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Hendecasyllabus (~

~~_~_)), den er sehr frei behandelt. Daneben finden sich iambische Trimeter und sogenannte spottende Hinkjamben (Choliamben), die auf einen Trochäus statt des Iambus enden. In eigentlich lyrischen Versmassen hat Catull sich nur ein paarmal fast schüchtern versucht. Einmal finden wir bei ihm schon das sogenannte grössere Asklepiadeische Mass (vgl. unten Versmass III), worin er, abweichend von den Griechen, den Spondeus als Einschnitt sich zum Gesetze machte, ein Gesetz, das Horaz sich auch sonst auflegte, aber auf den Einschnitt (diaeresis) nach jedem Choriambus hielt er nicht so genau, wie später Horaz. Zweimal hat er in Strophen aus drei oder vier Glykonischen Versen mit einem schliessenden Pherekrateischen gedichtet, die Horaz nicht kennt. Auch die Sapphische Strophe hat er zweimal versucht; eines dieser Gedichte ist gerade nur eine Nachbildung einer Ode der Sappho.

Auch Horaz ging, wie Catull, von der Darstellung einzelner Stimmungen, Aufregungen und Verhältnisse aus. Einen besondern Hang dürfte er zur Verspottung gehabt haben, und er wird sich in seinen Jugenddichtungen vom raschen Flusse seines lebhaft erregten Gefühls haben hinreissen lassen. Aber in Folge seiner liebevollen Beschäftigung mit den Griechischen Dichtern wir wissen, dass er auch eine Zeit lang sich in Griechischen Gedichten versuchte stellte er sich selbst bald strengere Forderungen, und so wird er von seinen frühesten Gedichten viele, wenn nicht alle, verworfen haben. Es drängte ihn in bezeichnender Kraft, leichtem Flusse und fasslicher Einheit des die Form sich schaffenden Gefühls den Archilochos, den berühmten Lyriker und besonders Spottdichter von Paros, zu erreichen. Der Ernst des Lebens, der ihn früh ergriff, gab seiner Dichtung bald einen tiefern Gehalt, und mit diesem steigerten sich auch die Anforderungen an die Form, da ihm, nachdem er der geträumten Wiederherstellung der Freiheit hatte entsagen müssen, in einer vollendetern, Griechische Schönheit mit Römischem Wesen vereinenden Dichtung ein würdiger Gegenstand seines Strebens aufgegangen war. Mochte ihm zunächst, da ihn die staatlichen Zustände schmerzlich berührten, die lyrische Dichtung verleidet sein, als er aber in der Satire sich über

1) Mit einem Kreuze bezeichnen wir immer den Einschnitt, die Basis des Verses, die ein Trochaeus, Spondeus oder Iambus sein kann.

seinen Vorgänger Lucilius zu einer vollendeten, vom Beifalle der Besten begrüssten ganz neuen Form emporgeschwungen, als er sich überzeugt hatte, dass nur durch Unterstützung des Octavian das Heil des Staates gefördert werden könne, da entschloss er sich, dem Doppelgestirn von Lesbos, dem Alkäos und der Sappho, der höchsten Vollendung der Griechischen Liederkunst, kühn nachzuringen und die von ihnen gewagten Weisen zu versuchen. Hierzu befähigten ihn künstlerischer Sinn, eigenthümliche Beherrschung der Sprache, Wärme und Reinheit des Gefühls, edle Vaterlandsliebe und sinnige Lebensweisheit, die seiner Dichtung ihren Gehalt gaben. Horaz ging offenbar von der Nachahmung des Alkäos und der Sappho aus, ja einzelne seiner erhaltenen Oden beginnen noch mit freien Uebersetzungen jener, aber immer mehr befreite er sich von dieser Fessel und schuf sich seine eigenthümliche, Kraft mit Anmuth, Gehalt mit Kunstvollendung verbindende Dichtung. Freilich die Glut der Liebe, wie sie in den Liedern der Sappho und des Alkäos weht, erreichte er nicht, aber doch fühlen wir uns häufig von der frischen Darstellung der Leidenschaft oder der Zustände der Liebenden selbst da bewegt, wo kein wirkliches Liebesverhältniss zu Grunde liegt. Zuweilen stehen die dargestellten Verhältnisse unsern Anschauungen auch zu fern. Dem Wesen des Horaz entsprechen am meisten die Gedichte, wo er die Lehren seiner im behaglichen Genusse und zufriedener Beschränkung beruhenden Lebensweisheit auszusprechen sich gedrungen fühlt. Aber auch im höhern Schwunge versucht er sich mit Glück, besonders in den politischen, auf die Erhebung des Augustus und der Römischen Grösse gerichteten Oden, wenn ihm auch freilich zuweilen die Kraft versagt oder er sich überspannt. Hier ist ihm auch Pindar, von dessen Versmassen er sich fern hält, oft Muster gewesen, besonders in den mythischen Ausführungen, worin er sich ergeht. Auch da, wo er das Bewusstsein des errungenen Dichterruhms ausspricht, ist Horaz meist sehr glücklich, da ihn dieses Gefühl mächtig erfüllt. Den Höhepunkt seiner Odendichtung bildet das dritte, auch im Versmasse vollendetste Buch.

