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sein eines Diktators von diesem ernannt.1) Vor Einsetzung der Prätur mufste, sofern nicht in den Jahren des Konsulartribunats die zahlreicheren Kollegien desselben eine solche Aushilfe überflüssig machten, die Präfektur sehr häufig in Anwendung kommen, später wurde sie in Kriegsfällen durch die Prätur überflüssig gemacht.) Nur während der Tage des Latinerfestes, zu welchem sämtliche ordentliche Beamte auf mehr als einen Tag sich auf den Albanerberg begaben, aber freilich auch von Geschäften kaum die Rede war, wurde alljährlich ein Stadtpräfekt bestellt.3) Es genügte dies aber, um dieses Amt, das dann seit Cäsar wieder in ernstliche Verwendung kam, in Erinnerung zu erhalten.

Auch der Stadtpräfekt hat, ob er gleich nicht vom Volkę gewählt ist, doch die Stellung eines Magistrats, und die Befugnis zu allem, was die hauptstädtische Verwaltung an Geschäften mit sich brachte; die kurze Dauer seiner Funktion hatte aber, wie beim Interrex, zur Folge, dafs er sich in dem, was er in Behandlung nahm, nach der mutmafslich ihm gewährten Zeit richtete. War vollends ein Justitium angeordnet, so war sein Amt auf die polizeiliche Aufsicht und militärische Hut der Stadt beschränkt.*)

§. 46. Die nur geschichtlich zählenden vorübergehenden Formen von aufserordentlicher höchster Gewalt.

Geschäfts

stellung.

Verfassung.

1. Systematischer Betrachtung können aufser denjenigen Stellung zur Ämtern, welche bei ihrer Einführung als unter gewissen Verhältnissen regelmäfsig wiederkehrend gedacht wurden, auch die

1) Liv. 3, 3, 6: (Quinctius cons.) cum iustitio indicto profectus ad tutandos fines esset, Q. Servilio praefecto urbis relicto; über den Dikt. s. Liv. 8, 36, 1 in folg. A.

2) Sofort scheint diese Konsequenz übrigens nicht gezogen worden zu sein; denn Liv. 8, 36, 1 (postquam dictator praeposito in urbe L. Papirio Crasso in castra rediit) kann doch wohl nur die Einsetzung eines Stadtpräfekten, nicht die Übergabe der Geschäfte an einen Prätor bezeichnen, da dann das letztere Amt hätte bezeichnet werden müssen.

3) Pompon. in Dig. 1, 2, 2, 33: quotiens proficiscuntur (magistratus), unus relinquitur qui ius dicat; is vocatur praefectus urbi; postea fere latinarum feriarum causa introductus est et quotannis observatur. Über die Teilnahme der Beamten an dem Latinerfest Dionys. 8, 87.

4) s. vorherg. A.; ferner Tac. ann. 6, 11: ne urbs sine imperio esset, in tempus deligebatur qui ius redderet et subitis mederetur. Liv. 3, 8, 11: Q. Fabius praeerat urbi; is armata iuventute dispositisque praesidiis tuta omnia ac tranquilla fecit.

Charakteristik des Decemvirats.

jenigen unterzogen werden, welche zwar geschichtlich vorübergehend sind, aber ihrem Ursprung und ihren Attributen nach sich innerhalb des Rahmens der republikanischen Verfassung halten. Während dies auf Stellungen wie die Diktatur Sullas nicht zutrifft, findet es dagegen Anwendung auf das Decemvirat und Konsulartribunat. Es liegt innerhalb der republikanischen Verfassung, dafs das ordentliche höchste Amt nicht die einzig mögliche Regierungsform ist, sondern wie in Interregnum, Diktatur und Stadtpräfektur öfter wiederkehrende Ergänzungen vorgesehen sind, so auch entweder für einzelne einmal erwachsende Zwecke oder für gewisse auch länger dauernde geschichtliche Verhältnisse der allgemeinen Politik andere Formen eintreten können, wenn sie nur auf dem Wege der Gesetzgebung eingeführt und in ihren Befugnissen gesetzlich definiert werden. Der erste jener zwei Fälle liegt vor im Decemvirat, der zweite im Konsulartribunat.

A) Die decemviri legibus scribendis.')

2. Wie man sich auch genauer den Ursprung des Decemvirats vom J. 451 denken mag, so viel ist sicher, dafs es einem aus Kompromifs der Parteien hervorgegangenen Gesetzgebungsakt sein Dasein verdankt, also einen legitimen Ursprung hat. Der Zweck der durch das betreffende Gesetz aufgestellten Magistratur des Zehnmännerkollegiums war der beschränkte der Herstellung eines Landrechts; aber die Stellung war zugleich als allgemeine Amtsgewalt bestimmt, was um so leichter geschehen konnte, wenn die Initiative zur Gesetzgebung damals noch ausschliefslich der Magistratur zustand. Dafs in dem Einführungsgesetz die Schranke der Provokation beseitigt wurde, ist sicher, weil in dem glaubwürdigen Abschaffungsgesetz darauf Rücksicht genommen ist, aber dies hatte seine Analogie in der Diktatur, einer damals schon in die Verfassung aufgenommenen Gewaltsform. Weiter ist von dem, was oben über diese Behörde gesagt wurde, als charakteristisch auszuheben, dafs die Dauer dieser Regierungsform beschränkt war durch die Erfüllung des Zwecks, innerhalb dieses Rahmens aber jährliche Neuwahl stattfinden sollte, sowie dass während derselben zwar das Tribunat wegfiel, dagegen die kollegiale Intercession galt, so dafs also mit der Jährigkeit und

1) Vgl. oben S. 174-187 die geschichtliche Darstellung und die dazu gehörigen Belege.

