mündung des Atrèk ins Kaspische Meer) abgesandt wurde, während die andere zu Lande sich dahin begab, und zwar an den See'n Schaïrdy und Bugdaïly vorbei durch die Steppe zog. Diese zweite Truppen-Abtheilung hatte unter Anderem zwei forcirte Märsche von 57 und dann von 50 Werst in einem Tage, jeden bei 35° R. im Schatten, zurückzulegen, und fand bei diesen See'n sehr grosse Aulen (Dörfer) von an 3000 Kibitken oder Filzhütten, deren Bewohner (Turkomanen) die Truppen freundlich aufnahmen und solche mit allem Nöthigen versorgten, während grosse Heerden allerlei Viehes in der Umgegend weideten.

1) Aus dem Russischen Invaliden Nr. 225, 14./26. Oktober 1875. Die Lage dieser interessanten Ruinen ist auf A. Petermann's neuer Karte von Iran und Turan, Nr. 62 von Stieler's Hand-Atlas (neue Auflage) nach den mündlichen Angaben vom Kaiserl. Russischen Oberst v. Stubendorff, Chef der Kartographischen Anstalt des KriegskartenDépôts in St. Petersburg, verzeichnet.

Während diese Truppen-Abtheilung, unter dem Befehle des Generals Lamakin, 10 Tage, vom 7. bis 17. August, bei dem See Bugdaïly lagerte, unternahm dieser Chef, von etlichen Offizieren begleitet, einen Ausflug nach den Ruinen der alten Städte Mestorjàn und Meschèd.

Die erste dieser Städte befindet sich 361⁄2 Werst südöstlich von dem See Bugdaily. Der Weg führt durch eine sehr fruchtbare Ebene, und je mehr man sich Mestorjàn und dem Orte (Mrotchischtche) Tschàt, an der Mündung des Flusses Ssumbàr in den Atrèk, näherte, desto fruchtbarer ist diese Ebene, und die Turkomanen nennen diesen Theil der Steppe,,Königs - Erde". Etliche derselben versuchten, bei regnerischem Sommer dort Weizen, Mais und Djugarra zu säen; der erste gab 40- bis 50-, der zweite 100 bis 150- und der Djugarra selbst 200fältige Ernte. Eine solche Ernte ist selbst in Chiwa bei der Bewässerung der Felder mit dem Schlammwasser des AmuDarja unerhört und wird nur manchmal im Nil-Delta erreicht.

Hieraus kann man schliessen, welch' reiche Ernten hier in alten Zeiten Statt finden mussten, als noch da mächtige

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Städte blühten, wie man es nach den grossartigen Ruinen Mestorjàn's oder Mestowràn's, einer der merkwürdig sten, grössten und reichsten Städte Central-Asiens, annehmen muss. Die früheren Bewässerungskanäle, die sich in einem Umkreis von 60 Werst auf allen Seiten Mestorjàn's ausdehnen, setzen noch jetzt durch ihre Grossartigkeit und durch ihre kunstreiche Ausführung in Erstaunen; es giebt keine Scholle Erde, die nicht durch diese Kanäle bewässert (berieselt) werden könnte; sodann geben die Reste der Ruinen grossartiger Gebäude, Moschee'n, Minarets, Paläste, Denkmäler, Wasserbehälter (Reservoirs) und Cisternen durch deren schöne Architektur, Relief- und Mosaik-Arbeiten eine Idee von deren Grossartigkeit, so dass, was wir in dieser Hinsicht in Chiwa und Urgentsch sahen, keinen Vergleich mit dem in Mestorjàn aushalten kann.'

