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lage der Betrachtungen zu bilden haben, als dass er sich auf methodische Erörterungen einlässt, warum hier diese oder jene Kategorie von Erscheinungen zur Sprache gebracht werden müsse. So finden sich hier denn zahlreiche Begriffsdefinitionen, die man sonst vergeblich sucht, insbesondere in dem Abschnitt über die ,,politische Geographie", wo u. A. die Statistik noch mit der Staatenkunde identificirt wird. Diess entspricht nun freilich nicht mehr unsern heutigen Anschauungen, nach denen die Statistik ein weit grösseres Feld in der Darstellung der grossen Gesetze, welche das Gesellschaftsleben der Menschen regeln, gefunden hat, dennoch muss die systematische Behandlung des Gegenstandes von Seiten Wappaeus' in jener allgemeinen Geographie noch heute als höchst instructiv, vieles Neue bietend, aufgefasst werden. Sie kann zugleich als ein trefflicher Commentar zu dem Programm angesehen werden, nach welchem er selbst seine Einzelbände verfasste und seine Mitarbeiter sich zu richten hatten. Es ist diess an Reichhaltigkeit und zweckmässiger Auswahl bisher von keiner Staatenkunde überboten worden. Bei einer Mitarbeiterschaft von 13 Gelehrten wird man Wappaeus für einzelne Ungleichheiten nicht verantwortlich machen können, weil, so glücklich er auch bei der Auswahl und Gewinnung derselben war, doch keiner unter ihnen wie der Herausgeber selbst Geograph und Statistiker zugleich war. diesen Umständen haben die geographischen Abschnitte der Länder Europa's mehr gelitten als die statistischen, und die Darstellung Frankreichs, Italiens, Deutschlands in geographischer Hinsicht steht bedeutend gegen diejenige Amerika's, oder auch Spaniens, Englands, Skandinaviens zurück.

Unter

Bei weitem die werthvollsten Theile sind die drei starken Bände über Amerika, an denen Wappaeus, wenn auch mit Unterbrechung, doch mehr als zwanzig Jahre mit eisernem Fleisse gearbeitet hat. Er gelangte im Laufe dieser Jahre zu einer immer tiefern Erfassung seines Stoffes, und da gleichzeitig die Arbeitskraft Carl Ritter's auf die Neige ging und keine Hoffnung mehr blieb, dass dessen Erdkunde auch dereinst noch die neue Welt mit umfassen werde, so ward er unwillkürlich, wie er selbst sagt 1), immer mehr dazu gedrängt, den ursprünglichen Zweck einer blossen politischen Geographie durch einen höhern Gesichtspunkt, für welchen ihm Ritter's Asien vorschwebte, zu ersetzen. Somit hat Wappaeus hier ein Werk geschaffen, das, wenn auch für Nordamerika vielfach veraltet, sich in den übrigen Theilen noch lange auf der Höhe halten, für immer aber eine höchst wichtige Grundlage geographischer wie statistischer Studien über Mittel- und Südamerika bilden wird. Ein Jeder, der sich einmal in diese Bände versenkt und zugleich einigermaassen in die hier verwerthete Originalliteratur geblickt hat, muss staunen über die grossartige Arbeitskraft und das Geschick, mit dem er uns schliesslich doch ansprechende und übersichtliche Bilder über fast alle geographischen Seiten der dargestellten Länder entworfen hat. Dasselbe gilt eben so von dem gesammten statistischen Material, das in Südamerika oft in der abstrusesten Form publicirt wird, hier aber kritisch gesichtet, verarbeitet, durchgeistigt und nach bestimmten Gesichtspunkten geglie

1) Gött. Gel. Anzeigen 1871, S. 1007. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1880, Heft III.

dert uns vorgeführt wird. In zahllosen Fällen vermittelt es uns erst das Verständniss der officiellen Tabellenfolianten. Aber indem hier stets bis in die Anfangsperioden statistischer Erhebungen zurückgegriffen wird, erhalten wir Einblick in die Entwickelung der einzelnen Staatengebilde, die weit instructiver sind, als die Zifferngemälde in allermodernsten Farben, wie sie uns in buntester Mannigfaltigkeit, ohne Licht und Schatten, ohne Markirung des eigentlich Wichtigen und Typischen vorgeführt werden unverstandene Zahlenhaufen, denen die Handelsmarke „,nach den neuesten officiellen Erhebungen" nicht zu fehlen pflegt. Wird man, wenn man dieses Alles erwägt, dieses Handbuch von Amerika noch mit dem in wissenschaftlichen Kreisen misscreditirten Namen einer Compilation belegen, wie es doch wirklich mehr als ein Mal geschehen? Freilich, wer liest denn solche,,zum Nachschlagen" geeigneten Werke? Die Meisten blicken hinein nach einem einzelnen Stichwort suchend und schliessen ihr Urtheil damit als ein günstiges oder ungünstiges ab, je nachdem sie das Buch in jenem Momente orientirt hat oder nicht. So bestimmt in zahllosen Fällen bei dem grössern Publikum die Form das Schicksal der Bücher! Da nun aber die statistischen Daten so rasch durch neue ersetzt zu werden pflegen, so kommt bei diesem geographisch-statistischen Handbuch auch noch der Fluch des Veraltens hinzu, um so viel früher, als es verdient, in den Hintergrund geschoben zu werden. Eben deshalb wollen wir hier seinen bleibenden Werth noch ein Mal kräftig betonen!

