Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

ischen Deklamation reden) begann mit derselben Kaisererrschaft eine neue Periode für die Griechische Prosa, die ährend dreier Jahrhunderte von fähigen und gelehrten lännern angebaut wurde; allein die jüngeren Sophisten irkten weder als Vertreter ihres Volkes, dessen politische nd geistige Selbständigkeit längst gebrochen war, noch als ne geistige Genossenschaft, deren Beginnen durch den rtlichen Zusammenhalt einer durchgebildeten Stadt (wie ie damaligen Römischen Autoren durch das Zusammenben in Rom) zum vielseitigen Organismus bestimmt und ehoben wäre; sondern sie begnügten sich mit dem Verienste, theils die religiösen und litterarischen Verhältnisse er Zeitgenossen in angemessener Kombination zu vermitIn und den reichhaltigen Stoff zu verarbeiten, theils durch orgsame Studien der Attiker die verfallene Kunst des Ausrucks in treuer Nachahmung herzustellen. Daher gewährt ie sophistische Litteratur der Griechen neben seichten und edankenlosen Schriftstellern manche grofsartige Erscheiung, welche sowohl an innerer Tiefe und Anschauung als uch an Geschmack und stilistischer Harmonie den Römichen Nebenbuhlern vorangeht; aber sie schliefst nichts von harakteristischen und volksthümlichen Resultaten, noch en Fortschritt und die Vervollständigung der früheren Peioden in sich. Indessen ist die silberne Latinität mit ihren Denkmälern eher verkannt und gemifsdeutet als das Objekt iner umsichtigen Kritik geworden; ihre Sprache wurde elbst von Kennern verdammt und als fehlerhaft verworfen, ie vollends die gesammte litterarische Thätigkeit, gewisermafsen als den Auswuchs einer zerrütteten Zeit, für den ichtbaren Verfall jeder künstlerischen und wissenschaftlihen Tüchtigkeit bei den Römern erklärten 193). Um nichts

193) Mit dieser verächtlichen Beurtheilung scheint Politianus den Anfang gemacht zu haben, im ersten und berühmtesten seiner Briefe, zweifelhaft ob in ernstlicher Ueberzeugung: Optares alius, ut oratorem Plinium saperem, quod huius et maturitas et disciplina laudatur: ego contra totum illud aspernari me dicam Plinii saeculum. Ein solches Urtheil darf in dessen bei diesem und den nächsten Ciceronianern weniger Anstofs erregen als die summarische Verdammung, welche der seichte, seltsam überschätzte Grammatiker Sanctius Min. III, 14. auszusprechen gewagt hat; dem freilich Appuleius purissimus Latinae linguae scriptor heifst. Um aber die manierirte Empirie der früheren Sprachgelehrten zu begreifen, reicht Murets V. L. XV, 1. Aeufserung hin, der lange den Cicero für den einzigen Gewährsmann der guten Latinität hielt, später noch andere, die er urtheillos wie im bunten Faden zusammenwirkt, gelten liefs: Postea, re tota mecum accuratius considerata, visus ipsi mihi sum nimio plus mihi sumere, qui de Seneca, Livio, Valerio, Celso, Quintiliano, Columella, utroque Plinio, Tacito, Suetonio, Velleio, Q. Curtio, Lactantio aliisque eiusmodi scripto

haltbarer ist das Verfahren, welches den Abschlufs diese Zeitraums bei Hadrian setzt, ungeachtet das zweite Jahr hundert den unmittelbaren Erfolg und den Nachhall der vor angehenden Geistesrichtung enthält, und schwankende Nach wirkungen der Art als wesentliche Momente des Uebergang zum Verfall im Sinne einer Zugabe zur umfassenden Epoch zu betrachten sind. Folglich dehnt sich die Gesammthe der vorliegenden Periode von Tiberius bis zum letzten An toninus aus.