Kollegialität die Grundprinzipien der republikanischen Verfassung gewahrt blieben. Endlich wird angenommen, dafs das Produkt des speziellen Auftrags, das Landrecht, nicht einseitig von ihnen erlassen werden, sondern selbst wieder auf dem Wege der Gesetzgebung ins Leben treten sollte. In der laufenden Amtsführung, im Verhältnis zum Senat, der Rechtsprechung, Aushebung, Steuererhebung und dergleichen sollten die Decemvirn an das bisher Geltende gebunden sein. Die Art, wie diese Bedingungen eingehalten und verletzt wurden und wie die Verletzung ihre Strafe fand, macht die Geschichte des Decemvirats aus. Das Gesetz, welches nach seinem Sturze erlassen wurde, sollte zwar, wie wir gesehen, nicht die provokationslose Diktatur, aber eine der gestürzten ähnliche Regierungsgewalt fortan unmöglich machen; d. h. eine Gewalt ohne Provokation unter Aufhebung der legitimen Magistratur auch nur auf ein Jahr an die Spitze des Staats zu stellen, wurde jetzt als unverträglich mit der Republik erklärt.')

B) Das Konsulartribunat.

Einrichtung.

3. Die Absicht bei Einführung dieses Amts war, wie wir Die Motive der gesehen), die eine weitergehende Forderung der Plebejer vorläufig zu vereiteln. Nicht eine besondere Aufgabe war demselben gestellt, sondern die gewöhnlichen Befugnisse des ordentlichen Amts wurden einer besonderen Form der Magistratur, in welcher beide Stände vertreten wären, übergeben, jedoch nicht Jahr für Jahr, sondern nach jährlich zu treffender Bestimmung im Wechsel mit dem Konsulat, das rein patricisch bleiben sollte. Die Einführung dieses Kompromifsinstituts geschah auf richtigem gesetzlichen Wege, und zwar nach unsrer Ansicht durch ein Spezialgesetz vom J. 445.3) Die Attribute waren nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern man kann eher daran denken, dafs die Befugnisse beschränkter waren als die des Konsulats. Die Geschichte zeigt diese Einrichtung auf die Periode von 444 bis 367 beschränkt, und dafs sie blofs vorübergehend sein sollte, war jedenfalls die Meinung der Plebejer, die nur eine Abschlagszahlung darin sehen konnten; im Interesse der Patricier lag es, dafür zu sorgen, dafs diese Frage im Gesetze gar nicht berührt wurde. Das Motiv für die

1) oben S. 188 f. und S. 723 f.

2) oben S. 201 ff.

3) Dies wird Livius 4, 7 nicht gesagt, aber 4, 35, 11 als geschehen angenommen.

Form dieser Magistratur lag in der Natur der Stellung der Militärtribunen. Wir sind zwar wie über die Gestaltung des Heerwesens vor Camillus so auch über die Funktion der Militärtribunen auf Vermutungen angewiesen; aber so viel läfst sich noch aus der späteren Stellung dieser Offiziere entnehmen, dafs sie zur Zeit der Einführung des Konsulartribunats unter den Konsuln abwechslungsweise ein Kommando führten, das sich auf die ganze jedesmalige Phalanx des Fufsvolks bezog, also in militärischer Beziehung eine der des Oberfeldherrn sich nähernde Übersicht über die Truppen hatten; im bürgerlichen Leben gab es damals, da die Quästoren ganz untergeordnet waren, keine Stellung, welche der konsularischen so nahe stand wie diese militärische, und wenn später noch Männer von höchstem Rang sich ihr unterzogen, so wird dies damals auch der Fall gewesen sein. Diese Stellung war zugleich wohl schon von Servius her oder vom Anfang der Republik an den Plebejern zugänglich, und da die Offiziere jährlich bei jeder Aushebung der Legio neu bestellt wurden, so bot auch der jährliche Wechsel einen Anknüpfungspunkt; endlich konnte man die Zahl der jährlich bestellten für die Teilung der Kriegsschauplätze und der Geschäfte der bürgerlichen Verwaltung verwerten.1) Die Anwendung dieser Motive geschah in folgender Weise: Die Bestimmung darüber, ob für das nächste Jahr Konsuln oder Konsulartribunen bestellt werden sollten, stand beim Senat, auf dessen Entschlufs die Volkstribunen höchtens durch Anregung einwirken konnten); entschied sich dieser für die letztere Alternative, so ordnete er an, dafs von den sechs tribuni militum des nächsten Jahrs ein Teil nicht wie bisher von einem Oberbefehlshaber ernannt, sondern vom Volke in Centuriatkomitien gewählt werden sollte, und zwar wird es dem Senat auch freigestanden haben, die Zahl zu bestimmen. Aus den Angaben über die jeweilige Besetzung ist zu entnehmen, dafs während anfangs nur drei oder vier, von 405 an meist sechs für das Jahr bestellt wurden.3) Wie dann für die Funktion der gewöhnlichen tribuni