Neben der Abfassung dieses Werkes gingen aber seit Jahren statistische Arbeiten nebenher. Zu der Nöthigung, Vorlesungen über allgemeine Statistik und insbesondere Bevölkerungsstatistik zu halten, trat eine äussere Veranlassung, sich noch eingehender mit dieser Frage zu beschäftigen durch die Theilnahme an den statistischen Congressen als officielles Mitglied der hannoverschen Regierung. Für ihr Zustandekommen und ihre weitere Entwickelung interessirte sich Wappaeus aufs Lebhafteste, und bald nach den ersten Zusammenkünften trat er mit einem zweibändigen Werke, Vorlesungen über allgemeine Bevölkerungsstatistik1), hervor, das sofort die allgemeinste Anerkennung und Verbreitung fand. Diesen durchschlagenden Erfolg verdankte dasselbe nicht nur dem reichen wissenschaftlichen Material, welches hier niedergelegt ward, sondern auch der ansprechenden, wohldurchdachten Anordnung des Stoffes, der klaren Darlegung der bisher gewonnenen Gesetze, unter denen gar Manche von ihm selbst zuerst aufgestellt sind. Es ist zugleich das am besten geschriebene seiner Werke, das für viele Untersuchungen doch noch immer grundlegend ist, wenn auch selbstverständlich die Methoden seit jener Zeit vielfach ganz andere geworden und das seit zwanzig Jahren zu Tage geförderte Material einzelne Behauptungen. zu modificiren oder umzustossen geeignet ist. Längst ist dieses Werk vergriffen und zahllos sind die Nachfragen. bei Wappaeus gewesen, ob er es nicht in neuer Auflage erscheinen lassen wolle. Gern wäre er diesem Wunsche nachgekommen, wenn Zeit und Kräfte ausgereicht hätten. Was aber die Herausgabe eines solchen statistischen Werkes mit seinen Tausenden von Verhältnisszahlen für einen

1) Leipzig, Band I. 1859. Band II. 1861.

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Privatstatistiker, dem nicht eine Schaar von Calculatoren wie den Vorständen statistischer Bureaux zur Disposition steht, heisst, vermögen vielleicht nur wenige Gelehrte aus andern Gebieten ihm nachzufühlen, die Statistiker von Fach ganz sicher, und unter diesen hat sich Wappaeus durch jenes Werk einen ausgezeichneten Namen erworben, weit über Deutschlands Grenzen hinaus. Es wäre im höchsten Grade zu wünschen, dass eine jüngere Kraft sich jenes Werkes von Neuem annähme. Welch' dankbare Aufgabe, neben der nicht wegzuleugnenden Mühe, die einzelnen Gesetze über Dichtigkeit der Bevölkerung, Bewegung derselben, über Alter, Geschlecht, Civilstand &c. an der Hand der statistischen Erhebungen der letzten 25 Jahre neu zu prüfen !

Es lässt sich nicht verschweigen, dass unserm Freunde die Arbeiten an der Statistik durch die Ereignisse des Jahres 1866 nicht wenig verleidet wurden. Wie er bis zuletzt an dem Glauben festhielt, dass die Georgia Augusta den Übergang zu einer ,,Preussischen Provinzialuniversität" nicht werde ertragen können '), trotzdem alsbald die Zahl der Studenten von 700 auf 1000 stieg und die Universalität des akademischen Publicums gegen früher keineswegs abnahm, so schmerzte ihn auch, dass Hannover fortan keinen eigenen Vertreter mehr zu den statistischen Congressen zu senden hatte. Nachdem aber Wappaeus eine Privatbibliothek von mehr als 12000 Bänden hinterlassen hat, kann ich mich kaum dem Glauben hingeben, dass er durch jene Ereignisse in der Mittheilung statistischen. Quellenmaterials beeinträchtigt worden sei. Dazu war sein Name einerseits jenseit des Oceans, andrerseits unter den europäischen Statistikern bereits zu bekannt; von allen Seiten flossen ihm daher jene Werke zu, die man selten in Privatbibliotheken findet. Durch Übertragung des Consulats der Republik Chile und durch die Ernennung zum Mitglied vieler auswärtigen Gesellschaften fand diess Vertrauen in den fraglichen Kreisen sichtbaren Ausdruck.