Etliche Werst von Bugdaïly befinden sich die Ruinen einer kleinen Festung Kitschik-Kala, auf einem aufgeworfenen Hügel (Kurgàn), auf dessen Gipfel Mauern von Ziegelsteinen errichtet waren. Von dieser Festung erstreckt sich eine ununterbrochene Reihe dergleichen Forts, einerseits bis nach Mestorjàn und Tschat, andererseits bis zum Kaspischen Meere, zum grünen Hügel (nördlich vom weissen Hügel und Tchikischljar). Diese Forts beschützten wahrscheinlich den mächtigen Bewässerungskanal, der sich längs derselben auf einem aufgeworfenen, 7 Fuss hohen Walle hinzieht; die Breite dieses Kanals war bis zu 2 Sashènen. Bei dem Orte Tschat wurde das Wasser des Atrèk auf eine bedeutende Höhe gehoben und floss dann nach Nordwesten in einen grossen ausgegrabenen Kanal, welcher ein zweites Bett des Atrek vorstellte, und 20 bis 30 Werst, ehe es Mestorján erreichte, erhob es sich allmählich bis zum oben erwähnten künstlichen Walle, welcher das Wasser durch die Stadt und später nach der Richtung des grünen Hügels leitete, während er unterwegs eine unzählige Menge bis jetzt erhaltener Bewässerungskanäle nach Süden und Norden abzweigte, für welche wahrscheinlich der Hauptbewässerungskanal auf der erwähnten Höhe über der Ebene hingeleitet wurde.

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Die Stadt Mestorjàn selbst bestand aus einer Festung, umringt zuerst von einem Wassergraben und dann einem Erdwall; hinter demselben erhoben sich noch zwei Reihen dicker Mauern, aus vortrefflich gebrannten grossen Ziegeln, von 2 Arschine im Quadrat jede, aufgebaut; an den Ecken sowohl als auch in der Mitte der Mauern befanden sich Thürme. Die Festung stellte ein unregelmässiges Viereck dar, deren respektive Facen von 300 bis zu 560 Sashènen lang waren, so dass die Oberfläche der Festung eine Quadrat-Werst einnahm.

Dieser ganze Raum, so wie auch die Umgebungen der Festung auf 2 Werst Entfernung, ist mit Haufen von denPetermann's Geogr. Mittheilungen. 1876, Heft I.

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selben vortrefflich gebrannten Ziegeln der ehemaligen Gebäude bedeckt, deren Grundmauern theilweis noch jetzt zu sehen sind. Von der gänzlichen Zerstörung erhielten sich ausserhalb der Stadt nur die Stadtthore und ein Theil der Moschee Schir-Kabir, welcher Heilige noch jetzt vom Volke hoch verehrt wird, und dem man zahlreiche Wunder zuschreibt. In der Festung selbst und halb in Ruinen stehen noch zwei Minarets, jeder 13 Sashènen hoch und 3 Sashènen (21 Engl. Fuss) im Durchmesser an deren Basis, eine Moschee oder auch Palast, ein Wasserbehälter und Cisternen. Die Minarets, deren Gipfel einstürzten, waren früher wahrscheinlich an 20 Sashènen hoch; im Inneren derselben führt eine spiralförmige Treppe nach oben. Alle diese Gebäude, welche durch ihre schlanke Architektur, ihre schönen und selbst eleganten Fronten und Façaden Bewunderung erregen, sind aus einem steinharten Ziegelstein erbaut, geschmückt mit Relief- und Mosaik-Arbeiten, bunten Kacheln, Arabesken und prächtigen Relief-Inschrifderen Buchstaben, aus bunten Kacheln mit Blumen, eine Grösse von 7 Engl. Zoll jeder haben. Hier sind auch mehrere grosse Fruchtbäume mit uns unbekannten Früchten erhalten, welche beweisen, dass auch früher Gärten hier waren. Da wir nicht erwartet hatten, in Mestorjàn solche interessante Ruinen anzutreffen, so hatten wir leider keinen Photographen mitgenommen; aber die Offiziere zeichneten so gut sie es vermochten etliche Ruinen, nahmen auch Abdrücke verschiedener Inschriften, welche aber Niemand von uns entziffern konnte.

