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Literaturbericht.

Königreich Bulgarien und die zentralen Balkanländer zwischen Adria und Pontus. Maßstab 1:864000. Grenzansprüche der Balkanstaaten.- Februar 1913. Nach Originalmaterialien. zusammengestellt von Dr. K. Peucker. Verlag von Artaria & Co.

Es ist eine topographische Karte der zentralen Balkanländer, in welcher Dr. Peucker nachträglich die jetzt von den verbündeten Balkanstaaten, beziehungsweise von Rumänien beanspruchten neuen Landesgrenzen, selbstverständlich nur nach Möglichkeit ungefähr, eingetragen hat. Darin liegt der hohe aktuelle Wert dieser Karte. Durch diese in Farbendruck sehr deutlich dargestellten Grenzlinien wird ersichtlich, wie die Wünsche und Interessen der verbündeten Balkanstaaten einander zuwiderlaufen und welche unnatürliche geographische Gestalt Griechenland und Serbien, auch Bulgarien, erhalten würden, wenn ihnen die weitesten von ihnen teils auf historischer, teils auf einseitiger ethnographischer Basis beanspruchten Grenzen zuteil würden. Die Grenzlinien dieser Karte könnten übrigens noch vermehrt werden, denn bekanntlich gehen die extremsten Wünsche der Albanesen noch weiter nach Osten, bis über Monastir, und hat z. B. Montenegro auch die Drin-Grenze bis zur Bucht von San Giovanni di Medua beansprucht. Der Karte sind von Dr. Peucker auch statistische und historische Tabellen beigegeben, welch letztere, wenn sie besser zusammengestellt wären, den Wert der Karte noch erhöhen könnten. Jedenfalls entspricht diese Karte in diesem Momente einem vielfach gefühlten Bedürfnisse. Anthropos Bibliothek. Heft 4. Le Totémisme chez les Fân par le Rev. Père H. Trilles. XVI und 656 S. Großoktav. Münster i. W. (Aschendorff). Preis M. 20.-.

Sax.

Totemismus ist der seltsame, bei manchen Naturvölkern herrschen de Glaube, mit Tieren (Pflanzen usw.) in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu stehen, weshalb diese Tiere nicht getötet und gegessen werden dürfen und oft auch eine gewisse Verehrung ihnen gewidmet wird. Der Totemismus wurde deshalb von französischen und englischen Ethnologen als die Wurzel jeglicher Religion erklärt. Von großer Bedeutung war und ist der Totemismus für die soziale

Entwicklung, weil die zum selben Totem Gehörenden sich als Verwandte betrachteten und untereinander keine Heirat eingehen durften. Zuerst bei den nordamerikanischen Indianern entdeckt, dann auch reichlich bei den australischen Ureinwohnern gefunden. zeigt sich der Totemismus immer mehr auch bei afrikanischen Völkern. Das vorliegende Werk führt zum erstenmal den Totemismus eines großen und kriegsberühmten zentralafrikanischen Volkes in aller Ausführlichkeit vor, und man wird erstaunt sein, diese merkwürdigen Anschauungen 'und Praktiken hier in einer Reichhaltigkeit und Kompliziertheit zu finden wie kaum bei Indianern und Australiern. P. Trilles, der über 15 Jahre bei diesem Volke als Missionär wirkt und seine schwierige Sprache vollkommen beherrscht, führt hier in äußerst übersichtlicher und klarer Weise die sonst so verwirrenden Einzelheiten vor, die fast das ganze religiöse, soziale und private Leben dieses Volkes durchsetzen: die Anschauungen, Riten, Lieder (in einheimischer Sprache und Musiknoten), alles Dinge, die vielfach in strengstem Geheimnis behütet werden. Fast alle Erscheinungen des religiösen und sozialen Lebens kommen in der Dar-' stellung zur Sprache, so daß uns das Werk einen tiefen Blick in die Seele eines primitiven Volkes tun läßt. Ein Anhang handelt über Kaimane und Zauberer sowie die Tromba (ein psychopatischer Zustand) in Madagascar.