Wir haben in Obigem des Werkes gedacht, in dem er auch der Form die nöthige Sorgfalt angedeihen liess. Nicht immer legte sich Wappaeus im Stil jenen Zwang auf, der anmuthet. Die endlose Aneinanderreihung immer neuer Zusätze zu einem einzigen Vordersatz ist eine Eigenthümlichkeit, die sich nicht erst im Alter ausbildete. Dieselbe tritt schon vor vierzig Jahren hervor und Jeder, welcher diese Ausspinnung von Sätzen kennt, würde nicht in Zweifel sein über die Autorschaft eines anonym geschriebenen Artikels aus dem Jahre 1843, in welchem er warm für Aufnahme der wissenschaftlichen Erdkunde unter die akademischen Lehrfächer plaidirt 2).

Im Anschluss an diese sei uns noch ein Wort über seine Auffassung der vergleichenden Erdkunde und seine akademische Wirksamkeit gestattet.

Die vorherbezeichneten Werke waren nicht geeignet, sich ausführlicher über das Wesen der Erdkunde oder über seinen Standpunkt Carl Ritter gegenüber auszulassen. Auch herrschte in den vierziger und funfziger Jahren kaum eine

1) Vergl. Gött. Gel. Anzeigen 1871. Stück 26, S. 1006 u. A. 2) Literarische Zeitung, Berlin 1844, No. 4. Ein Wort über einige sogenannte Anforderungen der Zeit an unsere Universitäten und eine Ansicht über die Bedeutung und Aufgabe der wissenschaftlichen Erdkunde als akademische Disciplin."

ernsthafte Controverse darüber, dass Ritter's Auffassung die allein richtige sei, wenn man eine wissenschaftliche Erdkunde der sogenannten Compendiengeographie gegenüberstellen wollte. Erst Peschel gebührt bekanntlich das Verdienst, die Frage über die Berechtigung auch anderer Auffassungen von Neuem angeregt zu haben, da die grosse Menge der geographischen Forscher und Schriftsteller jener Jahrzehnte durch Einsammlung zahlloser neuer Beobachtungen auf allen Gebieten der physischen Erdkunde, insbesondere durch Registrirung der neuen Entdeckungen in Anspruch genommen, überhaupt keine Veranlassung fanden, Stellung zu der Ritter'schen Erdkunde zu nehmen. Allgemein ward freilich Ritter's Name stets mit grösster Achtung genannt, aber von dem Kreise der Historiker abgesehen, kannte man ihn in seiner Eigenart wenig. „Den wenigen Vertretern der Ritter'schen Schule auf unsern Universitäten", klagt Wappaeus noch im vergangenen Jahre, ,,ist es nicht einmal gelungen, während der langen Zeit, die seit seinem Tode vergangen, die Grundsätze seiner Schule auch nur zur allgemeinen Kenntniss zu bringen in den betheiligten Kreisen. Wenn man daher die gegenwärtigen Bearbeitungen der Geographie betrachtet, so sieht man, dass sie zumeist in gar keinem Zusammenhang stehen mit den Arbeiten des Begründers der vergleichenden Erdkunde" ).

Wenn wir nun fragen, was Wappaeus selbst zu jener Verbreitung Ritter'scher Ideen gethan, so kann das schriftliche Mittel, dessen er sich bediente, allerdings kaum als ein geeignetes angesehen werden. Seine grossen Werke gaben, wie wir sahen, nur theilweis und indirect Veranlassung, auch formell die Ritter'sche Auffassung, die den Menschen in den Mittelpunkt geographischer Betrachtungen stellt, auf die von Wappaeus dargestellten Gebiete zu übertragen. Zur Ausserung über die methodischen Gesichtspunkte hat er daneben ausschliesslich ein Organ benutzt, das nie über den engsten Kreis von Fachgelehrten hinausgegangen ist und, da es sich dabei zunächst nur um Besprechung und Recension wissenschaftlicher Werke handelt, allgemeinen Betrachtungen einen um SO beschränkteren Leserkreis verschafft. Es sind diess die Göttinger Gelehrten Anzeigen, die Wappaeus selbst von 1848-1863 und dann wieder von 1874 bis zu seinem Tode redigirte. In den meisten Fällen treten seine für uns interessanten methodischen Erörterungen in Form von Abschweifungen, seitenlangen Anmerkungen, untermischt mit mancherlei persönlichen Notizen bei Gelegenheit von Besprechungen auf, deren Grundlage ihrem Titel nach oft auch nicht im Entferntesten vermuthen lässt, dass man hier wichtige methodische Gesichtspunkte entwickelt sieht. So muss man leider behaupten, dass in den zahllosen eingehenden Anzeigen, die Wappaeus im Laufe der Jahre dort niedergelegt hat, viele höchst wichtige Bemerkungen geradezu vergraben sind, und wer nicht jene dickleibigen kleinen Bände schon seit Jahren verfolgt hat, sich der Mühe eines Goldgräbers hingeben muss, wenn er die Weisheitskörner heraussuchen will. Im Allgemeinen sei daher nur so viel bemerkt, dass Wappaeus sich bis zuletzt streng an alle Ritter'schen Anschauungen gehalten hat und für diese den Namen der

