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deutung von credere ist die allgemeine. Im Verkehre tritt ein Vertrauen auf die Ehrlichkeit Anderer namentlich hervor im Anvertrauen von Geld oder andern Sachen. Der Prätor fonnte da

her füglich unter der Rubrif de rebus creditis die Fälle der Realcontracte, die iudicia, bei denen es sich um Rückforderung anvertrauter Sachen handelte, zusammenfassen; den Interpreten des Edicts mußte dann aber daran liegen, eine Definition von credere aufzustellen, die so gut als möglich das jenem Geschäftsgebiete Charakteristische hervorhob. Auch hier bildet sich das Recht nicht dem Begriffe zu Liebe, sondern der Begriff wird von den Juristen erst abstrahirt, nachdem die unter ihm zu begreifenden Erscheinungen ins Leben getreten sind.

Daß das Plautinische credere, welches mit dem Ulpianischen in Correspondenz zu ziehn versucht wird, die ganz allgemeine Bedeutung unseres anvertrauen“ hat, zeigt auch ein flüchtiger Ueberblick über die bei Bekker zusammengebrachten Stellen. Da finden sich Kategorien wie:,,ut res item personae creduntur,",,potest aliquis se ipsum alteri credere",,nec minus verba et cogitationes credi possunt" ganz abgefehn davon, daß es zulezt heist:,,interdum credendi verbo et generalis magis vis est, vel certe ad quam speciem referendum sit, non liquet 168).

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Aber auch darauf will Bekker 164) die Klagbarkeit der Realcontracte stellen, daß „omnibus, quas producit poëta, personis persuasissimum esse videmus, nasci ex credito obligationem. Sunt qui negant se accepisse creditum vel abiurant etiam, alii qui creditum acceperunt aufugere videntur, sed nusquam in dubium vocatur accepto credito accipientem creditori obligari vel debitorem esse." Allein die Stellen, welche für

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schenke Glauben. So Leo Meher in Kuhns Zeitschr. für vergleichende Sprachforschung 1859 VIII, 280. Ebenso Kuhn in derselben Zeitschrift 1856 V, 382 und Lottner 1858 VII, 27.

163) An drei Stellen wird credere gebraucht vom Creditiren des Verfäufers Pseud. I, 3, 67 ff. Asin. II, 4, 30 ff. Pers, III, 3, 12. 27 f. V, 2, 8. Daß es sich im Persa um den Kaufpreis handelt, woran Bekker zweifelt, geht hervor aus III, 3, 20 f. 3n bemerken ist auch, daß schon von Creditiren des Geldes gesprochen wird, obwohl der leno die amica noch gar nicht hergegeben hat.

164) a. a. D. S. 24.

diese Behauptungen angeführt werden, beziehn sich einerseits meistens auf das creditum im engsten Sinne, ein empfangenes Darlehn, welchem auch wir von Alters her Klagbarkeit zuschreiben. Andererseits können ehrliche Leute zur Rückgabe anvertrauter Sachen sich wohl für verpflichtet halten, auch wenn sie nicht mit einer Contractsflage belangt werden könnnen, zumal sie auf an= derm Wege zur Restitution gezwungen werden können und risfiren müssen, im Falle der Unredlichkeit als Diebe behandelt zu werden. Wenn das Vorkommen des Wortes,,debere" einen Beweis gäbe für die Klagbarkeit der so bezeichneten Verbindlichkeit, dann würde Niemand an der Existenz einer actio venditi zu Plautus Zeit haben zweifeln dürfen; denn debere für das Schulden des Kaufpreises aus formlos erklärtem Consense kommt mehr als einmal vor. Unter die Gründe für meine Meinung bezüglich des Alters der Kaufklage habe ich diese Stellen 165) gar nicht aufnehmen zu dürfen geglaubt.

