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c) Rechtschaffende oder gesetzgebende Gewalt

wird im ausgedehntesten Mafse dem König zugeschrieben bei der Gründung des Staats und es gehört dahin auch der Zug, welcher den Numa zum Schöpfer der religiösen Einrichtungen macht. Allein diese Stellung hat sich schon bei der Darstellung des Gründungsakts für uns reduziert auf Mitwirkung bei der Festsetzung des stadt- und staatgründenden Grundvertrags. Dies war auch für die Zukunft mafsgebend; denn - ob ausgesprochen oder nicht es war die natürliche Konsequenz eines solchen Vertrags, dafs nicht blofs Anderungen an demselben, sondern auch die Weiterbildung nur wieder auf vertragsartigem Wege vorgenommen werden sollten. Die Überlieferung drückt dies in der Erzählung von Tarquinius Priscus und dem Augur Attus Navius so aus: was Romulus nach Einholung der Auspicien eingerichtet, dürfe verändert oder durch Neues ersetzt und vermehrt werden wieder nur, wenn die Auspicien es gutheifsen.1) Dasselbe Prinzip ergiebt sich auch nach unsrer Auffassung daraus, dafs das Königtum nicht erblich, sondern lebenslänglich ist; so sind denn auch die einseitigen Verordnungen eines Königs nur an seine Lebenszeit gebunden. Es werden nun aber auch den Königen nach Romulus bleibende Einrichtungen und Änderungen der bestehenden Grundeinrichtungen zugeschrieben, ohne dafs von der Mitwirkung eines andern Faktors die Rede

Ferner während sonst bei der Kriegserklärung wie der Bürgerrechtserteilung das Volk als gesetzgebend mitwirkt, wird beides auch vom König allein ausgesagt.2) Indessen lässt sich dies unschwer zurecht legen. Dafs über eine Kriegserklärung der wehrhafte Populus, in der Königszeit also die Kurien befragt werden sollten, hat die Überlieferung aus der konstanten Praxis der späteren Zeit gewifs mit Recht als ursprünglich angenommen, weil es in der Natur der Dinge lag; wo also von einseitiger fähiger (s. oben S. 11 A. 2), in strafrechtlicher auf Aberkennung gentilicischer Ehren und Vorteile, aber das letztere schliefst sich an die öffentliche Strafgewalt an, so bei M. Manlius Capitolinus die Verfemung seines Vornamens Liv. 6, 20, bei Cäsar die Entziehung gentilicischen Erbrechts Suet. Caes. 1.

1) Liv. 1, 36: id quia inaugurato Romulus fecerat, negare Attus Navius neque mutari neque novum constitui, nisi aves addixissent, posse. Dion. 3, 71: ὁ Νέβιος μόνος ἀντεῖπε κατὰ τὸ καρτερὸν οὐκ ἐῶν κινεῖν τῶν ὑπὸ Ρωμύλου κατασταθέντων οὐδέν.