1) Gött. Gel. Anzeigen 1879. Stück 27, S. 844.

vergleichenden Erdkunde nicht aufgeben wollte. Den Ausführungen Peschel's und seiner Nachfolger, die jene lediglich auf die Aufgabe morphologische Gesetze in der Bildung der Erdoberfläche zu entdecken beschränkt wissen wollten, trat er aufs Entschiedenste entgegen. Meines Erachtens hat er sich in diesem Puncte aber nicht immer genügend in den Gedanken der Gegner versenkt. Doch nahm er bis zuletzt lebhaften Antheil an der Weiterentwickelung methodischer Grundfragen, je mehr er erkannte, dass er so vereinzelt nicht stehe, wie es manchmal schien 1).

Als akademischer Lehrer litt Wappaeus zuerst schwer an der Ungunst der Verhältnisse, die geographische Studien trotz der Erfolge eines Ritter's damals an andern Universitäten nicht aufkommen liessen. Erst 1840 erscheinen die Ankündigungen in den Lectionscatalogen und, wenn man die Jahrgänge derselben überblickt, so muss aus dem Umstand, dass er oft viele Semester hindurch dieselbe Vorlesung ankündigt, geschlossen werden, dass er sie nur selten zu Stande brachte 2). Insbesondere ist seine Wirksamkeit für die Vorbildung geographischer Fachlehrer eine geringe gewesen, denn er selbst klagt, dass sich vor seiner Ernennung zum Mitglied der Prüfungscommission für das Fach der Geographie während 20 Jahren nie ein hannoverscher Philologe in seine Vorlesungen über Erdkunde verloren habe 3). Allerdings ist das Gutachten des hannoverschen Oberschulcollegiums, das er an bezeichneter Stelle mit abdruckt, nicht sehr schmeichelhaft für die Einsicht desselben in die Bedeutung akademischer Vorbildung für die Lehrer der Geographie, aber im Allgemeinen nur bezeichnend für die Auffassung der directiven Kreise, welche mit Bewusstsein die Schüler jahrelang dem Experimentiren völlig un

1) Vergl. Gött. Gel. Anzeigen 1879, Stück 27. Die etwas eingehenderen methodischen Erörterungen finden sich nach meiner Kenntniss niedergelegt in folgenden Stellen: Gött, Gel. Anzeigen 1851, Stück 95. 1852, Stück 143. 1860, Stück 56. 1872, Stück 14 u. 31. 1874, Stück 19 u. 48. 1875, Stück 25. 1879, Stück 27.

2) Seine Vorlesungen erstreckten sich auf geographischem Gebiet auf zwei Themata, die,,Allgemeine Erdkunde" und Geographie von Amerika, einschliesslich Entdeckungsgeschichte; auf statistischem Gebiet auf,,Allgemeine Statistik", Bevölkerungsstatistik, Statistik einzelner europäischer Länder, besonders Hannovers. Von 1850-70 hat Wappaeus mit einziger Unterbrechung von 2 Jahren nur Geographie von Amerika angekündigt, daneben öfters Bevölkerungsstatistik. Am instructivsten hat er im letzten Jahrzehnt mit der ,,Einleitung in das Studium der allgemeinen Erdkunde" gewirkt, das er im Sommer regelmässig zu lehren pflegte.

3) Gött. Gel. Anzeigen 1875, Stück 25, S. 788.

kundiger Lehrer preisgegeben und dadurch eine wesentliche Mitschuld an den heutigen Mängeln des geographischen Unterrichts auf sich geladen haben.

