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12.

Wie Wort und Weisheit personificirte man auch andre Eigenschaften Gottes; in Gar briel und Michael seine Stärke; im Engel des Angesichts seine Majeståt; seine Güte und Treue im Engel des Bundes. Auch die Wols kensäule (Schechinah) ward belebt; eine Mitts lerin zwischen Gott und dem Volke. *)

13.

Als endlich, Troß alles Widerstandes, auch platonische Ibeen ins ebräische Judenthum drangen, so entstand durch die seltsamste Vermis schung derselben mit den Worten Moses (1. Mos. 1, 26. 27.) und dem medischen Magismus jener erste und himmlische Mensch, das Vor: bild aller Welten, insonderheit des Mef= si as, daraus, (Adam Kadmon); eine Dichtung, dergleichen dem attischen Weisen nie in den Sinn kommen konnte. **)

*) Aus den ältesten Schriften der Juden, seitdem die Stimme der Propheten aufgehört, dem Buch Sohar, den Targumim u. f. sind diese Eins kleidungen bekannt; in ihnen gelten sie schon als ältere Traditionen.

**) Diese ungeheure Dichtung entstand indessen spât; wir kennen sie wenigstens nur aus ziemlich spå. ten Schriften,

14.

Die griechischen Juden, zumal in Aegyps ten, hatten zu idéalischen Welt- und Mens schenschöpfungen einen angenehmeren Zugang. In Alexandrien, wo sie seit Erbauung der Stadt in großer Menge meistentheils ruhig, reich und glücklich lebten; in Alexandrien, dem Zusammenfluß aller Denkarten und Völker, dem Museum aller damals blühenden, erkauften und sogar erlo= genen Schriften und Wissenschaften, hier konnten und mußten sie, auch ohne Haß gegen die Palästi ner, wohl eine neue Sprosse treiben. Its dische Messias Hoffnungen für Palástina gaben fie größtentheils auf; in Philo sind davon sehr leise, in apokryphischen Schriften aus dieser Ges gend fast keine Spuren. *) Desto mehr wandten fie sich zu einer Art von Deismus, aus jůdischen und heidnischen Begriffen gebildet. Rechts schaffen und fromm zu seyn nach väterlicher Weise, war ihr sittliches Ideal; theoretisch formte fich ein andres, das in Moses und den Propheten ! nicht stand, aber hineingelegt ward; Ideen aus mehreren griechischen Schulen, vorzüglich aus einer neugeformten Philosophie, die man späterhin die

Zeuge davon sind die Apokryphen, die sich unserm alten Testament angeschlossen haben. Das vierte Buch Esra ist ein späteres júdisch - christliches Buch. Philo berührt die Hoffnung eines túnfe tigen Erretters und Beglückers der Nation sehr gelinde.

pythagoräisch neuplatonische nannte. Da der Jude Aristobulus verloren ist, so muß uns hierüber Philo statt aller dienen. Er war zwanzig bis dreißig Jahre älter als Christus, und ist folglich für die Schriften der ältesten christlichen Schriftsteller ein unverwerflicher Zeuge. *)

15.

Nach Philo's Lehrbegriff ist Gott das una no schaubare Urlicht, die Quelle jedes andern Lichts, der Archetyp des Lichts in allen Sees len. Sein Ebenbild ist der personificirte Verstand (λoyos). Dieser wohnet in Gott, indem Gott die Entwürfe und Muster von allem, was er schaffen und ausführen will, in seinem Vers stande bildet; er ist aber auch das Mittel, durch welches Gott auf die Sinnenwelt wirkt, ähnlich der Rede des Menschen. So fern ist er also

das

*) Ueberhaupt sind die hellenistischen Juden durch ihre ganze Existenz, Sprache, Uebersehung des alten Testaments und den erweiterten Kreis der Ideen, in dem sie über dreihundert Jahre unter griechis schen Völkern gelebt, und die engen palåstinischen Begriffe abgeworfen hatten, in der Reihe der Seiten nicht nur als eine Vorbereitung, sondern auch als ein Bindungsmittel anzus sehen, durch welches palästinische Begriffe sich an die Denkart andrer Nationen anschliessen konns ten. Ein blos syrisch chaldäisches Christenthum wáre, wie die Schule Johannes, wahrscheinlich ein wirkungsloser Ebionismus geblieben.