R. H. Francé: Die Alpen. Eine volkstümliche Darstellung der Natur in den Alpen. Mit zirka 500 Abbildungen und 12 Tafeln und Karten in Schwarzund Farbendruck. Erscheint in etwa 40 Lieferungen zu 60 S. Verlag Th. Thomas, Leipzig, Königstraße 3. 1913.

Der als Popularisator der Naturwissenschaften bekannte und in weiten Kreisen geschätzte Autor unternimmt es, in dem nunmehr bis zur 7. Lieferung vorliegenden groß angelegten Werke auf Grund einer eingehenden Verarbeitung der reichen einschlägigen Literatur und ausgedehnter eigener Beobachtungen und Eindrücke den Naturfreunden eine Naturgeschichte der Alpenwelt zu bieten, die ihnen das Verständnis für die Eigenart der alpinen Landschaft, die Besonderheit ihrer Lebewelt und ihrer Kultur erschließen soll. Was dieses Werk von vielen anderen zu gleichen Zwecken geschriebenen unterscheidet, ist die völlige, beabsichtigte Systemlosigkeit seiner Anlage. Zwar gliedert es sich in drei große Teile, einen geologischen und klimatologischen, einen biologischen und einen alpinistisch-geschichtlichen. Jeder Teil aber besteht aus einer Reihe lose aneinander gefügter, feuilletonistisch gehaltener Aufsätze, in denen, ausgehend von einfachen Beobachtungen in der Welt der Alpen, ein Kapitel des betreffenden Wissensgebietes in möglichst volkstümlicher, aber in der diesem Schriftsteller eigenen anziehenden, mitunter allerdings etwas zu farbenreicher Form der Darstellung behandelt wird. So gibt das

erste Kapitel „Waldheiligtum", ausgehend von den Schönheiten der waldigen Voralpen, Gelegenheit, die Zusammensetzung und Entstehung des Flysch und der Flyschzone zu betrachten.,,Verregnete Touren" gibt einen kurzen Abriß zur Klimatologie und Witterungskunde der Hochregionen der Alpen. Der Aufsatz „Der glitzernde Berg" schildert die Vorgänge der Verwitterung, Abspülung und der großen Massenbewegungen. Im Höllental" lernt der Leser die Wirkungen der Tiefenerosion des fließenden Wassers und die Entstehung der Klammen kennen. „Aus der Naturgeschichte des Kalksteins" lehrt die organogene Entstehung der Alpenkalke, namentlich der Dolomitriffe, kennen. Dabei ist die sachliche Richtigkeit stets gewahrt, die neuesten Ergebnisse der Forschung (wie z. B. bei Berührung der Rifftheorie, den morphologischen Wirkungen der eiszeitlichen Gletscher oder der Überfaltungstheorie) sind berücksichtigt, wenn auch, eben als Folge der Anordnung des Stoffes, ein volles Verständnis der berührten Erscheinungen kaum immer erzielt werden dürfte. Doch bringen vielleicht die abschließenden Kapitel in dieser Hinsicht eine befriedigendere Zusammenfassung.

Eigenartig ist auch die illustrative Ausstattung des Werkes. Das Hauptgewicht ist dabei nicht so sehr auf photographische Naturaufnahmen, als auf die vorzüglichen Reproduktionen moderner Gemälde der Alpenwelt gelegt, unter denen uns bekannte Namen, wie Dunzinger, F. Bergen und Heubach, begegnen. Etwas reichlicher hätte wohl die Austattung mit geologischen Profilen und Diagrammen sein können; einige der hier gebrachten sind veraltet (z. B. das Profil durch das Wiener Becken).