Wappaeus gehörte nicht zu den Universitätslehrern, die durch Glanz des Vortrags bestachen, durch Frische und Leben der Persönlichkeit weitere Kreise anzuregen vermögen; wer aber schon vorbereitet war, wer sich zu ernsterem Studium bereit erklärte, der lernte viel bei ihm und dem lieh er ohne je zu ermüden Unterstützung nach jeder Richtung. Es kam ihm vor allem darauf an, dass er seine Zuhörer in das richtige Fahrwasser gelehrten Studiums einführte, daher waren seine Literaturnachweise, sein reicher Lehrstoff stets sorgfältig ausgewählt, und es konnte ihn in Verlegenheit setzen, wenn er einen seiner Hörer im Nachschreiben pausiren sah. Nur durch das Wort vermittelte er das Verständniss, höchst selten legte er eine Karte vor, und eigene Zeichnungen an die Wandtafel lagen ihm völlig fern. Aus diesen Gründen sammelte er keinen grossen Schülerkreis um sich, aber die Auserlesenen, die ihn zu schätzen wussten, werden ihm ein warmes Andenken bewahren.

Die letzten Jahre seines Lebens zog sich Wappaeus immer mehr in sein Gelehrtenasyl zurück, ununterbrochen mit wissenschaftlichen Aufgaben beschäftigt. Er hatte sich, wie das so oft zu gehen pflegt, im Alter wieder den Jugendarbeiten zugewendet, der Geschichte der Geographie, innerhalb deren er die Wissenschaft noch mit einem Werke über die nordeuropäischen Seebücher des 15. und 16. Jahrhunderts zu bereichern gedachte '), welche den Portulanos der Südeuropäer entsprechen, aber noch wenig studirt sind. Seit Jahren sammelte er auch Materialien zu einer erschöpfenden Biographie Achen wall's. Wie manches Andere mag noch unter seinen Scripturen und Büchern gefunden werden, deren hochaufgethürmte Ballen dem Besucher dieses Urbildes einer deutschen Gelehrtenstube unvergesslich bleiben werden. Denn kaum fand man zwischen ihnen ein Plätzchen sich niederzulassen. Vor der Zeit hatte der Fleiss die hohe Gestalt mit den feinen, von langem Haar umrahmten Zügen gebeugt. Nur grösste Schonung hat ihn das 68. Lebensjahr erreichen lassen, ein einziger heftiger Stoss warf ihn nieder. Nach kaum zweitägiger Krankheit erlag er am 16. December vorigen Jahres seinem so oft im Winter wiederkehrenden Lungenleiden. Friede seiner Asche! Ein treuer Arbeiter hat sich zur Ruhe gelegt.

1) Gött. Gel. Anzeigen 1879, Stück 3, S. 91.

Europa.

Geographischer Monatsbericht.

Sollte Jemand Neigung verspüren, die portugiesische Provinz Algarve zu bereisen, so rathen wir ihm, das kleine Buch des Frhrn. Herm. v. Maltzan,,Zum Cap S. Vincent” (Frankfurt a. M., 1880) zu lesen. Wenn er dann noch sein Vorhaben ausführt, so darf er sich nicht beklagen, dass er sich eine zu günstige Vorstellung gemacht habe und er nicht vor den Unannehmlichkeiten gewarnt worden

sei. In der That zerstört diese Reiseschilderung die etwa vorhandenen Illusionen gründlich, sowohl was das südliche Klima anlangt, denn das Frühjahr war dort 1879 so rauh und nass wie bei uns, als in Betreff der landschaftlichen Schönheiten, an denen es mit Ausnahme des MonchiqueGebirges fast überall fehlt. Diess hat wohl dazu beigetragen, dass die landschaftliche Schilderung in dem Buche weit zurücktritt gegen die Genrebilder von der Beschaffen

heit der Gasthäuser und Transportmittel, der liebenswürdigen, Fremde gern mit Steinwürfen tractirenden Gassenjugend und den Theegesellschaften. Am meisten ist darin von dem Einsammeln niederer Thiere, namentlich Schnecken, die Rede, da diess der eigentliche Zweck der Reise war, doch erfahren wir von den Resultaten nur ab und zu etwas, ihre Veröffentlichung ist den Fachzeitschriften vorbehalten.

Asien.

am,

Dr. A. Regel ist von seiner Reise nach Turfan 14. December 1879 nach Kuldscha zurückgekehrt, auf welchem Wege, ist uns noch nicht bekannt, wohl aber erhielten wir von dem Reisenden einen aus Turfan, 8. October 1879, datirten Brief, der an sich schon eine Seltenheit, denn Europäer sind seit dem Mittelalter nicht in Turfan gewesen, eine Menge wichtiger topographischer Notizen enthält. Man ersieht aus ihm, dass die vorhandenen Karten, auch die ausführlichsten und neuesten, in Bezug auf die Gegend von Turfan und den nordwestlich davon gelegenen Theil des Himmelsgebirges nicht zu gebrauchen sind. Am. ehesten werden die Angaben des Briefes noch verständlich, wenn man zur Übersicht die Karte von Indien und InnerAsien, nördl. Blatt, des Stieler'schen Hand-Atlas und zur genaueren Orientirung die Karte von Dr. Regel's Reisen, Tafel 20 des Jahrg. 1879 der Peterm. Mittheilungen, zur Hand nimmt; mehr als letztere bietet für diesen Zweck auch die von der kartographischen Abtheilung des Kais. Russ. Generalstabes bearbeitete Generalkarte von Westsibirien in 4 Blatt nicht, da sie für die Karte zu Regel's Reisen benutzt werden konnte; ganz unvereinbar mit dem Briefe ist die russische Karte des Turkistan'schen Militärbezirks in 12 Blatt.