2) Vgl. Liv. 4, 4, 7: nobilitatem istam vestram, quam plerique oriundi

Gesetzgebende
Gewalt,

Erklärung eines Angriffskriegs die Rede ist, liegt nur eine kurze ungenaue Ausdrucksweise zu Grunde. Dafs dagegen die Beendigung des Kriegs als unmittelbar zusammenhängend mit der Führung desselben rechtlich dem König allein überlassen war, läfst sich, wie bemerkt1), noch aus der republikanischen Praxis erkennen. Änderungen im Bestand der Geschlechterzahl durch Aufnahme neuer Geschlechter, beziehungsweise was im reinen Geschlechterstaat dasselbe war - durch Erteilung des Bürgerrechts an einzelne, werden angesehen als die Grundlagen des Staats und die Geschlechterrechte berührend, so dafs, wie der Abschnitt über die Kuriatkomitien zeigen wird, der König auch hier nicht einseitig vorgehen kann; überhaupt kann er die Geschlechts- und Familiensitte nicht einseitig ändern. Was sodann neue politische oder religiöse Einrichtungen betrifft, so haben wir bei der Beschaffenheit der Überlieferung von dieser aus kein Urteil darüber, auf welchem formellen Wege einzelne Reformen geschaffen wurden, dürfen aber nach den oben gegebenen Prinzipien annehmen, dafs man schon jetzt zu unterscheiden wufste zwischen Gesetz und Verordnung, zwischen dem, was an der Person des jeweiligen Herrschers hing und dem, was über die einzelne Regierungszeit hinausging, zwischen materiellem und formellem Recht, zwischen Rechtsschaffung oder neuerung und Rechtsauslegung oder -anwendung, und dafs der materielle Massstab für diese Unterscheidung im allgemeinen gegeben war durch die Bestimmungen, welche die lex curiata de imperio enthielt; bei diesen aber ist die Mitwirkung der Kurien schon im Ausdruck gegeben. Wenn aber daneben auch schon in einem wenig wesentlichen Fall in auffallender Weise von zwei verschiedenen ex Albanis et Sabinis non genere nec sanguine sed per cooptationem in patres habetis aut ab regibus lecti aut post reges exactos iussu populi verglichen mit 1, 30: Roma interim crescit Albae ruinis; duplicatur civium numerus

principes Albanorum in patres legit, dagegen Dion. 4, 3: 'Pooμaior αὐτὸν (sc. τὸν Τύλλιον) ἐκ τοῦ δήμου μεταγαγεῖν ἠξίωσαν εἰς τοὺς πατρικίους ψήφους ἐπενέγκαντες ὥςπερ Ταρκύνιον τε πρότερον καὶ ἔτι πρὸ τούτου Nouav Пouлiliov; ferner Liv. 1, 30, 4: hac fiducia virium Tullus Sabinis bellum indicit, dagegen 1, 32, 13 unter Ancus Marcius: quod populus Romanus Quiritium bellum cum priscis Latinis iussit esse, in der allerdings aus spätrer Zeit in die der Könige übertragenen Formel (Schwegler 1, 662. A. 3), aber unter der Voraussetzung bei dem Übertragenden, dafs sie damals schon galt; vgl. auch 1, 49, 7: hic enim regum primus bellum pacem foedera societates per se ipse iniussu populi ac senatus fecit diremitque. 1) ob. S. 66. A. 1.

Quellen eine Bestimmung, die Annahme der Königsinsignien von den Etruskern, hervorgehoben wird als dem Wege der Gesetzgebung überlassen1), so ist dies konstruiert aus gesetzlichen Anordnungen dieser Art in republikanischer Zeit.2)

Es gab im Altertum eine Sammlung von sog. leges regiae, welche nach dem angeblichen Verfertiger, S. Papirius, das jus Papirianum genannt wurde. Was als darin zusammengestellt bei den Schriftstellern citiert wird, sind nicht Volksgesetze, sondern Vorschriften und Verbote des sakralen Rechts, die man an die Namen von einzelnen Königen knüpfte. Bei diesem Charakter der Sammlung kann für die Befugnis der Könige, materielles Recht zu schaffen, nichts daraus abgeleitet werden.3)

und Insignien

3. Das Königsamt ist nicht wie die spätere Magistratur Emolumente blofs ein honor, ein Ehrenamt, sondern als bleibende Stellung des Königs. mit materiellen Vorteilen ausgestattet. Es soll dem König ein besonderer Anteil am ager publicus ausgesondert worden sein, dessen Ertrag für ihn bebaut wurde.') Vielleicht war damit ver

1) Cic. de rep. 2, 31: ut advertatis animum, quam sapienter iam reges hoc nostri viderint tribuenda quaedam esse populo multa enim nobis de eo genere dicenda sunt ne insignibus quidem regiis Tullus nisi iussu populi est ausus uti. Dion. 3, 62: taútais pèv tuais (die etrusk. Insignien) ὁ Ταρκύνιος οὐκ εὐθὺς ἐχρήσατο λαβών, ὡς οἱ πλεῖστοι γράφουσι τῶν Ρωμαϊκών συγγραφέων, ἀλλ ̓ ἀποδοὺς τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ τὴν διάγνωσιν εἰ ληπτέον αὐτά.

