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No. 29. bestehenden Bundes-Kriegs-Verfassung, eine Militair - Convention zu verab reden. ¶ Zu diesem Behufe sind zu Bevollmächtigten ernannt worden:

von Seiner Majestät dem Könige von Preussen Allerhöchst Ihr Oberst und Chef der Central-Abtheilung im Kriegsministerium Köhlau, sowie Allerhöchst Ihr Hauptmann in demselben Ministerium von Hartmann und Allerhöchst Ihr Wirklicher Legationsrath Dr. Hepke,

von Seiner Hoheit dem Herzoge von Sachsen-Coburg-Gotha Höchst Ihr Flügel-Adjutant und Major à la suite von Reuter,

welche sich in Folge stattgehabter Verhandlung auf Grund ihrer Vollmachten über die nachstehenden Artikel unter Vorbehalt der Allerhöchsten und Höchsten Ratificationen geeinigt haben.

A. Allgemeine Festsetzungen.

Art. 1. Preussen übernimmt die vollständige Erhaltung des Herzoglich Sachsen-Coburg-Gothaischen Bundescontingents im Frieden sowie im Kriege nach Maassgabe der Bestimmungen der Bundes-Kriegs-Verfassung gegen eine näher festzusetzende, von Coburg-Gotha zu leistende Aversional-Summe. Art. 2. Im Falle einer vom Bunde beschlossenen Erhöhung oder Verminderung der jetzt hinsichtlich der Gestellung des Contingents den Herzogthümern auferlegten Leistungen wird die zu zahlende Geldentschädigung verhältnissmässig erhöht oder ermässigt.

Art. 3. Bezüglich der Bundes-Inspection und der Verwendung des Herzoglichen Contingents im Kriege als Bestandtheil der Reserve-InfanterieDivision bewendet es lediglich bei den Bestimmungen der Bundes-KriegsVerfassung.

Art. 4. Für das Herzogliche Contingent sollen, spätestens bis zum 1. Juli 1862 alle in der Königlichen Armee gültigen reglementarischen Vorschriften, Disciplinar- und Strafbestimmungen, die Gehalts-, Verpflegungs-, Lazareth- und andere administrative Regulative, die Verordnungen über Anstellung, Versorgung und Pensionirung der Unterofficiere und Gemeinen in Geltung treten, iusofern und insoweit diese Vorschriften etc. überhaupt auf die Verhältnisse des Herzoglichen Contingents Anwendung finden können. Unter derselben Voraussetzung sollen auch alle späteren Abänderungen der vorerwähnten Vorschriften etc. für das Herzogliche Contingent alsbald zur Geltung gelangen. ¶ Beruhen die nach dem Vorstehenden für das Herzogliche Contingent anzunehmenden Vorschriften etc. auf besonderen Gesetzen, oder bedürfen sie nach der Verfassung der Herzogthümer Coburg und Gotha in diesen der gesetzlichen Sanction, so ist die Herzogliche Regierung verpflichtet, die Gesetzgebung der Herzogthümer Coburg und Gotha rechtzeitig mit denselben in die erforderliche Uebereinstimmung zu bringen.

Art. 5. Die zur Ausführung der Convention zweckmässig scheinenden organisatorischen und administrativen Maassregeln bleiben vorbehaltlich der nachfolgenden Festsetzungen der Königlich Preussischen Regierung überlassen. Zu diesem Zweck findet ein directer Geschäftsverkehr zwischen dem Königlichen Kriegsministerium und dem Herzoglichen Staatsministerium, sowie zwischen dem Herzoglichen Contingents-Commando und den dafür zu bezeichnenden Königlichen Commando-Behörden statt.

B. Ausführungsbestimmungen.

Aushebung und Entlassung der Heerespflichtigen. Art. 6. No. 29. Die Ergänzung des Contingents erfolgt in Gemässheit der in den Herzogthümern über die Dienstverpflichtung bestehenden Gesetzgebung mit der Modification, dass in Erfüllung der desfallsigen Vorschriften der Bundes-Kriegsverfassung die Gesammtdienstzeit durch Verlängerung des Reserve-Verhältnisses um 6 Monate von 6 auf 61⁄2 Jahr und die Präsenzzeit bei der Fahne von 12 auf 2 Jahre erhöht wird. Die Einstellung der Rekruten findet in der Regel im Herbst statt. Sollte ein Anderes aus militairischen oder politischen Gründen wünschenswerth erscheinen, so wird die Herzogliche Regierung den dessfallsigen Anträgen der Königlichen Regierung mit Bereitwilligkeit entgegenkommen. Das Aushebungsgeschäft wird von der Herzoglichen Regierung geleitet und leistet der eingestellte Ersatz Seiner Hoheit dem Herzoge den Fahneneid etc.