Der Brief lautet:,,Seit dem 16/28. September weile ich in Turfan, das nach meiner Meinung etwa 40 bis 50 Werst östlicher liegt, als die Karten angeben, wenigstens hatte ich vom Meridian von Toksun aus noch über 80 Werst zurückzulegen. Die Chinesen geben diese Strecke zu 90 Li

an.

50 Werst WNW von Toksun liegt der Ausgang der Schlucht des Algoi '), der ein westöstliches, etwa 130 Werst langes Thal mit einem einzigen nordwestlichen Zufluss, dem Tschalgoi, bildet. Das südliche Randgebirge des Algoi, das in den Kuruk-tag 2) ausläuft und im Süden den Taschirkoi speist, reicht in die Schneeregion hinan und bildet die Fortsetzung des Gebirges Chatynbogdo 3), das von den östlichen Zuflüssen des südlichen Chaptschagai durchbrochen wird. Auch diese Zuflüsse bilden in ihrem Oberlauf westöstliche Hochthäler und an den Quellen des Urumtsi, Sandschi und Manas, die diesseit des Irenchabirga-Grates liegen, soll sich das gleiche Hochebenen-System, eine Fortsetzung des Granitplateau's des Kleinen Juldus, wiederholen. Die Axe des Irenchabirga scheint nur sehr allmählich nach Süden abzuweichen und bis Urumtsi seine beträchtliche

1) Alchui der Karte in Stieler's Hand-Atlas. Die 12-Blatt-Karte des Turkistan'schen Militärbezirks lässt den Alchui von Ost nach West fliessen, also in umgekehrter Richtung, was wir nun durch Dr. Regel's Brief definitiv als Fehler erkennen.

2) Kann natürlich nicht der Kuruk-tag im Süden des Bagratschkul sein, sondern wohl das Tschuchui-Gebirge der Karten oder eine Fortsetzung desselben.

3) Katyn-Gebirge der Karte von Dr. Regel's Reisen.

Höhe zu behalten. Es scheint, dass der Irenchabirga am Dabanschan völlig abbricht und im Norden seiner Sanddünen-Ausläufer das Gutschen-Gebirge selbständig anhebt, um später stärker nach OSO abzuweichen. Eine dem Kuruktag parallele Kette existirt bei Turfan eben so wenig wie weiterhin eine Schlucht Borotu und ein Barunkapilgai. Die Stadt Säntsän 1) soll zwischen den Quellarmen des Sandschi liegen und 300 Einwohner besitzen. Die Quellen des Sagastai befinden sich etwa 60 Werst östlich von seiner Vereinigung mit dem nördlichen Chaptschagai. Der etwas OSO abweichende bequeme Übergang von dem Sagastai zum System des südlichen Chaptschagai erreicht eben so wie der Pass-See am Algoi eine Höhe von ca 10000 Fuss. Der gerade Quellarm des Sagastai stösst an den Güringol, den Anfang des Manas, an, der sich ziemlich im Norden von Charamodo am Grossen Juldus befindet. Die Südabhänge des Irenchabirga haben überall einen trockenen Charakter, die Nordabhänge sollen dagegen überall Waldungen besitzen. Die östlichen Hochebenen haben nur an ihren erhabensten Stellen eine interessante Alpenflora. Den Unterlauf des Algoi begleitet ein wildes mächtiges Gestrüpp. von Ulmen, Balsampappeln, Wüstenpappeln, Weiden, Rosen und Tamarix. Die Strecke vom Algoi bis Toksun unterhalb der Sandstein-Vorberge ist völlig vegetationslos; bei Turfan, einer jetzt zum Schemen herabgesunkenen Stadt (tarantschisch-chinesische Festung) hat nur die Bewässerung durch unterirdisch fortgeführte Canäle die Wüste verdrängt und einen zweimaligen jährlichen Fruchtwechsel bedingt.