22. Die Litteratur des ersten Jahrhunderts empfing e nen unfreiwilligen Antrieb vom politischen Zustande de Staates, dessen Regierung den Grundzügen des Römische Charakters und allen Erinnerungen aus dem Alterthum in ungeheuersten Uebermafse widersprach. Allenthalben trit die Ohnmacht eines verworfenen Senats, die reife Boshei der unerschöpflichen Tyrannei, vermittelnd zwischen bei den das feile Gewerbe von Delatoren, und als natürliche Folge der arge Kampf aller gegen alle nach Vernichtung de persönlicher Sicherheit hervor 193). Ein nicht geringeres Gewicht hatte für die Verewigung des schrankenlosen Despotismus das Anwachsen der Plebs, einer durch Zusam menlauf von Libertinen und Provinzialen schwellender Volksmenge ohne Besitz und Ehre, deren Augenlust dia Mannichfaltigkeit von mimischen, circensischen und am phitheatralischen Spielen dienen mufste: woraus sich früh zeitig stumpfe Sinnlichkeit und Erstarrung jeder edlen Denkart und Empfindung schon im jugendlichen Gemüthe

ribus, quos et ab iis ipsis temporibus, quibus Latina lingua floruisse diceretur, propius afuisse, et suo quemque saeculo disertissimnas habitos esse constaret, temere pronunciare auderem. Certe eni neque quisquam unquam veterum eos male Latine loculos esse di xit, neque nos tam longo intervallo valde boni eius rei existima

tores sumus.

193) Tacit. A. III, 65. Ceterum tempora illa adeo infecta et adulatione sordida fuere, ut non modo primores civitatis, quibus claritudo sua obsequis protegenda erat, sed omnes consulares, magna pars eorum qui praetura functi, multique etiam pedarii Šenatores certatim exsurgerent, foedaque et numin censerent. Memoriae proditur Tiberium, quotiens curia egrederetur, Graecis verbis in hunt modum cloqui solitum, o homines ad servitutem paratos! Seneca de benef. 111, 26. Excipiebatur ebriorum sermo, simpli citas incantium. nihil erat tutum; omnis saeviendi placebat occa sio. Nec iam reorum expectabatur eventus, cum esset unus. Daher Tac. A. VI, 7. (cf. Seneca Ep. 24. p. 77.) Neque sum ignarus, a plerisque scriptoribus omissa multorum pericula et poenas, dum copia fatiscunt, aut quae ipsis nimia et moesta fuerant, ne pari taedio lecturos afficerent, verentur. Seneca Ep. 95. p. 419. Homo, sacra res, homini iam per lusum et iocum occiditur; el quem erudiri ad inferenda accipiendaque vulnera nefas erat, is iam nudus inermisque producitur, satisque spectaculi ex homine mors est. Cf. Ep. 7.

[ocr errors]

festsetzte 194). Aber von allen Uebeln eines durch allgemei nes Sittenverderben zerrütteten Gemeinwesens mufste keines der litterarischen Thätigkeit und Aufklärung so sehr widerstreben, als der Geistesdruck und der unwürdige Mifsbrauch, den die meisten Kaiser an eigener Gelehrsamkeit und an den Studien ihrer Zeit sich erlaubten. 'Die' Herrscher dieser Periode zeichneten sich sämmtlich durch eine mehr oder minder bedeutende Kenntnifs der Griechischen und Römischen Schriften und Sprache aus, einige sogar durch feine und gewählte Forschung im Felde der Erudition. Sogleich die Mitglieder des Cäsarischen Stammes übten Belesenheit und Darstellung nach dem Mafse ihrer individuellen Bildung; Germanicus, berühmt in poetitischer wie prosaischer Komposition 195); Tiberius, fraher auf Rhodus ein eifriger Zuhörer der Rhetoren und Grammatiker und noch im hohen Alter von diesen umgeben, äusserte ein leidenschaftliches Gefallen an den schwierigsten Griechischen Dichtern, und fand ein Behagen am ausgesuchten Stil der Lateinischen Diktion bis zur Dunkelheit 196); Caius war gewandt in der Beredsamkeit, die er allein schätzte 197); Claudius, der im Unterricht des Livius Neigung zur Geschichte fafste, hinterliess nicht nur in beiden Sprachen historische und antiquarische Werke von