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Das Resultat unsrer gesammten Erörterungen, daß ein Theil der bonae fidei iudicia, nämlich die Consensualcontracte schon zu Plautus Zeit mit Contractsflagen geltend zu machende Obligationen erzeugten wie stellt es sich zu dem, was wir von der Gestaltung des römischen Processes um den Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr. wissen oder vermuthen können? Obwohl diese Frage schon außerhalb unserer Aufgabe liegt, so mag es doch verstattet sein, über diesen Punct unsere Ansicht kurz auszusprechen.

Kellers 166) Meinung, daß das Organ der späteren bonae fidei iudicia zur Legisactionenzeit die legis actio per iudicis arbitrive postulationem gewesen sei, hat Widerspruch 167) gefunden und unseres Erachtens wohl begründeten. Zwei sichere Anhaltspunkte scheinen sich dafür zu finden, daß jene iudicia fich vielmehr anschließen an die legis actio per condictionem. Einmal die Stellung der actiones bonae fidei in der Pandectenordnung und zweitens die Notiz bei Gaius IV, 33168). So wenig Bestimmtes

165) Most. III, 3, 16. IV, 3, 27. Truc. III, 1, 4 ff. Pseud. I, 3, 139. 166) R. CP. §. 17.

167) Bekker, Heidelb. krit. Zeitschr. I, S. 442 ff.

168) Nulla autem formula ad condictionis fictionem exprimitur: sive enim pecuniam sive rem aliquam certam debitam nobis petamus, eam ipsam dari nobis oportere intendimus; nec ullam adiungimus condictio

und Sicheres wir über diese legis actio wiffen, so führt doch dies Wenige alles darauf, daß sie sich dem späteren Verfahren per formulas annäherte-169). Mag man annehmen, daß eine Sponfion die richterliche Cognition vermittelte, oder daß die Formgebung für den Rechtsstreit schon in einer Anweisung an den Richter bestand jedenfalls mochte sich frühzeitig der Kern der Sache aus der solennen Form herausschälen. Fand aber einmal der Gedanke der Formel innerhalb des Verfahrens per condictionem Anwendung, so konnte dann dies lettere, die eigentliche Legisactionensolennität immer noch auf dem Gebiete der lex Silia und Calpurnia in Anwendung bleiben, daneben aber konnte eine andere Formel, nämlich die auf quidquid dare facere oportet gerichtete, Eingang finden, welche von vorn herein von jener Solennität frei sich doch an die legis actio per condictionem wie in ihrer Entstehung so auch in der Aufzeichnung des Edicts anschloß 170). Das war die condictio incerti, so genannt wegen dieses Anschlusses, andererseits aber der condictio certi entgegengestellt als actio ex stipulatu u. s. m. Für das Zurückreichen dieser Intention in die Legisactionenzeit spricht, daß die durch condictio incerti geschüßten Verhältnisse, ein „,quod A. A. de N°. No. incertum stipulatus est" oder „,quod Annii testamento A°.A°. incertum legatum est"- doch schwerlich erst nach der lex Aebutia flagbar geworden sind. Ein Hineinragen des Verfahrens durch concepta verba in die Legisactionenperiode, eine Anwendung der Formel auf anfangs beschränktem, immer mehr sich erweiterndem Gebiete schon bebor ,,omnis illa antiquitas lege Aebutia lata consopita est" ist doch ganz unbedenklich, oder vielmehr, da solche Dinge nicht über Nacht erfunden werden sicher anzunehmen. Wo aber einmal geklagt werden konnte auf „,quidquid dare fierive oportet", da war dann die Inserirung des „,ex bona fide" oder wie die Bezeichnung ursprünglich gelautet haben mag ein kleiner Schritt. Daß in dieser Weise ein Stück Formular

nis fictionem; itque simul intellegimus eas formulas quibus pecuniam aut rem aliquam nobis dari oportere intendimus, sua vi ac potestate valere; eiusdem naturae sunt actiones commodati, fiduciae, negotiorum gestorum et aliae innumerabiles. übrigens über diese Stelle meine Rechtsfiction S. 50 ff.