Besondere Dienstpflicht. Art. 7.--
Primaplan. Art. 8.

Dienst auf Beförderung. Art. 9.

Officiercorps. Art. 10. Die gegenwärtig dem Contingent angehörenden activen felddienstfähigen Officiere mit Einschluss des activen Flügeladjutanten Seiner Hoheit des Herzogs, die Portepee-Fähnriche, Aerzte und Zahlmeister leisten Seiner Majestät dem Könige von Preussen den Fahneneid und werden unter Anrechnung ihrer Dienstzeit im Herzoglichen Contingent in die Preussische Armee, ein Jeder in seiner Charge und nach dem Datum seines Patentes respective seiner Anstellung eingereiht und treten hiermit in den Preussischen Staatenverband über etc.

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Der Ersatz. Art. 12. Der Ersatz an Officieren erfolgt nach Preussischen Bestimmungen und ist dem Contingents-Commandeur die Annahme auf Beförderung dienender junger Leute überlassen. ¶ Preussen besetzt im Einverständniss mit Seiner Hoheit dem Herzog die Stellen der Officiere aller Grade des Contingents und der Flügeladjutantur, der Portepee-Fähnriche, Aerzte und Zahlmeister und zwar nach folgendem Modus:

1) Zu allen Beförderungsvorschlägen des Contingents - Commandeurs ist in Bezug auf das Verbleiben des Vorgeschlagenen im Contingent die Genehmigung Seiner Hoheit des Herzogs nachzusuchen und die danach erfolgte Antwort dem Vorschlage beizulegen. Ist die Genehmigung Seiner Hoheit nicht erzielt worden, so bleibt es Seiner Majestät dem Könige anheimgestellt, den Vorgeschlagenen unter Versetzung vom Contingent zu befördern.

2) Bei allen beabsichtigten Versetzungen aus der Preussischen Armee in das Contingent ist Seiner Hoheit dem Herzoge zuvor die Person des zu Versetzenden zu nennen. Wird die Versetzung von Seiner Hoheit dem Herzoge beanstandet, so sind zwei andere Officiere namhaft zu machen, unter denen eine bestimmte Wahl zu treffen ist. ¶3) Ist eine Stelle in der FlügelAdjutantur zu besetzen, so bezeichnet Seine Hoheit der Herzog den betreffenden Officier. Preussischer Seits wird dem Wunsche nachgegeben, Falls nicht besondere dienstliche Grunde entgegenstehen. 4) Sobald zur

No. 29. Besetzung einer Stelle die vorstehenden Bedingungen erfüllt sind, commandirt Preussen die betreffenden Officiere und Beamten zur Dienstleistung im Herzoglichen Contingent, gleichviel ob eine Versetzung aus der Preussischen Armee in das Contingent erfolgt oder innerhalb desselben eine Beförderung stattgefunden hat, und benachrichtigt hiervon Seine Hoheit den Herzog, welcher sodann die Anstellung des Betreffenden im Contingent verfügt. 5) Versetzungen aus dem Contingent in die Preussische Armee und Verabschiedungen von Officieren, Portepee-Fähnrichen, Aerzten und Zahlmeistern erfolgen unmittelbar von Seiten Preussens. Jedem Antrage Seiner Hoheit des Herzogs auf Versetzung eines Officiers etc. aus dem Contingent wird die thunlichste Rücksicht widerfahren. Seine Hoheit der Herzog behält sich vor, Officiere à la suite zu ernennen, welche jedoch ausser Beziehung zu dem Contingent und mithin zur Convention bleiben.

Art. 13. Die dem Contingent bereits angehörenden respective zu demselben zu commandirenden Officiere, Portepee-Fähnriche, Aerzte und Zahlmeister tragen die Uniform und die Dienstabzeichen des Contingents und werden mittelst Handschlags verpflichtet: „Für die Dauer ihres Commandos Seiner Hoheit dem Herzoge treu und redlich zu dienen, Höchst Dero Nutzen und Bestes zu befördern, Schaden und Nachtheil aber abzuwenden." Zur Anlegung fremder Orden und Ehrenzeichen haben dieselben die Genehmigung Seiner Majestät des Königs einzuholen. Zur Anlegung der von Seiner Hoheit dem Herzoge ihnen etwa verliehenen Herzoglichen Decorationen bedarf es einer solchen Genehmigung nicht.

