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Generationen seiner Schüler ihrem größesten Theil nach schon Gemeingut der Wissenschaft geworden sind, während jegt der Verarbeitung durch fremde Hand jener Reiz der Gewandung nothwendig fehlen muß, durch welchen Savigny's Gedanken in Wort und Schrift ihres Erfolgs überall sicher waren.

Versuchen wir zum Schluß den Grundzug seines Wesens noch einmal in einem Gesammtausdruck zusammen zu fassen, so erscheint als der zutreffendste jene Ueberwindung des Egoismus, welche, merkwürdig genug, in der Umschrift feines Geschlechtswappens: Non mihi sed aliis vorbedeutet ist. Ich verstehe darunter den Sieg über jene Vereinzelung in Staat, Religion und Wissenschaft, die den Bürger von Staat, den Volksstamm von der nationalen Gesammtheit, die Confession 7), den Lebensberuf, das Zeitalter von dem höhern politischen, sittlichen, geschichtlichen und wissenschaftlichen Ganzen absondert, welchem es ein- und untergeordnet ist.

Nach der praktischen Seite dieser sittlich geordneten Welt- und Lebensanschauung durfte Savigny von sich sagen: „Ich will gerne in meiner Wissenschaft die tiefere Einsicht und die vielseitigere Auffassung Anderer anerkennen, durch welche ich selbst ja nur gehoben und bereichert werden kann. Aber in ernster aufrichtiger Liebe zu meinem Vaterlande, in der Bereitschaft, ihm jedes Opfer der Selbstverläugnung zu bringen, will ich Keinem nachstehen, wer er auch sei.“

In intellectueller Richtung aber beruht auf eben jenem Ordnungssinn die universale Bedeutung Savigny's für die Rechtswissenschaft. Daß das classisch-römische Recht, aus dem Knechtsdienst gewerblicher Verwerthung erlöst und durch tieferes Verständniß erschlossen, für unsre juristische Technik geworden ist und immer mehr werden wird, was Platon und Aristoteles uns für die Speculation

70) Verm. Schriften 4, 291,,Und selbst für ein Gemeingut unserer Nation dürfen wir sie (die Universitäten) billig halten, so daß es irrig und tadelnswerth ist, wenn man zuweilen die Universitäten des hier beschriebenen Characters protestantische oder auch norddeutsche genannt hat. Achtung verdient die Vorliebe für jedes noch so specielle Vaterland; aber irrig und verderblich wird diese Vorliebe, wenn sie zum hochmüthigen Verkennen irgend eines Theils der Nation ausartet, in welcher uns Gott hat geboren werden lassen. Wahrlich, wir Deutsche haben am wenigsten Ursache, die Risse, welche in unsere Nation durch ihre besonderen Schicksale gekommen sind, durch eitle Anmaßung noch zu erweitern."

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Rudorff, Friedrich Carl von Savigny.

auf dem Rechtsgebiete bedeuten, daß ein praktisch lebendigerer Sinn unsere Wissenschaft und ein wissenschaftlicherer Geist unsere Rechtsanwendung und selbst unser Partikularrecht ergriffen hat, das danfen wir Savigny. Und wenn die kalte Vereinzelung der deutschen Stämme zu einem gemeinsamen nationalen Unternehmen, wie die Codification des bürgerlichen Rechts jemals den Mut, die Neigung, die Energie und, was die Hauptsache ist, dieselbe Fähigkeit erreichen sollte, wie er sie besaß, so ist er es gewesen, der durch Warnung gegen Uebereilung und durch Erziehung der Rechtswissenschaft die relative Tüchtigkeit eines solchen Nationalwerks gesichert hat.

Seines Gleichen werden wir nicht wieder sehen.

Möge die Höhe seines Sinnes und die Klarheit seines unermüdlichen Forschergeistes, durch vereinigte Kräfte Vieler fortführend was Eine Kraft begonnen hat, in seiner Wissenschaft fortleben, wie er begehrt und im Gedächtniß seines Volkes, zu dessen edelsten Zierden er zählt, wie er verdient hat.

Ueber die Lage des Comitiums und des prätorischen

Tribunals

mit einer Karte des römischen Forum 8

bon

Dr. Bernburg

in Halle.

Das römische Forum, einst als Mittelpunkt des Lebens des gewaltigsten Volks in unvergleichlicher Pracht mit Tempeln und Hallen geschmückt, ist heute eine öde und verwüstete Fläche; nur wenige Mauerreste und Säulen ragen zerstreut hervor, die der Gewalt der Jahrhunderte und der zerstörenderen Habsucht der Menschen widerstanden; selbst der Schmuck, den die Natur auch über das Grab zu legen weiß, ist durch theilweise Ausgrabungen geraubt.

Und doch welche gewaltige Anziehungskraft hat noch immer der Ort. Wir gedenken der Helden der Republik, der großen Juristen und Staatsmänner des Kaiserthums, die hier wandelten, und glauben ihnen näher zu treten. Aber auch die Arbeit des Gedankens wird herausgefordert, wenn wir suchen, uns die alte Gestalt und Ordnung der Fläche zu vergegenwärtigen. Da holt der Wanderer seinen Livius und Horaz, seinen Sueton und Martial hervor und verfolgt in ihren Werken die Spuren, die ihm klare Anschauungen über diesen merkwürdigen Ort gewähren können. —

Das Forum zerfiel bekanntlich in zwei Plähe, das Comitium und das Forum im engern Sinne.