194) Glänzende Schilderung Seneca cons. ad Helv. 6. Aspice agedum hanc frequentiam, cui vix urbis immensae tecta sufficiunt. maxima pars illius turbae patria caret; ex municipiis et coloniis suis, ex toto denique orbe terrarum confluxerunt. Alios adducit ambitio, alios necessitas officii publici, alios imposita legatio, alios luxuria, opulentum et opportunum vitiis locum quaerens; alios liberalium studiorum cupiditas, alios spectacula; quosdam traxit amicitia, quosdam industria, latum ostendendae virtuti nacta materiam; quidam venalem formam attulerunt, quidam venalem eloquentiam. Nullum non hominum genus concurrit in urbem et virtutibus et vitiis magna pretia ponentem. Von der geistigen Einwirkung Dial. de Oratt. 29. Iam vero propria et peculiaria huius urbis vitia paene in utero matris concipi mihi videntur, histrionalis favor et gladiatorum equorumque studia; quibus occupatus et obsessus animus quantulum loci bonis artibus relinquil? quotumquemque inveneris, qui domi quicquam aliud loquatur? quos alios adolescentulorum sermones excipimus, si quando auditoria intravimus? Vergl. Tac. A. XIV, 20.

195) Suet. Calig. 3. ingenium in utroque eloquentiae doctrinaeque genere praecellens.

196) Von des Tiberius Versuchen in Lateinischer und Griechischer Poesie mit Belegen seines Geschmacks Suet. Tib. 70. ferner Aug. 86. Sed nec Tiberio parcit, et exoletas interdum et reconditas voces aucupanti.

197) Suet. Calig. 53. Ex disciplinis liberalibus minimum eruditioni, eloquentiae plurimum attendit, quantumvis facundus et promptus: utique, si perorandum in aliquem esset. Ein merkwürdiges Beispiel dieses Narrenwitzes erzählt Dio Cassius Exc. Vat. fr. 84.

1

tiefer Gelehrsamkeit, sondern stieg auch bis zu den gram matischen Elementen des Lateins herab 198); Nero, den de Einfluss Senecas von der Kunstmässigkeit öffentlicher Red entfernte, war nicht ungeübt in Versifikation 199); Vespa sian, der Witz und Bekanntschaft auch mit der populäre Griechischen Weisheit besafs, ertheilte Griechischen un Lateinischen Rhetoren und Aerzten feste Besoldungen; Ti tus hatte Leichtigkeit in beiden Sprachen; Domitia nutzte den Schein einer poetischen Betriebsamkeit 20 endlich konnte Trajan als Gönner der wiedererwachte Bestrebungen, wenn auch nicht als vorzüglicher Schrift

e

198) Die Werke des Claudius zählt Sueton. Claud. 41. 42. aur
Witzig verspottet ihn Seneca de morte Cl. Caesaris p. 38r
Ubi haec, Claudius gaudet esse illic philologos homines, sperat f
turum aliquem historiis suis locum. Merkwürdig sind aber di
Kritiken über die litterarische Fähigkeit jener Kaiser, welch
uns vorliegen bei Tacit. A. XIII, 3. Nam Dictator Caesar sum
mis oratoribus aemulus; et Augusto prompta ac profluens, qua
deceret principem, eloquentia fuit. Tiberius artem quoque callebat
qua verba expenderet, tum validus sensibus aut consulto ambiguus
Etiam C. Caesaris turbata mens vim dicendi non corrupit.
New
in Claudio, quotiens meditata dissereret, elegantiam requireres
Und bei Fronto de eloqu. p. 83. Augustum vero saeculi re
sidui elegantem et Latinae linguae etiam tum integro lepore poti
quam dicendi ubertate praeditum puto; post Augustum nonnih
reliquiarum iam et vietarum et tabescentium Tiberio illi super
fuisse; imperatores autem deinceps ad Vespasianum usque eiust
modi omnes,
ut non minus verborum puderet, quam pigeret mo
rum et misereret facinorum.
199) Suet. Ner. 52. Liberales disciplinas omnes fere puer attigit; ser
a philosophia eum mater avertit, monens imperaturo contrariam
esse, a cognitione veterum oratorum Seneca praeceptor, quo diu
tius in admiratione sui detineret. Itaque ad poeticam pronus car
mina libenter ac sine labore composuit; nec, ut quidum putant,
aliena pro suis edidit. Cf. Ta c. A. XIII, 3. XIV, 16. Den leich
ten Flufs seiner Verse zeigt das Fragment ap. Schol. Lucani
III, 261.

Quique pererratam subductus Persida Tigris
deserit, et longo terrarum tractus hiatu

reddit quaesitas iam non quacrentibus undas.

Von seinem Epos Troica, das zuweilen citirt wird, s. Wernsd.
P. L. Min. T. IV. p. 587.