,,Ich erwarte jetzt von den Chinesen die Entscheidung über Bleiben oder Rückkehr. Dass sie mir die directe Route über Schicho nach Turfan verweigerten, so dass ich nur auf Gebirgswegen hierher gelangen konnte, habe ich seiner Zeit mitgetheilt. Auf der Route über Schicho würde man Turfan in etwa 20 starken Tagereisen erreichen.

,,Noch eine Bemerkung in Betreff der brennenden Berge von Sygaschu, Sandschi (westlich von Urumtsi) und BeitinBogdo (östlich von Gutschen), sie alle sollen nur brennende Kohlenlager haben".

Über den Oberst Przewalsky erhielt die St. Petersburger Geogr. Gesellschaft von der russischen Gesandtschaft in Peking die Nachricht, er habe das südliche Tsaïdam glücklich durchreist und befinde sich auf der grossen, von chinesischen Wachtposten behüteten Strasse, die von China nach Tibet führt.

Potanin ist von seiner Reise in die Mongoler am 1/13. December 1879 in Irkutsk angekommen, um den Winter dort zu verbringen. Während seine Studien vorzugsweis auf die Bewohner der nordwestlichen Mongolei gerichtet waren, jedoch nicht mit Ausschluss geographischer und naturhistorischer Untersuchungen, nahm sein Begleiter Adrianow Menschen, Landschaften und andere Objecte photographisch auf und berücksichtigte die geologischen Verhältnisse des Landes; der Topograph Orlow, der sich ihm seit August angeschlossen hatte, war im südwestlichen Theil der Mongolei thätig.

Bis 6. October 1879 reichende Briefe des Grafen Béla Széchényi sind aus Tsingtu-fu, der Hauptstadt von Szetschuen

1) Zän-tsän-guan südöstlich von Manas.

datirt. Danach verliess die Expedition am 24. September Sining-fu und nahm ihren Weg nach Tsingtu-fu über Tsao-fu, Kung-tsang-fu, Tsin-Chao, Lo-Yang, Kuang-YuenHien und Han-Chao. Für die am 8. October zu beginnende Weiterreise bis Batang an der tibetanischen Grenze war Sicherheit dadurch garantirt, dass der Generalgouverneur von Szetschuen eine Escorte bis dahin zugesagt hatte, aber zufolge der Nachrichten aus Peking vom 27. October soll der chinesische Resident in L'Hasa gemeldet haben, die Bevölkerung Tibets wolle sich nöthigenfalls mit Gewalt gegen den Eintritt jedes Fremden in tibetanisches Gebiet widersetzen 1).

Eine .,Ethnographische Karte von Mittel- Asien", in 1:10 000 000 von Dr. J. Chavanne nach Wenjukow, Rittich, Ujfalvy und Cust bearbeitet, bringt Prof. Arendts' Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik im 4. Heft des 2. Jahrgangs.

Rasch nach seiner Karte von ganz Afghanistan in 1:1 500 000 hat das Stanford'sche Etablissement eine Speoralkarte der weiteren Umgegend von Kabul in 1:126700 angefertigt und publicirt 2). Das sehr grosse Blatt macht durch die wirkungsvoll getuschte Terrainzeichnung, namentlich aus einiger Entfernung betrachtet, einen plastischen Eindruck. Rothe Linien bezeichnen die von den britischen Colonnen zurückgelegten Wege und der grosse Maassstab erlaubte, alle die Punkte anzugeben, die im Verlauf des letzten Krieges genannt worden sind, so dass sich die Karte ganz vorzüglich zur Orientirung bei dem Studium der jüngsten Vorgänge eignet.

Durch die Zeitungen lief vor Kurzem die Nachricht, die französische Regierung treffe Anstalten, Tongkin zu annectiren. Dieses reich bevölkerte Deltaland beschäftigte die französische Regierung schon eine Reihe von Jahren auf das Lebhafteste. Nachdem der Kaufmann J. Dupuis 1870 -1871 den Rothen Fluss und einen Weg zwischen diesem und der chinesischen Provinz Yünnan explorirt hatte, ging auf seine Anregung hin eine französische MarineAbtheilung von Cochinchina aus nach Tongkin und setzte eine etwas abenteuerliche Eroberung des Delta's in Scene, bei welcher der bekannte Reisende Fr. Garnier eine hervorragende Rolle spielte, sie aber mit dem Leben büsste. Die französische Regierung gab dem Unternehmen jedoch keinen Nachdruck, sie dementirte das Vorgehen der Offiziere und schloss 1874 einen Vertrag mit Annam als dem Herrn von Tongkin, in welchem es die Anerkennung des Besitzes von Cochinchina und einige Handelsvortheile erlangte, der aber in Bezug auf die zugestandene politische Beeinflussung Annams und auf die Eröffnung des Rothen Flusses als Handelsstrasse nach dem südwestlichen China ein todter Buchstabe blieb. In den letzten Jahren nun erhob Dupuis Entschädigungs-Ansprüche an seine Regierung, da er durch deren Politik in Bezug auf Tongkin um alle Früchte seiner bedeutenden Auslagen gekommen sei; das Journal officiel de la Rép. française druckte im Januar 1880 zahl- und umfangreiche Documente ab, welche