1) Einen Beleg dafür, dass man eben die militärische Stellung zu einer politischen erhob, kann man auch darin finden, dafs in den capitolinischen Fasten und, wie es scheint, auch in den Verzeichnissen der feriae Latinae (ephem. epigr. 2, 95) der Titel einfach tribuni militum lautet.

2) Liv. 4, 7, 7. c. 12, 4 wird zwischen Regierung und Volkstribunen darüber gestritten.

3) Über die Bestimmung der Zahl lauten die Berichte der Alten wesent

militum gesorgt wurde, wird nicht berichtet; es läfst sich vermuten, dafs die als Magistrate gewählten nach wie vor bei der Aushebung Legionsführer von rein militärischer Bedeutung bestellten, nur dafs vielleicht die Bezeichnung geändert wurde. Wie oft diese Magistratur zur Anwendung kam und in welcher Weise die beiden Stände jeweilig darin vertreten waren, ist oben (S. 205) angegeben.

4. Die Gewalt, welche den gewählten tribuni militum übergeben Befugnisse

lich verschieden. Nach Dionys. 11, 60, dem Dio-Zon. 7, 19 und Plut. Cam. 1 folgen, sollten von Anfang an sechs gewählt werden; die Wahl von nur dreien und zwar Patriciern erklärt sich dann dadurch, dafs diese sind tys

ov nýgio (Dionys. 11, 61). Nach Livius wurden successiv je infolge besonderer Bestimmungen ob durch Gesetz oder Senatsbeschlufs, wird nicht gesagt zuerst drei (4, 6, 9), dann sogleich beim zweiten Mal sechs (c. 16, 6) gewählt; aber von der Zahl sechs ist auch nach ihm nicht immer Gebrauch gemacht worden, es werden bald drei, bald vier (zuerst 4, 26), gewählt, von 405 aber (Liv. 4, 61. Diod. 14, 17) nach Diodor meist, nach den capitolinischen Fasten und Liv. stets sechs. Die achtstelligen Kollegien, welche Diodor 15, 50. 51 für 380 und 379 hat und die auch der Kaiser Claudius in seiner Rede kennt (vgl. oben S. 201 A. 1), reduzieren sich nach den capitolinischen Fasten auf sechsstellige mit zwei Censoren. Darf man mit Mommsen abgesehen von der zuletzt erwähnten Ungenauigkeit die diodorischen Fasten als die älteren und zuverlässigeren ansehen, so wird die Annahme, dafs von 405 ab eine besondere Bestimmung sechs eingeführt hätte (Schwegler 3, 116), nur möglich, wenn man auch die Ausnahmen erklärt; auch sind verschiedene Kombinationen der Zahl der Konsulartribunen mit der Censur, die man versucht hat, abzuweisen. Wer eine von Anfang an geltende Regel annimmt, mufs die verschiedenen Abweichungen verständlich machen. Lange und Mommsen nehmen von Anfang die Maximalzahl sechs an, erklären dann die unvollständigen Kollegien aus den jeweiligen Wahlen, jener daraus, dafs infolge der ungeordneten Bewerbung der Plebejer diese nicht die nötige Stimmenzahl erhielten, dieser daraus,,,dafs den Tribunen das Kooptations-, bez. Suffektionsrecht der Kollegen gefehlt zu haben scheint, und, da dem die erste Wahl leitenden Beamten die Anordnung einer Nachwahl überhaupt nicht zustand, in dem Fall, wo die erste Wahl nicht für alle sechs Stellen Majorität gab, keine Möglichkeit bestand, das unvollständige Kollegium zu ergänzen" (Staatsr. 2, 176). Allein abgesehen von der Frage, ob die Grundsätze für die Wahlen, auf welche Mommsen hier Bezug nimmt, richtig sind, scheint mir die Annahme, dafs die Führer der Plebejer vor 405 nicht ein einziges Mal eine vollständige Wahl hätten zustande bringen können, unwahrscheinlich. So bleibt nur die Annahme, dafs es bis 406 dem Senat anheimgegeben war, die Zahl der Tribunen innerhalb der Grenzen von drei bis sechs zu bestimmen, von 405 an aber die Zahl sechs fest bestimmt war und nur aus besonderen Gründen in einigen wenigen Fällen nicht voll genommen wurde.

Herzog, d. röm. Staatsverf. I.

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