Wenden wir uns zu den Vers massen, so haben wir hier die in gleichen Versen, die distichischen, aus zwei wiederholten, und die vier versigen zu unterscheiden, neben denen nur einmal ein System aus denselben Vers

füssen ( ouoiwv) erscheint. Die alten Lateinischen Grammatiker bezeichnen die erstern durch μovóxwλos, die zweiten. durch δίκωλος, die vierversigen Strophen durch τετράκωλος. Erst später finden sich dafür in den Handschriften ganz missbräuchlich μονόστροφος, δίστροφος, τετράστροφος (es misste wenigstens μovóotixos u. s. w. heissen), und werden dann dixwλos und Toixwlos daneben zur Bezeichnung gebraucht, wie viele Arten von Versen in dem Gedichte sich finden. Noch neuer als diese willkürliche Bezeichnung ist die Benennung mancher Versarten, wie die Unterscheidung mehrerer Asklepiadeischer und Archilochischer Versmasse nach Zahlen, als erstes, zweites u. s. w. Fast die Hälfte der von Horaz angewandten Versmasse (V. VII-XII. XIV. XVI) scheint er erfunden zu haben; von diesen hat er drei (VII. X. XI) nur in den Epoden, eines (VIII) in diesen und im ersten Buche, zwei (XII. XIV) im ersten und zweiten, eines (V) im ersten, dritten und vierten, eines (IX) nur im vierten Buche. In den 17 Epoden braucht Horaz 7, in den 38 Oden des ersten Buches 10 Versmasse, wozu im zweiten noch ein eilftes hinzutritt, in den 30 des dritten 7, worunter ein neues (12), in den 15 des vierten 7, worunter ein neues (7). Von den Versmassen der beiden ersten Bücher wendet er im dritten fünf, im vierten vier gar nicht an.

A) Masse aus gleichen Versen.

I. Iambischer Trimeter.

Unter den vorhandenen Horazischen Oden ist nur Epode 17 in diesem von Archilochos mit besonderer Gewalt verwandten scharf eindringenden Verse (vgl. A. P. 79) gedichtet. Wenn Catull den Iambus mit Ausnahme eines Gedichts und eines Verses eines andern ganz rein hat, so lässt Horaz dagegen an den ungleichen Stellen mit den Griechischen Dichtern den Spondeus unbedenklich eintreten. Den bei jenen häufigen Tribrachys hat er nur in vier Versen (in einem zweimal, in einem zugleich mit dem Dactylus) im zweiten und vierten Fusse. Die Griechen, gestatten sich den Dactylus im ersten und dritten, den Anapästen nur im ersten Fusse. Letztern hat Horaz nie, den Dactylus nur viermal, im ersten und dritten Fusse, und zwar zweimal in Eigennamen. Das Gesetz der Griechischen Dichter, bei iambischen Versen, wenn sie auf einen Creticus aus

lauten, dem kein einsilbiges Wort vorhergeht, sich im fünften Fusse nie den Spondeus zu gestatten, hat Horaz mit Ausnahme des Falles einer Elision (12) beobachtet. Im Gegensatze zu dem hier freiern Catull ist die Cäsur regelmässig im dritten, nur dreimal im vierten Fusse.