...

in

200) Suet. Vespas. 18. Ingenia et artes vel maxime fovit; primus e fisco Latinis Graccisque rhetoribus annua centena constituit; praestantes poetas (cf. Dial. de Oratt. 9.), neo non et artifices. signi congiario magnaque mercede donavit. Cf. 1. 50. Ď. tit. 4. de muner. et honor. extr. Von Titus id. Tit. 3. Latie Graeceque, vel in orando vel in fingendis poematibus, promptus et facilis ad extemporalitatem usque: so wie Plinius praefat. ihn preist: summa eloquentia, summa eruditione praeditum. Von Domitian Suet. Domit. 2. Simulavit... poeticae studium, tam insuetum antea sibi, quam postea spretum et abiectum; recitavitque etiam publice: besonders aber c. 20. cf. Tacit. Hist. IV. extr. S. Dodwell. annal. Quinctil. §. 14. Von Trajan s. Gesn. ad Plin. Paneg. 47.

teller gelten. Aber die Herabwürdigung der Litteratur, das Verlocken auf Abwege des gesunden Humanitätsinnes und ie Vernichtung aller freimüthigen und öffentlichen Mitheilung, welche die blöden wahnwitzigen Tyrannen unter er Hülle gelehrter Studien durchführten, gestatten eine ichtigere Beurtheilung jener Erscheinungen, und lassen der rohlwollenden Meinung keinen Raum, dafs die Theilnahme er Regenten manches von den Uebeln des politischen und ittlichen Zustandes aufgewogen habe. Denn schon mit Tierius begann eine Staats-Censur, welche das Lob reFublikanischer Patrioten und populärer Männer aus der Geenwart an den Beispielen des Cremutius Cordus und . Lutorius Priscus verdammte, und selbst die Beandlung von poetischen Stoffen, die der leisesten Deutung mpfänglich waren, ahndete 201); noch ungezügelter veruhr Caligula, dem neben ähnlichen Mifshandlungen und pott der Gelehrten Homers Gedichte zu vertilgen und die Büsten des Virgil und Livius aus den Bibliotheken zu enternen gefiel 202); Nero brachte zwar zur Befriedigung seies Hanges für Schauspiel und Gesang Dichter und Redner m Wettstreit zusammen, und stattete Rhetoren mit Würden und Reichthum aus, aber wie schon seine Eifersucht einem hervorstechenden Ruf vergönnte, so wichen allmäig die Musenkünste, da jedes liberale Treiben lebensgeährlich wurde, zurück in unscheinbare Dunkelheit 203); Domitian endlich, der ein äufseres Bestehen litterari

201) Von beiden Autoren Tac. A. III, 49. IV, 34. 35. hier mit dem merkwürdigen Zusatze: libros per aediles cremandos censuere Patres; sed manserunt, occultati et editi. Dazu Suet. Tib. 61. Obiectum est poetae, quod in tragoedia Agamemnonem probris lacessisset; obiectum et historico, quod Brutum Cassiumque ultimos Romanorum dixisset: animadversum est statim in auctores scriplaque abolita, quamvis probarentur, ante aliquot annos etiam Augusto audiente recitata. Nicht ohne Grund sagt Ruhnk. ad Vellei. II, 93. Ex talibus etiam iudicari potest, omnem sentiendi et scribendi libertatem sub Tiberio perüsse.

202) Reiche Belege seiner Denkart enthält Suet. Calig. 34. von dessen certamen Graecae Latinaeque facundiae c. 20. besonders c. 27. Atellanae poetam ob ambigui ioci versiculum medía amphitheatri arena igni cremavit,

203) Von Neros ludicrum quinquennale Tac. A. XIV, 21. von Rhetoren Suet. de clar. rhett. 1. p. 32. Quare magno studio hominibus iniecto magna etiam professorum ac doctorum profluxit copia, adeoque floruit, ut nonnulli ex infima fortuna in ordinem senatorium atque ad summos honores processerint. Hingegen Tac. A. XV, 49. Lucanum propriae causae accendebant, quod famam carminum cius premebat Nero, prohibueratque ostentare, vanus acmulatione: und von seinem Oheim Plin. Epp. III, 5, 5. Dubiï sermonis octo scripsit sub Nerone novissímís annis, cum omne studiorum genus paulo liberius et erectius periculosum servitus fecisset.

H

« PreviousContinue »