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Was die andere Stadt, die sich 5 Werst von Mestorjàn befindet, betrifft, so ist solche nur eine Todesstadt, von den Turkomanen Meschèd genannt. Ein ungeheuerer Raum ist mit Ruinen von Grabmälern, Kapellen, Moschee'n &c. bedeckt, die sich theils noch erhalten haben; unter den Moschee'n zeigt man die des Schir-Kabir und dessen Grab, zu welchem eine Menge Wallfahrer pilgern, eben so wie nach Meschhed in Persien. Diese Moschee wird beständig von Pilgern mit Teppichen geschmückt, die sie dem Heiligen. zum Geschenk bringen; in derselben steht auch ein offener Kasten, in welchem sich verschiedene heilige Bücher befinden; eine Lampe hängt an der Decke; etliche Wassergefässe, zu Ablutionen dienend, stehen auch da, obgleich Niemand hier wohnt und selbst die Umgegend nicht von Nomaden bewohnt wird.

Fünf Werst von diesen Ruinen befinden sich die Brunnen Dasch-Werdi mit süssem Wasser, welche aber unsere Turkomanen, aus Furcht vor Überfällen von Seiten der Goklan-Turkomanen, verschüttet hatten.

Nachdem wir diese grossartigen und im höchsten Grade schönen und interessanten Ruinen besehen hatten, warfen wir uns die Frage auf: „Wer war dieses merkwürdige Volk,

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welches so herrliche Bauten, von so schöner Architektur aufführte, und unter dessen Herrschaft das prächtige Mestorjàn blühte"? Die Geschichte, so viel wir uns erinnern, erwähnt nichts von ihr, und die örtliche Sage ist dunkel und fabelhaft. Man erzählt unter Anderem, dass Schir-Kabir ein Araber gewesen sei, bei dessen Lebzeiten die Mongolen die Stadt erobert hätten. Nach deren Vertreibung aus Russland bemächtigten sich die Kalmüken Mestorjàn's, und die letzteren wurden von Kirgisen und Turkomanen vertrieben. An dem Schädel, welchen wir bei der Moschee Schir-Kabir aus einem Grabe nahmen, konnten wir aus dessen hervorstehenden Backenknochen erkennen, dass er der Mongolischen Race angehörte; allein wir hatten keine Zeit, uns mit Ausgrabungen zu beschäftigen; auch die Turkomanen sahen mit Missvergnügen auf die Eröffnung eines Grabes, etliche weinten selbst. Es wäre sehr zu wünschen, dass gelehrte Archäologen diese Ruinen näher untersuchten!

Wenn unsere Truppen-Abtheilung bei dem Orte Tschat eintrifft, will man untersuchen, ob es nicht möglich ist,

wenigstens einen Theil des Wassers des Atrèk bis nach Mestorjàn und weiter zu führen, und wie viel ohngefähr die Kosten dieser Arbeit betragen würden. Die Turkomanen sagen, dass, wenn es uns gelänge, Dieses auszuführen, so wollten sie freiwillig und umsonst die Erdarbeiter dazu hergeben, selbst wenn etliche Tausende nöthig wären. Sollte Dieses mit Gottes Hülfe ausgeführt werden, so beleben und bewässern wir einerseits 150.000 Dessjätinen (über 600.000 Preussische Morgen) der bis jetzt unfruchtbaren Steppe zwischen dem Atrèk und dem Kaspischen Meere, und dieser weite, öde Raum würde sich, wie vor sechs Jahrhunderten, wieder bevölkern, sich in eine fruchtbare Ebene verwandeln und eine herrliche Oasis bilden, während andererseits sich die Lebensweise dieses Nomadenvolkes gänzlich ändern, indem es sein herumstreifendes Leben aufgeben würde, um ein sesshaftes zu führen; mit Einem Worte, diess würde eine neue Thatsache des civilisirenden Berufes Russlands in diesem Welttheile sein. Bivouac bei dem See Bugdaily, 16./28. August 1875.