So wird das vorliegende Werk gewiß dazu beitragen, das Verständnis für die Erscheinungen der Alpenwelt zu erhöhen und den ästhetischen Genuß mit verständnisvoller Betrachtung zu verbinden. Der Gefahr aller derartiger Werke, nur oberflächliches Halbwissen zu vermitteln, wird der Leser durch gelegentliche Mitbenützung der Originalliteratur zu begegnen haben, auf deren wichtigste Erscheinungen im Text oft hingewiesen ist. F. M.

F. V. Kučera: Das Heldenland Montenegro in der Geschichte. Berlin 1912, Verlag von Karl Marschner.

Mit diesem Büchlein bietet der Verfasser einen zwar bescheidenen, aber willkommenen Beitrag zur Erweiterung des jetzt wichtig gewordenen Wissens über die Geschicke der Balkanvölker. Er gibt zuerst eine kurze Skizze der vorslavischen und der ältesten slavischen Geschichte des Landes bis zur Gründung des selbständigen Fürstentums Zeta (des Stammlandes Montenegros) durch Balša I. im Jahre 1356, dann eine Übersicht der Geschichte dieses Fürstentums unter den Balšiden, den Crnojević und den wählbaren Metropoliten (Vladikas) bis zur Wahl des Danilo Petrović Njeguš, des Stammvaters der gegenwärtigen weltlichen Dynastie im Jahre 1697. Von hier an ist die Geschichte ausführlich behandelt und sind besonders die

vielen großen und kleinen Kämpfe mit den Türken und Albanesen bis zum Jahre 1880 weitläufig erzählt. Interessant ist es, in dieser Periode die zweihundertjährigen Beziehungen Montenegros zu Rußland zu verfolgen. Die innere Geschichte ist dann noch kurz bis zum Jahre 1911 weitergeführt. Den Schluß bildet ein kurzes patriotisches Gedicht des gegenwärtigen Königs Nikolaus. Der Stil des Werkchens verrät an manchen Stellen den serbischen Urtext, doch leidet darunter keineswegs die Klarheit. Sax.

Hugo Hassinger: Wiener Heimatschutz- und Verkehrsfragen.1) 29 S. G. Freytag & Berndt, Wien

1912.

Derselbe: Kunsthistorischer Plan des I. Bezirkes der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. 1:10.000. Mit kurzem erläuternden Text. Ebenda. 1912. Preis K -.60.

Einer der heute in allen Kreisen der Wiener Bevölkerung meist ventilierten, aber, wie es scheint, an den in letzter Linie entscheidenden Stellen in ihrer ganzen Tragweite noch nicht gebührend gewürdigten oder geradezu verkannten Fragen, der Bewegung gegen die Zerstörung des Wiener Stadtbildes durch die sogenannten Forderungen des Verkehrs, sollen die hier angezeigten Publikationen dienen. Hassinger hat sich der enormen Aufgabe unterzogen, durch Begehung der ganzen Stadt, und zwar von Haus zu Haus, durch eingehendste Beobachtung und Aufzeichnung alles für diesen Zweck Berücksichtigungswerten, zu einer kartographischen Aufnahme des Wiener Stadtbildes zu gelangen und damit Vorarbeiten zu einem Kunstatlas von Wien zu schaffen, der, abgesehen von seiner wissenschaftlich-künstlerischen Bedeutung, auch ein Wegweiser werden soll bei der Lösung der städtischen Verbauung, der Stadt regulierung, des Denkmal- und Heimatschutzes, des Verkehrs, der Wohnungsfürsorge, der Hygiene usw. Die Ergebnisse dieser Begehungen wurden auf Bezirkspläne eingezeichnet und ist bisher der kunsthistorische Plan der Inneren Stadt erschienen. Alle aufgenommenen Baudenkmale. vom Mittelalter bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts, sind nach sechs Bauperioden ausgeschieden und mit verschiedenen Farbentönen eingetragen. Außerdem wurden in den ländlichen Bezirken noch als siebente Gruppe die alten, von der städtischen Kunstentwicklung unberührt gebliebenen Bauern- und Weinhauerhäuser ausgeschieden. So stellen diese Pläne ein Augenblicksbild des Bauzustandes Wiens dar, sie ermöglichen einen Einblick in die Art und Weise seines räumlichen Wachstums und halten, vom lokalhistori