2) Mommsen, r. Staatsr. 1, 356 A. 1.

3) Pomponius in Dig. 1, 2, 2, 2: Romulus leges quasdam et ipse curiatas ad populum tulit, tulerunt et sequentes reges; quae omnes conscriptae extant in libro S. Papirii, qui fuit illis temporibus, quibus Superbus, Demarati filius, ex principalibus viris. Is liber, ut diximus, appellatur ius civile Papirianum. Zusammenstellungen der dazu gehörigen leges regiae bei Dirksen, Kritik u. Auslegung der Quellen des röm. Rechts. 1823. p. 234–358. Bruns, fontes iur. rom. 1-14. M. Voigt, über die leges regiae in Abh. der sächs. Gesellsch., philol.-hist. Kl. Bd. VII (1876) 555-825. Kritische Behandlung ihrer Bedeutung bei Rubino, Untersuch. p. 400 ff. (Aufzeichnungen des religiösen Gewohnheitsrechts 407), Schwegler 1, 23 ff. (,,uralte Gewohnheitsrechte oder Priestersatzungen"); daselbst auch über die verschiedenen Papirii. Mommsen, r. Staatsr. 2, 41–44: („Kodifikation des exoterischen Sakralrechts, d. h. von Bestimmungen, deren Kenntnis nicht bloss für den Priester, sondern für das Publikum überhaupt wichtig war, eine verhältnismässig junge Privatarbeit und erst spät durch Mifsverständnis oder litterarischen Betrug unter die Gesetzbücher versetzt"). Voigt a. a. O. handelt in wenig kritischer Weise über die Quellen und die Authentie der einzelnen, ibre juristischen Beziehungen und ihren Wert als Geschichtsquelle.

4) Cic. de rep. 5, 3: agri, arvi et arbusti et pascui lati atque uberes

bunden eine besondere Art von königlichen Klienten auf dem Anteil des Königs am ager publicus. In seinem äusseren Auf

treten aber ist der König ausgestattet mit aller Pracht, über welche die damalige Zeit gebot; er wird geschildert als bekleidet in ältester Zeit als Kriegsherr mit purpurnem Kriegsmantel (trabea), in späterer mit purpurverbrämter Toga, als sitzend auf einem elfenbeinernen Stuhle, in der Hand das mit einem Adler verzierte Szepter, auf dem Haupt ein goldnes Diadem; zwölf Diener (lictores) mit Rutenbündeln, in denen Beile stacken, gingen einer hinter dem andern vor ihm her, überall, wo er sei es im Wagen, der nur ihm zustand, oder zu Fufs als König auftrat.1) Das Fremdartige, das diese Insignien haben gegenüber den sonst so einfachen Verhältnissen, läfst die Überlieferung, dafs dieser Schmuck aus der Fremde zu den Römern gekommen sei, und zwar nach der vorherrschenden Erzählung nicht unter dem ersten König, als glaubwürdig erscheinen, zumal da auch sonst gerade Schmuck der erwähnten Art als Produkt etruskischer Kunst erscheint.") Je mehr die Römer in Berührung mit ihren Nachbarn kamen, desto mehr sollte der, der für den definiebantur, qui essent regii quique colerentur sine regum opera et labore, ut eos nulla privati negotii cura a populorum iudiciis abduceret. Serv. ad Aen. 9, 274: mos fuerat, ut regibus pro honore daretur aliqua publici agri particula, ut habuit Tarquinius Superbus in campo Martio; über diesen ager Tarquiniorum als Krongut vgl. auch Liv. 2, 5, 1. Dionys. 3, 1. 5, 13. Es ist unnötig, mit Ambrosch, Studien auf dem Gebiet des altröm. Bodens und Kultus p. 199 f. diese Nutzung auf die priesterliche Stellung des Königs zu beziehen.