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Verwendung der Truppen zu Sicherheitszwecken. Art. 17. Seiner Hoheit dem Herzoge steht das Recht zu, sowohl das Contingent in seiner Gesammtheit, als einzelne Abtheilungen desselben zu polizeilichen Zwecken zu verwenden. Das Einschreiten der Militairbehörden Behufs Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung ist durch die vorgängige Requisition der competenten Civilbehörde bedingt; es haben jedoch die Militairbehörden den diesfalls zu Folge der bestehenden Vorschriften an sie ergehenden Requisitionen unweigerlich Folge zu leisten. In allen Fällen, in denen das Militair zur Unterdrückung von Tumulten einzuschreiten oder sonst von den Waffen Gebrauch zu machen hat, kommen die für die Preussische Armee bestehenden Bestimmungen zur Anwendung. Insoweit diese Bestimmungen auf besonderen Gesetzen beruhen, werden die letzteren als für die Herzogthümer gültig anerkannt und in die gemeinschaftliche Gesetzgebung derselben aufgenommen. Werden durch die vorstehend erwähnten Verwendungen besondere Kosten verursacht, so sind dieselben aus der Hersoglichen Staatskasse zu tragen respective zu erstatten.

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Militairjustiz pflege. a) Disciplinarstrafen. Art. 21. --

b) Gerichtliches Verfahren. Art. 22. und 23.
c) Ehrengerichtliches Verfahren. Art. 24.
Vollstreckung der Erkenntnisse. Art. 25. und 26.
Gerichtsstand in Civilsachen. Art. 27.
Oeconomie und Verpflegung. Art. 28.
Gesuche und Eingaben. Art. 29.
Inventarium an Bekleidung. Art. 30.

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Wirkungen einer Aufhebung der Convention. Art. 31. Art. 32. Gegenwärtige Uebereinkunft kann nur mit beiderseitigem Einverständniss der contrahirenden Theile abgeändert oder aufgehoben werden. Doch steht jedem derselben nach Ablauf von 10 Jahren also am 1. Juli 1872 der Rücktritt von der Convention frei. Soll von diesem Rechte Gebrauch gemacht werden, so ist die Convention am 1. Juli 1871 zu kündigen und wird bei dem, in den vorstehenden Artikeln besonders vorgesehenen Auflösungsverfahren auf die möglichst ungeschmälerte Erhaltung der Kriegstüchtigkeit des Herzoglichen Bundes-Contingents von Preussischer Seite jede billige Rücksicht genommen werden.

Art. 33. Der Abschluss der gegenwärtigen Uebereinkunft erfolgt unter ausdrücklichem Vorbehalt der Zustimmung der beiderseitigen Landesvertretungen, nach deren Einholung dieselbe, und zwar spätestens am 1. Juli 1862 in Kraft treten soll etc.

Zu Urkund dessen haben die im Eingang genannten Bevollmächtigten die Uebereinkunft unterzeichnet und untersiegelt. Geschehen zu Berlin

den 1. Juni 1861.

(L. S.) Köhlau. (L. S.) von Hartmann, (L. S.) Dr. R. Hepke. (L. S.) von Reuter.

No. 30.

OESTERREICH. Min. d. Ausw. an die k. k. Gesandtschaft in Berlin. kurhessische Verfassungsfrage betr. *)

--

Wien, 11. März 1861.

Die

No. 29.

reich 11. Marz

Eine vertrauliche Mittheilung des königlich preussischen Kabinets, No. 30. enthalten in der abschriftlich anliegenden Depesche des Herrn Freiherrn Oesterv. Schleinitz, lenkt von neuem unsere Aufmerksamkeit auf die Lage des kurhessischen Verfassungsstreites. Ich kann vor Allem nicht verschweigen, dass es unsere Absicht war, uns nicht mehr anders, als in Folge einer be

*) Eröffnet ist vorliegender Schriftwechsel durch eine preussische Depesche vom 4. März d. J. Die „Allgemeine Preussische Zeitung" erläutert denselben folgendermassen: Die doppelte Rücksicht auf den bevorstehenden, jetzt von Neuem in nicht unerwarteter Weise abgelaufenen Versuch der kurfürstlichen Regierung mit Kammern von 1860, und auf die inzwischen in Wien eingetretene Wendung der österreichischen Politik, hatte im März d. J. die preussische Regierung bewogen, den Versuch zu machen, ob sich Anknüpfungspunkte zu einer gemeinsamen, einen praktischen Erfolg in Aussicht stellenden Einwirkung in Kassel durch Preussen und Oesterreich finden liessen, und dabei den Gedanken auszusprechen, dass etwaige Bedenken der hessischen Regierung, die aus ihrer eignen Stellung zu den frühern Bundesbeschlüssen entsprängen, durch eine erneute Provocation auf den Bundestag beseitigt werden könnten.“

Staatsarchiv, 1861.