Vrgl.

169) Keller §. 18 S. 74. Bekker, proceffualische Consumption S. 32. 170) Anderer Meinung Rudorff, R. R.G. II S. 148.

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Demelius, plautinische Studien.

verfahren schon zu Plautus Zeit bestand, dagegen könnte es auch keinen Beweis machen, wenn, wie Bekker behauptet 171), alle processualischen Notizen, die sich bei unserm Dichter finden, nur auf das lege agi hinweisen sollten, da ja keineswegs geläugnet wird, daß dieses lettere Verfahren im Ganzen noch in voller Anwendung bestand.

Nach unserer Auffassung erledigt sich auch der Einwand 172), daß wir nicht annehmen dürften, daß über einen Anspruch, der auf keinem Geseze beruhte sine lege iudicia - lege agirt werden konnte; wir brauchen dies eben nicht anzunehmen. Ebenso wenig wird behauptet, daß die bonae fidei iudicia uralt seien. Es handelt sich nur um Abwehr gegen die gegnerische Behauptung, daß die Annahme klagbarer Consensualcontracte bei Plautus unmöglich sei vom Standpunkte der Geschichte des Processes. Uebrigens würde auch jeder derartige Einwand sich schon beseitigen lassen durch den Hinweis darauf, daß unsere Kenntniß des alten Processes, namentlich des Uebergangs des Legisactionen- ins Formularverfahren so unsicher und lückenhaft ist, daß wir weit eher Ursache haben, von andern rechtsgeschichtlichen Thatsachen auf den Proceß zu schließen, als umgekehrt.

171) Heidelb. krit. Ztschr. I S. 443.

172) Bekker a. a. D. S. 444. Dernburg ebendaselbst S. 471.

Anmerkung.

Nachdem dieser Aufsatz schon mehrere Monate in den Händen der Redaction ist, kommt mir Voigts Buch über die condictiones ob causam zu, und ich sehe, daß V. in §. 41 mit mir über die Unerweislichkeit der be, kämpften Bekkerschen Behauptung übereinstimmt und theilweise auch in der Argumentation. Das dürfte indeffen auch die betreffende einzelne Partie meiner Arbeit nicht um ihre Berechtigung bringen.

Zur Lehre von den in factum actiones.

Von

Herrn Dr. August Thon in Weimar.

§. 1.

Erst seit Auffindung des Gaius sind uns die mannichfachen Formen der vom Prätor zur Ueberweisung an ein judicium verliehenen Klaggebilde und namentlich die Eintheilung derselben in formulae in jus und in factum conceptae bekannt geworden. Und bis jetzt hat man sich damit begnügt, in Anschluß an die Worte des Gaius die äußeren bezeichnenden Merkmale beider Klagarten zu fixiren und hat nur hin und wieder, durch unmittelbare Zeugnisse der Quellen1) veranlaßt, auch in materieller Beziehung einige unterscheidende Momente von geringerer Bedeutung zwischen beiden anerkannt: daß aber zwischen den beiden genannten Klagarten nicht bloß ihrer rechtlichen Basis nach, und der daraus sich ergebenden äußeren Gestaltung, sondern auch, wieder in Folge dieser äußeren Form, in Betreff der processualischen Behandlung des materiellen Rechtes die größten Verschiedenheiten bestanden, und daß jede dieser Klagarten in Bezug auf diesen letteren Punkt eine eigene und selbstständige Theorie erfordere, ist bis jezt unseres Erachtens noch nicht scharf genug berücksichtigt worden. Es ist nun der Zweck dieses Aufsages, in einer Beziehung die Verschiedenheit der processualischen Gestaltung des materiellen Rechtes in den formulae in jus und in factum conceptae nachzuweisen.

1) 3. B. l. 13 de O. et A. 44, 7; siehe unten §. 5.

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