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bas personificirte Wort, ein Inbegriff aller wirkenden Kräfte der Gottheit nach ihrem Rath und Willen.

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Den personificirten Verstand nennet Philo den åltesten Sohn der Gottheit, da sein ausgedrucktes Ebenbild, die finnliche Welt, ihm der jüngere Sohn ist; mit jedem seht er alle Eis genschaften der Gottheit in Verbindung. Macht und Güte stehen dem Allein Guten stets zur Seite; die Weisheit wird die Mutter der Schöpf. ung, die dem ewigen Vater feinen jüngeren, ges liebten Sohn, die Sinnenwelt, geboren. Der ålteste Erstgeborne (λoyog) ward der Werkmeis fter der Schöpfung, der so viel Arten der Dinge schuf, als er in der Ideenwelt Gottes Urbilder und Muster sah. Er ist das Werkzeug, wo. durch Gott das Ganze erhält und regiert, Lehrer und Führer der Menschen, ihr Gesez und Hohes priester. Einst, meint Philo, wenn unter der Nation das Gefeß Gottes, Eintracht und Tugend herrsche, werde sie unter Anführung einer himmlischen, ihnen allein sichtbaren Gestalt in ihr Vater land zurückkehren; ein Führer vor ihr her, der burch unblutige Siege feinem Volk und allen Nas tionen, die sich ihm unterwerfen, Freiheit, Sichercherheit, daurendes Wohl und Muse zu einem bes schauenden, göttlichen Leben erkämpfte. *)

*) Vollständiger, als in Mangey's Vorrede zu Philo, ist dessen Lehrbegriff von E. H. Stahl dargestellt, in Eichhorns allgemeiner Bibliothek der bibl. Literatur B. 4. St. 5.

Herders Werke z. Rel. u. Theol, XI.

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16.

Konnte es den Aposteln gleichgültig seyn, wie dergleichen Ideen und Personificationen ins Chris stenthum eingeführt wurden? Und dech drangen sie an dasselbe unabwendbar an. Gen Ephesus j B. wo späterhin Johannes lebte, kam sehr früh Apollos, ein beredter Alexandriner und mächtiger Schriftgelehrte, der allein noch von der Taufe Jor hannes wußte, und (wahrscheinlich im Geschmad des Philo) mit brünstigem Eifer und dem größesten Beifall den Weg des Herren vortrug. Zwei Chris sten nahmen ihn zu sich, unterrichteten ihn; fortan predigte er, daß Jesus der Christ sey, (Apost. 18, 24-28.) gewiß in alexandrinischer Weise. Denn wir wissen aus Paulus Briefen, daß er in Corinth Spaltungen veranlaßte, so daß einige fich apollisch, paulisch, christisch nannten, andre vielleicht mit der Zeit sich philonisch, pytha gorisch, platonisch håtten nennen mögen. Ein so gestickter Mantel fremder Meinungen sollte die einfache Formel des Christenthums: Jesus ist Christ, der Sohn Gottes nicht werden; das her Paulus aller solcher Beredtsamkeit und dichten: den Weisheit, Einfalt und Wahrheit entgegenfeste, behauptend, daß Niemand einen andern Glaubensgrund legen könne, außer dem, der gelegt sey, und daß Jedwedes Werk, der auf diesem Grund baue, die Zeit bewähren oder vernichten werde. (1. Cor. 1 — 4.)

17.

Und so erhellet, daß es Bedürfniß der

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