6

1861.

reich,

11. März

No. 30. stimmten bundesmässigen Verpflichtung auf das Feld dieser bedauerlicheu Oester Kontroverse zu begeben. Man kann von uns billiger Weise nicht verlangen, dass wir uns vorzugsweise den Beruf zuschreiben sollen, immer wieder die 1861. Mittel zur Lösung von Schwierigkeiten aufzusuchen, die, wenn unser guter Wille sich früher hätte Geltung verschaffen können, nie entstanden oder längst überwunden sein würden. Eine Regierung, welche sich gegenüber einer, weder von ihr hervorgerufenen, noch sie unmittelbar berührenden Verwicklung befindet, wird in der Regel am besten thun, wenn sie die Sorge für den Ausgang den näher Betheiligten überlässt. Um uns zu bewegen, in dieser Sache freiwillig neue Schritte zu thun, bedarf es daher des ganzen hohen Werthes, welchen wir stets darauf legen, einem von Seite Preussens uns ausgesprochenen Wunsche entgegenzukommen. Noch eine zweite Bemerkung kann ich an dieser Stelle nicht unterdrücken. Frhr. v. Schleinitz folgert aus den von Sr. Majestät dem Kaiser jüngst gefassten bedeutungsvollen Entschliessungen, dass für die kaiserliche Regierung nunmehr auch eine Aenderung ihrer Sprache über die kurhessische Angelegenheit als angezeigt erscheine. Wir freuen uns aufrichtig der Worte freundschaftlicher Sympathie, mit welcher der königlich preussische Herr Minister über unsere neuen Verfassungs-Einrichtungen sich ausspricht. Aber wir müssen auf das Bestimmteste in Abrede stellen, dass zwischen dem Entwicklungsgange im Innern unseres Reiches und dem Verlaufe der kurhessischen Frage irgend ein Zusammenhang bestehe. Diese letztere ist keine Frage innerer Verfassungspolitik, sie ist ein bundesrechtlicher, aus ganz exceptionellen Ereignissen hervorgegangener Prozess. Längst haben wir bewiesen, dass wir nicht besser verlangen, als das öffentliche Recht des Kurfürstenthums Hessen eben so fest und sicher begründet zu sehen, wie dasjenige so vieler anderer deutscher Staaten. Ja, wenn wir uns den Unterschied zwischen den schon seither von uns in Kassel ertheilten Rathschlägen und denjenigen Preussens zu vergegenwärtigen suchen, so haben wir wirklich Mühe, die trennende Linie noch deutlich zu erkennen. War doch auch Preussen schon zur Zeit des Bundesbeschlusses von 1852 ein constitutioneller Staat, und wenn man dieses Beispiel wegen des seitdem eingetretenen System wechsels nicht gelten lassen will, so hat doch das Verhalten so vieler anderer deutscher Regierungen bewiesen, dass man das öffentliche Recht des eigenen Landes streng achten, und doch über die bundesrechtliche Differenz, die über Kurhessen schwebt, anders denken kann, als es jetzt die Wortführer für eine unbedingte Rückkehr zum Verfassungszustande von 1831 oder von 1849 verlangen. Die bayerische Zweite Kammer hat so eben das Hauptgewicht darauf gelegt, die Verfassungen der deutschen Einzelstaaten gegen etwaige Konsequenzen, die aus dem Bundesbeschlusse von 1852 zu ziehen wären, zu verwahren. Wir erachten diesen Standpunkt für weit begründeter, als die Forderungen Derjenigen, die es für erlaubt und für heilsam halten, Alles, was auf Grund jenes Bundesbeschlusses seit zehn Jahren in Kurhessen geschehen ist, ohne Weiteres als nicht geschehen zu behandeln. ¶ Auch war die königl. preussische Regierung seither weit entfernt, sich diese allzu absoluten Forderungen anzueignen. Ihre Ansicht ging vielmehr dahin, dass

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