Das Comitium war die uralte geweihte1) Stätte der ältesten römischen Volksversammlung der comitia curiata. Dort stand die curia Hostilia, das Staatsgebäude, noch aus der Königszeit stammend, angeblich von Tullus Hostilius herrührend2), in dessen unscheinbaren Räumen der Senat in den besten Zeiten des römischen Staatswesens tagte, darüber ein senaculum; ein offener Platz zur Vereinigung der Senatoren, ehe sie in die Curie eintraten und die Graecostasis, der Ort, auf dem die Gesandten fremder Völler sich aufstellten, wenn sie Audienz vom Senat erwarteten3) Vor der Curie erhoben sich die rostra, die Rednerbühne, prangend mit den Schiffschnäbeln der von den Antiaten erbeuteten Schiffe, umgeben mit Denkmälern und Statuen aller Art. Unfern das Tribunal des Prätors, wo auf weißer Wand (Album) die Bestimmungen des Edikts verzeichnet waren. Zahlreiche andere ehrwürdige Nationalheiligthümer des römischen Volks schmückten ringsum den Ort).

Kaum eine der auf die römische Topographie bezüglichen Fragen ist von gleicher Bedeutung, als die nach der Lage des Comitiums. Mit ihr wollen wir uns im Folgenden näher beschäftigen. Orientiren wir uns zuvörderst etwas näher über den Forumsplatz im Allgemeinen.

Derselbe senkt sich vom Palatin allmählig herab, bis dahin, wo sich der capitolinische Berg rasch und steil ansteigend über der Forumsfläche erhebt und deren Grenze bildet. Die Breite des Plates beträgt etwa 100 Fuß und darüber, seine Länge, wenn man vom Faustinentempel bis zum Bogen des Septimius Severus rechnet, 630 Fuß. Die Höhenverhältnisse characterisiren sich durch folgende Bestimmungen, die den bei Bunsen (I. S. 35) mitges

1) Daß das Comitium ein inaugurirter Ort war, wie Detlefffen in der sogleich anzuführenden Abhandlung S. 130 behauptet, ist gewiß richtig. Es spricht hierfür die Natur der Sache, die Analogie der comitia centuriata und Liv. V, 52. Ebendeshalb dürfen wir uns auch die Form quadratisch denken. Wenig aber entspricht die Annahme der Natur der Verhältnisse, daß die Curie selbst gerade auf dem inaugurirten Plaze gestanden habe. Ein entschiedenes Zeugniß dagegen giebt Varro bei Gellius XIV, 7. 7.

2) Varro 1. lat. V. 155 Cic. rep. II, 17. 31. Liv. I, 30 Aurel. Vict. vir. ill. IV.

3) Varro 1. c.

4) stehe Becker röm. Alt. I. S. 291.

theilten Angaben entnommen sind. Die sacra via, die vom Titusbogen und der Velia herab durch das Forum nach dem Capitolium führte, war über dem Meeresspiegel erhöht unter dem Titusbogen 89,5 Fuß, am Faustinentempel, dem Anfange des Forums, 52,5 Fuß, am untern Forum und der Phocassäule 36,5. Von da stieg sie auf dem Capitolinischen Hügel empor bis zur Höhe des Bergs, dessen Grundfläche ungefähr auf 150 Fuß über dem Meeresspiegel erhöht ist und dessen jezige höchste Spite, das Kreuz von Araceli, sich zur Höhe von 290 Fuß erhebt.

Nehmen wir, um einen Ueberblick zu gewinnen, das Colosseum und den Titusbogen im Rücken lassend, unsern Standpunct dort, wo zu unserer Linken der Palatin nach der Ebene zu abfällt. Von hier aus erstreckt sich das Forum in der Richtung nach Nordwesten zu, nach beiden Seiten hin allmählig sich erweiternd.

Uns gegenüber begrenzt der capitolinische Berg die Tiefe und giebt dem Fond den großartigsten Abschluß. Noch jezt erhebt sich dort ein weitläufiges Mauerwerk, dem wir den Namen des Tabulariums belassen wollen, ehrwürdig über den Plan. Die Ruinen von drei Tempeln sind darunter am Abhange sichtbar. In dem Tempel, der am capitolinischen Hügel am meisten nach links zu liegt, von dem acht jonische Säulen auf burgähnlicher Erhöhung sich erhalten haben, dürfen wir mit Bestimmtheit das Heiligthum des Saturns, das einstige aerarium populi Romani erblicken). Es bezeichnen die daneben stehenden drei corinthischen Säulen den einstigen Tempel Vespasians und weiter nach rechts erhebt sich das Gerüst des Concordientempels), einst der beliebte Versammlungsort des römischen Senats. In der Tiefe vor diesem Gebäude steht wohlerhalten der Bogen des Severs.

Die Längenseite zu unserer linken Hand, das Forum nach Südwesten zu begränzend, nimmt zuvörderst, noch am Palatin, die Kirche San Maria Liberatrice ein, ohne Zweifel an der Stelle des alten Vestatempels 7). Vor derselben, mit der Fronte dem

5) Bekanntlich diffentirt Becker Bd. I. S. 314. Aber Caninas Ansicht ergiebt sich vor Allem aus dem monumentum Ancyranum,,basilica Julia inter aedem Castoris et aedem Saturni“ und aus der Natur der Lage. Früher wurde der geräumige Platz benußt und der spätere Vespasianstempel mußte sich mit dem engen eingeschobenen begnügen.

6) Becker 1. c. S. 311.

7) Becker 1. c. S. 222 dann 344 n. 345.

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