1) Siehe Ausführlicheres in Wiener Zeitung, 11. Januar 1880. 2) Stanford's New Map of Kabul and the country round as far as Kohistan, Tagao, and Lughman: Gandamak, Kurram, and Shutargarden; the upper Logar, Maidan, and Argandi; with the sites of all the recent conflicts. London, 21 january, 1880.

der Nationalversammlung über diesen Gegenstand vorgelegt wurden, und es ist gut, diese Documente einzusehen, bevor man die ausführliche Darlegung der Sache liest, die J. Dupuis neuerdings in seinem Buche,,L'Ouverture du Fleuve Rouge au commerce et les événements du Tong-kin 1872 -1873, journal de voyage et d'expédition" (Paris, bei Challamel, 1879) gegeben hat. Dieses als zweiter Band der Mémoires de la Société académique indo-chinoise de Paris herausgekommene, mit einer Einleitung von deren Präsidenten Mr. de Croizier und einer grossen Karte von Tongkin, Yünnan &c. in 1:2 000 000 versehene, luxuriös gedruckte Buch bildet in Betreff von Dupuis' Reisen die Ergänzung zu dessen Bericht und Karte im Bulletin de la Soc. de géogr. de Paris, Juli 1877, indem es seine zweite Reise durch Tongkin nach Yünnan und zurück im J. 1873 beschreibt. Der zweite und Haupttheil aber enthält die Geschichte der Intervention und Eroberung und des Rückzugs der Franzosen mit Darlegung der dadurch hervorgerufenen Zustände und Nachtheile. Das Buch ist mithin ein Quellenwerk für ein höchst merkwürdiges Stück der modernen Geschichte Annams.

Gegen Ende des vorigen Jahres ist aus der rühmlich bekannten topographischen Anstalt im Haag eine grosse, schön im Farbendruck ausgeführte Karte der Minahassa in Celebes hervorgegangen: „,Kaart van de Minahassa uit de metingen en opnamen 1851-52 van de heeren S. H. en G. A. de Lange, geographische ingenieurs, die van den heer F. W. Paepke Bulow, landmeter van Manado, en uit eigne metingen en opnamen ontworpen en samengesteld door Mr. S. C. Y. W. van Musschenbrock, Resident van Manado 1875 -1876. 1:100 000. 's Gravenhage, Topograph. Inrichting, 1878". Dieser vierblätterigen Karte schliesst sich jetzt eine andere an, die insofern noch wichtiger ist, als sie ein noch fast unbekanntes Gebiet zum ersten Mal einigermaassen beleuchtet. Herr v. Musschenbrock hat sich viel Mühe gegeben, seine ganze Residenz möglichst kennen zu lernen und diesem Streben verdankt man seine zweite Karte: „Kaart van de Golf van Tomin of Gorontalo en omliggende landen", die vor Kurzem in der Tijdschrift van het Aardrijkskundig Genootschap (T. IV, No. 2) veröffentlicht wurde und einen wichtigen Beitrag zur geogr. Kenntniss von Celebes bildet.

Geschichtliches und Beschreibendes über Osaka giebt Rev. J. Summers in seinen „Notes on Ozaka” (Transactions of the Asiat. Soc. of Japan, VII, Part IV). Nach alten Überlieferungen bespülte das Meer noch 660 vor Chr. den Fuss der jetzigen Oberstadt. Der Name Osaka wird zuerst 1492 erwähnt und ist eine Verkürzung aus Oye no saka; Oye war der Collectivname der früher am Oye (grosser Fluss, jetzt Yodogawa) gelegenen zerstreuten Dörfer. Der Name der Provinz Settsu erscheint zuerst 270 vor Chr. Auf dem Grund des jetzigen Schlosses wurde 1496 ein Tempel gebaut, den eine kriegerisch gesinnte Secte buddhistischer Priester 1534 mit Befestigungen umgab und 1569 -1580 gegen Ota Nobunaga vertheidigte. Taikosama führte das jetzige Schloss auf, aber sein Sohn Hideyori verlor 1615 im Kampfe mit Iyiyasu Schloss und Leben. Die Geschichte des berühmten Tennoji-Tempels (s. Peterm. Mitth. Als 1878, Tafel 9) geht bis auf 593 nach Chr. zurück. sehenswerthe Orte der Umgegend werden erwähnt: Sumi

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