1) Nach einem am 22. März 1912 im Verein für Landeskunde von Niederösterreich gehaltenen Vortrage.

schen Interesse abgesehen, eine Reihe allgemeiner, kunsthistorisch und kulturgeographisch wichtiger Tatsachen fest. Sie dienen aber auch als Waffe im Kampfe des Heimatschutzes gegen die zerstörenden Tendenzen unserer Tage. In der Vertretung dieser Schutzbewegung führt Hassinger eine, wie man hoffen sollte, überzeugende Sprache. Er zeigt, wie unberechtigt der ihr so oft gemachte Vorwurf der Rückschrittlichkeit ist, wie gerade in Wien in geradezu sinnloser Weise zerstört wird, indem man mit der Erhaltung einzelner Objekte oder Teile derselben vertröstet, ohne die Zerstörung künstlerisch wirkender Gesamteindrücke und einheitlicher Straßenbilder zu beachten, wie vollkommen zwecklos die Zerstörung auch bereits in die Wiener Landschaft eingedrungen ist; er zeigt ferner, wie diese Heimatschutzbewegung mit der Frage der Wohnungsfürsorge verbunden werden und dem Fremdenverkehr dienen kann, wie bei weiterer Fortdauer der gegenwärtig beliebten,,Stadtregulierung" Wien die Zugkraft des historischen Charakters verloren haben wird, ohne eine andere dafür eintauschen zu können, wie der ganze Generalregulierungsplan, am grünen Tische gemacht, nur Verkehrsrücksichten, aber häufig genug eingebildeten oder falschen, dient, wie unendlich viel bereits verloren gegangen ist oder demnächst zum Opfer fallen soll. Endlich resümiert der Verfasser seine Forderungen vom Standpunkt des Wiener Heimatschutzes: Vermessung und Aufnahme der zu demolierenden Häuser zum Zwecke der Sammlung von Material für die Kenntnis des alten Bürgerhauses; Revision der Bauordnung und des Regulierungsplanes; Ortsgesetz gegen die Verunstaltung des Stadtbildes durch Reklame etc., Errichtung eines städtischen Denkmalschutzamtes und künstlerische Leitung des Stadtbaues, Ankauf der wertvollsten Objekte, Steuerermäßigungen etc., Reassumierung der bereits gefaßten Beschlüsse über die Herstellung der großen Durchbrüche in der Altstadt, Ausgestaltung des Wiener Verkehrsnetzes zur Entlastung der historischen Teile, zur Vergrößerung und Auflockerung des Siedlungsraumes; kurz: kommunale Verkehrs- und Tarifpolitik, die von sozialpolitischen und nicht von fiskalischen Gesichtspunkten ausgeht.

Hassingers Schrift ist der Notschrei eines guten, verständig und ideal denkenden Wieners in letzter Stunde. Möge er Gehör finden namentlich bei denen, die die ethischen, ästhetischen und materiellen Interessen der Bevölkerung zu vertreten und zu wahren haben, möge er ihnen Inhalt und Tragweite der Heimatschutzbewegung klar machen und sie erkennen lassen, daß „Patriotismus und nationale Gesinnung blutleere, haltlose Abstraktionen bleiben, wenn sie nicht in einem gefühlsmäßigen Erfassen des Heimatsbegriffes wurzeln"! Machatschek.

Österreichische Eisenbahnstatistik für das Jahr 1911.

Der von dem k. k. Eisenbahnministerium herausgegebene, im größten Maßstab angelegte Band über die Bewegung der österreichi

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