1) Liv. 1, 8, 3. (unter Romulus). Dionys. 3, 61. (teils Romulus, teils Tarq. Prisc.), Plin. n. h. 8, 195. 9, 136: purpurae usum Romae semper fuisse video, sed Romulo in trabea; nam toga praetexta et latiore clavo Tullum Hostilium e regibus primum usum Etruscis devictis satis constat. Sall. Cat. 51, 38: insignia magistratuum ab Tuscis pleraque sumpserunt. Mommsen, r. Staatsr. 1, 382 schreibt dem König im Gegensatz gegen die republikanischen Magistrate, welchen nur die sella curulis eigentümlich, auch das solium, den Thron oder hohen Sitz mit Hinter- und Seitenlehnen zu, der sonst dem Hausvater und den Göttern zukommt. Etymologie von sella curulis bei Gell. n. att. 3, 18: senatores dicit (Gavius Bassus) in veterum aetate, qui curulem magistratum gessissent, curru solitos honoris gratia in curiam vehi, in quo curru sella esset, super quam considerent, quae ob eam causam curulis appellaretur. Diese Etymol. angenommen von Corssen, Ausspr. 22, 166. Mommsen, r. Staatsr. 1, 379. dagegen Jordan in Hermes 8, 221 f. und Lange, r. Staatsalt. 1, 317 von curare Pflegestuhl.

2) Vgl. Müller-Deecke, die Etrusker 1, 344 ff.

Staat mit denselben verkehrte, das imponierendste Auftreten haben, das sie in ihrem Gesichtskreis kannten.

Beamten,

4. Die königliche Gewalt fungiert nicht blofs in der Person Die königlichen des Königs, sondern auch in dessen Auftrag durch andere, aber nicht so, dafs diese dabei selbständig handeln. Wenn noch am Anfang der Republik die magistratische Gewalt in dem einen Konsulat vereinigt ist, ein zweites selbständiges Amt daneben nicht existiert, so gilt dies noch viel mehr vom königlichen Imperium. Alle Gewaltübung geht von diesem aus; wer neben dem König amtlich fungiert, hat nur abgeleitete Vollmacht (imperium mandatum).1) Dabei ist es im Prinzip gleichgiltig, ob das betreffende Amt ein vorübergehendes oder bleibendes ist, wie denn auch das bleibende aus gelegentlich und zeitweilig eingesetztem hervorgegangen sein wird. Ebenso besteht nur ein relativer Unterschied zwischen solchen Ämtern und der Beauftragung von Senatoren mit Entscheidung einzelner Fälle.) Der angeführte Gesichtspunkt gilt im Prinzip auch von den priesterlichen Beamten, soweit sie eine Art von Gewalt ausüben; doch ist es nicht der einzige Gesichtspunkt, der bei den priesterlichen Stellungen in Betracht kommt.

Die aus königlichem Auftrag fungierenden Beamten, welche erwähnt werden, sind folgende:

a) weltliche:

a) Der praefectus urbi oder urbis, Stellvertreter des Königs in Fällen seiner Abwesenheit aus der Stadt. Wie weit der Kreis seiner Befugnisse reichte, ist in der Königszeit mehr abhängig zu denken von der Anweisung des Königs und augenblicklichen Verhältnissen als wie später von staatsrechtlichen Gesichtspunkten.")

1) Wahl ist also ausgeschlossen; vgl. hins. der Quästoren S. 78. A. 1. der Duumvirn Liv. 1, 26, 5: rex: IIviros, inquit secundum legem facio. 2) Ähnlich ist auch in der Erzählung von der Usurpation des Servius Tullius Liv. 1, 41, 5 f. Dionys. 4, 5 die Stellvertretung für den erkrankten König in dessen Auftrag.

3) Tacit. ann. 6, 11: antea profectis domo regibus ac mox magistratibus, ne urbs sine imperio foret, in tempus deligebatur, qui ius redderet ac subitis mederetur; feruntque ab Romulo Dentrem Romulium, post ab Tullo Hostilio Numam Marcium et ab Tarquinio Superbo Sp. Lucretium impositos; dein consules mandabant. Sonst ist das einzige Beispiel aus der Königszeit der von Tarq. Sup. zurückgelassene Sp. Lucretius Liv. 1, 59. Der Titel bei Liv. stets pr. urbis, bei anderen auch urbi; der technische Ausdruck ist relinquere praefectum.

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