Die Geographische Ausstellung in Paris, 15. Juli-16. September 1875.
Von den Delegirten der Perthes'schen Anstalt in Gotha.

Durch äussere Umstände verzögert, ist ein Bericht von unserer Seite füber den Geographischen Congress in Paris, vom literarischen Gesichtspunkt betrachtet, zwar überflüssig geworden, denn es sind bereits eine ganze Anzahl guter Berichte, gerade in Deutscher Sprache, erschienen 1) und

1) Fr. v. Hellwald, Der internationale Congress der geographischen Wissenschaften in Paris. (Das Ausland, 1875, Nr. 37, S. 725-729; Nr. 38, S. 749-754; Nr. 39, S. 780-782.)

Dr. A. B. Meyer, Bericht über den internationalen geographischen Congress und die damit verbundene Ausstellung geographischer Gegenstände in Paris vom 1. bis 11. August 1875. 4o, 8 SS. (Leopoldina, Organ der Kais. Leopold.-Carolin. Akademie der Naturforscher in Dresden, August-Heft 1875.)

G. Rohlfs, Der geographische internationale Congress in Paris und die damit verbundene Ausstellung. (Rodenberg's Deutsche Rundschau, Oktober 1875, S. 139-153.)

Bericht über den internationalen geographischen Congress und die damit verbundene Ausstellung zu Paris 1875. Von Hofrath F. v. Hochstetter, Fr. v. Hellwald und Dr. Chavanne. (Mittheilungen der K. K. Geogr. Gesellschaft in Wien, XVIII, 1875, Nr. 10, S. 401-476; Nr. 11.) Fr. Ritter v. Le Monnier, Vom zweiten internationalen geogr. Congress. (Neue Freie Presse, Wien, 29. Juli 1875.)

Der internationale geogr. Congress und seine Ausstellung in Paris 1875. (Militär-Zeitung, Wien 1875, Nr. 67, 69, 71, 73.)

Congrès international des sciences géographiques. (L'Explorateur géographique et commercial, 1875, Nr. 25 ff.)

Congrès international des sciences géographiques. (Journal officiel de la République française, 5., 6., 7., 9., 12., 21., 26. August, 6. September 1875.)

Exposition internationale de géographie à Paris. (Revue scientifique de la France et de l'étranger, 31. Juli, 24. Sept., 2. u. 9. Okt. 1875.)

es wird Besseres vor dem offiziellen Bericht überhaupt nicht geliefert werden können, aber ganz zu schweigen über ein so herrliches geographisches Fest, eine so grossartige Versammlung von geogr. Personen und Dingen, erscheint uns doch den ,,Geogr. Mittheilungen" nicht angemessen und noch weniger vereinbar mit der Dankbarkeit für die Herwelche den Congress veranstaltet und durch Opfer und Mühen einen so glänzenden Erfolg errungen haben. Der Repräsentant, das würdige Oberhaupt der Deutschen Mitglieder des Congresses, war naturgemäss der Präsident der Geogr. Gesellschaft in Berlin, Baron v. Richthofen. Er hat im Schooss der Gesellschaft einen Bericht erstattet, der die Eindrücke vortrefflich wiedergiebt, die wir alle mit

ren,

L'Exposition géographique au Palais des Tuileries. (Bibliographie de la France, Chronique, 1875, Nr. 35, 36, 37.)

H. Gaidoz, Une visite à l'exposition de géographie. (Revue politique et littéraire, V, 1875, Nr. 7, p. 156-160.)

The geographical congress at Paris. (The Athenaeum, 7. und 14. August 1875.) E G. Ravenstein, Paris geographical congress. (Geographical Magazine, September 1875, p. 273-276)

E. G. Ravenstein, Educational maps and models at the Paris Exhibition. (Geographical Magazine, November 1875, p. 349-351.)

Congrès international des sciences géographiques, 2e session, Paris, 1875. (The Academy, 1875, Nr. 169, 170, 171.)

The geographical congress at Paris. (The Nation, New York, 2. September 1875.)

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