II. Erstes Asklepiadeisches Mass,

von den Grammatikern entweder bloss Asklepiadeisches oder zwölffüssiges oder choriambisches Asklepiadeisches oder Phaläkisches (von einem Dichter Phaläkos) Mass genannt. Den vom spätern lyrischen Dichter Asklepiades hergenommenen Namen Asklepiadeus legen die Grammatiker allen Versmassen bei, worin der sogenannte Asklepiadeische, aber schon von Alkäos allein, ähnlich wie von Horaz, gebrauchte Vers vorkommt, der also gebildet wird:

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I, 1. III, 30. IV, 8. Die erste Hälfte des Verses besteht aus dem Einschritt, der Basis, und einem Choriambus, die zweite aus einem Dactylus mit einem sogenannten logaoedischen Schlusse, einer katalektischen, d. h. um eine Silbe kürzern 1), trochäischen Dipodie. Horaz braucht als Einschritt, wie Catull beim grössern Asklepiadeischen Masse (vgl. III), stets den Spondeus, während die Griechischen Dichter auch den Trochäus zulassen. Den Einschnitt nach dem Choriambus verletzt er nur einmal (IV, 8, 17). Der Vers bezeichnet ernste Würde.

III. Grösseres Asklepiadeisches Mass,

von den Griechen als sechszehnfüssiges Sapphisches oder als Alkäisches Mass, von den Römern ebenso oder als Phaläkisch, Archilochisch, choriambisch Asklepiadeisch bezeichnet.

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I, 11. 18. IV, 10. Die erste Hälfte ist um einen Choriambus länger. Die Basis ist auch hier bei Horaz immer, wie bei Catull, der einmal unser Versmass braucht, abweichend von den Griechen, ein Spondeus. Auch hat der Dichter den Vers gegen die Griechen und Catull dadurch gehoben, dass er einen Einschnitt nach jedem Choriambus, mit Ausnahme von I, 18,

1) Karáλnšis heisst eigentlich Pause, und eine wirkliche metrische Pause ist es auch, wenn der Vers statt bloss - hat, das wohl zu unterscheiden vom Dactylus mit dem Creticus.

Düntzer, Horatius Flaccus.

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16 im Compositum perlucidior, eintreten lässt. Man hat neuerd ngs die Gedichte dieser beiden Masse als vierstrophische Verse messen wollen, da sie mit Ausnahme von IV, 8, sich in solche zerlegen lassen. Freilich hatte Sappho ihr drittes Buch in grössern Asklepiadeischen Versen (vgl. III) in der Weise gedichtet, dass je zwei Verse immer durch eine starke Interpunction von einander geschieden waren, und ähnlich bestand ihr zweites Buch in Distichen aus gleichen Versen, aber bei Horaz fehlt gerade das, was bei Sappho das Zeichen der Zusammengehörigkeit von je zwei Versen bildet, die regelmässig zwischentretende Interpunction. Strophen aus vier gleichen Versen, die nicht einmal die Interpunction scheidet, sind ein Unding. Die Lateinischen Grammatiker bezeichnen die Oden dieser Versmasse als μονόκωλος.

B) Distichische Masse. 2)

IV. Trimeter mit folgendem Dimeter,

das Versmass der lebhaft bewegten indoi des Archilochos.

Ե

Epode 1-10. Im Trimeter hat Horaz den Dactylus im zweiten und dritten, selten im ersten Fusse, während die Griechen ihn nur im ersten und dritten dulden; den bei jenen häufig im ersten Fusse erscheinenden Anapästen finden wir bei ihm nur 2, 35 und 65. Der Dimeter hat nur einmal den Tribrachys (2, 62), zweimal den Dactylus am Anfange im Namen der Canidia (3, 8. 5, 48). Mehrere Epoden (4. 6. 8. 9) haben keinen der dreisilbigen Füsse. Das Gesetz der Griechischen Dichter in Bezug auf den Spondeus im vorletzten Fusse (vgl. zu I) hat Horaz absichtlich nicht befolgt. Die Cäsur zeigt der Trimeter gewöhnlich im dritten, viel seltener im vierten Fusse. Völlig fehlt sie 1, 19, wie auch im Trimeter des dritten Archilochischen Masses Epode 11, 15. Vgl. auch Epode 16, 8. V. Zweites Asklepiadeisches Mass,

von den Lateinischen Grammatikern einfach Asklepiadeisch genannt oder, weil von Horaz erfunden, als Horazisch bezeichnet.

2) Man hat auch diese, mit Ausnahme der Versmasse der Epoden, in Strophen von vier Versen zerlegen wollen, weil alle Gedichte dieser Masse eine durch vier aufgehende Verszahl haben; allein dieser Annahnie widerspricht nicht nur der Mangel einer regelmässigen Innehaltung des Endes der Strophen durch die Interpunction, sondern auch der innere Widerspruch, der in der Bildung von Strophen aus Distichen liegt.

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